Aktenzeichen 9 ZB 19.33413
Leitsatz
1. Zur Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (Rn. 2). (redaktioneller Leitsatz)
2. Stützt sich das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung auf bestimmte Erkenntnismittel oder gerichtliche Entscheidungen, ist erforderlich, dass das Zulassungsvorbringen zumindest einen überprüfbaren Hinweis auf andere Gerichtsentscheidungen oder auf vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte sonstige Tatsachen- oder Erkenntnisquellen enthält, etwa entsprechende Auskünfte, Stellungnahmen, Gutachten oder Presseberichte, die den Schluss zulassen, dass die aufgeworfene Frage einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich ist und damit einer Klärung im Berufungsverfahren bedarf (Rn. 4). (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
Au 6 K 18.31655 2019-08-07 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG).
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 26.2.2019 – 9 ZB 19.30057 – juris Rn. 2 m.w.N.). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
Hinsichtlich der aufgeworfenen Frage, „ob türkische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit, die konfessionslos sind und von ihrem Stamm in ihrer Heimatregion daher mit dem Tode bedroht sind, auf eine interne Schutzmöglichkeit i. S. d. § 3e AsylG verwiesen werden können oder ob solche Personen aufgrund ihrer Religion nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG, in ihrer Heimat verfolgt würden, hilfsweise ob dieser Umstand hinreichend wahrscheinlich die Gefahr eines ernsthaften Schadens i. S. d. § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AsylG begründet und somit subsidiärer Schutz zuzuerkennen sein muss, hilfsweise ob diese Umstände zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG führen müssen“, ist bereits die Entscheidungserheblichkeit nicht hinreichend dargelegt. Das Zulassungsvorbringen dazu, dass eine interne Schutzmöglichkeit für konfessionslose Personen, die vor ihrem gesamten Stamm fliehen müssten, problematisch sei, berücksichtigt nicht, dass das Verwaltungsgericht dem Kläger die behauptete Bedrohung durch den Clan oder Stamm schon nicht geglaubt hat. Es setzt sich auch nicht damit auseinander, dass das Verwaltungsgericht außerdem von der Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit des türkischen Staates hinsichtlich Gewalttaten aus dem familiären Umfeld ausging und hinsichtlich der behaupteten Konfessionslosigkeit nicht annahm, dass dem Kläger deshalb in der Türkei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit flüchtlingsrelevante Verfolgung droht. Nur ergänzend führte das Verwaltungsgericht an, dass der Kläger etwaigen Drohungen und Übergriffen in der Westtürkei und insbesondere in Istanbul ausweichen könne.
Außerdem wäre auch die grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit nicht substantiiert dargetan. Stützt sich das Verwaltungsgericht – wie hier – bei seiner Entscheidung auf bestimmte Erkenntnismittel oder gerichtliche Entscheidungen, ist erforderlich, dass das Zulassungsvorbringen zumindest einen überprüfbaren Hinweis auf andere Gerichtsentscheidungen oder auf vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte sonstige Tatsachen- oder Erkenntnisquellen enthält, etwa entsprechende Auskünfte, Stellungnahmen, Gutachten oder Presseberichte, die den Schluss zulassen, dass die aufgeworfene Frage einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich ist und damit einer Klärung im Berufungsverfahren bedarf (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2019 – 9 ZB 18.33046 – juris Rn. 4 m.w.N.). Dem genügt der Hinweis, dass der Kläger am 28. September 2019 eine Todesdrohung per Instagram erhalten habe, nicht. Die Einführung neu eingetretener Tatsachen oder neuer Beweismittel in das Antragsverfahren kommt nur dann in Betracht, wenn im Hinblick auf diese zugleich die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung erfüllt sind, insbesondere, wenn damit eine die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung eröffnende Tatsachenfrage verallgemeinerungsfähiger Tragweite betroffen ist. Solches ist hier nicht dargelegt worden. Betreffen die neuen Tatsachen und Beweismittel hingegen nur Umstände des konkreten Einzelfalls, können diese allein mit einem Folgeantrag (§ 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG) geltend gemacht werden (vgl. BayVGH, B.v. 2.10.2018 – 9 ZB 18.32420 – juris Rn. 6 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der nach § 80 AsylG unanfechtbaren Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).