Verwaltungsrecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag im Asylverfahren

Aktenzeichen  14 ZB 19.30108

Datum:
9.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 1239
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3
VwGO § 138 Nr. 6

 

Leitsatz

1. Nicht mit Gründen versehen ist eine Entscheidung nur dann, wenn die Entscheidungsgründe keine Kenntnis darüber vermitteln, welche tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte für die Entscheidung maßgebend waren und wenn den Beteiligten und dem Rechtsmittelgericht deshalb die Möglichkeit entzogen ist, die Entscheidung zu überprüfen. Das ist nur der Fall, wenn die Entscheidungsgründe vollständig oder zu wesentlichen Teilen des Streitgegenstands fehlen oder sich als derart verworren oder unverständlich darstellen, dass sie unbrauchbar sind. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Antragsbegründung befasst sich nicht näher mit der in der Entscheidung aufgeführten Judikatur und genügt damit nicht dem Darlegungserfordernis des § 78 Abs. 4 S. 4 AsylG. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 2 K 17.31936 2018-11-08 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Soweit Zulassungsgründe i.S.v. § 78 Abs. 3 AsylG ausdrücklich oder sinngemäß geltend gemacht werden, sind sie nicht in einer den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügenden Art und Weise dargelegt bzw. liegen nicht vor.
1. Die Berufung ist nicht wegen eines Verfahrensmangels i.S.v. § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 VwGO zuzulassen.
1.1. Der Berufungszulassungsantrag benennt nicht explizit, auf welche der Ziffern des § 138 VwGO (i.V.m. § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG) er sich bezieht. In der Sache ist der Antrag aber klar dahin auszulegen (§ 88 VwGO), dass eine fehlende Begründung i.S.v. § 138 Nr. 6 VwGO (i.V.m. § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG) gerügt werden soll (vgl. Antragsbegründung S. 3 siebter Absatz, wo von einer “fehlenden Begründung” die Rede ist), und zwar weil das angegriffene verwaltungsgerichtliche Urteil (anders als das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 16.10.2017 – W 8 K 17.31567 – juris Rn. 23, 26) den Umstand, dass der Vater der im Jahr 2017 in Deutschland geborenen minderjährigen Klägerin, der zusammen mit der übrigen Familie der Klägerin ein gesondertes Asylverfahren betreibt (VG Bayreuth, U.v. 8.11.2018 – B 2 K 17.31427) und auf den die vorgetragenen Berufungszulassungsgründe allein bezogen sind, als “Auslandskurde” sein ganzes Leben im Ausland verbracht habe und ein Unterstützer der Kurdistan Democratic Party (KDP-Iran) mit niedrigem Profil sei, nicht abgehandelt habe.
1.2. Entgegen der klägerischen Kritik ist das angegriffene Urteil mit Gründen versehen i.S.v. § 138 Nr. 6 VwGO.
1.2.1. § 138 Nr. 6 VwGO bezieht sich auf den notwendigen (formellen) Inhalt eines Urteils gemäß § 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (BVerwG, U.v. 28.11.2002 – 2 C 25.01 – BVerwGE 117, 228/230). Nach § 117 Abs. 2 Nr. 5, § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO müssen im Urteil die Gründe schriftlich niedergelegt werden, die für die Überzeugungsbildung des Gerichts maßgeblich waren. Nicht mit Gründen versehen ist eine Entscheidung vor diesem Hintergrund nur dann, wenn die Entscheidungsgründe keine Kenntnis darüber vermitteln, welche tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte für die Entscheidung maßgebend waren und wenn den Beteiligten und dem Rechtsmittelgericht deshalb die Möglichkeit entzogen ist, die Entscheidung zu überprüfen. Das ist nur der Fall, wenn die Entscheidungsgründe vollständig oder zu wesentlichen Teilen des Streitgegenstands fehlen oder sich als derart verworren oder unverständlich darstellen, dass sie unbrauchbar sind (BVerwG, B.v. 25.9.2013 – 1 B 8.13 – juris Rn. 13 m.w.N.; BayVGH, B.v. 21.5.2015 – 11 ZB 15.50009 – juris Rn. 2 m.w.N.).
1.2.2. Die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils enthalten Ausführungen zur asylrechtlichen Situation der Klägerin selbst (UA S. 4) und verweisen im Übrigen weitgehend auf den streitgegenständlichen Bescheid (§ 77 Abs. 2 AsylG) sowie entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 8. November 2018 – B 2 K 17.31427 – im parallelen Asylverfahren des Vaters und der übrigen Familienangehörigen der Klägerin. Diese Verweisungstechnik verstößt jedenfalls nicht gegen § 117 VwGO (vgl. BVerwG, B.v. 27.5.1988 – 9 CB 19.88 – NVwZ 1989, 249), zumal das Verwaltungsgericht am 8. November 2018 das vorliegende Verfahren und das Verfahren B 2 K 17.31427 gemeinsam verhandelt hatte und in beiden Verfahren derselbe Klägerbevollmächtigte bestellt war, an den die Entscheidungen jeweils zugestellt wurden. Deshalb führt die Wahl dieser Verweisungstechnik auch nicht dazu, dass ein derart verweisendes Urteil nicht mit Gründen versehen wäre i.S.v. § 138 Nr. 6 VwGO. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs wegen Verweisung auf ein zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht abgesetztes Urteil (vgl. BVerwG, B.v. 27.5.1988 – 9 CB 19.88 – NVwZ 1989, 249/250) ist klägerseits nicht gerügt.
1.2.3. Das in den Entscheidungsgründen des angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Urteils in Bezug genommene Urteil vom 8. November 2018 – B 2 K 17.31427 – weist eine umfangreiche Begründung mit Bezug zum konkreten Sachverhalt der dortigen Kläger, insbesondere des Vaters der Klägerin (UA ab S. 8 vorletzter Absatz), auf und geht dabei (UA S. 12) im Hinblick auf die in der Antragsbegründung angesprochene Frage einer Verfolgungsgefahr beim Vater der Klägerin auch auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 16. Oktober 2017 – W 8 K 17.31567 – (juris) ein, und zwar dahingehend, es könne wegen des niedrigen oppositionellen Profils des Vaters der Klägerin dahinstehen, ob (wie vom Verwaltungsgericht Würzburg angenommen) bei Mitgliedern, Anhängern oder Sympathisanten kurdischer Oppositionsgruppen eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit bereits bei einer abgeschwächten Form oppositioneller Aktivitäten möglich sei. Das angegriffene Urteil geht nämlich davon aus, dass der Vater der Klägerin sich weder exponiert noch überhaupt aktiv für die Organisation eingesetzt hat, wobei es die Bescheinigung der KDP-Iran vom 5. November 2018 als reine Gefälligkeitsbescheinigung und den Vater der Klägerin lediglich als zahlenden Sympathisanten der KDP-Iran einschätzt, zumal der Vater der Klägerin sich von einer aktiven Mitgliedschaft distanziert und erklärt habe, auch im Irak nicht konkret von iranischer Seite bedroht worden oder aufgesucht worden zu sein (UA S. 12 f.).
Mit dieser Argumentation genügt das Urteil in jedem Fall den formalen Begründungsanforderungen i.S.v. § 138 Nr. 6 VwGO (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG) i.V.m. § 117 Abs. 2 Nr. 5, § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO, und zwar unabhängig davon, ob diese Argumentation in der Sache überzeugt oder nicht.
Unabhängig davon kommt vorliegend noch hinzu, dass das Verwaltungsgericht Würzburg im Urteil vom 16. Oktober 2017 – W 8 K 17.31567 – (juris Rn. 36) es bei einfachen Mitgliedern, Anhängern oder Sympathisanten – trotz seiner Annahme, auch ohne exponierte Stellung (abgeschwächte Formen oppositioneller Aktivitäten) sei bei solchen Personen eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit möglich – ausdrücklich für erforderlich hält, dass diese Personen “erkennbar und identifizierbar” in der Öffentlichkeit in Erscheinung getreten sind und zudem ein Verfolgungsinteresse besteht, wofür allein die passive Mitgliedschaft oder die vereinzelte Teilnahme an Demonstrationen nicht genügen soll – bloße Mitläufer seien nicht gefährdet. Es ist nicht ansatzweise vorgetragen, dass diesem Erfordernis – selbst auf der Basis der klägerseits eingeforderten Maßstäbe des Verwaltungsgerichts Würzburg – im Fall des Vaters der Klägerin nach dem hier verwaltungsgerichtlich festgestellten Sachverhalt und auch nach dem Vortrag der Antragsbegründung, die den Vater der Klägerin selbst als “registrierten Sympathisanten” bezeichnet, genügt wäre, weshalb im klägerseits gerügten “Dahinstehenlassen” weiterer, im Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg genannter Aspekte jedenfalls kein Fehlen einer Begründung zu sehen ist.
2. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zuzulassen.
2.1. Die Antragsbegründung hält es für klärungsbedürftig, ob bei Vorliegen der beiden vom Verwaltungsgericht Würzburg im Urteil vom 16. Oktober 2017 – W 8 K 17.31567 – (juris) genannten Gefährdungsraster (mehrere Jahre im Ausland gelebt und Unterstützter mit niedrigem Profil) mit ernsthaften Konsequenzen zu rechnen sei. Vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof sei dies noch nicht grundsätzlich geklärt. Beim Vater der Klägerin lägen beide Eigenschaften kumulativ vor.
2.2. Eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung setzt voraus, dass eine Rechts- oder Tatsachenfrage im konkreten Rechtsstreit klärungsfähig, insbesondere entscheidungserheblich ist, dass diese Frage sich als klärungsbedürftig, insbesondere nicht schon höchst- oder obergerichtlich geklärt und nicht direkt aus dem Gesetz zu beantworten erweist und dass ihr eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (BayVGH, B.v. 28.7.2010 – 14 ZB 09.422 – juris Rn. 8 m.w.N.). Um den auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer innerhalb der Frist des § 78 Abs. 4 Satz 1 AsylG im Hinblick auf § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG (1.) eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren sowie deren (2.) Klärungsfähigkeit, (3.) Klärungsbedürftigkeit und (4.) allgemeine Bedeutung darlegen (BayVGH, B.v. 7.2.2017 – 14 ZB 16.1867 – juris Rn. 15 m.w.N.; B.v. 23.1.2019 – 14 ZB 17.31930 – juris Rn. 2).
2.3. Dies vorausgesetzt legt die Antragsbegründung schon die Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dar i.S.v. § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG. Es ist zu sehen, dass das in den Entscheidungsgründen in Bezug genommene Urteil vom 8. November 2018 – B 2 K 17.31427 – (UA S. 12 erster Absatz) im Hinblick auf das Erfordernis eines exponierten exilpolitischen Engagements obergerichtliche Judikatur zitiert (BayVGH, B.v. 7.12.2012 – 14 ZB 12.30385 – juris; B.v. 29.7.2013 – 14 ZB 13.30084 – juris; OVG NW, B.v. 16.1.2017 – 13 A 1793/16.A – juris) und dass zusätzlich das Verwaltungsgericht Würzburg im Urteil vom 16. Oktober 2017 – W 8 K 17.31567 – (juris Rn. 36) gerade auch bei abgeschwächten Formen oppositioneller Aktivitäten ohne exponierte Stellung es zur Annahme einer beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit für entscheidend hält, ob die Aktivitäten den jeweiligen Asylsuchenden aus der Masse der mit dem Regime in Teheran Unzufriedenen herausheben und ihn als ernsthaften (und gefährlichen) Regimegegner erscheinen lassen, und hierzu wiederum obergerichtliche Rechtsprechung (BayVGH, B.v. 9.8.2012 – 14 ZB 12.30263 – juris; OVG NW, B.v. 6.8.2010 – 13 A 829/09.A – juris) zitiert. Mit all diesen obergerichtlichen Judikaten befasst sich die Antragsbegründung nicht näher und genügt damit nicht dem Darlegungserfordernis des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG.
2.4. Unabhängig davon wird auch die Entscheidungserheblichkeit und damit die Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Frage nicht hinreichend dargelegt. Denn – wie bereits gezeigt (siehe 1.2.3.) – hat das in Bezug genommene Urteil vom 8. November 2018 – B 2 K 17.31427 – (UA S. 12 f.) im Fall des Vaters der Klägerin eine derart inaktive Sympathisanteneigenschaft bei der KDP-Iran angenommen, dass aus seiner Sicht selbst bei Zugrundelegung der im Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 16. Oktober 2017 – W 8 K 17.31567 – (juris Rn. 36) vertretenen Maßstäbe der Vater der Klägerin jedenfalls diesen Maßstäben nicht genügen würde. Die Antragsbegründung legt nicht dar, weshalb es auf die grundsätzliche Klärung der besagten Maßstäbe in einem Berufungsverfahren ankommen sollte, wenn eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit des Vaters der Klägerin auch nach diesen Maßstäben ohnehin nicht anzunehmen wäre.
3. Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt die Klägerin, die dieses Rechtsmittel vorliegend ohne Erfolg eingelegt hat (§ 154 Abs. 2 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird die angegriffene Entscheidung rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylG i.V.m. § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

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