Aktenzeichen 20 ZB 17.30415
Leitsatz
1 Die Geltendmachung der Divergenz als Grund für die Zulassung der Berufung nach § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG erfordert neben der genauen Bezeichnung des Gerichts und der zweifelsfreien Angabe der Entscheidung, von der abgewichen sein soll, die Darlegung, welcher Rechts- oder Tatsachensatz im Urteil des Divergenzgerichts enthalten ist und welcher bei der Anwendung derselben Rechtsvorschrift im angefochtenen Urteil aufgestellte Rechts- oder Tatsachensatz hierzu in Widerspruch steht. (Rn. 2) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Zur Begründung eines auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrags muss der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist, erläutern, weshalb die Frage klärungsbedürftig ist und darlegen, weshalb ihr eine über die einzelfallbezogene Rechtsanwendung hinausgehende Bedeutung zukommt. (Rn. 3) (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Wird im Urteil tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten nicht verarbeitet, lässt sich daraus nicht automatisch auf eine Verletzung rechtlichen Gehörs schließen. Da § 108 Abs. 1 S. 2 VwGO nur zur Angabe der die richterliche Überzeugung leitenden Gründe verpflichtet, muss nicht jedes Vorbringen eines Beteiligten im Urteil ausdrücklich beschieden werden; es ist vielmehr davon auszugehen, dass – sofern keine gegenteiligen Anhaltspunkte vorliegen – das Gericht von ihm entgegengenommenes Vorbringen in seine Erwägungen einbezogen hat. (Rn. 5) (red. LS Clemens Kurzidem)
Verfahrensgang
M 4 K 16.31201 2017-02-08 Urt VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 8. Februar 2017 wird abgelehnt, da die geltend gemachten Zulassungsgründe entweder nicht in einer § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG entsprechenden Art und Weise dargelegt wurden (hierzu 1. und 2.) oder nicht vorliegen (hierzu 3.).
1. Soweit der Kläger den Zulassungsgrund der Divergenz nach § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG geltend macht, sind die Anforderungen an die Darlegung dieses Zulassungsgrundes nicht erfüllt. Die Darlegung der Divergenz erfolgt neben der genauen Benennung des Gerichts und der zweifelsfreien Angabe der Divergenzentscheidung auch die Darlegung, welcher Rechts- oder Tatsachensatz im Urteil des Divergenzgerichts enthalten ist und welcher bei der Anwendung derselben Rechtsvorschrift im angefochtenen Urteil aufgestellte Rechts- oder Tatsachensatz dazu im Widerspruch steht (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 124a Rn. 73 m.w.N.). In vorliegendem Fall enthält der Zulassungsantrag bereits keine genaue Angabe einer Divergenzentscheidung. Darüber hinaus wird auch kein Rechtssatz genannt, der in dem angefochtenen Urteil aufgestellt wurde und der von einer etwaigen obergerichtlichen Entscheidung abweiche.
2. Zur Begründung eines auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrags muss der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist, erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist und darlegen, weshalb der Frage, eine über die einzelfallbezogene Rechtsanwendung hinausgehende Bedeutung zukommt (Happ in Eyermann, VwGO, § 124a Rn. 72). Der Zulassungsantrag enthält hier weder eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage, noch eine Darlegung der übrigen dargestellten Anforderungen.
3. Der darüber hinaus geltend gemachte Verfahrensmangel einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach § 78 Abs. 3 Nr. 3, § 138 Nr. 3 VwGO liegt nicht vor.
Zum Anspruch auf rechtliches Gehör gehört zum einen, dass der Beteiligte Gelegenheit hat, das aus seiner Sicht für seine Rechtsverfolgung oder -verteidigung Notwendige in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vorzutragen. Zum anderen hat das Gericht diesen Vortrag zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Wird in dem schriftlichen Urteil tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten nicht verarbeitet, so lässt sich daraus nicht automatisch auf eine Gehörsverletzung schließen. Denn § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO verpflichtet nur zur Angabe der die richterliche Überzeugung leitenden Gründe. Deshalb muss nicht jedes Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich beschieden werden. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen auch in seine Erwägungen einbezogen hat, sodass nur bei Vorliegen deutlich gegenteiliger Anhaltspunkte ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör angenommen werden kann (Kraft in Eyermann, VwGO, § 138 Rn. 31/32 m.w.N.).
Der Zulassungsantrag begründet die geltend gemachte Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör damit, dass die vom Kläger vorgelegten Atteste bzw. eine CD im Urteil nicht gewertet worden seien. Dies trifft, was die vorgelegten Atteste angeht, bereits tatsächlich nicht zu, da das Urteil zu diesen auf Seite 9 ausdrücklich Stellung bezogen hat. Was die in der mündlichen Verhandlung vorgelegte CD angeht, so soll sich auf dieser lt. der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht (dort Seite 3) die Knochendokumentation des Klägers befinden. Weder aus dieser kurzen Beschreibung des Inhalts der CD noch aus den Angaben im Zulassungsantrag ist ersichtlich, dass es sich bei dem Inhalt der CD um qualitativ andere Informationen handelt, die inhaltlich über die vorgelegten und vom Verwaltungsgericht auch im streitgegenständlichen Urteil gewürdigten Atteste hinausgehen würden. Daher lässt sich aus dem Aspekt, dass das verwaltungsgerichtliche Urteil diese CD nicht ausdrücklich erwähnt, kein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör ableiten. In der Sache greift der Kläger auch nicht die Gewährung rechtlichen Gehörs, sondern die inhaltliche Würdigung der vorgelegten Atteste durch das Verwaltungsgericht an. Dies ergibt sich daraus, dass im Zulassungsantrag argumentiert wird, dass durch die Nichtbeachtung der Erkrankung des Klägers und der daraus resultierenden Abhängigkeit des Klägers von Almosen ein Verstoß gegen § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliege. Dies greift aber die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung und damit den Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf. Da dieser nach der eindeutigen Regelung des § 78 Abs. 3 AsylG aber im Asylprozess nicht herangezogen werden kann, scheidet auch unter diesem Gesichtspunkt eine Zulassung der Berufung aus.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig, § 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG.