Aktenzeichen 9 ZB 18.32016
Leitsatz
Stützt sich das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung auf bestimmte Erkenntnismittel, genügt die bloße Behauptung, die für die Beurteilung maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse stellten sich anders dar, nicht den Darlegungsanforderungen des § 78 Abs. 4 S. 4 AsylG. Es muss zumindest durch Hinweise auf andere Erkenntnisse eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür aufgezeigt werden, dass die gegenteiligen Bewertungen zutreffend sind (Anschluss an BayVGH BeckRS 2018, 20073). (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 30 K 17.40892 2018-05-14 Urt VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG).
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 14.12.2017 – 9 ZB 15.30129 – juris Rn. 4 m.w.N.). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
Hinsichtlich der aufgeworfenen Frage, „Gibt es in Sierra Leone auch ein Informationssystem ohne ‚staatliche Melderegister‘ und ist ein Mitglied, auch ein potenzielles Mitglied, wie der Kläger, auch nach 3 Jahren für den Geheimbund Gbangbani auffindbar?“ sind diese Anforderungen nicht erfüllt.
Zum einen fehlt es an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit und somit Klärungsfähigkeit in einem Berufungsverfahren. Das Verwaltungsgericht ging – wie nach dem Zulassungsvorbringen vom Kläger sogar erkannt wurde – in Bezug auf das Vorliegen einer Fluchtalternative nicht nur davon aus, dass der Kläger von der Geheimgesellschaft nicht in ganz Sierra Leone ausfindig gemacht werden könnte, sondern stellte bei seiner Einschätzung auch darauf ab, dass nach ihm in Anbetracht der von ihm vorgebrachten Fluchtgründe nicht noch nach Jahren gesucht werde. Hiermit setzt sich der Kläger im Zulassungsantrag nicht auseinander (vgl. BayVGH, B.v. 9.11.2017 – 9 ZB 17.30403 – juris Rn. 4 m.w.N.).
Darüber hinaus ist aber auch die Klärungsbedürftigkeit nicht substantiiert dargelegt. Stützt sich das Verwaltungsgericht – wie hier durch Bezugnahme auf Auskünfte des Auswärtigen Amtes – bei seiner Entscheidung auf bestimmte Erkenntnismittel, genügt es den Darlegungsanforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG nicht, wenn die Behauptung aufgestellt wird, die für die Beurteilung maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse stellten sich anders dar als vom Verwaltungsgericht angenommen. Vielmehr bedarf es in diesen Fällen zumindest eines überprüfbaren Hinweises auf andere Gerichtsentscheidungen oder auf vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte sonstige Tatsachen- und Erkenntnisquellen (z.B. Gutachten, Auskünfte, Presseberichte), die zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit aufzeigen, dass nicht die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts, sondern die gegenteiligen Bewertungen in der Zulassungsschrift zutreffend sind, so dass es zur Klärung der sich insoweit stellenden Fragen der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf (vgl. BayVGH, B.v. 13.8.2018 – 9 ZB 18.50044 – juris Rn. 14 m.w.N.; OVG NW, B.v. 20.10.2016 – 4 A 2657/15.A – juris Rn. 5 f. m.w.N.). Daran fehlt es.
Der Kläger behauptet lediglich, dass ein u.a. in Sierra Leone existierendes Informationssystem meist schneller als ein behördliches Meldesystem sei, die Geheimgesellschaften über mächtige, aktive Netzwerke verfügten und sich die Macht dieser Gesellschaften u.a. in einem – allerdings nicht näher bezeichneten und so auch nicht auffindbaren – Verfahren vor dem Sondergerichtshof der Vereinten Nationen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen drei hochrangige Mitglieder zeige. Soweit der Kläger zudem die Begründung des Verwaltungsgerichts kritisiert, wendet er sich gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Damit wird jedoch kein im Asylverfahrensrecht vorgesehener Zulassungsgrund angesprochen (vgl. BayVGH, B.v. 26.9.2018 – 9 ZB 18.32071 – juris Rn. 7).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).