Aktenzeichen 11 ZB 16.30679
VwGO § 138 Nr. 3
Leitsatz
Die Rüge eines Verfahrensmangels ist kein Mittel, Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten im vorangegangenen Instanzenzug zu kompensieren. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
B 1 K 16.30767 2016-08-26 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Die Antragsbegründung legt die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) nicht in ausreichender Weise (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG) dar. Der Zulassungsgrund des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG setzt voraus, dass eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert wird, die für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, deren Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und der eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 124a Rn. 72).
a) Die Kläger tragen vor, sie hätten glaubhaft bekundet, dass insbesondere die Kläger zu 2 und 3 aufgrund ihrer dunklen Hautfarbe in der Ukraine rassistischen Verfolgungen ausgesetzt gewesen seien und hiervon auch ihre Mutter, die Klägerin zu 1, mittelbar betroffen gewesen sei. Nach aktuellen Auskunftslagen sei in der Ukraine starker Rassismus ausgeprägt und ubiquitär. Das Verwaltungsgericht habe insoweit auch die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage zur Situation der Menschenrechte in der Ukraine (BT-Drs. 18/8169) nicht berücksichtigt.
b) Aus diesem Vorbringen ergibt sich keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.
In der Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat die Klägerin insoweit ausgeführt, ihre Kinder hätten sich immer wieder darüber beklagt, dass fremde Personen versuchen würden, sie ins Auto zu ziehen. Sie habe einmal Anzeige bei der Polizei erstattet, die diese auch angenommen habe. Kurz darauf sei ihr Sohn, vermutlich mit Absicht, von einem Radfahrer angefahren worden und habe sich dabei den Arm gebrochen.
In der mündlichen Verhandlung beim Verwaltungsgericht hat die Klägerin zusätzlich vorgetragen, ein anderer Junge habe ihren Sohn einmal auf einem offenen Balkon im neunten Stock eingesperrt, ihn erst nach längerer Zeit wieder freigelassen und dann über seinem Kopf eine Uhr zerschlagen. Auch diesen Vorfall habe sie angezeigt. Das Verfahren sei aber aufgrund des Einschreitens der Mutter des Jungen, die bei Gericht gearbeitet habe, gestoppt worden. Es habe auch Schlägereien zwischen den Kindern gegeben. Erwachsene hätten ihre Kinder beschimpft. Ein anderes Mädchen, deren Vater Rassist sei, habe zum Beispiel ihre Tochter geschlagen.
Abgesehen davon, dass in der Antragsbegründung keine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert wird, ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die geschilderten Vorfälle dem ukrainischen Staat nicht zuzurechnen seien. Es sei zwar nachvollziehbar, dass bei einem Teil der ukrainischen Bevölkerung offener oder latenter Rassismus im täglichen Leben zutage trete. Bei dem Unfall mit dem Radfahrer habe es sich jedoch nicht um eine absichtliche Verletzung des Klägers zu 2 gehandelt. Die Beeinträchtigungen würden im Übrigen die Schwelle einer asylrechtlich erheblichen Gefahr nicht erreichen. Sie seien von Privatpersonen ausgegangen und es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der ukrainische Staat eine asylrechtlich erhebliche Verfolgung durch dritte Personen dulde oder sich selbst daran beteilige.
Dem ist die Antragsbegründung nicht hinreichend entgegengetreten. Die allgemeine Berufung auf nicht näher benannte „aktuelle Auskunftslagen der einschlägigen Menschenrechtsorganisationen“ ist hierfür nicht ausreichend. Aus der angeführten Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage zur Situation der Menschenrechte in der Ukraine (BT-Drs. 18/8169) ergibt sich nicht, dass die ukrainischen Behörden oder sonstige staatliche Stellen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens wären, Schutz vor rassistisch motivierten Übergriffen privater Personen zu bieten (§ 3c Nr. 3 AsylG).
2. Die Berufung ist auch nicht wegen der gerügten Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
Das Verwaltungsgericht hat dem Prozessbevollmächtigten der Kläger mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung eine Auskunftsliste Ukraine (Stand: Juli 2016) zugesandt. In der mündlichen Verhandlung am 24. August 2016 hat es weitere Auskünfte (United Kingdom Home Office: Country Information and Guidance Ukraine: Background Information vom August 2016; Auswärtiges Amt: Reise- und Sicherheitshinweise Ukraine, abgerufen am 24.8.2016) zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Dem ist der Klägerbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung nicht entgegengetreten. Er hat auch nicht darum gebeten, diese Erkenntnismittel noch einsehen und hierzu Stellung nehmen zu können. Die Rüge eines Verfahrensmangels ist jedoch kein Mittel, Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten im vorangegangenen Instanzenzug zu kompensieren. Im Übrigen ergibt sich aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils nicht, dass das Verwaltungsgericht seine Entscheidung auf die in der mündlichen Verhandlung eingeführten Erkenntnismittel gestützt hätte. Eine Verletzung des Anspruchs der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs liegt nach alledem nicht vor.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
4. Mit der unanfechtbaren (§ 80 AsylG) Ablehnung des Zulassungsantrags ist das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).