Verwaltungsrecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag mangels hinreichender Darlegung

Aktenzeichen  20 ZB 17.30877

Datum:
22.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 3054
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3e, § 78 Abs. 3 Nr. 1

 

Leitsatz

Verfahrensgang

RN 3 K 17.31306 2017-05-23 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird verworfen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 23. Mai 2017 (Az. RN 3 K 17.31306) ist bereits unzulässig. Denn der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) wurde nicht in einer den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG entsprechenden Weise dargelegt.
1. Der Kläger wirft zunächst folgende Frage als grundsätzlich bedeutsam auf:
„ob es im Irak generell eine inländische Fluchtalternative gibt oder ob nur dann eine inländische Fluchtalternative überhaupt in Erwägung gezogen werden kann, wenn hinreichend nachgewiesen ist, dass die betroffene Person im dortigen Gebiet über ausreichende soziale und familiäre Verbindungen verfügt, die ein Überleben ermöglichen.“
Insoweit ist die grundsätzliche Bedeutung nicht dargelegt. Denn diese Darlegung erfordert, dass der Rechtsmittelführer eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufzeigt, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich und klärungsbedürftig ist. Ferner muss dargelegt werden, weshalb der Frage eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72). „Darlegen“ bedeutet schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch mehr als lediglich einen allgemeinen Hinweis. Etwas „darlegen“ bedeutet vielmehr so viel wie „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“ (BVerwG, B.v. 2.10.1961 – 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90/91; B.v. 9.3.1993 – 3 B 105.92 – NJW 1993, 2825). Der Orientierungspunkt dieser Erfordernisse ist die Begründung der angefochtenen Entscheidung, mit der sich die Begründung des Zulassungsantrags substantiiert auseinandersetzen muss (BVerfG, B.v. 2.3.2006 – 2 BvR 767/02 – NVwZ 2006, 683). Diesen Anforderungen werden die Ausführungen des Klägers im Zulassungsantrag nicht gerecht. Es fehlt an einer Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage. Denn das Verwaltungsgericht hat zur Begründung der Klageabweisung hinsichtlich der begehrten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu Recht angenommen, dass die vorgetragenen Verfolgungshandlungen durch Familienmitglieder der Ex-Frau des Klägers nicht an ein flüchtlingsschutzrelevantes Merkmal im Sinne der §§ 3 Abs. 1, 3a AsylG anknüpften (UA S. 5). Damit setzt sich die Begründung des Zulassungsantrags nicht auseinander. Des Weiteren hat das Verwaltungsgericht unter individueller Würdigung des Vortrags des aus der Region Ranya in der kurdischen Provinz Sulaymaniyah stammenden Klägers angenommen, dass diesem in einer der Großstädte in der Kurdischen Autonomieregion wie Sulaymaniyah oder Erbil eine interne Schutzmöglichkeit (innerstaatliche Fluchtalternative) zur Verfügung stehe (UA S. 5). Dass der Kläger als kurdischer Volkszugehöriger für die Niederlassung dort einen Bürgen benötigte, erschließe sich dem Gericht nicht. Die diesbezüglichen Ausführungen im Positionspapier des UNHCR vom 14. November 2016 beträfen vor allem sunnitische Araber und Turkmenen, die aus den vom IS kontrollierten Gebieten fliehen und als Sicherheitsrisiko angesehen würden (UA S. 5). Diese auf die individuellen Umstände des Klägers bezogene Einschätzung des Verwaltungsgerichts wirft keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf auf. Dass der Kläger das Bestehen einer zumutbaren Fluchtalternative anders bewertet als das Verwaltungsgericht, kann insoweit allenfalls als das Geltendmachen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung verstanden werden, die jedoch nach der abschließenden Sondervorschrift des § 78 Abs. 3 AsylG im Asylprozess als Zulassungsgrund nicht zur Verfügung stehen.
2. Im Hinblick auf die hilfsweise begehrte Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 AsylG hat der Kläger die Entscheidungserheblichkeit der o.g. Frage ebenfalls nicht dargelegt. Das Verwaltungsgericht hat auch in Bezug auf die hilfsweise begehrte Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 AsylG entscheidungstragend darauf abgestellt, dass dem Kläger in den drei kurdisch verwalteten Provinzen im Nordirak eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehe. Insoweit hat das Verwaltungsgericht bereits bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft eingehend und nachvollziehbar ausgeführt, dass dem Kläger aufgrund seiner individuellen Umstände diese Fluchtalternative zumutbar sei (siehe oben 1.). Damit schließt nach der Auffassung des Verwaltungsgerichts bereits der gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG entsprechend anzuwendende § 3e AsylG die Zuerkennung des subsidiären Schutzes aus. Diese Erwägungen des Verwaltungsgerichts hat der Kläger nicht substantiiert angegriffen.
3. Des Weiteren hält der Kläger die Frage für grundsätzlich bedeutsam,
„ob bei fluchtauslösenden Problemen mit nicht staatlichen Personen/Organisationen die betroffene Person auch auf die Möglichkeit des Schutzes durch den irakischen Staat, namentlich dessen Sicherheitsbehörden verwiesen werden kann oder ob nicht auf eine derartige Möglichkeit des Schutzsuchens beim irakischen Staat gänzlich zu verzichten ist und vielmehr die betroffene Person ausschließlich darauf verwiesen werden kann, selbst Schutz innerhalb der Familie/des Stammes etc. zu suchen und insoweit entsprechende Feststellungen, ob dies der betreffenden Person überhaupt möglich ist, zu treffen sind.“
Insoweit genügen die Ausführungen des Klägers zum angeblich unzureichenden Schutz durch die irakischen Sicherheitskräfte unter Verweis auf verschiedene Aussagen im Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. Februar 2017 nicht dem Darlegungsgebot. Denn das Verwaltungsgericht hat sich in seinem Urteil mit dem Vortrag des Klägers auseinandergesetzt und ausgeführt, es lasse sich aus dem Umstand, dass die Polizei seine Anzeige nicht habe entgegen nehmen wollen, weil die Angelegenheit „so geregelt“ werde, noch nicht auf mangelnde Schutzfähigkeit oder Schutzbereitschaft schließen. Vielmehr spreche viel dafür, dass zunächst ein Versuch habe unternommen werden sollen, um die innerfamiliäre Auseinandersetzung einvernehmlich zu lösen (UA S. 6). Des Weiteren habe der Kläger seine Anzeige nach eigenen Angaben zurückgenommen, da seine Frau zu ihm zurückgekehrt sei. Auch habe sich dieser Vorfall bereits im Jahr 2014 ereignet. Mit diesen nachvollziehbaren Erwägungen hat sich der Kläger in seinem Zulassungsantrag nicht auseinander gesetzt.
4. Soweit der Kläger schließlich die Frage für grundsätzlich bedeutsam hält,
„ob nicht die Situation im Irak zwischenzeitlich sich derart verschlechtert hat, dass ein Konflikt – sowohl zwischen den Glaubensrichtungen, als auch zwischen Regionalfürsten und Stammesfürsten, als auch gegenüber völlig unparteiischen Personen – vorliegt, wie er typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen zu finden ist,“
hat er die Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage nicht unter Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils dargelegt. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass jedenfalls in Bezug auf die Herkunftsregion des Klägers, die Provinz Sulaymaniyah bzw. die Region Kurdistan-Irak die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nicht vorlägen. Es könne dahinstehen, ob im Irak ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vorliege. Jedenfalls könne nach der Auskunftslage kein solch hoher Gefährdungsgrad für die Region Kurdistan-Irak und damit auch für die Herkunftsregion des Klägers festgestellt werden, dass eine Zivilperson allein durch ihre dortige Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer Bedrohung ausgesetzt zu sein. Eine Rückkehr dorthin sei dem Kläger durchaus zumutbar, zumal er Kurde sei und von einem jungen, gesunden Mann erwartet werden könne, dass er sich dort seinen Lebensunterhalt verdiene bzw. hierfür selbst sorge. Im Übrigen sei der IS im Irak stetig weiter zurückgedrängt worden. Der Kläger hat nicht dargelegt, weshalb sich die von ihm aufgeworfene Frage trotz dieser Erwägungen des Verwaltungsgerichts noch entscheidungserheblich in einem Berufungsverfahren stellen sollte.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Mit dieser Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).

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