Aktenzeichen 8 ZB 15.811
StVO § 41 Abs. 1
BayStrWG Art. 17 Abs. 2 S. 1
Leitsatz
1 Zur Darlegung ernstlicher Richtigkeitszweifel in Bezug auf die Herstellung eines Straßenanschlusses sind nähere Ausführungen zu den straßen- und wegerechtlichen Verhältnissen erforderlich. (redaktioneller Leitsatz)
2 Ob eine die Sperrung einer Brücke rechtfertigende konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung durch ihre Benutzung mit Fahrzeugen aller Art bestand, ist aus objektiver ex-ante-Sicht zu beurteilen. (redaktioneller Leitsatz)
3 Wenn durch Änderungen oder die Einziehung einer Straße Zufahrten oder Zugänge unterbrochen werden, kann ein Ersatzanspruch gemäß Art. 17 Abs. 2 S. 1 BayStrWG in Betracht kommen. (redaktioneller Leitsatz)
4 Mit dem Vortrag, das erstinstanzliche Gericht habe von einer Beweisaufnahme abgesehen, obwohl es unter Berücksichtigung der im Berufungszulassungsantrag vertretenen Rechtsauffassung zur Beweislastverteilung zum Ergebnis hätte gelangen müssen, dass der Gegenseite ein Entlastungsbeweis nicht gelungen sei, wird der Sache nach kein Verfahrensfehler geltend gemacht. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
W 4 K 13.1159 2015-02-24 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 16.461,85 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger, ein Nebenerwerbslandwirt, begehrt die Wiederherstellung der Anbindung mehrerer von ihm gepachteter, im Gemeindegebiet der Beklagten gelegener Grundstücke an das öffentliche Wegenetz sowie Schadensersatz für Ernteausfälle.
Die vom Kläger gepachteten Flurstücke (FlNr. … bis …, Gemarkung H.) werden komplett von Gewässern umflossen (im Westen von der S… und im Osten vom M.). Im Frühjahr 2011 teilte der Beigeladene der Beklagten mit, dass das Frühjahrshochwasser das Brückenbauwerk über den M., mit dem die Grundstücke an das öffentliche Verkehrsnetz angebunden waren, unterspült habe und forderte sie auf, im Rahmen der Gefahrenabwehr tätig zu werden. Jedenfalls seit Mitte Juni 2011 verbot die Beklagte durch Verkehrszeichen das Befahren der Brücke durch Fahrzeuge jeglicher Art (Zeichen 250 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO). Bei einem Sanierungsversuch durch Beschäftigte der Beklagten stürzte die Brücke am 21. Juni 2011 ein und wurde daraufhin von diesen beseitigt.
Das Verwaltungsgericht hat die Leistungs- und Feststellungsklage des Klägers, die vor allem auf Herstellung einer genügenden Verbindung zum öffentlichen Wegenetz sowie auf Ersatzleistungen in Bezug auf die uneinbringbare Sommerernte 2011 gerichtet war, mit Urteil vom 24. Februar 2015 abgewiesen.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung macht der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie besondere rechtliche Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) geltend. Dabei rügte er u. a., dass das Verwaltungsgericht von einer Beweisaufnahme abgesehen habe, weshalb es in Bezug darauf, dass die Brücke bereits zum Zeitpunkt der gescheiterten Reparaturarbeiten irreparabel beschädigt gewesen sei, nicht zu dem Ergebnis hätte gelangen dürfen, dass der Beklagten ein Entlastungsbeweis gelungen sei.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe wurden nicht hinreichend dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).
1. Aus dem Vorbringen des Klägers sind keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ersichtlich. Solche Zweifel wären anzunehmen, wenn in der Antragsbegründung ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt würde (vgl. etwa BVerfG, B. v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B. v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinn liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substanziiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist (vgl. BVerfG, B. v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546).
1.1 Zur Klageabweisung in Bezug auf die Herstellung einer Verbindung der von ihm gepachteten Flurstücke zum öffentlichen Straßennetz hat der Kläger nicht substanziiert vorgetragen. Insbesondere wurden die näheren straßen- und wegerechtlichen Verhältnisse nicht erörtert, was jedoch erforderlich gewesen wäre. Es wird im Zulassungsverfahren nicht ersichtlich, woraus ein entsprechender Anspruch abgeleitet werden soll. Der Kläger ist vor allem den Feststellungen des Verwaltungsgerichts, dass der gewidmete Weg vor der Brücke endete und dass der Beklagte in Bezug auf die Brücke kein Straßenbaulastträger im Sinn von Art. 9 BayStrWG war, nicht hinreichend entgegengetreten.
1.2 Der Kläger stützt seinen Zulassungsantrag im Wesentlichen darauf, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, die Brücke wäre auch ohne Zutun der Beklagten eingestürzt. Zudem beruft er sich darauf, dass diese zum Zeitpunkt des gescheiterten Reparaturversuchs nicht irreparabel beschädigt gewesen sei. Beweispflichtig für die Tatsache, dass es auch ohne die Reparaturarbeiten zum Einsturz gekommen wäre, sei die Beklagte, die diesen Beweis nicht habe erbringen können.
Damit verkennt der Kläger, dass es für etwaige Ersatz- oder Entschädigungsansprüche auf die Frage, ob die Brücke reparabel oder irreparabel war, ebenso wenig ankommt wie auf den von ihm problematisierten hypothetischen Kausalverlauf, ob und gegebenenfalls wann ein Einsturz der Brücke ohne die Reparaturversuche der Beklagten erfolgt wäre. Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil vielmehr entscheidend auf den fehlenden Zurechnungszusammenhang abgestellt. Alleinige Ursache dafür, dass der Kläger die Brücke im Erntezeitraum 2011 nicht mehr benutzen konnte, war danach die im Rahmen der Gefahrenabwehr von der Beklagten angeordnete Sperrung. Damit ist letztlich ausgesagt, dass selbst bei einem unterlassenen Reparaturversuch eine Benutzung nicht möglich gewesen wäre. Eine zu Recht für Fahrzeuge aller Art gesperrte Brücke hätte dem Kläger das Einbringen der Ernte nicht ermöglicht. Ohne Reparaturversuch wäre ihm das Befahren mit Fahrzeugen aller Art nämlich aus Gründen der Gefahrenabwehr verboten gewesen. Eine plausible Darlegung einer Anspruchsgrundlage, die angesichts dieser Umstände auch durchgreifen könnte, ist in seinem Vortrag nicht ersichtlich geworden.
1.2.1 Der Kläger macht keine Ansprüche aus Eigentumsverletzung am Brückenbauwerk geltend, so dass es auf die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage des Eigentums nicht ankommt. Ebenso wenig spielt die Frage der Baulast eine Rolle, da die erstinstanzlichen Feststellungen, dass diese nicht bei der Beklagten lag, im Zulassungsverfahren nicht in Abrede gestellt werden.
1.2.2 Mit seinem Vortrag im Zulassungsverfahren hat der Kläger nicht hinreichend dargelegt, dass die Beklagte zu Unrecht im Rahmen der Gefahrenabwehr tätig wurde und die Sperrung anordnete. Dass die Brücke jedenfalls seit Mitte Juni 2011 durch Zeichen 250 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO (Verbot für Fahrzeuge aller Art) gesperrt war (vgl. dazu auch den klägerischen Schriftsatz vom 28.3.2012, S. 3, wo ausgeführt wird, das Verbotsschild sei Anfang Juni 2011 installiert worden) – wogegen der Kläger nicht vorgegangen ist – und weiter hätte gesperrt werden dürfen, wird im Zulassungsverfahren nicht substanziiert in Abrede gestellt. Bei der gefahrenabwehrrechtlichen Beurteilung ist auf diesen Zeitpunkt (ex-ante) abzustellen, weshalb es dahinstehen kann, dass der Kläger bestreiten mag, dass die Sperrung bereits im Frühjahr 2011 angeordnet wurde. Ob eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung durch die Benutzung der Brücke mit Fahrzeugen aller Art bestand, ist aus objektiver ex-ante-Sicht zu beurteilen. Dazu kann eine Inaugenscheinnahme von Unterspülungen, wie sie etwa fotographisch festgehalten sind, ausreichen. Ob und wann sich eine derartige Gefahr aus ex-post-Betrachtung verwirklichen würde, spielt dagegen aus gefahrenabwehrrechtlicher Sicht keine Rolle. Im Zulassungsantrag wird insofern die erstinstanzliche Begründung weder durch die Ausführungen infrage gestellt, wonach die Brücke reparabel gewesen sei, noch durch die Darlegungen zur Frage, ob und wann es ohne die Arbeiten zum Einsturz gekommen wäre.
Die Rechtmäßigkeit der Sperrung zum genannten Zeitpunkt wurde im Zulassungsverfahren nicht substanziiert bestritten. Der Reparaturbedarf an sich und damit die Beschädigungen werden nicht in Abrede gestellt. An näheren Ausführungen zum Vorliegen der Voraussetzungen für die Sperrung fehlt es.
1.2.3 Der Kläger hat im Übrigen auch nicht dargelegt, dass er trotz des Verbots, die Brücke zu befahren, zur Einbringung der Ernte in der Lage gewesen wäre. Dies erscheint auch kaum nachvollziehbar. Dabei ist zu berücksichtigen, dass allein Ernteschäden für das Jahr 2011 streitgegenständlich sind (Erntezeitpunkte waren laut Schätzungsprotokoll vom 25.7.2011 hinsichtlich der Sommerbraugerste Ende Juli/Anfang August 2011 und hinsichtlich des zweiten und dritten Wiesenschnitts offensichtlich ebenfalls Zeitpunkte im Jahr 2011). Dass der Kläger einen Anspruch auf Reparatur innerhalb des hier maßgeblichen Erntezeitraums gehabt haben könnte, der durch den Einsturz vereitelt worden sei, wurde ebenfalls nicht vorgebracht.
1.3 Der Kläger hat in seinem Zulassungsvorbringen auch keine hinreichenden Tatsachen dafür dargelegt, dass Ansprüche aus Art. 17 BayStrWG bestehen. Ein Ersatzanspruch gemäß Art. 17 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG kann zwar in Betracht kommen, wenn durch Änderungen oder die Einziehung einer Straße Zufahrten oder Zugänge unterbrochen werden, zu den weiteren Anspruchsvoraussetzungen fehlt jedoch wiederum ein substanziierter Vortrag. Vor allem ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte auch in Bezug auf die Brücke, die von der Änderung im Sinn dieser Regelung betroffen ist, Straßenbaulastträger war (vgl. oben). Auf eine Änderung oder Einziehung des öffentlichen Feld- und Waldweges (FlNr. …, Gemarkung H.) beruft sich der Kläger dagegen nicht.
2. Besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO weist die Rechtssache nach den Darlegungen des Klägers ebenfalls nicht auf. Sie verursacht in rechtlicher Hinsicht keine größeren, das normale Maß nicht unerheblich übersteigenden Schwierigkeiten. Es handelt sich auch nicht um einen besonders komplexen oder kontroversen Sachverhalt, bei dem noch nicht abzusehen wäre, zu welchem Ergebnis ein künftiges Berufungsverfahren führen könnte.
3. Ebenso wenig wurde ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel hinreichend geltend gemacht, auf dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruhen könnte (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
Der Kläger hat sich nicht ausdrücklich auf den Zulassungsgrund der Verfahrensmängel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) berufen. Es fehlt auch an einer inhaltlichen Darlegung eines solchen Mangels. Wenn der Kläger ausführt, das Gericht habe von einer Beweisaufnahme abgesehen, macht er letztlich nur geltend, dass es unter Berücksichtigung der von ihm vertretenen Beweislastverteilung zum Ergebnis hätte gelangen müssen, dass der Beklagten ein Entlastungsbeweis nicht gelungen sei.
Eine Rüge, das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt und damit den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) verletzt, wurde nicht ausdrücklich erhoben. Die Voraussetzungen wurden auch nicht hinreichend substanziiert vorgebracht. Eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht kann im Übrigen grundsätzlich nicht geltend gemacht werden, wenn ein anwaltlich vertretener Kläger es in der mündlichen Verhandlung unterlassen hat, einen Beweisantrag zu stellen (BVerwG, B. v. 20.12.2012 – 4 B 20/12 – juris Rn. 6; BayVGH, B. v. 30.6.2014 – 9 ZB 13.911 – juris Rn. 2; B. v. 28.8.2015 – 9 ZB 13.1876 – juris Rn. 24). Aus dem Zulassungsantrag ergibt sich auch nicht, weshalb sich dem Gericht eine weitere Sachverhaltsaufklärung hätte aufdrängen müssen, obwohl sie nicht ausdrücklich in der mündlichen Verhandlung vom anwaltlich vertretenen Kläger beantragt wurde (vgl. dazu BayVGH, B. v. 4.12.2014 – 9 ZB 11.1744 – juris Rn. 12 f.; B. v. 25.3.2014 – 15 ZB 12.2014 – juris Rn. 11).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen sind im Berufungszulassungsverfahren in der Regel nicht aus Billigkeitsgründen der unterlegenen Partei aufzuerlegen (vgl. BayVGH, B. v. 11.10.2001 – 8 ZB 01.1789 – BayVBl 2002, 378). Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47, § 52 GKG.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).