Aktenzeichen M 24 S 16.3076
AsylG § 50
DVAsyl § 3, § 7 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, Abs. 3
Leitsatz
Bei der landesinternen Verteilung und Zuweisung ist neben der Haushaltsgemeinschaft von Ehegatten und ihren minderjährigen ledigen Kindern auch sonstigen humanitären Gründen von gleichem Gewicht Rechnung zu tragen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Die Antragsteller sind syrische Staatsangehörige und Asylbewerber, die zunächst in einer ihnen zugewiesenen Aufnahmeeinrichtung in … wohnten. Die Antragsteller zu 1) und zu 2) sind die Eltern der Antragstellerin zu 3).
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 11. Juli 2016 wies die Regierung von Oberbayern die Antragsteller ab dem 12. Juli 2016 dem Landkreis …-… und dort als künftigen Wohnsitz das Hotel … … – … zu, in das sie spätestens am 12. Juli 2016 einzuziehen hätten.
Am 14. Juli 2016 erhoben die Antragsteller zur Niederschrift in der Rechtsantragstelle des Gerichts Klage mit dem Antrag, den Bescheid der Regierungsaufnahmestelle vom 11. Juli 2016 aufzuheben. Über die unter dem Aktenzeichen M 24 K 16.3075 bei Gericht anhängige Klage wurde noch nicht entschieden. Zugleich beantragten die Antragsteller,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Antragstellerin zu 2) eine Lungenkrankheit habe, die einen Aufenthalt auf einem Berg unmöglich mache. Die Unterkunft in … … sei für eine Familie mit einem Kleinkind nicht geeignet. Es gebe aufgrund der abgelegenen örtlichen Lage dort keine Einkaufs- und Versorgungsmöglichkeiten. Für jeden Einkauf sei ein mindestens einstündiger Fußweg einfach erforderlich. Im Übrigen hätten die Antragsteller Familienangehörige in … Wenn sie eine andere Unterkunft beziehen müssten, würden sie bitten, dies zu berücksichtigen und ihnen eine Unterkunft im Raum … mit einer angemessenen Infrastruktur zuzuweisen.
Ergänzend hierzu legten die Antragsteller am 26. Juli 2016 zwei Einzelfahrscheine von … nach … vom 17. Juli 2016 zum Preis von je 6,70 Euro, einen die Antragstellerin zu 2) betreffenden Überweisungsschein einer praktischen Ärztin an einen Kardiologen vom 20. Juli 2016 und einen an die Regierung von Oberbayern adressierten Umverteilungsantrag vom 21. Juli 2016 nach … oder in eine andere bayerische Kommune vor.
Mit Schreiben vom 22. Juli 2016 beantragte der Antragsgegner, die Klage abzuweisen und den Antrag abzulehnen.
Die Antragsteller seien mit Bescheid vom 11. Juli 2016 erstverteilt worden. Während des laufenden Asylverfahrens hätten Asylsuchende grundsätzlich keinen Anspruch darauf, sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten (§ 55 Abs. 1 Satz 2 AsylG). Substantiierte Gründe, weshalb die Unterkunft nicht zumutbar sein sollte, seien nicht vorgebracht worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten M 24 K 16.3075 und M 24 S 16.3076 Bezug genommen.
II.
1. Mit ihrem Antrag begehren die Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die kraft Gesetzes sofort vollziehbare Zuweisungsentscheidung im Bescheid vom 11. Juli 2016.
2. Das Verwaltungsgericht München ist zur Entscheidung über diesen Antrag als Gericht der Hauptsache sachlich zuständig gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 45 VwGO; seine örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO. Es handelt sich vorliegend um eine Streitigkeit nach dem Asylgesetz, da für die Entscheidung Vorschriften des Asylgesetzes (§§ 50, 53, 55 AsylG) maßgeblich sind und die Asyldurchführungsverordnung (DVAsyl) (auch) auf § 50 Abs. 2 AsylG beruht. Die Antragsteller hatten im maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit (vgl. § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes – GVG – ihren Aufenthalt nach dem Asylgesetz im Regierungsbezirk Oberbayern (Landkreis …*) und damit im Gerichtsbezirk (Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung – AGVwGO) zu nehmen.
Zur Entscheidung über den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist der Berichterstatter als Einzelrichter berufen (§ 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG).
3. Der zulässige Antrag ist unbegründet und war daher abzulehnen.
3.1. Bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht abzuwägen zwischen dem gesetzlich bestimmten öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, tritt das Interesse eines Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei der Interessenabwägung.
3.2. Nach summarischer Prüfung ist vorliegend davon auszugehen, dass sich der streitgegenständliche Bescheid als rechtmäßig erweisen und die Klage der Antragsteller deshalb voraussichtlich erfolglos bleiben wird, so dass das staatliche Vollzugsinteresse das Interesse der Antragsteller an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage überwiegt.
3.2.1. Rechtsgrundlage der im streitgegenständlichen Bescheid verfügten Umzugsaufforderung ist, da nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblich ist, § 50 Abs. 1 und Abs. 2 AsylG i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 und Abs. 3 DVAsyl in der seit 1. September 2016 geltenden Fassung (GVBl. S. 258ff). Nach dieser Vorschrift werden Personen, die zum Bezug von Asylbewerberleistungen berechtigt sind und die nicht oder nicht mehr verpflichtet sind, in Aufnahmeeinrichtungen zu wohnen, innerhalb der Regierungsbezirke durch die jeweilige Regierung auf die Landkreise oder kreisfreien Gemeinden nach dem Maßstab des § 3 Abs. 2 DVAsyl verteilt. Diese Verteilung ist durch eine Zuweisungsentscheidung bekannt zu geben (§ 7 Abs. 2 Satz 1 DVAsyl). Bei der Verteilung und der Zuweisung ist neben der Haushaltsgemeinschaft von Ehegatten und ihren minderjährigen ledigen Kindern u.a. sonstigen humanitären Gründen von gleichem Gewicht Rechnung zu tragen.
3.2.2. Dies ist vorliegend erfolgt. Der Haushaltsgemeinschaft der Ehegatten und ihrem minderjährigen ledigen Kind wurde durch Zuweisung aller drei Antragsteller Rechnung getragen. Sonstige humanitäre Gründe von gleichem Gewicht stehen der Zuweisungsentscheidung nicht entgegen. Möglicherweise weniger umfangreiche Einkaufsmöglichkeiten in … stellen jedenfalls keine derartigen Gründe dar. Auch im Hinblick auf den Gesundheitszustand der Antragstellerin zu 2), der lediglich mit einem Überweisungsschein einer praktischen Ärztin an einen Kardiologen dokumentiert wurde, ergeben sich derartige Gründe nicht.
Der von den Antragstellern zwischenzeitlich gestellte Antrag auf Umverteilung ist nicht Gegenstand des dem Eilantrag zugrunde liegenden Klageverfahrens.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).