Verwaltungsrecht

Erfolgloser Eilantrag eines nigerianischen Asylbewerbers bei offensichtlich unbegründetem Asylantrag

Aktenzeichen  M 27 S 19.31719

Datum:
6.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
CELEX – , 62018CC0019
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 3e, § 4, § 30, § 36 Abs. 3
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
VwGO § 80 Abs. 5
Dublin III-VO Art. 29 Abs. 1, Abs. 2
GG Art. 16a

 

Leitsatz

1 Gemäß Art. 16a GG, § 36 Abs. 4 AsylG darf das Verwaltungsgericht in Fällen offensichtlicher Unbegründetheit eines Asylantrags nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung nur dann anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. Derart ernstliche Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung – im Hinblick auf das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamts – einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG BeckRS 1996, 119717). (Rn. 12) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Für nigerianische Asylbewerber besteht grundsätzlich die Möglichkeit, in anderen Landesteilen Nigerias internen Schutz iSv § 3e AsylG zu finden. Die Behauptung eines Betroffenen, er sei ein “Familienmensch” und könne daher nicht in anderen Teilen Nigerias leben, vermag einem Eilantrag nicht zum Erfolg zu verhelfen. (Rn. 14) (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

I. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die in Nr. 5 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 12. Februar 2019 enthaltene Abschiebungsandrohung wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) angedrohte Abschiebung nach Nigeria.
Bei dem Antragsteller handelt es sich um einen nach eigenen Angaben im Jahre 1989 geborenen, nigerianischen Staatsangehörigen christlichen Glaubens von dem Volksstamm der … Er reiste am … … 2017 auf dem Landweg in das Bundesgebiet ein und stellte dort am … … 2017 einen förmlichen Asylantrag. Gültige Ausweispapiere konnte er dabei nicht vorlegen.
Bei einer persönlichen Anhörung durch das Bundesamt am … … 2018 gab der Antragsteller als Grund für das Verlassen Nigerias im Wesentlichen an, dass sein Vater ihn unter Todesdrohungen aufgefordert habe, dem muslimischen Glauben beizutreten. Sein Vater habe im Jahre 2014 den Drohungen Taten folgen lassen und ihn versucht zu töten, da er sich weigerte, den muslimischen Glauben anzunehmen. Dabei habe sein Vater ihn mit einem Messer angegriffen und verletzt. Anschließend sei dieser deswegen inhaftiert worden. Da sein Vater jedoch Mitglied einer mächtigen muslimischen Society sei, der auch der Polizeichef angehöre, sei sein Vater schnell aus dem Gefängnis freigekommen. Mitglieder des Ältestenrats der muslimischen Society hätten ihm geraten, Nigeria zu verlassen, da er dort nicht sicher sei. Die Polizei könne ihm in Nigeria wegen der Macht der muslimischen Society nicht helfen. Auch vier Freunde seines Vaters hätten ihm gedroht und verlangt, dass er den muslimischen Glauben annehme. Andere Probleme hätte er in Nigeria jedoch nicht gehabt. In eine andere Region Nigerias könne er nicht ziehen, da er ein Familienmensch sei und beispielsweise in „…“ niemanden kenne. Der Ältestenrat hätte ihm mitgeteilt, dass er an einen sicheren Ort gehen solle. Würde er zurückkehren nach Nigeria, so werde man ihn töten. Für die muslimische Society sei es in Nigeria sehr einfach, jemanden zu finden. Auch nach seiner Flucht aus Nigeria habe man ihm mitgeteilt, dass die Society noch immer nach ihm suche. Im Übrigen sei er gesund und derzeit mit seiner nigerianischen Ehefrau in Deutschland.
Mit Bescheid vom 19. Februar 2018 lehnte das Bundesamt den Asylantrag erstmalig als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Italien an. Aufgrund des Ablaufes der Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Abs. 1 und 2 der Dublin-VO wurde vorbezeichneter Akt mit Bescheid vom 28. August 2018 aufgehoben.
Mit Bescheid vom 12. Februar 2019, zugestellt am 13. Februar 2019, lehnte das Bundesamt den Antrag des Antragstellers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, dessen Asylantrag sowie dessen Antrag auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet ab (Nr. 1 bis 3) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Der Antragsteller wurde unter Androhung der Abschiebung nach Nigeria aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 12 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dem Antragsteller drohe in Nigeria offensichtlich weder Verfolgung noch ein ernsthafter Schaden im Sinne der gesetzlichen Definition zum subsidiären Schutz. Auch konkrete individuelle Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG seien in Bezug auf das Heimatland nicht vorgetragen oder ersichtlich. Ergänzend wird auf die Begründung im Bescheid verwiesen.
Der Antragsteller erhob am 20. Februar 2019 Klage zur Niederschrift beim Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragte u.a. die Aufhebung des Bescheids, die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft beim Vorliegen sowie die Verpflichtung subsidiären Schutz zuzuerkennen. Zudem beantragte er gemäß § 80 Abs. 5 VwGO sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der Abschiebungsandrohung anzuordnen.
Zur Begründung nimmt er auf seine Angaben gegenüber dem Bundesamt Bezug und führt ergänzend aus, er habe große Angst nach Nigeria zurückzukehren. Sein Leben sei in Gefahr aufgrund der „… … …“, die mit der muslimischen Society in … … zusammenarbeite.
Am 28. Februar 2019 legte das Bundesamt die Behördenakten in elektronischer Form vor; eine Antragstellung unterblieb.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat keinen Erfolg.
Der Antrag ist zulässig, soweit damit die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die kraft Gesetzes (§ 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 75 i.V.m. § 36 AsylG) sofort vollziehbare Abschiebungsandrohung in Nr. 5 des streitgegenständlichen Bescheides vom 12. Februar 2019 erreicht werden soll. Die Antragstellung erfolgte fristgerechnet innerhalb der Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG.
Der Antrag ist jedoch unbegründet. Gemäß Art. 16a Grundgesetz (GG), § 36 Abs. 4 AsylG darf das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO in Fällen offensichtlicher Unbegründetheit eines Asylantrags die Aussetzung der Abschiebung nur dann anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung – insbesondere das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamts – einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1507/93, 1508/93 – DVBl. 1996, 729). Im Rahmen der Entscheidung über den Antrag ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz auch zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht besteht und ob diese Ablehnung weiterhin Bestand haben kann.
Gemessen an diesen Grundsätzen bestehen in dem hiesigen Fall keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Abschiebungsandrohung. Die Ablehnung des Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG), des Asylantrags (Art. 16a Abs. 1 GG) sowie des Antrags auf subsidiären Schutz (§ 4 AsylG) als offensichtlich unbegründet und die Verneinung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG begegnen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Dem Vortrag des Antragstellers beim Bundesamt lassen sich keine Gründe für eine Vorverfolgung in Nigeria in Anknüpfung an eines der in Art. 16a Abs. 2 GG oder in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Merkmale entnehmen. Erhebliche konkrete Gefahren im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, denen die Bevölkerung allgemein ausgesetzt ist, sind allenfalls bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG (Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung) zu berücksichtigen (§ 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG), regelmäßig aber nicht im asylrechtlichen Verfahren. Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung der Gründe ab und verweist auf die Begründung des angefochtenen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend ist auszuführen, dass die Behauptung des Antragstellers, er könne wegen der Drohungen seines Vaters und der muslimischen Society nicht nach Nigeria zurückkehren, der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nicht entgegensteht. Vorgetragen ist hierdurch lediglich kriminelles Unrecht in einem örtlich eng begrenzten Einzelfall und keine asylerhebliche Verfolgungs- oder Bedrohungslage. Dem Antragsteller droht in Nigeria dadurch weder im Hinblick auf § 60 Abs. 5 AufenthG und Art. 3 EMRK eine ungewöhnlich schlechte humanitäre Situation, noch führt eine Rückkehr des Antragstellers für ihn zu einer extremen Gefahrenlage in Form des sicheren Todes oder schwerster Verletzung. Warum Mitglieder einer religiösen Vereinigung den Antragsteller in Nigeria überall suchen, finden und töten würden, um zu erzwingen, dass er den muslimischen Glauben annimmt, erschließt sich dem Gericht nicht. Selbst wenn man die von dem Antragsteller behauptete Nachstellung durch seinen Vater und die muslimische Society als flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung gemäß § 3a AsylG ansehen würde und er nicht in seine Heimatstadt zurückkehren könnte, bestünde für ihn nach der Auffassung des Gerichts jedenfalls die Möglichkeit internen Schutz in anderen Landesteilen Nigerias zu finden (§ 3e Abs. 1 AsylG). Die Behauptung, er sei ein „Familienmensch“ und könne daher in keinem anderen Teil Nigerias leben, als in … …, kann dem Antrag nicht zum Erfolg verhelfen. Darüber hinaus hat der Antragsteller selbst angegeben, über keinerlei gesundheitliche Probleme zu verfügen. Deshalb ergeben sich aus dem Vortrag weder flüchtlingsrechtlich relevante Hinweise noch solche auf das Vorliegen eventueller Abschiebungsverbote.
Der Antrag war daher unter der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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