Aktenzeichen M 10 S 18.3239
Leitsatz
1. Eine eheliche Lebensgemeinschaft dokumentiert sich nach außen im Regelfall in einer gemeinsamen Lebensführung, d.h. im erkennbaren Bemühen, die alltäglichen Dinge des Lebens miteinander in organisatorischer, emotionaler und geistiger Verbundenheit zu bewältigen, dreht sich im Idealfall um einen gemeinsamen Lebensmittelpunkt und wird regelmäßig in einer von den Eheleuten gemeinsam bewohnten Wohnung gelebt. (Rn. 78) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Ausweisungsinteresse ist nicht (mehr) erheblich, wenn es mit hinreichender Sicherheit nicht mehr aktuell vorliegt, was heißt, dass ohne vernünftige Zweifel feststeht, dass die Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, die mit dem Ausweisungsinteresse zusammenhängt, nicht mehr besteht. (Rn. 91) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte treffen bei einer Ausweisungsentscheidung und ihrer gerichtlichen Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr, wobei die besonderen Umstände des Einzelfalls‚ insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat‚ die Umstände ihrer Begehung‚ das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt zu berücksichtigen sind. (Rn. 102 – 103) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen seine Ausweisung aus der Bundesrepublik Deutschland und die Ablehnung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug.
Der 1977 geborene Antragsteller ist ausweislich seines Reisepasses (Nr. …, gültig bis 15.2.2021) tunesischer Staatsangehöriger. Am 5. Juli 2012 reiste er nach eigenen Angaben erstmals in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am 16. Oktober 2012 einen Asylantrag.
Mit Bescheid vom 1. April 2014 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Antrag des Antragstellers auf Anerkennung als Asylberechtigten sowie auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzstatus ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen; der Antragsteller wurde unter Androhung der Abschiebung nach Tunesien oder in einen anderen zur Aufnahme bereiten oder verpflichteten Staat aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland spätestens innerhalb von 30 Tagen nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen (Blatt 363 ff. der Ausländerakte). Eine gegen diese Entscheidung gerichtete Klage zum Verwaltungsgericht München (Az. M 25 K 14.30626) nahm der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung am 13. August 2014 zurück.
Am 7. Juli 2013 schloss der Antragsteller vor dem Standesamt … die Ehe mit der deutschen Staatsangehörigen B. J. und nahm den Familiennamen der Ehefrau an. Infolge der Eheschließung wurde der Antragsteller mit Bescheid der Regierung … vom 29. November 2013 umverteilt und der Stadt … (Wohnort seiner Ehefrau) zugewiesen.
Am 15. Januar 2014 (Eingang bei der Ausländerbehörde am 27.2.2014) beantragte der Antragsteller die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug, welche ihm die Stadt … am 30. Oktober 2014 befristet bis 29. November 2015 erteilte (Blatt 491 der Ausländerakte). Am 30. November 2015 beantragte er die Verlängerung seines Aufenthaltstitels, woraufhin ihm am selben Tag eine Fiktionsbescheinigung bis 30. Juni 2016 ausgestellt wurde. Mit Schreiben vom 7. Februar 2017, 12. Juni 2017 und 7. Mai 2018 (Blatt 580, 582 und 609 der Ausländerakte) stellte er nochmals Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
Die Entscheidung über diese Anträge wurde seitens der Ausländerbehörde zunächst zurückgestellt, da der Antragsteller laut Auskunft aus dem Bundeszentralregister des Bundesamtes für Justiz (Stand: 9.2.2018, Blatt 590 ff. der Ausländerakte) während seines Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland wie folgt strafrechtlich in Erscheinung getreten ist:
– 4. Oktober 2012 Amtsgericht Rosenheim – 8 Ds 210 Js 28455/12 – Rechtskräftig seit 4. Oktober 2012 Tatbezeichnung: Unerlaubte Einreise in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt Datum der letzten Tat: 3. Oktober 2012 Angewandte Vorschriften: § 52 StGB, § 4 Abs. 1, § 14 Abs. 1 Nr. 2, § 95 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 1 Nr. 3 AufenthG
30 Tagessätze zu je 5 Euro Geldstrafe
– 1. Februar 2013 Amtsgericht Rosenheim – 1 Cs 240 Js 921/13 – Rechtskräftig seit 27. Februar 2013 Tatbezeichnung: Diebstahl in Tatmehrheit mit fahrlässiger Körperverletzung Datum der letzten Tat: 27. Dezember 2012 Angewandte Vorschriften: § 242 Abs. 1, § 229, § 230, § 53 StGB
80 Tagessätze zu je 5 Euro Geldstrafe
– 9. September 2013 Amtsgericht Plauen – 7 Ds 550 Js 12519/13 – Rechtskräftig seit 27. September 2013 Tatbezeichnung: Wiederholter Verstoß gegen eine räumliche Beschränkung nach dem Asylverfahrensgesetz in zwei tatmehrheitlichen Fällen Datum der letzten Tat: 28. März 2013 angewendete Vorschriften: § 53 StGB, § 56, § 85 Nr. 2 AsylVfG
55 Tagessätze zu je 10 Euro Geldstrafe
– 31. März 2014 Amtsgericht Rosenheim – 9 Cs 240 Js 2624/14 – Rechtskräftig seit 24. April 2014 Tatbezeichnung: Wiederholter Verstoß gegen eine Aufenthaltsbeschränkung Datum der letzten Tat: 25. November 2013 Angewandte Vorschriften: § 85 Nr. 2, § 56 AsylVfG
80 Tagessätze zu je 5 Euro Geldstrafe
– 11. September 2014 Amtsgericht Rosenheim – 9 Ds 420 Js 19749/14 – Rechtskräftig seit 11. September 2014 Tatbezeichnung: Diebstahl Datum der letzten Tat: 27. Mai 2014 angewendete Vorschriften: § 242 Abs. 1, § 47, § 56 StGB
4 Monate Freiheitsstrafe Bewährungszeit 2 Jahre 6 Monate Strafaussetzung widerrufen, Strafvollstreckung erledigt am 20. Juli 2017 – 21. Dezember 2015 Amtsgericht Rosenheim – 9 Ds 440 Js 31248/15 – Rechtskräftig seit 24. März 2016 Tatbezeichnung: Versuchter Diebstahl in Tatmehrheit mit Hausfriedensbruch in zwei tatmehrheitlichen Fällen Datum der letzten Tat: 11. August 2015 Angewandte Vorschriften: § 242 Abs. 1, § 242 Abs. 2, § 22, § 23 Abs. 1, § 53, § 123 Abs. 1, § 123 Abs. 2 StGB
6 Monate Freiheitsstrafe
– 7. März 2016 Amtsgericht Rosenheim – 3a Ds 400 Js 29585/15 – Rechtskräftig seit 15. März 2016 Tatbezeichnung: Sexueller Missbrauch von Kindern Datum der letzten Tat: 31. Mai 2015 angewendete Vorschriften: § 176 Abs. 1 StGB
1 Jahr 8 Monate Freiheitsstrafe Verbot der Beschäftigung, Beaufsichtigung, Anweisung und Ausbildung Jugendlicher (gesetzlich eingetretene Nebenfolge nach § 25 JArbSchG)
– 18. Mai 2016 Amtsgericht Rosenheim – 3a Ds 400 Js 29585/15 – Rechtskräftig seit 31. Mai 2016 Nachträglich durch Beschluss gebildete Gesamtstrafe unter Einbeziehung der Entscheidungen vom 7. März 2016 und 21. Dezember 2015
2 Jahre Freiheitsstrafe Verbot der Beschäftigung, Beaufsichtigung, Anweisung und Ausbildung Jugendlicher (gesetzlich eingetretene Nebenfolge nach § 25 JArbSchG)
Der Verurteilung vom 7. März 2016 lag nach den Feststellungen des Amtsgerichts-Jugendgericht als Jugendschutzgericht – Rosenheim folgender Sachverhalt zugrunde:
Am 31. Mai 2015 befand sich der Antragsteller in den Herrenduschen im städtischen Freibad …, wo er den ebenfalls im Duschenbereich aufhältlichen 11-jährigen M. M. aufforderte, ihm den Rücken einzuseifen. Der Junge kam dieser Aufforderung nach. Unmittelbar danach langte der Antragsteller dem M. im Bereich des Gesäßes in die Badehose. Danach griff er dem Jungen vorne in die Badehose und langte an dessen Geschlechtsteil. Der Antragsteller vollzog diese Handlungen, um sich sexuell zu erregen. Das Alter des Jungen erkannte er aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes.
Diese Sachverhaltsfeststellungen wurden vom Strafgericht auf der Grundlage von Zeugenaussagen und Sachverständigengutachten getroffen. Der Antragsteller gab gegenüber dem Strafgericht zu dem Tatvorwurf an, den M. nicht angefasst zu haben und ihm noch nie begegnet zu sein.
Bei der Strafzumessung wurde zugunsten des Antragstellers berücksichtigt, dass seine Vorstrafen nicht einschlägig waren. Strafschärfend wurden die hohe Rückfallgeschwindigkeit sowie die Folgen der Tat für den Geschädigten berücksichtigt. Besondere Umstände, die eine Strafaussetzung zur Bewährung rechtfertigten, erkannte das Strafgericht nicht: Es seien keine Milderungsgründe zu erkennen und dem Antragsteller sei keine günstige Sozialprognose zu stellen; außerdem sei der Unrechts- und Schuldgehalt der Tat so groß, dass eine Strafaussetzung zur Bewährung unangebracht erscheine (Blatt 620 bis 624 der Ausländerakte).
Der Antragsteller verbrachte die Haftzeit in der Justizvollzugsanstalt … (vgl. die Haftzeitübersicht mit Stand 21.6.2018, Blatt 670 der Ausländerakte).
Die Justizvollzugsanstalt erstellte diverse Führungsberichte, zuletzt unter dem 23. April 2018 (Blatt 611 ff. der Ausländerakte).
Darin wird zusammenfassend ausgeführt, der Antragsteller sei seiner Arbeitspflicht im anstaltseigenen Schneidereibetrieb mit überdurchschnittlicher Arbeitsleistung nachgekommen. Sein Vollzugsverhalten sei beanstandungsfrei gewesen.
Privaten Besuch habe er zuletzt nur von einem ehrenamtlichen Betreuer erhalten. Seine Ehefrau habe bereits im Juli 2017 mitgeteilt, dass sie mit dem Antragsteller nichts mehr zu tun haben wolle, da er sie finanziell in den Ruin getrieben habe. Die eheliche Wohnung stehe ihm nicht mehr zur Verfügung. Ansonsten habe der Antragsteller in der Bundesrepublik keine Kontakte. Seine Familie lebe weiterhin in Tunesien. Der Antragsteller verfüge bei Entlassung über keinen prosozialen Empfangsraum, weder Wohnmöglichkeit noch Arbeitsstelle. Er habe sich wegen einer Unterkunftsmöglichkeit an die Diakonie … gewandt.
Eine angebotene Einzeltherapie mit einer externen Therapeutin zur Aufarbeitung des Delikts sei nur an drei Terminen wahrgenommen worden. Nachdem der Antragsteller dabei das Sexualdelikt weiter geleugnet habe, habe keine Deliktsbearbeitung erfolgen können und die Einzeltherapie sei daher nicht fortgesetzt worden. Hinsichtlich der behandlungsbedürftigen Suchtprobleme sei ihm empfohlen worden, Kontakt zur externen Suchtberatung aufzunehmen. Eine Meldung seitens des Antragstellers sei jedoch nicht erfolgt. Im Nachhinein liege die Vermutung nahe, dass die Therapie nur zum Schein in Anspruch genommen worden sei, um der drohenden Ausweisung/Abschiebung entgegenzuwirken.
Auch die Ehe sei vermutlich nur geschlossen worden, um einen Verbleib in der Bundesrepublik zu ermöglichen.
Unter Berücksichtigung seiner Persönlichkeit, insbesondere der strafrechtlichen Vorbelastung, des Bewährungsversagens, der Tatbegehung während offener Bewährung, der hohen Rückfallgeschwindigkeit, der ausländerrechtlichen Situation, der weiterhin unbehandelten sexuellen Abweichung sowie der ungeklärten Entlassungssituation könne dem Antragsteller aus vollzuglicher Sicht trotz des freiwilligen Strafantritts, der erstmaligen Inhaftierung und der hausordnungsgemäßen Führung keine günstige Prognose gestellt werden.
Laut Besuchsliste der JVA (Blatt 726 bis 739 der Ausländerakte) wurde der Antragsteller in der Zeit von 11. Mai 2016 bis 29. Juni 2018 von seiner Ehefrau dort insgesamt fünfmal besucht, zuletzt am 30. November 2016.
Mit Schreiben vom 8. Februar 2018 teilte die zuständige Ausländerbehörde des Antragsgegners dem Antragsteller ihre Absicht mit, ihn auszuweisen und nach Haftende abzuschieben; sie gab dem Antragsteller Gelegenheit, hierzu bis zum 26. Februar 2018 Stellung zu nehmen, insbesondere mitzuteilen, wie sich sein derzeitiges Verhältnis zu seiner Ehefrau gestalte.
Der Antragsteller bat mehrmals um Fristverlängerung sowie um Einsicht in die Ausländerakten, die ihm im Mai 2018 in der JVA ermöglicht wurde (Blatt 608 der Ausländerakten); Ausführungen zur Sache erfolgten zunächst nicht.
Die Zentralstelle „HEADS“ (Haft-Entlassenen-Auskunfts-Datei-Sexualstraftäter) beim Polizeipräsidium München teilte der Ausländerbehörde mit E-Mail vom 27. März 2018 mit, die Ehefrau des Antragstellers habe gegenüber dem Sozialdienst am 25. Juli 2017 telefonisch erklärt, sie wolle sich vom Antragsteller scheiden lassen, es gäbe keine gemeinsame Zukunft mehr.
Mit Bescheid vom 19. Juni 2018 wies der Antragsgegner den Antragsteller aus der Bundesrepublik Deutschland aus (Ziffer 1) und lehnte seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 7. Mai 2018 ab (Ziffer 2). Die Wirkungen der Ausweisung wurden auf sechs Jahre befristet (Fristbeginn mit Ausreise bzw. Abschiebung; Ziffer 3 des Bescheids). In Ziffer 4 wurde dem Antragsteller nach erfülltem Strafanspruch des Staates die Abschiebung aus der Haft heraus nach Tunesien oder in einen anderen zu seiner Übernahme bereiten oder verpflichteten Staat angedroht. Für den Fall der Haftentlassung vor Durchführung der Abschiebung wurde er unter Androhung der Abschiebung zur Ausreise spätestens 7 Tage nach Haftentlassung aufgefordert (Ziffer 5).
Zur Begründung führte der Antragsgegner aus, ein Ausländer könne nach § 53 Abs. 1 AufenthG ausgewiesen werden, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährde und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergebe, dass das öffentliche Interesse überwiege. Nach sachgerechter Abwägung unter Berücksichtigung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Art. 8 EMRK sowie der in § 53 Abs. 2 AufenthG normierten Belange ergebe sich im Falle des Antragstellers, dass im Ergebnis das öffentliche Interesse an seiner Ausreise gegenüber seinem privaten Bleibeinteresse überwiege. Nach der strafgerichtlichen Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten ohne Bewährung wiege das Ausweisungsinteresse bei ihm besonders schwer. Demgegenüber liege bei ihm weder ein besonders schwerwiegendes noch ein schwerwiegendes Bleibeinteresse vor (§ 55 AufenthG). Die verhängte Freiheitsstrafe und die Art der Straftat belegten die Gefährlichkeit, die vom Antragsteller für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehe. Im Rahmen der Spezialprävention müsse betrachtet werden, dass der Antragsteller bereits siebenmal strafrechtlich verurteilt worden sei, wobei er erst im Juli 2012 nach Deutschland eingereist sei. Die Begehung der Straftaten sei damit mit hoher Frequenz und mit hoher Rückfallgeschwindigkeit erfolgt. Das Strafgericht habe bei der letzten Verurteilung auch keine günstige Sozialprognose erstellen können. Zudem richte sich die letzte begangene Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die Gesundheit und die körperliche Unversehrtheit. Mit dem sexuellen Missbrauch von Kindern habe der Antragsteller Grundinteressen der Gesellschaft angegriffen. Er habe dem Geschädigten mindestens seelisches Leid zugefügt und im Nachgang habe auch keine Deliktsbearbeitung stattgefunden. Gerade deshalb sei zu vermuten, dass der Antragsteller ohne Schuld- und Unrechtsbewusstsein ähnlich gelagerte Taten wieder begehen werde. Ein Anhaltspunkt hierfür sei auch die Einschätzung in der Sozialprognose der Justizvollzugsanstalt, worin vermutet werde, dass die Therapie nur zum Schein in Anspruch genommen worden sei. Auch die Situation des Antragstellers nach Haftentlassung sei näher zu betrachten. Er habe keine weitere tiefe Verwurzelung oder familiären Hintergrund in der Bundesrepublik. Seine Ehefrau habe am 25. Juli 2017 mitgeteilt, dass sie keinen Weg mehr hin zu einer gemeinsamen Zukunft sehe und die Scheidung einreichen wolle. Zuletzt habe sie den Antragsteller am 30. November 2016 in der Haft besucht. Der Antragsteller verfüge über keine Wohnmöglichkeit und auch nicht über eine Arbeitsstelle. Dass vom Antragsteller eine wiederholende konkrete Gefahr ausgehe, werde nicht nur durch die Sozialprognose der Justizvollzugsanstalt, sondern auch durch die Tatsache unterstrichen, dass er als Risikoproband eingestuft worden sei.
Neben den spezialpräventiven Erwägungen sprächen auch generalpräventive Gesichtspunkte für die Ausweisung; nur durch eine konsequente Ausweisungspraxis könne das Verhalten von Ausländern dahingehend gesteuert werden, dass sie die deutsche Rechtsordnung beachteten.
Zwar sei der Antragsteller derzeit noch mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet, allerdings bestehe keine familiäre bzw. eheliche Lebensgemeinschaft mehr. Nach der Mitteilung der Ehefrau vom 25. Juli 2017 wolle sie keinen Kontakt mehr zum Antragsteller. Auch stehe die eheliche Wohnung nicht mehr zur Verfügung.
Die Ausweisung sei gesetzlich vorgesehen und verfolge den legitimen Zweck der Verteidigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie der Verhinderung weiterer Straftaten. Sie sei daher die geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahme, um den beabsichtigten Zweck durchzusetzen. Durch ein anderes milderes Mittel sei dieser Zweck nicht zu erreichen. Diesem Ergebnis stehe auch unter Berücksichtigung von Art. 8 Abs. 2 EMRK und Art. 6 GG der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht entgegen.
Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sei ebenfalls abzulehnen. Ihm stehe schon die Titelerteilungssperre nach § 11 Abs. 1 AufenthG entgegen. Darüber hinaus sei festzustellen, dass für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG die lediglich formal geschlossene Ehe nicht ausreiche, sondern eine Beziehung geprägt durch gegenseitigen Beistand und einer dauerhaften, persönlichen Verbundenheit voraussetze. Kennzeichnend dafür sei ein gemeinsamer Lebensmittelpunkt, insbesondere das Führen einer gemeinsamen Wohnung. Eine solche sei beim Antragsteller und seiner Ehefrau nicht mehr vorhanden. Diese habe mitgeteilt, dass sie keinen Weg mehr hin zu einer gemeinsamen Zukunft sehe. Schließlich seien beim Antragsteller auch die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AufenthG (fehlendes Ausweisungsinteresse, Sicherung des Lebensunterhaltes) nicht erfüllt.
Die Ausreisepflicht ergebe sich aus § 50 Abs. 1 AufenthG, die Wiedereinreisesperre aus § 11 Abs. 1 AufenthG. Unter Berücksichtigung der vom Antragsteller ausgehenden Wiederholungsgefahr und der ungünstigen Sozialprognose sowie seiner persönlichen Interessen sei eine Befristung der Sperrwirkung auf sechs Jahre ermessensgerecht.
Die Abschiebungsanordnung aus der Haft beruhe auf §§ 58 Abs. 3 Nr. 1, 59 Abs. 5 Satz 1 AufenthG, die Abschiebungsandrohung auf § 50 Abs. 2 AufenthG. Abschiebungsverbote seien nicht ersichtlich.
Der Bescheid wurde dem Antragsteller in der Justizvollzugsanstalt … am 23. Juni 2018 ausgehändigt.
Mit Schreiben vom 30. Juni 2018 hat der Antragsteller Klage zum Verwaltungsgericht München erhoben (Eingang am 3.7.2018, Az. M 10 K 18.3238), mit der er beantragt, den Bescheid des Antragsgegners vom 19. Juni 2018 aufzuheben.
Gleichzeitig hat er den Antrag gestellt,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Ausweisungsbescheid wiederherzustellen.
Bei ihm lägen die Voraussetzungen für einen Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vor, auch mache er die Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise subsidiären Schutz nach § 3 Abs. 1 bzw. § 4 Abs. 1 AsylG geltend.
Am 9. Juli 2018 wurde der Antragsteller aus der Haft entlassen. Mit Bescheid des Antragsgegners vom selben Tag wurde ihm als Wohnsitz eine Gemeinschaftsunterkunft (Asyl) in P. (Gemeinschaftsunterkunft mit Sicherheitsdienst) zugewiesen. Der Antragsteller ist HEADS-Proband und steht unter entsprechender Führungsaufsicht.
Mit Bescheid vom 16. Juli 2018 stellte der Antragsgegner dem Antragsteller eine Duldung zunächst befristet bis 16. Oktober 2018 aus (Blatt 801 der Ausländerakte).
Mit Schriftsatz vom 9. August 2018 bestellte sich der Verfahrensbevollmächtigte für den Antragstellers sowohl für das Klage- als auch das Eilverfahren bat und um Akteneinsicht, die nach Versand der Akten in seine Kanzlei unter dem 20. August 2018 erfolgte.
Mit Schriftsatz vom 18. Juli 2018 wies der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers den Antragsgegner darauf hin, dass die Ehefrau des Antragstellers bis dato keinen Scheidungsantrag eingereicht habe; die Eheleute hätten sich gestritten, zu einer Trennung sei es aber nie gekommen.
Zudem übermittelte er eine Erklärung der Ehefrau des Antragstellers vom 16. Juli 2018, worin diese angab, dass sich die Ehegatten versöhnt hätten und gerade nach einer gemeinsamen Wohnung suchten (Blatt 785 der Ausländerakte).
Bei den Ausländerakten befindet sich eine dem Antragsgegner weitergeleitete E-Mail der Kriminalpolizeiinspektion … an die HEADS-Zentralstelle vom 18. Juli 2018, worin mitgeteilt wird, dass ein Beamter mit der Ehefrau des Antragstellers telefoniert habe; diese habe dabei erklärt, dass der Antragsteller sie zwei Tage zuvor angerufen und mitgeteilt habe, dass er abgeschoben werden solle sowie dass er von ihr eine „2. Chance“ erwarte. Sie habe ihm geantwortet, sie werde es sich überlegen; es sei aber zu viel passiert, um ihm eine „2. Chance“ zu geben (Blatt 804 ff. der Ausländerakte).
Mit Schreiben vom 14. August 2018 hat der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 sei bereits unzulässig, da es am Rechtsschutzbedürfnis fehle.
Soweit sich der Antrag gegen die Ausweisungsverfügung richte, entfalte die erhobene Klage ohnehin aufschiebende Wirkung, nachdem die sofortige Vollziehung nicht angeordnet worden sei.
In Bezug auf die Versagung des Aufenthaltstitels bestehe schon eine anderweitige vollziehbare Ausreisepflicht nach § 58 Abs. 2 AufenthG; denn die Abschiebungsandrohung aus den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, mit dem der Asylantrag des Antragstellers abgelehnt worden sei, sei seit spätestens 13. September 2014 rechtskräftig und vollziehbar.
Jedenfalls sei ein so verstandener Antrag nach § 123 VwGO auch unbegründet, da der Antragsteller keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 AufenthG habe und somit kein Anordnungsanspruch bestehe. Hierzu werde auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid sowie insbesondere auf die Titelerteilungssperre nach § 11 Abs. 1 AufenthG verwiesen, deren Wirksamkeit auch durch die erhobene Klage unberührt bleibe (§ 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Zudem wäre es dem Antragsteller zumutbar, das Visumsverfahren nachzuholen. Weiterhin erscheine auch unter dem Gesichtspunkt, dass kein Anspruch auf Erteilung eines Titels gegeben sei, dass Erteilungsverbot nach § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG einschlägig, dass von der Anwendung des § 10 Abs. 3 Satz 4 AufenthG abgesehen werden müsse. Ein Anspruch aus § 39 Nr. 5 AufenthV sei auch nicht einschlägig. Soweit der Antragsteller Flüchtlingsschutz bzw. subsidiären Schutz sowie Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG geltend mache, werde auf die Entscheidungskompetenz des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge sowie auf dessen rechtskräftigen Bescheid vom 1. April 2014 verwiesen, der für die Ausländerbehörde bindend sei (§ 42 AsylG).
Im Übrigen sei nach Einschätzung des Antragsgegners davon auszugehen, dass eine eheliche Lebensgemeinschaft nicht bestehe. Zwar habe die Ehefrau unter dem 16. Juli 2018 erklärt, sie habe sich mit dem Antragsteller versöhnt und sie suchten gemeinsam eine neue Wohnung. Es liege aber die Vermutung nahe, dass es sich hierbei um eine verfahrensangepasste Erklärung handle. Frau J. halte sich nach eigenen Angaben gegenüber der Polizei derzeit bei ihrem Ex-Mann E. C. auf. Nachweise über eine konkrete Suche nach einer gemeinsamen Wohnung mit dem Antragsteller seien bisher nicht geführt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten im Klage- und Eilverfahren sowie der vorgelegten Ausländerakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 19. Juni 2018 hat keinen Erfolg.
1. Der Antrag ist zum Teil bereits unzulässig.
a. Soweit der Antragsteller nach § 80 Abs. 5 VwGO die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage hinsichtlich der in Ziffer 1 des Bescheids verfügten Ausweisungsentscheidung begehrt, ist der Eilantrag unstatthaft, weil bereits die erhobene Klage, wie sich im Umkehrschluss aus § 84 Abs. 1 AufenthG ergibt, aufschiebende Wirkung entfaltet (vgl. § 84 Abs. 2 AufenthG i. V. m. § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Bei dieser verbleibt es, da der Antragsgegner die sofortige Vollziehung der Ausweisungsentscheidung auch nicht nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat.
b. Soweit mit dem Antrag die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hinsichtlich der in Ziffer 3 des Bescheids angeordneten Befristung des als gesetzliche Folge der Ausweisung eintretenden Wiedereinreise- und Aufenthaltsverbots (§ 11 Abs. 1 AufenthG) begehrt wird, ist er ebenfalls unzulässig.
Einem solchen Antrag nach §§ 80 Abs. 5, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 84 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, da mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung nur die getroffene Befristungsentscheidung suspendiert würde, mit der Folge, dass das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG unbefristet gelten und die Rechtsstellung des Antragstellers somit gerade nicht verbessert würde.
Vorläufiger Rechtsschutz gegen eine Befristungsentscheidung (mit dem Ziel der Verkürzung der Wiedereinreise- und Aufenthaltssperre) ist deshalb allenfalls durch eine Regelungsanordnung im Verfahren nach § 123 VwGO zu erlangen. Ein solcher Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO wurde im vorliegenden Fall nicht gestellt und ist hier auch nicht im Wege der Auslegung nach §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO zu ermitteln. Denn dem Antragsteller geht es – jedenfalls im vorläufigen Rechtsschutz – ersichtlich darum, gar nicht erst aus dem Bundesgebiet ausreisen zu müssen und nicht (lediglich) darum, innerhalb einer kürzeren Frist wieder einreisen zu dürfen.
2. Im Übrigen ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässig.
a. Dies gilt vorliegend ausnahmsweise auch insoweit, als sich der Eilantrag gegen die Versagung der vom Antragsteller beim Antragsgegner beantragten Aufenthaltserlaubnis in Ziffer 2 des Bescheids vom 19. Juni 2018 richtet.
Die Verpflichtung des Antragsgegners zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis ist in der Hauptsache im Wege der Verpflichtungsklage zu erstreiten. Grundsätzlich ist in den Fällen, in denen in der Hauptsache die Verpflichtungsklage statthaft ist, vorläufiger Rechtsschutz durch einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu suchen.
Eine Ausnahme gilt allerdings im Aufenthaltsrecht in den Fallgestaltungen, in denen die Beantragung der Aufenthaltserlaubnis dem Antragsteller zuvor ein fiktives Aufenthaltsrecht nach § 81 Abs. 3 oder 4 AufenthG verschafft hat. In diesen Fällen hat der gesetzliche Ausschluss des Suspensiveffekts nach § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG i. V. m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO zur Folge, dass das fiktive Aufenthaltsrecht nach § 81 AufenthG entfallen würde. Nur für diese Fallgestaltung kommt ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO in Betracht.
Eine solche Fallkonstellation ist vorliegend gegeben.
aa. Zu Gunsten des Antragstellers greift bei ihm die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 AufenthG ein.
Die Gültigkeit der dem Antragsteller am 30. Oktober 2014 erteilten Aufenthaltserlaubnis war bis zum 29. November 2015 befristet (Blatt 491 der Ausländerakte). Am 30. November 2015 – mithin um einen Tag verspätet – beantragte er die Verlängerung (Neuerteilung) seines Aufenthaltstitels (Blatt 555 der Ausländerakte).
Zwar erfordert die Fortgeltungsfiktion des § 81 Abs. 4 AufenthG eine rechtzeitige Antragstellung. Ein verspätet gestellter Antrag bewirkt im Unterschied zu § 81 Abs. 3 Satz 2 AufenthG nicht einmal eine Duldungsfiktion; diese Vorschrift ist auch nicht analog heranzuziehen (vgl. BVerwG, U.v. 22.6. 2011 − 1 C 5/10 – NVwZ 2011, 1340).
Jedoch kann die Ausländerbehörde nach § 81 Abs. 4 Satz 2 AufenthG im Rahmen einer Härtefallregelung – insbesondere bei geringfügigen Fristüberschreitungen – die Fortgeltungswirkung anordnen.
Vorliegend hat die Ausländerbehörde dem Antragsteller noch am Tag des Verlängerungsantrags eine Fiktionsbescheinigung ausgestellt. Zwar war diese bis 30. Juni 2016 befristet. Die Geltungsfrist der – lediglich deklaratorischen – Bescheinigung hat jedoch keinen Einfluss auf die Dauer der Aufenthaltsfiktion (VGH BW, U.v. 28.4.2009 – 13 S 3086/08 – BeckRS 2009, 34119), vielmehr ist diese gesetzlich auf den Zeitpunkt der Entscheidung der Ausländerbehörde über die Erteilung eines Aufenthaltstitels befristet (Kluth in: BeckOK, Ausländerrecht, Stand: 1.8.2018, § 81 AufenthG Rn. 47, m.w.N.).
Die (angeordnete) Fortgeltungswirkung endete vorliegend also erst mit der Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 19. Juni 2018, sodass hier ausnahmsweise ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft ist.
bb. Diesem Antrag fehlt entgegen der Auffassung des Antragsgegners in der Antragserwiderung auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis.
Zwar besteht ein Rechtsschutzbedürfnis im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO nur dann, wenn durch die erstrebte Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs ein rechtlicher oder tatsächlicher Vorteil für den Betroffenen eintreten kann. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn für ihn schon eine anderweitige vollziehbare Ausreisepflicht nach § 58 Abs. 2 AufenthG besteht.
Zwar war der Antragsteller nach der Ablehnung seines Asylantrags mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 1. April 2014 und der gleichzeitig unter Androhung der Abschiebung (vgl. 34 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 AsylG) ausgesprochenen Aufforderung zur Ausreise aus der Bundesrepublik spätestens 30 Tage nach Unanfechtbarkeit des Bescheids vollziehbar ausreisepflichtig; Unanfechtbarkeit trat hier insoweit mit der Rücknahme der Asylklage (Az. M 25 K 14.30626) am 13. August 2014 ein.
Jedoch wurde dem Antragsteller nach dem negativen Ausgang seines Asylverfahrens am 30. Oktober 2014 durch die Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug erteilt. Damit erledigte sich die vom Bundesamt bereits erlassene Abschiebungsandrohung (Pietzsch in: BeckOK, Ausländerrecht, Stand: 1.8.2018, § 34 Rn. 25; BVerwG, U.v. 21.9.1999 – 9 C 12/99 – NVwZ-Beil. 2000, 25; OVG Münster, B.v. 6.6.2012 – 18 B 301/12 – BeckRS 2012, 52066).
Mit der Erteilung des Aufenthaltstitels entfällt die Ausreisepflicht des Ausländers (vgl. § 50 Abs. 1 AufenthG) und damit auch die Grundlage der im Asylverfahren erfolgten Abschiebungsandrohung, welche die Aufenthaltsbeendigung gerade vorbereiten sollte (BVerwG, U.v. 21.9.1999 – 9 C 12/99 – a.a.O.; OVG Münster, B.v. 6.6.2012 – 18 B 301/12 – a.a.O.).
Die erledigte Abschiebungsandrohung kann auch nicht im Hinblick auf eine später durch den Wegfall des Aufenthaltstitels neu entstehende Ausreisepflicht der Aufenthaltsbeendigung zugrunde gelegt werden; wird der Aufenthalt eines Ausländers nach erfolglosem Abschluss seines Asylverfahrens aus asylverfahrensunabhängigen Gründen erlaubt, so wird vielmehr die Ausländerbehörde für den Erlass einer Abschiebungsandrohung zuständig (so ausführlich: OVG Münster, B.v. 6.6.2012 a.a.O.).
b. Zulässig ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage auch in Bezug auf die – nach erfolgter Entlassung des Antragstellers aus der Haft allein noch maßgebliche – Abschiebungsandrohung in Ziffer 5 des streitgegenständlichen Bescheids vom 19. Juni 2018.
Die (ausländerrechtliche) Abschiebungsandrohung ist als Vollstreckungsmaßnahme kraft Gesetzes sofort vollziehbar (vgl. § 80 Abs. 2 S. 2 VwGO i.V.m. Art. 21a Satz 1 Bayrisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz – VwZVG), so dass der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO statthafter Rechtsbehelf ist.
3. Soweit der Antrag zulässig ist, ist er jedoch unbegründet.
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung einer Klage in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder zum Teil anordnen, wobei es im Rahmen einer originären Ermessensentscheidung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des angegriffenen Verwaltungsakts und dem privaten Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen hat. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen, die ein wichtiges, wenn auch nicht alleiniges Indiz für bzw. gegen die Begründetheit des einstweiligen Rechtsschutzbegehrens sind. Ergibt die im Eilverfahren allein mögliche summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das private Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich der angegriffene Bescheid hingegen schon bei kursorischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, so verbleibt es bei der Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden öffentlichen bzw. privaten Interessen.
Nach diesen Maßgaben überwiegt unter Beachtung der voraussichtlichen Erfolgsaussichten in der Hauptsache im vorliegenden Fall das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung gegenüber dem privaten Interesse des Antragstellers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet.
a. Nach der insoweit gebotenen, aber auch ausreichenden überschlägigen Überprüfung ist die Ablehnungsentscheidung in Ziffer 2 des Bescheides vom 19. Juni 2018 rechtlich nicht zu beanstanden (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
aa. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug nach §§ 27 Abs. 1, 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG.
Zwar hat der Antragsteller am 7. Juli 2013 vor dem Standesbeamten in … die Ehe mit der deutschen Staatsangehörigen B. J. geschlossen; diese Ehe ist auch nicht förmlich geschieden.
Jedoch genügt es nicht, wenn lediglich formal-rechtlich eine Ehe (fort-)besteht. Die Eheleute müssen eine eheliche Lebensgemeinschaft führen wollen (Tewocht in: BeckOK, Ausländerrecht, Stand: 1.8.2018, § 28 AufenthG Rn. 12). Es kommt hierbei darauf an, dass die Eheleute in einer die persönliche Verbundenheit zum Ausdruck bringenden Beistandsgemeinschaft leben. Diese eheliche Lebensgemeinschaft, die sich nach außen im Regelfall in einer gemeinsamen Lebensführung, also in dem erkennbaren Bemühen dokumentiert, die alltäglichen Dinge des Lebens miteinander in organisatorischer, emotionaler und geistiger Verbundenheit zu bewältigen, dreht sich im Idealfall um einen gemeinsamen Lebensmittelpunkt und wird daher regelmäßig in einer von den Eheleuten gemeinsam bewohnten Wohnung gelebt. Allerdings hat der Staat seiner Schutz- und Gewährleistungsfunktion auch dann nachzukommen, wenn sich Eheleute etwa dazu entschließen, aus bestimmten sachlichen oder persönlichen Gründen, z.B. wegen Berufstätigkeit an verschiedenen Orten, ihre Lebensgemeinschaft nicht ständig in einer gemeinsamen Wohnung zu leben – vorausgesetzt, dass hierdurch die persönliche und emotionale Verbundenheit der Eheleute, ihr “Füreinander-Dasein“, nicht in einer so nachhaltigen Weise aufgegeben wird, dass nicht mehr von einer Beistandsgemeinschaft, sondern allenfalls noch von einer bloßen Begegnungsgemeinschaft gesprochen werden kann (Tewocht a.a.O. § 27 AufenthG Rn. 44 m.w.N.). Maßgeblich ist im Einzelfall der nachweisbar betätigte Wille, mit der Partnerin bzw. dem Partner als wesentlicher Bezugsperson ein gemeinsames Leben zu führen (BVerwG, B.v. 22.5.2013 – 1 B 25.12 – BeckRS 2013, 52673).
Mit der Ausländerbehörde ist vorliegend davon auszugehen, dass unter Zugrundelegung dieser Maßgaben der Antragsteller mit Frau J. keine eheliche Lebensgemeinschaft führt.
Während seiner Strafhaft wurde der Antragsteller ausweislich der Besuchsliste der Justizvollzugsanstalt … in der Zeit von 11. Mai 2016 bis zu seiner Entlassung am 9. Juli 2018 von seiner Ehefrau dort insgesamt lediglich fünfmal besucht, zuletzt am 30. November 2016.
Laut Führungsbericht der Justizvollzugsanstalt vom 23. April 2018 hatte die Ehefrau des Antragstellers bereits im Juli 2017 mitgeteilt, dass sie mit ihm nichts mehr zu tun haben wolle, weil er sie finanziell ruiniert habe; es gebe keine gemeinsame Zukunft mehr, sie wolle sich scheiden lassen.
Nach übereinstimmenden Angaben der Eheleute verfügen der Antragsteller und seine Ehefrau auch nicht (mehr) über eine Ehewohnung.
Zwar hat der nunmehr bestellte Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers der Ausländerbehörde unter dem 18. Juli 2018 eine Erklärung der Ehefrau des Antragstellers vom 16. Juli 2018 übersandt, worin sie angibt, dass sie sich mit dem Antragsteller versöhnt habe und sie gerade nach einer gemeinsamen Wohnung suchten. Dies wurde aber weder vom Antragsteller bestätigt noch sonst belegt.
Laut einem Aktenvermerk erklärte Frau J. vielmehr bei einem Telefonat mit einem Polizeibeamten im Rahmen der HEADS-Führungsaufsicht am 18. Juli 2018, dass zu viel passiert sei, um dem Antragsteller noch eine „2. Chance“ zu geben.
Dass der Antragsteller und seine Ehefrau derzeit eine aufenthaltsrechtlich beachtliche Lebensgemeinschaft im Sinne einer organisatorischen, emotionalen und geistigen Verbundenheit führen, kann nach diesen hier konkret gegebenen Umständen nicht festgestellt werden.
bb. Sonstige Rechtsgrundlagen, auf die der Antragsteller seinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis stützen könnte, sind nicht ersichtlich.
cc. Ungeachtet dessen sind beim Antragsteller auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis nicht gegeben, da ein Ausweisungsinteresse vorliegt (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG).
Unter einem Ausweisungsinteresse ist ein Tatbestand zu verstehen, der in § 54 AufenthG definiert ist (Maor in: BeckOK, Ausländerrecht, Stand: 1.8.2018, § 5 AufenthG Rn. 8 ff. m.w.N.)
Der Antragsteller wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Rosenheim vom 18. Mai 2016 unter Einbeziehung der Strafurteile vom 7. März 2016 (Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern) und vom 21. Dezember 2015 (Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten wegen versuchten Diebstahls und Hausfriedensbruchs) nachträglich zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren ohne Bewährung verurteilt. Damit liegt bei ihm ein besonders schweres Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG vor; die Bildung einer (nachträglichen) Gesamtstrafe nach §§ 53 Abs. 1, 55 Abs. 1 StGB ist insoweit ausreichend (vgl. Tanneberger in: BeckOK, Ausländerrecht, Stand: 1.8.2018, § 5 AufenthG Rn. 11). Auch ohne Berücksichtigung der nachträglichen Gesamtstrafenbildung liegt jedenfalls mit der letzten Verurteilung vom 7. März 2016 ein schweres Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG vor.
Das Ausweisungsinteresse ist auch weiterhin erheblich, so dass kein Abweichen vom Regelfall nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG veranlasst ist.
Nicht (mehr) erheblich ist das Ausweisungsinteresse nur dann, wenn es mit hinreichender Sicherheit nicht mehr aktuell vorliegt, was heißt, dass ohne vernünftige Zweifel feststeht, dass die Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, die mit dem Ausweisungsinteresse zusammenhängt, nicht mehr besteht (vgl. BayVGH, B.v. 26.8.2016 – 10 AS 16.1602 – BeckRS 2016, 51505; Maor in: BeckOK, Ausländerrecht, Stand: 1.8.2018, § 5 AufenthG Rn. 8.1).
Dies ist vorliegend nicht der Fall. Denn die Kammer ist davon überzeugt, dass beim Antragsteller mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden muss, dass er erneut Straftaten begehen wird und er damit weiterhin eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt. Eine Tataufarbeitung ist nicht im Ansatz ersichtlich.
Der Antragsteller ist während seines Aufenthalts in Deutschland wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten. Er hat sich auch durch die verhängte Freiheitsstrafe nicht beeindrucken lassen, eine ausgesprochene Strafaussetzung zur Bewährung musste widerrufen werden. Zuletzt hat er sich des sexuellen Missbrauchs von Kindern strafbar gemacht. Dieses vom Antragsteller begangene Sexualverbrechen an einem Minderjährigen und insbesondere die Umstände bei der Begehung indizieren zur Überzeugung des Gerichts eine Wiederholungsgefahr. Es ist nicht auszuschließen, dass der Antragsteller wiederholt in eine vergleichbare Situation kommt, in der er sexuelle Erregung sucht und sich an Kindern vergreift. Es ist auch nicht ersichtlich oder vorgetragen, dass sich der Antragsteller in irgendeiner Weise mit seinen Straftaten, seiner Schuld und der daraus resultierenden Verantwortung sowie den Folgen für das Opfer auseinandergesetzt und gelernt hat, seinen Sexualtrieb zu kontrollieren. Eine aus Sicht des Sozialdienstes der Justizvollzugsanstalt … für erforderlich gehaltene Therapie hat der Antragsteller nach nur drei Sitzungen abgebrochen. Dementsprechend wird ihm nicht nur vom Strafgericht, sondern auch seitens des Sozialdienstes eine negative Sozialprognose ausgestellt. Auch die Tatsache, dass der Antragsteller im Rahmen des HEADS-Programms als Risikoproband eingestuft worden ist und entsprechend überwacht wird, zeigt, dass er als besonders rückfallgefährdet gilt.
Hinzu kommt, dass dem Antragsteller nach seiner Haftentlassung kein Rückkehrraum zur Verfügung stand; er verfügt weder über eine Wohnung noch über eine Arbeitsstelle. Auch sonstige soziale Kontakte wurden nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich. Derzeit ist er in einer Asyl-Gemeinschaftsunterkunft mit Sicherheitsdienst untergebracht.
dd. Schließlich steht der Erteilung jeglicher Aufenthaltserlaubnis hier auch die Titelerteilungssperre nach § 11 Abs. 1 AufenthG entgegen, da die Ausländerbehörde den Antragsteller mit Bescheid vom 19. Juni 2018 (Ziffer 1) aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen hat; einem ausgewiesenen Ausländer wird auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem Aufenthaltsgesetz kein Aufenthaltstitel erteilt.
Zwar ist die Ausweisung noch nicht bestandskräftig oder vollziehbar, weil die dagegen gerichtete Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung entfaltet (§ 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO, s.o. Nr. 1.a.); nach § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist sie aber trotzdem wirksam. Dies genügt für die Auslösung der Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 AufenthG (vgl. schon BVerfG, B.v. 29.3.2007 – 2 BvR 1977/06 – juris Rn. 26, HessVGH, B.v. 17.8.1995 – 13 TH 3304/94 – noch zu den entsprechenden Vorschriften des AuslG, NVwZ-RR 1996, 112 = juris Ls 1).
Allerdings verlangt die bereichsspezifisch auf das Ausländerrecht bezogene Einschränkung des § 80 Abs. 1 VwGO durch § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, welche es einer Behörde ermöglicht, durch den bloßen Erlass einer Ausweisungsverfügung selbst die Grundlagen für die Auslösung der Sperrwirkung nach § 11 Abs. 1 AufenthG zu schaffen, wegen des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG die inzidente summarische Prüfung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung im Verfahren des § 80 Abs. 5 VwGO, für den Fall, dass eine Ausländerbehörde einen Antrag auf Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung unter Bezugnahme auf eine gleichzeitig erlassene, nicht mit der Anordnung des Sofortvollzugs versehene Ausweisungsverfügung ablehnt (HessVGH, B.v. 17.8.1995 a.a.O. juris Rn. 9 m.w.N.). Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts maßgebend (vgl. BVerwG, U.v. 15.11.2007 – 1 C 45.06 – BVerwGE 130, 20 ff., juris Ls 1).
Ungeachtet dessen, dass die Ausländerbehörde den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels schon mangels Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen versagt und die Ablehnung nicht allein auf die Titelerteilungssperre nach § 11 Abs. 1 AufenthG stützt, führt eine Inzidentprüfung vorliegend zu dem Ergebnis, dass derzeit keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung bestehen.
Gemäß § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.
Das Gericht kommt vorliegend bei der Beurteilung der Ausweisungsentscheidung zu dem Ergebnis‚ dass zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt das Ausweisungsinteresse unter Abwägung der in § 53 Abs. 2 AufenthG genannten Kriterien gegenüber dem Bleibeinteresse des Antragstellers überwiegt.
aaa. Die nach § 53 Abs. 1 AufenthG vorausgesetzte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist beim Antragsteller gegeben.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei einer (spezialpräventiven) Ausweisungsentscheidung und ihrer gerichtlichen Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. z.B. BVerwG‚ U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 18).
Bei der Prognose‚ ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht‚ sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen‚ insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat‚ die Umstände ihrer Begehung‚ das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH‚ U.v. 28.6.2016 – 10 B 13.1982 – juris Rn. 32; B.v. 2.11.2016 – 10 ZB 15.2656 – juris Rn. 10 m.w.N.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (BayVGH, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10/12 – juris Rn. 15 m.w.N.).
Gemessen an diesen Vorgaben ist die Kammer davon überzeugt, dass nach dem Gesamtbild des Antragstellers, das in erster Linie durch sein Verhalten gekennzeichnet ist, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden muss, dass er erneut vergleichbare Straftaten begehen wird und er damit eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt.
Der Antragsteller ist seit seiner Einreise nach Deutschland im Jahr 2012 wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten und mehrfach zu Freiheitsstrafen verurteilt worden, die – teils nach Bewährungsversagen – auch vollstreckt wurden. Von den Sanktionen hat er sich jedoch nicht beeindrucken lassen, vielmehr weist die Delinquenz des Antragstellers erhebliche Rückfallgeschwindigkeit auf. Zuletzt hat er sich des sexuellen Missbrauchs von Kindern strafbar gemacht. Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung sind höchst persönlichkeits- und sozialschädlich, es gehen weitreichende Konsequenzen von ihnen aus. Nach den Feststellungen des Strafgerichts hat der Antragsteller in der Herrendusche in einem öffentlichen Freibad einem 11-Jährigen in die Badehose gegriffen und an dessen Geschlechtsteil gelangt, um sich sexuell zu erregen. Bei den dabei angegriffenen Schutzgütern der sexuellen Selbstbestimmung, der Würde des Opfers und seiner körperlichen und seelischen Integrität handelt es sich um Rechtsgüter von höchstem Rang. Mit Straftaten, die sich hiergegen richten, werden den Opfern erhebliche körperliche und seelische Schäden zugefügt, die sich schlimmstenfalls ein Leben lang auswirken können. Daher ist der Schutz vor Sexualdelikten allgemein, insbesondere aber bei Minderjährigen, eine wichtige Aufgabe und ein Grundinteresse der Gesellschaft.
Unter Zugrundelegung entsprechend geringerer Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit eines künftigen Schadenseintritts geht das Gericht prognostisch davon aus, das vom Antragsteller weiterhin eine Gefahr ausgeht. Nach Auffassung der Kammer lässt sich nicht ausschließen, dass der Antragsteller in einer vergleichbaren Situation bei erneutem „Interesse“ an einem Kind seinem Sexualtrieb rücksichtslos nachgibt. Wie bereits ausgeführt hat der Antragsteller seine Straftat auch nicht im Rahmen therapeutischer Maßnahmen selbstkritisch aufgearbeitet. Die ihm ausgestellten Sozialprognosen sind negativ. Die Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung wurde im Strafurteil vom 7. März 2016 ausdrücklich ausgeschlossen.
Wie ausgeführt stehen ihm nach der Haftentlassung kein stabiler Rückkehrraum und keine Arbeitsstelle zur Verfügung.
bbb. Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage nach § 53 Abs. 1 AufenthG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Antragstellers mit seinen Interessen an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet ergibt vorliegend, dass das Ausreiseinteresse überwiegt.
Nach § 53 Abs. 2 AufenthG sind bei der Abwägung insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Ausländers im Bundesgebiet, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen hier und im Herkunftsstaat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner und ferner die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.
Im Falle des Antragstellers ergibt eine Gegenüberstellung der gegenläufigen Interessen anhand der im Aufenthaltsgesetz typisierten Ausweisungs- und Bleibeinteressen‚ dass er ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG verwirklicht hat, nachdem das Amtsgerichts Rosenheim ihn am 7. März 2016 wegen des sexuellen Missbrauchs verurteilt und ihn unter Einbeziehung des Urteils vom 21. Dezember 2015 mit Beschluss vom 18. Mai 2016 zu einer nachträglich gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt hat.
Dem Ausweisungsinteresse steht kein typisiertes besonders schwerwiegendes oder schwerwiegendes Bleibeinteresse des Antragstellers nach § 55 AufenthG gegenüber, insbesondere lebt er, wie bereits ausgeführt, mit seiner Ehefrau nicht in einer familiären/ehelichen Lebensgemeinschaft i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG.
Sonstige soziale Kontakte des Antragstellers sind weder vorgetragen noch ersichtlich; derzeit ist er in einer Asylunterkunft untergebracht. Er verfügt über keine Arbeitsstelle, wirtschaftliche Integration ist nicht gegeben.
Demgegenüber sind keine Umstände zu erkennen, weshalb dem Antragsteller eine Reintegration in Tunesien nicht gelingen sollte, auch zumal er nach Aktenlage dort noch Angehörige hat.
Insgesamt stellt sich die Ausweisung des Antragstellers auch mit Blick auf die Anforderungen der wertentscheidenden Grundsatznormen des Art. 6 Abs. 1 GG und des Art. 8 EMRK nicht als unverhältnismäßig dar. Insoweit wird ergänzend auf die Ausführungen der Ausländerbehörde im angegriffenen Bescheid Bezug genommen, denen das Gericht folgt (§ 117 Abs. 5 VwGO).
ccc. Schließlich sprechen, wie auch der Antragsgegner im angegriffenen Bescheid zu Recht festgestellt hat, auch generalpräventive Aspekte für eine Ausweisung des Antragstellers aus der Bundesrepublik Deutschland (zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit vgl. insoweit schon BVerfG, B.v. 17.1.1979 – 1 BvR 241/77 – NJW 1979; vgl. auch BT-Drs. 18/4097, 49 sowie BayVGH München, B.v. 19.09.2016 – 19 CS 15.1600 – BeckRS 2016).
Vorliegend besitzt die Anlasstat mit Blick auf die von ihr angegriffenen Rechtsgüter der sexuellen Selbstbestimmung auch erhebliches Gewicht und bedarf der ordnungsrechtlichen Prävention (vgl. dazu BVerwG, B.v. 2.2.1979 – 1 B 238/78 – DÖV 1979, 375; B.v. 16.08.1995 – 1 B 43.95 – InfAuslR 1995, 404).
Die Ausweisung ist geeignet, abschreckende Wirkung für andere Ausländer zu entfalten, und stellt sich auch unter Würdigung der konkreten Lebensumstände des Antragstellers – insbesondere mit Blick auf seine fehlende soziale und wirtschaftliche Integration – nicht als unverhältnismäßig dar.
b. Auch die Abschiebungsandrohung in Ziffer 5 des angegriffenen Bescheids vom 19. Juni 2018 ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig. Da der Antragsteller ausreisepflichtig ist, konnte ihm auch die Abschiebung angedroht werden (§§ 50 Abs. 1, 58, 59 AufenthG). Die gesetzte Ausreisefrist von sieben Tagen nach Haftentlassung ist angemessen; es ist nicht ersichtlich, dass der Antragsteller mehr Zeit benötigen würde, um seine Angelegenheiten für die Ausreise zu regeln. Im Übrigen wurde seine Abschiebung zuletzt bis 16. Oktober 2018 ausgesetzt.
Soweit der Antragsteller Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 AufenthG geltend macht, ist er an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu verweisen, das allein zur Prüfung solcher zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse zuständig ist; die Ausländerbehörde ist an dessen Feststellung gebunden (§ 42 Satz 1 AsylG).
Auch sonst sind Duldungsgründe gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG (tatsächliche oder rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung) weder vorgetragen noch ersichtlich; im Übrigen berühren sie die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nicht.
Zur Ergänzung wird auch insoweit auf die Ausführungen des Bescheids Bezug genommen.
c. Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass, soweit der Antragsteller die Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise subsidiären Schutz geltend macht, dies allein der Prüfungskompetenz des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge unterfällt und gegebenenfalls im Rahmen eines Asylfolgeantrags vorzutragen ist.
4. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO war daher insgesamt mit der Kostenfolge des § 154 VwGO abzulehnen.
5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG, wobei in Eilverfahren die Hälfte des Streitwerts des Hauptsacheverfahrens anzusetzen ist. Der Streitwert im Hauptsacheverfahren beträgt 10.000,- Euro, weil Klagegegenstand die Ausweisungsentscheidung und die Antragsablehnung sind.