Aktenzeichen Au 6 E 19.666
Leitsatz
1. Es besteht kein Anspruch auf eine Duldung für die Dauer des Verfahrens auf Erteilung eines Aufenthaltstitels. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 1.250,00 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen seine Abschiebung nach Afghanistan.
I.
Der 1975 in … geborene Antragsteller ist afghanischer Staatsangehöriger aus der Volksgruppe der Hazara schiitischen Glaubens und lebte in Afghanistan zuletzt in der Provinz … Er reiste im Januar 2016 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte einen Asylantrag, der mit Bescheid vom 20. Juni 2016 abgelehnt worden ist. Die Klage hiergegen wurde mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 16. November 2017 (Au 6 K 16.32586) abgewiesen.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte mit Bescheid vom 11. Mai 2018 auch einen Folgeantrag als unzulässig und einen Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 20. Juni 2016 bezüglich der Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten ebenfalls ab. Die Klage hiergegen wurde mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 14. Januar 2019 (Au 8 K 18.31050) abgewiesen. Darin führte es u.a. aus (ebenda Rn. 22): „Unabhängig davon, ob der Antragsteller tatsächlich vor vier Monaten eine afghanische Staatsangehörige in Deutschland nach islamischem Ritus geheiratet hat, führt dies ebenfalls nicht zur Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots. Zum einen wurde die Heirat nach islamischem Ritus nicht glaubhaft gemacht. Dokumente dazu konnten nicht vorgelegt werden. Lichtbilder reichen dafür nicht aus. Des Weiteren steht die angeblich geplante standesamtliche Heirat noch aus. Unterhaltsverpflichtungen bestehen insoweit (noch) nicht. Zum anderen wäre dieser Aspekt ausländerrechtlich zu würdigen.“
Niederschriftlich und mit Dolmetscher wurde der Antragsteller am 1. Februar 2018 (Behördenakte Bl. 136, 146) über seine Passpflicht und seine entsprechenden Mitwirkungspflichten belehrt und er erklärte, nicht freiwillig auszureisen (ebenda Bl. 139); er legte am 22. Februar 2018 eine Bestätigung des afghanischen Generalkonsulats über eine Beantragung einer Tazkira vor (ebenda Bl. 156) und am 9. Mai 2019 eine Tazkira-Übersetzung (ebenda Bl. 168). Im Juni 2018 leitete die Ausländerbehörde ein Passersatzpapierverfahren (Transit Pass for Returning to Afghanistan) ein (ebenda Bl. 188 f., 206). Der Antragsteller legte am 7. Juni 2018 eine Terminsbestätigung des afghanischen Generalkonsulats und im August 2018 eine Antragsbestätigung des afghanischen Generalkonsulats für einen Reisepass vor (ebenda Bl. 195, 229). Geplante (Sammel-)Abschiebungen am 2. Oktober 2018 und am 19. Februar 2019 mussten storniert werden, da der Antragsteller nicht angetroffen werden konnte (ebenda Bl. 246, 312). Der frühere Antragstellerbevollmächtigte machte geltend, der Antragsteller wolle seine Verlobte heiraten und der Antragsgegner möge die Eheschließung abwarten; sie habe bereits eine Fehlgeburt erlitten (ebenda Bl. 260). Am 4. Dezember 2018 setzte das Standesamt * ein antragstellerseitig eingeleitetes Verfahren zur vorgeburtlichen Vaterschaftsanerkennung aus (ebenda Bl. 265).
Am 8. April 2019 ließ der Antragsteller der Ausländerbehörde Fotokopien von Geburtsurkunde und Reisepass sowie eine Kopie einer Ledigkeitsbescheinigung vorlegen, die Originale wolle er dem Standesamt zwecks Eheschließung vorlegen, sowie eine Duldung beantragen (ebenda Bl. 335, 342).
Mit Telefax seines Bevollmächtigten vom 2. Mai 2019 beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner, ihm mitzuteilen, dass bis zum Abschluss des Prüfungsverfahrens über den Aufenthalt wegen Eheschließung nach § 30 AufenthG keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegen ihn durchgeführt würden (Behördenakte Bl. 345). Er übersandte hierzu ein Scheidungsurteil der Ehefrau in Kopie, eine Kopie des Reiseausweises, eine Kopie der Geburtsurkunde sowie eine Kopie einer Heiratsurkunde des Generalkonsulats der islamischen Republik Afghanistan in *. Beigefügt waren Kopien eines Auszugs eines am 7. März 2019 vom afghanischen Generalkonsulat in * ausgestellten Reisepasses für den Antragsteller, einer am gleichen Tag ausgestellten Geburtsurkunde und eines afghanischen Dokuments über eine Eheschließung. Einer später dem Verwaltungsgericht vorgelegten Übersetzung dieser Urkunde (VG-Akte Bl. 85), überschrieben mit „Heiratsurkunde“, ist als „Erklärung“ zu entnehmen: „Dem Antrag der Eheleute gemäß, die Aussagenden, deren Personalien im Dokument eingetragen sind, sind am 25.4.2019 im Konsulat erschienen und haben mit rechtlichen und gesetzlichen Kompetenzen bezeugt: Wir Zeugen, mit rechtlichen und gesundheitlichen Kompetenzen bezeugen, dass Herr [Antragsteller] und Frau […] sehr gut kennen. Sie haben am 11.9.2018 in der Stadt * geheiratet haben. Die beiden sind immer noch miteinander verheiratet …“.
Der Antragsgegner teilte mit, eine Aussetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sei nicht möglich, da eine Eheschließung des Antragstellers nicht unmittelbar bevorstehe, er vollziehbar ausreisepflichtig sei und kein Duldungsgrund vorliege; der Bevollmächtigte des Antragstellers erwiderte, die Eheschließung sei bereits erfolgt; der Antragsgegner erwiderte, ihm liege keine Heiratsurkunde über eine Eheschließung nach deutschem Recht vor.
Der Antragsgegner sandte dem früheren Bevollmächtigten des Antragstellers einen Bescheid vom 9. Mai 2019 (Behördenakte Bl. 419 ff.), worin er anordnete, dass sich der Antragsteller in der Zeit vom 15. Mai 2019 bis zum 28. Mai 2019 jeweils von 7.30 Uhr bis 9.00 Uhr in dem ihm zugewiesenen Zimmer in der ihm zugewiesenen Unterkunft zur Abschiebung bereitzuhalten habe, kurzfristige Abwesenheiten von weniger als zehn Minuten seien hiervon ausgenommen (Nr. 1 des Bescheids). Der Antragsgegner drohte ein Zwangsgeld von 100 Euro für den Fall der Zuwiderhandlung an (Nr. 2) und ordnete den Sofortvollzug der Verpflichtung unter Nr. 1 des Bescheids an (Nr. 3). Hiergegen ließ der Antragsteller am 14. Mai 2019 durch seinen Bevollmächtigten Klage erheben, über die noch nicht entschieden ist (Au 6 K 19.693), und einen Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage stellen (Au 6 S 19.694).
Am 9. Mai 2019 ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten Klage erheben, über die noch nicht entschieden ist (Au 6 K 19.665), mit dem Antrag:
Der Antragsgegner wird verpflichtet, die beantragte Aufenthaltserlaubnis nach § 30 Abs. 1 AufenthG zu erteilen.
Weiter ließ er beantragen,
Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Aufenthalt für den Zeitraum der Prüfung des Antrags auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zu dulden.
Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller habe seine Ehefrau geheiratet, deren frühere Ehe mit Endbeschluss des Amtsgerichts * vom 21. August 2018 geschieden worden sei. Der Antragsgegner habe mittlerweile die beglaubigte Übersetzung der Heiratsurkunde erhalten und binnen kurzer gesetzter Frist noch nicht mitgeteilt, von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen. Die Eheschließung vor dem Generalkonsulat in * sei wirksam auch nach deutschem Recht, beide Ehepartner seien afghanische Staatsbürger. Für den Zeitpunkt der Prüfung des Anspruchs habe der Antragsteller jedenfalls einen Duldungsanspruch. Auf rechtlichen Hinweis des Gerichts hin wurde mitgeteilt, nach einem Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern würden Heiratsurkunden von afghanischen Auslandsvertretungen nur ausgestellt, wenn die Eheschließung in Deutschland vor einer vom afghanischen Staat ordnungsgemäß hierzu ermächtigten Person in der nach afghanischem Recht vorgeschriebenen Form geschlossen worden sei; dies sei hier geschehen.
Der Antragsgegner sicherte dem Verwaltungsgericht telefonisch vorab zu, den Antragsteller nicht mehr im Mai 2019 abzuschieben; er beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Unter Verweis auf die vorgelegten Akten führte er im Wesentlichen aus, die Untätigkeitsklage auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis sei unzulässig mangels Säumnis des Antragsgegners angesichts des erst wenige Tage zuvor gestellten Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Sie sei auch unbegründet, denn es fehlten jedenfalls die Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG, insbesondere seien seine Sprachkenntnisse sowie seine Sicherung des Lebensunterhalts nicht nachgewiesen und ein Visumsverfahren nicht nachgeholt worden. Daher bestehe kein Anspruch und es greife die Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 3 AufenthG. Auch ein Duldungsgrund liege nicht vor, insbesondere bestehe keine eheliche Lebensgemeinschaft auf Grund der getrennten Wohnsitze. Daneben erklärte der Antragsgegner im Parallelverfahren (Au 6 S 19.694), die Verpflichtung zur Bereithaltung habe sich nach der letzten Sammelabschiebung nach dem 22. Mai 2019 erledigt und werde daher mit Wirkung ab diesem Termin aufgehoben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die Behördenakten verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO ist unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, wenn dies nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Der Antrag auf einstweilige Aussetzung der Abschiebung in Durchführung der bestandskräftigen Abschiebungsandrohung aus Nr. 5 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 20. Juni 2016 ist unbegründet, da kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht wurde.
1. Der Antragsteller ist vollziehbar ausreisepflichtig und daher grundsätzlich abzuschieben.
Nach § 58 Abs. 1 AufenthG ist ein Ausländer abzuschieben, wenn die Ausreisepflicht vollziehbar, eine gewährte Ausreisefrist abgelaufen und die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert ist.
Der Antragsteller ist nach § 50 Abs. 1 AufenthG zur Ausreise verpflichtet, weil er einen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG für den Aufenthalt im Bundesgebiet erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt. Die Ausreisepflicht ist nach § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG auch vollziehbar. Die mit Bescheid des Bundesamts vom 20. Juni 2016 gewährte Ausreisefrist ist längst abgelaufen. Da der Antragsteller aber langjährig seiner Ausreisepflicht nicht freiwillig nachgekommen ist, ist die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht auch nicht gesichert.
Zwar hat der Antragsteller mit Telefax vom 2. Mai 2019 sinngemäß die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 30 AufenthG beantragt, jedoch war er zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels und hielt sich auch nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf, sodass die Beantragung keine Erlaubnisfiktion nach § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG i.V.m. § 81 Abs. 3, Abs. 4 AufenthG auslöste (dazu sogleich) und die Ausreisepflicht vollziehbar blieb.
2. Der Antragsteller hat derzeit keinen Anspruch auf Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG mangels einer tatsächlich gelebten ehelichen Lebensgemeinschaft und da er mit seiner Ehefrau nicht nach deutschem Recht wirksam verheiratet ist.
Nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird.
Die in Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach der der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, verpflichtet den Antragsgegner, bei seiner Entscheidung die familiären Bindungen des den weiteren Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen zu berücksichtigen. Allerdings beinhaltet Art. 6 GG keinen unbedingten Anspruch des betroffenen Ehegatten, von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen verschont zu bleiben. Vielmehr ist das Schutzgebot für Ehe und Familie nur in verhältnismäßiger Weise mit den öffentlichen Interessen abzuwägen (BayVGH, B.v. 28.11.2016 – 10 CE 16.226 – juris Rn. 13). Insbesondere ist eine kurzfristige Trennung von Ehegatten durch Abschiebungen zur Nachholung des Visumsverfahrens zumutbar (BVerfG, B.v. 15.3.2018 – 2 BvQ 24/18).
Nichts anderes kann insoweit für eine unmittelbar bevorstehende Eheschließung gelten. Grundsätzlich hat sich der Staat schützend und fördernd vor die Eheschließungsfreiheit zu stellen. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt und eine Eheschließung nicht dauerhaft oder für eine unzumutbar lange Zeit verhindert wird. In diesem Fall besteht kein Duldungsanspruch und ist die damit einhergehende Beeinträchtigung der Eheschließungsfreiheit verhältnismäßig. Auch aus Art. 8 EMRK und aus Art. 9 GRCh lässt sich grundsätzlich kein Anspruch ableiten, die Ehe mit einem anderen Ausländer gerade im Bundesgebiet zu schließen (OVG Berlin-Bbg, B.v. 2.3.2018 – OVG 12 S 6.18 – juris Rn. 5). Die Eheschließungsfreiheit nach Art. 6 GG schützt den innersten Bereich der Lebensgestaltung; der Staat darf die Verwirklichung der gemeinsamen Lebensentscheidung daher nicht endgültig scheitern lassen, ohne dass dies durch ein anerkennenswertes höheres Interesse gerechtfertigt ist (BVerfG, B.v. 4.5.1971 – 1 BvR 636/68 – juris Rn. 64; vgl. auch OVG Bremen, B.v. 17.1.2019 – 1 B 333/18 – juris Rn. 31).
a) Der Antragsteller macht geltend, er sei mit seiner Ehefrau ausweislich der „Heiratsurkunde“ des afghanischen Generalkonsulats wirksam verheiratet. Dies ist nach den vorgelegten Unterlagen jedenfalls nicht zutreffend.
Nach Art. 13 Abs. 4 EGBGB kann eine Ehe im Inland nur in der hier vorgeschriebenen Form geschlossen werden. Eine Ehe zwischen Verlobten, von denen keiner Deutscher ist, kann jedoch vor einer von der Regierung des Staates, dem einer der Verlobten angehört, ordnungsgemäß ermächtigten Person in der nach dem Recht dieses Staates vorgeschriebenen Form geschlossen werden; eine beglaubigte Abschrift der Eintragung der so geschlossenen Ehe in das Standesregister, das von der dazu ordnungsgemäß ermächtigten Person geführt wird, erbringt den vollen Beweis der Eheschließung.
Daran fehlt es hier, denn nach der vorgelegten Übersetzung dieser „Heiratsurkunde“ (VG-Akte Bl. 85) ist der „Erklärung“ zu entnehmen, dass die Eheschließung nicht im Generalkonsulat und damit nicht vor einer hierzu ermächtigten Person stattfand, sondern die Eheleute „am 11.9.2018 in der Stadt … geheiratet haben.“ Damit kann die Stadt * oder die Stadt * gemeint sein; an beiden Orten jedenfalls haben afghanische Behörden keinen Dienstsitz, der sie zur Vornahme von Eheschließungen ermächtigte. Eine wirksame Eheschließung nach deutschem Recht liegt darin nicht. Daran ändert auch das klägerseitig genannte Rundschrieben des Bundesministeriums des Innern nichts, da sich schon aus der Übersetzung der Urkunde selbst ergibt, dass die Eheschließung nicht vor einer hierzu ermächtigen Person in deren Amtsräumen, sondern anderenorts erfolgt ist.
b) Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Duldung zum Schutz des tatsächlichen Ehelebens, weil noch keine schützenswerte tatsächlich geführte eheliche Lebensgemeinschaft zwischen dem Antragsteller und seiner Ehefrau besteht, da ersterer noch in … – mutmaßlich in einer zugewiesenen Asylbewerberunterkunft – wohnhaft ist, sie mit den Kindern aber in …
Dies gilt umso mehr, als die Eheschließung in Kenntnis der vollziehbaren Ausreisepflicht des Antragstellers geschlossen worden ist, mithin nicht denselben Vertrauensschutz beanspruchen kann wie eine ohne diesen Umstand geschlossene Ehe.
3. Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG wegen einer konkret bevorstehenden Eheschließung mit seiner Ehefrau, da eine solche nach seinen Darlegungen jedenfalls derzeit nicht konkret beabsichtigt ist und frühere Versuche wohl an den Anforderungen des Standesamts an die nachzuweisenden Dokumente gescheitert sind.
4. Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG wegen seiner Antragstellung auf Prüfung seines Antrags auf Erteilung einer ehebezogenen Aufenthaltserlaubnis nach § 30 AufenthG.
a) Ein Anspruch aus § 81 Abs. 3 und Abs. 4 AufenthG besteht nicht, da sich der Antragsteller nicht erlaubt im Bundesgebiet aufgehalten hat oder aufhält, sondern nach § 50 Abs. 1 AufenthG seit der bestandskräftigen Ablehnung seines Asylerstantrags vollziehbar ausreisepflichtig ist.
b) Auch ein sonstiger verfahrensbezogener Anspruch auf Duldung steht dem Antragsteller nicht zu.
Es widerspräche der durch § 50 Abs. 1, § 58 Abs. 1 und 2, § 81 Abs. 3 und Abs. 4 AufenthG vorgegebenen Systematik und Konzeption des Aufenthaltsgesetzes, denen zufolge für die Dauer eines Erteilungsverfahrens ausschließlich unter den in § 81 Abs. 3 und Abs. 4 AufenthG geregelten Voraussetzungen ein vorläufiges Bleiberecht besteht, darüber hinaus derartige „Vorwirkungen“ anzuerkennen und für die Dauer eines Erteilungsverfahrens auf eine Aufenthaltserlaubnis sonst eine Duldung vorzusehen (vgl. BayVGH, B.v. 26.11.2018 – 19 C 18.54 – juris Rn. 24; OVG NRW, B.v. 2.5.2006 – 18 B 437/06 – juris Rn. 2).
c) Mangels verfahrensbezogenen Anspruchs kann letztlich für dieses Antragsverfahren dahinstehen, ob der Antragsteller einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 30 Abs. 1 AufenthG überhaupt besitzt – der Antragsgegner verweist auf die Nichterfüllung der Regelerteilungsvoraussetzungen nach § 5 AufenthG -, da jedenfalls die Erteilungssperren des § 10 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 sowie § 11 Abs. 1 AufenthG entgegenstehen.
aa) Zunächst steht die Erteilungssperre des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 30 AufenthG entgegen, da diese Aufenthaltserlaubnis nicht im fünften sondern im sechsten Abschnitt des Aufenthaltsgesetzes geregelt ist und daher nicht Asylbewerbern erteilt werden darf, deren Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist, wie hier beim Antragsteller.
bb) Auch die Ausnahme eines Erteilungsanspruchs nach § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG ist nicht erfüllt, da hierfür ein strikter Anspruch erforderlich ist, dem jedoch die Nichterfüllung der allgemeinen Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG durch den Antragsteller entgegensteht.
Ein „Anspruch“ auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Sinne des § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG setzt einen strikten Rechtsanspruch voraus, der nur vorliegt, wenn alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen für die Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels vorliegen, weil nur dann der Gesetzgeber selbst eine Entscheidung über das zu erteilende Aufenthaltsrecht getroffen hat (vgl. BVerwG, U.v. 16.12.2008 – 1 C-37/07 – BVerwGE 132, 382 juris Rn. 21). Der für die Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 10 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 AufenthG erforderliche strikte Rechtsanspruch verlangt deshalb auch, dass der Ausländer alle allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 AufenthG erfüllt (zur Nachholung des Visumsverfahrens vgl. BayVGH, B.v. 23.09.2016 – 10 C 16.818 – juris Rn. 10). Fehlt es daran, genügen die in § 5 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 AufenthG vorgesehenen Möglichkeiten, in bestimmten atypischen Fällen oder im Ermessenswege vom Vorliegen der Erteilungsvoraussetzungen abzusehen, nicht, um einen Anspruch im Sinne von § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG zu begründen (NdsOVG, B.v. 5.9.2017 – 13 LA 129/17 – juris Rn. 16 f.; zum Visumsverfahren OVG Berlin-Bbg, B.v. 22.10.2014 – OVG 11 S. 59.14 – juris Rn. 4). Ein Anspruch auf Grund einer Ermessensvorschrift genügt auch dann nicht, wenn das Ermessen im Einzelfall „auf Null“ reduziert ist (BVerwG, B.v. 16.2.2012 – 1 B 22.11 – juris; BayVGH, B.v. 21.7.2015 – 10 CS 15.859 – juris Rn. 44 m.w.N.).
Der Antragsteller ist nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts (VG Augsburg, U.v. 16.11.2017 – Au 6 K 16.32586 – Rn. 2) Mitte Januar 2016 von Österreich kommend unerlaubt in die Bundesrepublik Deutschland und damit ohne die nach § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG erforderliche vorherige Durchführung des erforderlichen Visumsverfahrens eingereist; soweit die Ausländerbehörde von dieser Voraussetzung nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG absehen kann, liegt dies in ihrem Ermessen und stellt gerade keinen strikten Anspruch dar.
Aus diesen Gründen kann er das Visumsverfahren auch nicht nach § 39 Nr. 4 oder Nr. 5 AufenthV im Bundesgebiet nachholen und diese fehlende Regelerteilungsvoraussetzung so im Nachhinein erfüllen.
Derzeit sind im Übrigen auch keine Gründe dafür ersichtlich, weshalb dem Antragsteller auch nach seiner Eheschließung – so sie wirksam wäre (vgl. oben) – die Nachholung des Visumsverfahrens unzumutbar sein sollte. Er hat vielmehr wie jeder andere Ausländer auch, der zum Familiennachzug in der Bundesrepublik ein Aufenthaltsrecht begründen möchte, das Visumsverfahren nachzuholen.
cc) Schließlich steht der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an den Antragsteller im Fall seiner Abschiebung auch die Erteilungssperre des § 11 Abs. 1 AufenthG entgegen, die zwar befristet ist und mit Blick auf eine Eheschließung des Antragstellers möglicherweise neu befristet werden kann, aber die auch erst mit seiner noch nicht erfolgten Abschiebung aus dem Bundesgebiet zu laufen beginnt.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffern 1.5 und 8.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.