Aktenzeichen AN 11 S 16.30800
Leitsatz
Ernstliche Zweifel an dem Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamtes oder an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung im Übrigen (§ 36 Abs. 4 S. 1 AsylG) liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung – insbesondere das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamtes – einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält; zusätzlich sind auch die Voraussetzungen der Gewährung von subsidiärem Schutz sowie von nationalen Abschiebungsverboten summarisch zu überprüfen, da Erfolgsaussichten insoweit ebenfalls zur Aufhebung der Abschiebungsandrohung führen können. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung wird abgelehnt.
3. Die Antragstellerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im gegenständlichen Verfahren im Wege des Eilrechtsschutzes über die Rechtmäßigkeit einer Abschiebungsandrohung nach Pakistan im Rahmen einer Klage gegen die Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet durch einen Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 31. März 2016.
Die nach eigenen Angaben am … 1987 geborene Antragstellerin ist pakistanische Staatsangehörige, Volkszugehörige der Punjabis und sunnitischen Glaubens. Sie ist die Stadt … in der Provinz Punjab geboren.
Im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt am 29. Januar 2013 gab die Antragstellerin an, sie habe in … gewohnt und sich bis zum Zeitpunkt ihrer Ausreise auch dort aufgehalten. Im Jahre 2007 habe sie in … geheiratet. Sie habe zwei Kinder, die bei ihr lebten. Zu ihrem Verfolgungsschicksal und den Gründen für ihren Asylantrag befragt, trug sie unter anderem vor, ihr Mann, …, habe sie auf eine Transportfahrt mitgenommen. Sie seien in einer Kolonne von mehreren Lkw gefahren, die dann von vermummten und bewaffneten Männern angehalten worden sei. Einige Lkw seien in Brand gesetzt worden, einige Fahrer konnten fliehen, einige LKW-Fahrer wurden umgebracht und andere Leute hätten sie mitgenommen und in einer großen, alten Halle untergebracht. Die Antragstellerin sei geschlagen, zum Betteln und zur Prostitution gezwungen worden. Später habe sie fliehen können. Ein bis dahin unbekannter Mann, von dem sie angesprochen worden sei, habe dafür gesorgt, dass sie kostenfrei nach Deutschland habe reisen können.
Mit Bescheid vom 31. März 2016, der Antragstellerin zugegangen am 23. Juni 2016, wurde der Asylantrag der Antragstellerin auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet abgelehnt (Ziffern 1 und 2 des Bescheides). Unter Ziffer 3 des Bescheides wurde der Antrag auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes abgelehnt. Unter Ziffer 4 des Bescheides wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote im Sinne von § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Unter Ziffer 5 des Bescheides wurde die Abschiebung nach Pakistan angedroht, soweit die Antragstellerin die Bundesrepublik nicht binnen einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides verließe. Unter Ziffer 6 wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate befristet. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen.
Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 30. Juni 2016 – eingegangen bei Gericht per Telefax am gleichen Tag – ließ die Antragstellerin Klage und Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO erheben und beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Beklagten und Antragsgegnerin, mit dem die klagende Seite aufgefordert wird, die BRD innerhalb einer Woche zu verlassen und ihr die Abschiebung angedroht wird, wird angeordnet.
Gleichzeitig beantragte die Antragstellerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Anwalts.
Zudem wurde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Zur Begründung des Eilantrags ist lediglich ausgeführt, dass eine Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet nach der Rechtsprechung nur dann rechtmäßig sei, wenn nach vollständiger Erforschung des Sachverhalts an der Richtigkeit der getroffenen tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestünden und bei einem solchen Sachverhalt nach dem Stand der Rechtsprechung und Lehre die Abweisung des Asylantrags sich geradezu aufdrängten.
Mit Schriftsatz vom 4. Juli 2016 beantragt die Antragsgegnerin
den Antrag abzulehnen.
Im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist zulässig. Er ist jedoch unbegründet, da die durch § 80 Abs. 5 VwGO dem erkennenden Gericht eingeräumte Ermessensentscheidung zulasten der Antragstellerin ausfällt. Maßgeblich für die Beurteilung der Erfolgsaussichten eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist die Abwägung zwischen dem Suspensivinteresse des Antragstellers und dem Vollzugsinteresse des Antragsgegners. Diese Abwägung ist im Regelfall anhand der in summarischer Prüfung zu beurteilenden Erfolgsaussichten der im Hauptsacheverfahren angestrebten Anfechtungsklage vorzunehmen (BVerwG v. 23.1.2015 – 7 VR 6/14 – Rn. 8).
Der Antrag ist unbegründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen, Art. 16 a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 AsylG.
Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens ist gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG die unter Setzung einer Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) ausgesprochene Abschiebungsandrohung. Die mit dieser Verwaltungsentscheidung intendierte umgehende Beendigung des Aufenthalts des Asylbewerbers im Bundesgebiet stützt sich auf die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet und ist deren Folge. Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes daher auch die Einschätzung des Bundesamtes, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht besteht, zum Gegenstand seiner Prüfung zu machen (BVerfG v. 14.05.1996 – 2 BvR 1516/03 – Rn. 94 = BVerfGE 94, 166).
Die Aussetzung der Abschiebung darf nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an dem Offensichtlichkeitsurteil oder an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung im Übrigen bestehen (§ 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG). Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung – insbesondere das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamtes – einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG a. a. O. Rn. 99). Zusätzlich sind jedoch auch die Voraussetzungen der Gewährung von subsidiärem Schutz und der Gewährung von nationalen Abschiebungsverboten summarisch zu überprüfen, da Erfolgsaussichten diesbezüglich ebenfalls zur Aufhebung der Abschiebungsandrohung führen können (Pietzsch in: BeckOK AsylG § 36 Rn. 42 ff. m. w. N.).
Die verfassungsrechtlichen Anforderungen für eine Anerkennung der Antragstellerin als asylberechtigt im Sinne von Art. 16a Abs. 1 GG und die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 HS 1 AsylG) offensichtlich nicht vor (§ 30 Abs. 1 AsylG).
Hinsichtlich eines Anspruchs nach Art. 16a Abs. 1 GG ergibt sich dies schon daraus, dass die Antragstellerin nach Überzeugung des Gerichts über Griechenland und damit über einen sicheren Drittstaat eingereist ist. Das Gericht stützt seine Überzeugung auf den Eurodac Treffer aus Griechenland vom 8. Juli 2012. Ausnahmen gemäß § 26a Abs. 1 Satz 3 AsylG liegen nicht vor.
Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG scheidet ebenfalls offensichtlich aus, da die Antragstellerin im Falle ihrer Rückkehr nach Pakistan ganz offensichtlich keine asylrelevante Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG und der §§ 3a ff. AsylG zu erwarten hat.
Dass die Antragstellerin keine Verfolgung bei einer Rückkehr nach Pakistan zu erwarten hat, ergibt sich schon daraus, dass aus dem Vortrag der Antragstellerin deutlich wird, dass sie – wenn man den Vortrag der Antragstellerin überhaupt als wahr unterstellen will – als reines Zufallsopfer entführt, misshandelt und missbraucht worden ist. Dies folgt daraus, dass die Antragstellerin angegeben hat, sie und ihr Mann seien in einer Kolonne von Lkw unterwegs gewesen, die überfallen worden sei und sie von derartigen Überfällen immer gehört hätten. Unabhängig davon stehen der Antragstellerin offensichtlich inländische Fluchtalternativen im Sinne von § 3e Abs. 1 AsylG offen. Es ist in keiner Weise ersichtlich, wieso sie nicht in ihre Heimatstadt zurückkehren können sollte, wo sie nach eigenen Angaben bis zu ihrer Ausreise gelebt hat.
Auch die Ablehnung der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus begegnet daher keinerlei Bedenken, vgl. § 4 Abs. 3 AsylG.
Sonstige Rechtsfehler sind dem Bescheid des Bundesamtes nach bisheriger Rechtsansicht nicht zu entnehmen.
Der Antrag ist daher abzulehnen.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung ist unbegründet, da die Klage nicht die hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 166 VwGO, §§ 114 ff. ZPO hat. Insofern wird auf obige Ausführungen verwiesen.
Die Kostenentscheidung folgt § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 80 AsylG)