Aktenzeichen M 12 S 17.1609
Leitsatz
1 Sind Straftaten wegen einer bestehenden Drogenproblematik begangen worden, so ist die Gefahr einer erneuten Straffälligkeit nicht allein deshalb zu verneinen, weil der Ausländer bestrebt ist, eine Therapie zu absolvieren. Vom Wegfall einer konkreten Wiederholungsgefahr kann erst ausgegangen werden, wenn der Ausländer die Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen und darüber hinaus die damit verbundene Erwartung künftig drogen- und straffreien Verhaltens auch nach dem Therapieende glaubhaft gemacht hat. (Rn. 59) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Verlöbnis begründet nur dann ein mit einer Ehe vergleichbares Bleibeinteresse, wenn die Eheschließung und der Beginn der ehelichen Lebensgemeinschaft unmittelbar bevorstehen. Dies setzt regelmäßig voraus, dass der Eheschließungstermin feststeht oder jedenfalls verbindlich bestimmbar ist. (Rn. 70) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf EUR 2.500,- festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
Der am … geborene Antragsteller ist marokkanischer Staatsangehöriger.
Der Antragsteller reiste erstmals am 18. Januar 2009 ins Bundesgebiet ein.
Im Rahmen einer Beschuldigtenvernehmung am 19. Januar 2009 gab sich der Antragsteller als Araber unter einem falschen Namen aus und sagte aus, bis vor ca. einem Jahr im Gazastreifen in Palästina gelebt zu haben (Bl. 168 d. BA).
Der Antragsteller stellte am … Februar 2009 einen Asylantrag, welcher bestandskräftig mit Bescheid vom 3. August 2009 als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde (Bl. 201 ff. d. BA). Im Rahmen des Asylverfahrens gab sich der Antragsteller als Araber unter einem falschen Namen aus.
In einem Schreiben der Regierung von Oberbayern vom 19. Februar 2009 heißt es, es werde um Verlegung des Antragstellers gebeten. Diese störe den Frieden der Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber durch Konsumierung von Alkohol, Schlägerei und Diebstahl. Er schüchtere die bestohlenen Asylbewerber ein, so dass diese keine Anzeige erstatteten (Bl. 144 d. BA).
Am … Oktober 2010 heiratete der Antragsteller in Italien eine deutsche Staatsangehörige.
Am 29. Oktober 2010 reiste der Antragsteller erneut ein. Der italienische Aufenthaltstitel des Antragstellers war bereits am 21. Oktober 2001 abgelaufen. Nach Auskunft der italienischen Behörden ist der Antrag auf Verlängerung seines Aufenthaltstitels, den der Antragsteller am 11. Mai 2010 in Italien gestellt hat, ungültig.
Ab dem Jahr 2002 begann der Antragsteller mit dem Heroinkonsum. 2005 und 2008 machte der Antragsteller ohne nachhaltigen Erfolg Drogenentwöhnungstherapien. Nach seiner Haftentlassung 2013 stellte der Antragsteller seinen Konsum auf Opium um. 2014 und 2015 versuchte der Antragsteller jeweils eine Entgiftung mit anschließender Therapie, brach die Entgiftung aufgrund von Schmerzen jeweils nach kurzer Zeit ab. Seit März 2015 nahm der Antragsteller den Opiumkonsum durch Schnupfen wieder auf.
Ein Ermittlungsverfahren wegen illegaler Einreise wurde mit Verfügung vom 8. Dezember 2010 gemäß § 154 Abs. 1 StPO von der Verfolgung abgesehen (Bl. 51 d. BA)
Am … Februar 2011 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzugs zu seiner hier in Deutschland lebenden Ehefrau und erhielt in der Folge Fiktionsbescheinigungen (Bl. 53, 66 ff. d. BA). Die letzte Fiktionsbescheinigung wurde am 8. April 2016 ausgestellt (Bl. 569 d. BA).
Ein weiteres Ermittlungsverfahren wegen illegaler Einreise wurde mit Verfügung vom 11. Februar 2011 gemäß § 153 Abs. 1 StPO eingestellt (Bl. 51 d. BA).
In einem weiteren Ermittlungsverfahren wegen illegaler Einreise wurde mit Verfügung vom 25. März 2011 gemäß § 154 Abs. 1 StPO von der Verfolgung abgesehen (Bl. 117 d. BA)
Der Antragsteller befand sich von 15. März 2011 bis 19. Juni 2011 in Strafhaft.
Am … August 2011, rechtskräftig seit 9. August 2011, wurde der Antragsteller zu 150 Tagessätzen zu je 10,- Euro wegen Diebstahls in zwei Fällen verurteilt (Bl. 282 ff. d. BA). Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Antragsteller am … November 2010 gegen 15.45 Uhr im … in M* … ein Parfüm im Wert von 54,50 Euro entwendet hat. Weiter entwendete der Antragsteller am … November 2011 gegen 16:20 Uhr drei Lederjacken im Wert insgesamt von 117,- Euro. Bei beiden Taten war der Antragsteller alkoholisch enthemmt.
Am … November 2011 teilte die ehemalige Ehefrau des Antragstellers mit, dieser lebe nicht mehr bei ihr (Bl. 303 d. BA). Dies wurde von der Rechtsanwältin der ehemaligen Ehefrau mit Schreiben von … November 2011 bestätigt (Bl. 304 d. BA).
Von 20. November 2012 bis 26. April 2013 befand sich der Antragsteller erneut in Strafhaft.
In einem Ermittlungsverfahren wegen Diebstahls wurde mit Verfügung vom 7. Februar 2012 gemäß § 154 Abs. 1 StPO von der Verfolgung abgesehen (Bl. 343 d. BA).
Am … April 2012, rechtskräftig seit 15. Mai 2012, wurde der Antragsteller vom Amtsgericht M. zu 100 Tagessätzen zu je 10,- Euro wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit Sachbeschädigung verurteilt. Der Antragsteller hatte am *. Oktober 2011 gegen 3:00 Uhr eine andere Person geschubst, so dass diese auf die Bordsteinkante fiel und das linke Schienbein einen Kratzer erlitt. Sodann schlug der Antragsteller mit einem Glas gegen das Auto einer dritten Person, wobei ein Sachschaden von 500,- Euro entstand.
Am … Mai 2012, rechtskräftig seit 22. August 2012, wurde der Antragsteller vom Amtsgericht M* … zu 80 Tagessätzen zu je 5,- Euro wegen Diebstahls verurteilt (Bl. 420 ff. d. BA). Der Antragsteller entwendete am … Februar 2012 gegen 19:05 Uhr im … in M. Tabakwaren im Wert von 10,- Euro. Zur Tatzeit war der Antragsteller alkoholisiert.
Am … November 2012, rechtskräftig seit 20. November 2012, wurde der Antragsteller vom Amtsgericht M. zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten wegen Diebstahls in vier tatmehrheitlichen Fällen verurteilt. Am *. Dezember 2011 entwendete der Antragsteller gegen 11:00 Uhr aus einem … SB-Warenhaus in M* … zwei Strickjacken im Wert von insgesamt 159,90 Euro. Am … Februar 2012 gegen 19:00 Uhr entwendete der Antragsteller im … Modemarkt in M. zwei Jacken im Wert von insgesamt 309,98 Euro. Weiter entwendete er am *. März 2012 gegen 14:15 Uhr im … in M* … ein Parfüm im Wert von 57,95 Euro. Am … April 2012 gegen 16:00 Uhr entwendete er im … in M. Waren im Wert von 217,74 Euro. Das AG M. führte in seinem Urteil aus, die Gegenstände entwendete der Antragsteller, um sie gegen Drogen zu versetzen. Die Kriminalprognose des Antragstellers sei schlecht. Solange er seine Drogensucht nicht bewältigt habe, werde er weiterhin Eigentumsdelikte zur Finanzierung seiner Drogensucht begehen (Bl. 407 ff. d. BA).
In einem Ermittlungsverfahren wegen besonders schweren Diebstahls wurde mit Verfügung vom 29. Januar 2013 gemäß § 154 Abs. 1 StPO von der Verfolgung abgesehen (Bl. 428 d. BA).
In einem weiteren Ermittlungsverfahren wegen Diebstahls wurde mit Verfügung vom 11. April 2013 gemäß § 154 Abs. 1 StPO von der Verfolgung abgesehen (Bl. 430 d. BA).
Am … November 2013 wurde die am … Oktober 2010 geschlossene Ehe des Antragstellers mit einer deutschen Staatsangehörigen vom Amtsgericht M. rechtskräftig geschieden (Bl. 514 ff. d. BA).
Am … Januar 2014, rechtskräftig seit 18. Februar 2014, wurde der Antragsteller vom Amtsgericht M* … zu 50 Tagessätzen zu je 15,- Euro wegen Diebstahls verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Antragsteller am … Oktober 2013 gegen 19:55 Uhr zwei Glühbirnen im Wert von 3,38 Euro entwendet hat.
In einem weiteren Ermittlungsverfahren wegen Diebstahls wurde mit Verfügung vom 7. Mai 2014 gemäß § 154 Abs. 1 StPO von der Verfolgung abgesehen (Bl. 476 d. BA).
Am *. Dezember 2014, rechtskräftig seit 22. Juni 2016, wurde der Antragsteller durch das Amtsgericht M* … zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten wegen Diebstahls in zwei Fällen in Tatmehrheit mit Diebstahl mit Waffen verurteilt (Bl. 601 ff. d. BA). Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Antragsteller am … April 2014 und … April 2014 im Modehaus … … in M. Herrenunterwäsche im Wert von jeweils 300,- Euro entwendete. Am … April führt der Antragsteller dabei ein Taschenmesser mit einer Klingenlänge von 7 cm mit sich. Am … April 2014 entwendete der Antragsteller aus einem … Supermarkt in M. Kosmetikartikel im Wert von 43,96 Euro. Die Tatbeute veräußerte der Antragsteller, um sich davon Opium zu kaufen. Die Schuldfähigkeit war nicht ausschließbar erheblich vermindert. Zu Gunsten des Antragstellers wertete das AG, dass die Taten schon einige Zeit zurückliegen, der Antragsteller sich reuig und einsichtig zeigte und in der Vergangenheit versucht hat, seine Betäubungsmittelabhängigkeit in den Griff zu kriegen. Zu Lasten wurden dessen zum Teil einschlägigen Vorstrafen, dass der Antragsteller kurz vor der Tat bereits wegen einer ähnlichen Tat verurteilt worden war und die relativ kurzen Rückfallzeiten gewertet werden. Die Strafe könne nicht zur Bewährung ausgesetzt werden, da dem Antragsteller keine ausreichend günstige Sozialprognose gestellt werden könne. Weder seine frühere Heirat noch das längere Zusammenleben mit seiner Lebensgefährtin hätten ihn von Straftaten abhalten können. Die bisher ausgesprochenen unterschiedlichen Strafaussprüche hätten keine nachhaltige Wirkung auf den Antragsteller. Es wurde die Unterbringung angeordnet. Beim Antragsteller liege ein Hang vor, Betäubungsmittel im Übermaß zu konsumieren. Das Leben des Antragstellers sei vom Verlangen nach Suchtstoffnachschub, von abgebrochenen Therapieversuchen und Rückfällen geprägt. Die Straftaten ständen in unmittelbaren Zusammenhang mit der Abhängigkeit.
In einem weiteren Ermittlungsverfahren wegen Erschleichens von Leistungen wurde mit Verfügung vom 16. Mai 2016 gemäß § 154 Abs. 1 StPO von der Verfolgung abgesehen (Bl. 573 d. BA).
In einem weiteren Ermittlungsverfahren wegen Diebstahls wurde mit Verfügung vom 1. Dezember 2016 gemäß § 154 Abs. 1 StPO von der Verfolgung abgesehen (Bl. 644 d. BA).
In einem weiteren Ermittlungsverfahren wegen Bedrohung wurde mit Verfügung vom 19. Dezember 2016 gemäß § 154 Abs. 1 StPO von der Verfolgung abgesehen (Bl. 651 d. BA).
Der Antragsteller befand sich ab dem … Oktober 2016 im …-Klinikum und danach im Bezirkskrankenhaus S* … im Maßregelvollzug. Dort wurde der Antragsteller wegen Bedrohung angezeigt.
Am … Oktober 2016 wurde der Antragsteller wegen vorsätzlichen unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln und Bedrohung angeklagt (Bl. 624 ff. d. BA). Der Antragsteller soll am … Juli 2016 in M* … 0,8 Gramm Kokaingemisch zum Preis von 130 Euro gekauft haben.
Am *. November 2016 wurde der Antragsteller wegen vorsätzlichen unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln angeklagt (Bl. 634 ff. d. BA). Der Antragsteller soll am … September 2016 gegen 16:45 Uhr in M* … 2,39 Gramm Heroin gekauft haben. Weiter soll er am … Juli 2016 gegen 0:07 Uhr in M* … eine andere Person mit den Worten „Ich hab ein Schwert dabei und werde dich lebendig verbrennen“ bedroht und ein Messer mit sich geführt haben.
Mit Schreiben vom … Dezember 2016 teilte der ehemalige Prozessbevollmächtigte des Antragstellers mit, dass die ursprünglich am … Juli 2016 geplante Hochzeit des Antragstellers leider nicht stattgefunden habe, da der Vater der Verlobten des Antragstellers am … Juli 2016 in … verstorben sei, so dass die Verlobte in … anwesend sein musste. Sobald die erforderlichen Unterlagen vorlägen, werde sich das Paar um einen neuen Termin bemühen und heiraten.
Am … Januar 2016 sprach der Antragsteller zusammen mit seiner Verlobten, einer … Staatsangehörigen, bei der Beklagten vor und erklärte, dass die Eheschließung zeitnah erfolgen sollte. Zum Termin der Eheschließung im Standesamt P. am … Juli 2016 ist der Antragsteller nicht erschienen.
Mit Schreiben vom 19. April 2011, 6. März 2014, 16. Oktober 2014 und 2. August 2016 wurde der Antragsteller zur beabsichtigten Antragsablehnung, mit Schreiben vom 21. Oktober 2016 zur beabsichtigten Ausweisung angehört.
Im Februar 2017 wurde der Antragsteller in die JVA S. zur weiteren Vollstreckung der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe verlegt.
Mit Beschluss des Landgerichts R. vom … Februar 2017 wurde die Maßregel der Unterbringung für erledigt erklärt und die Reststrafe aus der Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Monaten nicht zur Bewährung ausgesetzt (Bl. 693 ff. d. BA). Ein weiterer Vollzug der Maßregel weise keine hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolgs mehr auf. Das Bezirksklinikum habe in einer Stellungnahme vom … Dezember 2016 ausgeführt, dass die alleinige Behandlung des Hanges nicht ausreiche, um die Gefährlichkeit des Patienten zu minimieren. Es bestehe aus ärztlich-psychiatrischer Sicht keine hinreichend konkrete Aussicht auf Erfolg im Rahmen einer Behandlung gemäß § 64 StGB. Aufgrund des Vorherrschens einer exzessiven Destruktivität schon auf Ebene des äußeren Verhaltens ließen sich auf absehbare Zeit für eine Entwöhnungsbehandlung keine Anknüpfungspunkte erkennen. Eine entsprechende Therapie würde daher zunächst eine Behandlung der begleitenden Persönlichkeitsstörung erfordern. Eine Strafaussetzung der Reststrafe zur Bewährung könne infolge des negativen Behandlungsverlaufs und der sich daraus ergebenden negativen Legalprognose infolge fehlender therapeutischer und somit auch legalprognostischer Fortschritte nicht verantwortet werden.
Seit dem 28. Februar 2017 befindet sich der Antragsteller wieder in Strafhaft in der JVA B.
Mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 15. März 2017 hat diese den Antragsteller ausgewiesen (Nr. 1), den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers vom 8. Februar 2011 abgelehnt (Nr. 2), die Wiedereinreise für drei Jahre untersagt (Nr. 3), die Abschiebung aus der Haft nach Marokko angeordnet, den Antragsteller im Falle der Haftentlassung vor der Abschiebung aufgefordert, spätestens zwei Wochen nach Haftentlassung das Bundesgebiet zu verlassen, und andernfalls die Abschiebung nach Marokko angedroht (Nr. 4). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten sei. Die begangenen Delikte könnten nicht der Bagatellkriminalität zugeordnet werden. Der Antragsteller verfüge eindeutig über ein hohes Maß an krimineller Energie. Weiter sei er von Betäubungsmitteln abhängig. Von seiner Verhaltensweise habe er sich weder durch Geldnoch Haftstrafen abbringen lassen. Ausweislich des Urteils vom … Juni 2016 sei das Leben des Antragstellers von Suchtstoffen, abgebrochenen Therapieversuchen und Rückfällen geprägt. Es müsse daher damit gerechnet werden, dass der Antragsteller erneut gegen die Rechtsordnung verstoßen werde. Beim Antragsteller liege kein Bleibeinteresse im Sinne des § 55 AufenthG vor. Der Antragsteller sei nur im Besitz einer Fiktionsbescheinigung und werde lediglich geduldet. Zudem sei die Fiktion unrechtmäßig ausgestellt worden, da der Antragsteller lediglich mit einer italienischen Duldung und somit unerlaubt ins Bundesgebiet eingereist sei und sein Antrag daher keinerlei Fiktionswirkung ausgelöst habe. Es bestehe daher eine konkrete Wiederholungsgefahr. Durch die Strafgerichte konnte dem Antragsteller keine günstige Sozialprognose gestellt werden. Der Antragsteller könne selbst im Maßregelvollzug seine Aggressivität nicht in den Griff bekommen, wie die Anzeige wegen Bedrohung zeige. Gemäß einer Stellungnahme des …-Klinikums bestehe aus ärztlich-psychiatrischer Sicht keine hinreichend konkrete Aussicht auf Erfolg im Rahmen einer Behandlung gemäß § 64 StGB. Für eine Entwöhnungsbehandlung auf absehbare Zeit ließen sich keine Anknüpfungspunkte erkennen. Somit konnte vom Landgericht R. die Reststrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt werden. Der Schutz der hier lebenden Bevölkerung sei höher anzusiedeln als das Interesse des Antragstellers am Schutz seines Privat- und Familienlebens im Bundesgebiet. Der Antragsteller könne sich nicht auf die Rechtstellung als faktischer Inländer berufen, da er in Marokko und in Italien in die Schule gegangen sei und dort seine gesamte soziale Prägung erhalten habe. Er sei mit den Bräuchen und Lebensgewohnheiten in Marokko vertraut und beherrsche seine Muttersprache. Es sei ihm zuzumuten, sich dort eine Existenz aufzubauen. Der Antragsteller habe es bis heute nicht geschafft, drogenfrei zu leben. Auch seine jetzige Lebensgefährtin habe ihn davon nicht abhalten können. Art. 6 GG stehe der Ausweisung nicht entgegen, da der Antragsteller keine familiären Bindungen im Bundesgebiet habe. Er sei geschieden, Kinder seien aus der Ehe nicht hervorgegangen. Aus der geplanten Eheschließung könne kein Recht auf weiteren Aufenthalt bis zur Eheschließung abgeleitet werden. Die Heirat stehe nicht unmittelbar bevor, da dies nicht nachgewiesen sei. Es würden laut Auskunft des Standesamts weitere Unterlagen benötigt. Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis stehe § 11 Abs. 1 AufenthG entgegen. Zudem seien die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht nachgewiesen worden und spätestens seit der Trennung am 14. November 2011 entfallen. Darüber hinaus habe der Antragsteller seine gemäß § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG erforderlichen Sprachkenntnisse nicht nachgewiesen. Zudem sei der Antragsteller nicht mit dem erforderlichen Visum eingereist. § 31 AufenthG finde keine Anwendung, da die eheliche Lebensgemeinschaft vom … Februar 2011 bis 14. November 2011 und somit weniger als ein Jahr im Bundesgebiet bestanden habe. Des Weiteren habe kein rechtmäßiger Aufenthalt vorgelegen. Aus der beabsichtigten Eheschließung könne kein Recht auf einen weiteren Aufenthalt bis zur Eheschließung abgeleitet werden, da diese nicht unmittelbar bevorstehe. Auch ein anderweitiger Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis bestehe nicht. Wegen des Gewichts der gefährdeten Rechtsgüter und der festgestellten hohen Wiederholungsgefahr erachte die Beklagte einen Zeitraum von drei Jahren für die Wiedereinreise für erforderlich, um dem hohen Gefahrenpotential Rechnung zu tragen. Angesichts der Rückfallgefahr und der Drogensucht sei nicht zu erwarten, dass der Antragsteller die hier maßgebliche Gefahrenschwelle vor Ablauf der Frist unterschreite.
In einem weiteren Ermittlungsverfahren wegen Erschleichens von Leistungen wurde mit Verfügung vom 5. April 2017 gemäß § 154 Abs. 1 StPO von der Verfolgung abgesehen (Bl. 761 d. BA).
Am … März 2017 sprach die Verlobte des Antragstellers bei der Beklagten vor und erklärte, dass die beiden nicht geheiratet hätten, es nicht mehr vor hätten und sich sogar bereits vor 2-3 Monaten getrennt hätten (Bl. 743 d. BA).
Mit bei Gericht am 28. März 2017 eingegangen Schreiben erhob der Antragsteller Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München (Az.: M 12 K 17.1608) und ließ seinen ehemaligen Prozessbevollmächtigten am … April 2017 beantragen, die Antragsgegnerin unter Aufhebung des Bescheids vom 15. März 2017 zu verpflichten, die Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers zu verlängern.
Gleichzeitig hat er beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller nach aktuellem Stand für längere Zeit inhaftiert sei. Zudem stehe die Heirat noch im Raum. Die Beschaffung der Dokumente sei gewöhnlich in einigen Monaten zu bewerkstelligen. Die Ernsthaftigkeit der Absicht der Eheschließung zeige sich insbesondere darin, dass ein Termin bereits einmal festgestanden habe.
Mit Schreiben vom 4. Mai 2017 hat die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Haftentlassung des Antragstellers ist für den 15. Juli 2017 vorgesehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag gegen die Aufforderung zur Ausreise (Nr. 2 des Bescheids) und Androhung der Abschiebung (Nr. 4 des Bescheides) ist zulässig, da die Ausreisepflicht gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vollziehbar ist, da Widerspruch und Klage gegen die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG keine aufschiebende Wirkung haben.
2. Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung einer Klage ganz oder teilweise anordnen oder wiederherstellen. Hierbei trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung, bei der es das private Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung gegen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids abzuwägen hat. Entscheidendes Indiz für eine Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Ergibt die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig, so besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.
Nach der im Eilverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage ergibt sich, dass die Klage des Antragstellers voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Es überwiegt daher das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung.
Die Antragsgegnerin hat die Erteilung bzw. Verlängerung eines Aufenthaltstitels zu Recht abgelehnt. Die Abschiebungsandrohung begegnet ebenso keinen rechtlichen Bedenken. Der angefochtene Bescheid erweist sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Antragsteller hat bei summarischer Überprüfung keinen Anspruch auf die von ihm beantragte Erteilung der Aufenthaltserlaubnis (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis steht sowohl § 11 Abs. 1 AufenthG aufgrund der rechtmäßigen Ausweisung als auch die fehlende Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entgegen, da aufgrund der Straffälligkeit des Antragstellers ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse gem. § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG besteht. Zudem ist der Antragsteller entgegen § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG ohne das erforderliche Visum eingereist. Weiter erfüllt er weder die Voraussetzung des § 30 AufenthG noch die des § 31 AufenthG.
Der Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels steht gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 AufenthG bereits die Sperrwirkung der in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids verfügten Ausweisung entgegen. Nach dieser Vorschrift wird einem Ausländer, der ausgewiesen worden ist, auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem Aufenthaltsgesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Die Sperrwirkung der Ausweisung greift gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, wonach die Wirksamkeit der Ausweisung von Widerspruch und Klage unberührt bleibt, unabhängig davon ein, ob die Ausweisungsverfügung sofort vollziehbar oder bestandskräftig ist (vgl. Hailbronner, AufenthG, 91. Aktualisierung, September 2015, § 11 Rz. 18 f.). Eine Durchbrechung der Sperrwirkung ist aufgrund des sich aus Art. 19 Abs. 4 GG ergebenden Gebotes effektiven Rechtsschutzes jedoch dann erforderlich, wenn ein Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels unter Bezugnahme auf eine gleichzeitig erlassene Ausweisung abgelehnt wurde und sich die Ausweisung als rechtswidrig darstellt. In solchen Fällen ist im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Versagung des Titels inzident auch die Rechtmäßigkeit der ausgesprochenen Ausweisungsverfügung summarisch zu prüfen (vgl. BVerfG, Kammerb.v. 29.3.2007 – 2 BvR 1977/06 – NVwZ 2007, 948 ff.; HessVGH, B.v. 17.8.1995 – 13 TH 3304/94 – NVwZ-RR 1996, 112ff.; VG München, B.v. 25.11.2013 – M 25 S. 13.2682 – juris – Rn. 55).
Aufgrund dieser summarischen Prüfung ergeben sich keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ausweisung, sodass die von ihr entfaltete Sperrwirkung der Erteilung eines Aufenthaltstitels entgegensteht.
Nach § 53 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.
Vom Antragsteller geht nach summarischer Prüfung eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie die freiheitliche demokratische Grundordnung aus, § 53 Abs. 1 AufenthG. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlichen Überprüfung eine eigenständige Prognose hinsichtlich der Wiederholungsgefahr zu treffen, ohne dass sie an die Feststellungen der Strafgerichte rechtlich gebunden sind (vgl. zum Erfordernis etwa BVerwG, U.v. 26.2.2002 – 1 C 21/00 – juris Rn. 22). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Tat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt. Für die Feststellung der entscheidungserheblichen Wiederholungsgefahr gilt ein differenzierender Wahrscheinlichkeitsmaßstab, wonach an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (BVerwG, U.v. 4.10.2012 – 1 C 13.11 – juris Rn. 18). Der Rang des bedrohten Rechtsguts bestimmt dabei die mögliche Schadenshöhe, wobei jedoch keine zu geringen Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gestellt werden dürfen (BVerwG, U.v. 10.7.2012, a.a.O.).
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben geht das Gericht nach summarischer Prüfung davon aus, dass vom Antragsteller eine entsprechende Wiederholungsgefahr ausgeht und sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung besteht unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass vom Antragsteller die Gefahr der Begehung weiterer Straftaten ausgeht. Das vergangene Verhalten des Antragstellers, aus dem hinsichtlich der Wiederholungsgefahr Rückschlüsse zu ziehen sind, legt eine hohe Rückfallgefahr nahe: Besonders schwer wiegt, dass der Antragsteller mehrfach schon in Haft war und einschlägige Straftaten unter offener Bewährung beging. Der Eindruck der Haft konnte ihn nicht davon abhalten, erneut Straftaten zu begehen. Zudem beging er selbst im geschützten Raum des Maßregelvollzugs eine Straftat. Insbesondere kommt das Landgericht R* … in seinem Beschluss vom … Februar 2017 zu dem Ergebnis, das nicht festgestellt werden könne, dass der Antragsteller in Freiheit keine erheblichen rechtswidrigen Taten begehen werde. Ebenso wenig hat der Antragsteller sich seiner ehemaligen Ehefrau und seiner Lebensgefährtin zuliebe an die Gesetze gehalten. Es ist nicht ersichtlich, dass es einen einmaligen Anlass für die Straftaten gab, welcher nunmehr weggefallen ist. Hintergrund seiner Straffälligkeit ist vielmehr seine Drogensucht, welche ihn bereits seit seiner frühen Jugend begleitet. Die Bestrebungen des Antragstellers, eine Therapie zu absolvieren, stehen der Gefahr nicht entgegen, dass der Antragsteller erneut straffällig wird. In Fällen wie dem Vorliegenden, in denen Straftaten aufgrund einer bestehenden Drogenproblematik begangen worden sind, geht die Rechtsprechung regelmäßig davon aus, dass von einem Wegfall der konkreten Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden kann, solange der Antragsteller nicht eine Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen und darüber hinaus die damit verbundene Erwartung künftig drogen- und straffreien Verhaltens auch nach dem Therapieende glaubhaft gemacht hat (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2014 – 10 ZB 13.71 – juris Rn. 6 m.w.N.). Drogenfreiheit in der Haft oder der Plan, eine Therapie zu beginnen, genügen demnach nicht. Bereits in der Vergangenheit hat der Antragsteller mehrfach Therapien begonnen, diese aber ohne Erfolg abgebrochen. Vielmehr kommt das …-Klinikum in ihrem Bericht vom … Dezember 2016 zu dem Ergebnis, dass beim Antragsteller eine Behandlung im Rahmen des Maßregelvollzugs nicht erfolgsversprechend ist. Der Antragsteller ist also noch weit davon entfernt, eine Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen und sein drogen- und straffreies Verhalten auch nach dem Therapieende glaubhaft gemacht zu haben. Die erneute Straffälligkeit des Antragstellers nach Haftentlassung ist wahrscheinlich. Die Antragsgegnerin ist nicht verpflichtet, den Verlauf einer begonnenen Therapie oder gar den Verlauf der Strafhaft abzuwarten, bevor sie über eine Ausweisung entscheidet (vgl. BVerwG, B.v. 15.4.2013 – 1 B 22.12 – juris).
Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage i.S.d. § 53 Abs. 1 AufenthG zu treffende Abwägung ergibt, dass das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Antragstellers überwiegt.
§ 53 AufenthG gestaltet die Ausweisung als Ergebnis einer umfassenden, ergebnisoffenen Abwägung aller Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aus. Sofern das öffentliche Interesse an der Ausreise das Interesse des Ausländers am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt, ist die Ausweisung rechtmäßig. In die Abwägung nach § 53 Abs. 1 AufenthG sind die in §§ 54, 55 AufenthG vorgesehenen Ausweisungs- und Bleibeinteressen mit der im Gesetz vorgenommenen grundsätzlichen Gewichtung einzubeziehen. Neben den dort explizit aufgeführten Interessen sind aber noch weitere, nicht ausdrücklich benannte sonstige Bleibe- oder Ausweisungsinteressen denkbar. Die Katalogisierung in den §§ 54, 55 AufenthG schließt die Berücksichtigung weiterer Umstände nicht aus (BT-Drs. 18/4097, S. 49). Nach § 53 Abs. 2 AufenthG sind bei der Abwägung nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer des Aufenthalts, die persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen des Ausländers im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen. Die Aufzählung der in § 53 Abs. 2 AufenthG genannten Kriterien ist aber nicht abschließend (BT-Drs. 18/4097, S. 50). Es sind für die Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Ausweisung maßgeblich auch die Kriterien des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte heranzuziehen (vgl. nur EGMR, U.v. 18.10.2006 – Üner, Nr. 46410/99 – juris; EGMR, U.v. 2.8.2001 – Boultif, Nr. 54273/00 – InfAuslR 2001, 476-481). Hiernach sind vor allem die Art und die Schwere der vom Ausländer begangenen Straftaten, die Dauer des Aufenthaltes in dem Land, aus dem er ausgewiesen werden soll, die seit der Begehung der Straftat verstrichene Zeit und das seitherige Verhalten des Ausländers, die Staatsangehörigkeit der betroffenen Personen, die familiäre Situation des Ausländers, ob zu der Familie Kinder gehören und welches Alter diese haben, sowie die Ernsthaftigkeit der Schwierigkeiten, welche die Familienangehörigen voraussichtlich in dem Staat ausgesetzt wären, in den der Ausländer ausgewiesen werden soll, die Belange und das Wohl der Kinder und die Stabilität der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gastland und zum Zielland zu berücksichtigen (VG Oldenburg, U.v. 11.1.2016 – 11 A 892/15 – juris Rn. 24).
Es liegt beim Antragsteller das schwerwiegende Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG vor. Denn er ist 2014 zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten wegen Diebstahls in zwei Fällen in Tatmehrheit mit Diebstahl mit Waffen verurteilt worden. Der Verurteilung lagen Vorsatztaten zu Grunde.
Dem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse steht weder ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 AufenthG noch ein schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 2 AufenthG gegenüber. Denn der Antragsteller hat weder eine Aufenthaltsnoch eine Niederlassungserlaubnis, noch treffen auf ihn die übrigen Tatbestände des § 55 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG zu.
Die nach § 53 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG durchzuführende Gesamtabwägung ergibt unter Berücksichtigung der §§ 54, 55 AufenthG und unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, dass die Ausweisung des Antragstellers rechtmäßig ist, weil das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse überwiegt.
Im Rahmen einer umfassenden Gesamtabwägung nach § 53 Abs. 1 AufenthG unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände kann festgestellt werden, ob das Interesse an der Ausweisung das Bleibeinteresse überwiegt (vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 49). Vorliegend überwiegt das besonders schwere Ausweisungsinteresse i.S.d. § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG die Interessen des Antragstellers an einem Verbleib in der BRD, insbesondere sprechen Art. 6 GG und Art. 8 EMRK nicht gegen die Ausweisung des Antragstellers.
(1) Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens. Die Behörde darf nach Art. 8 Abs. 2 EMRK in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Da Art. 8 Abs. 2 EMRK eindeutig Ausnahmen von den in Art. 8 Abs. 1 EMRK zugesicherten Rechten vorsieht, kann aus Art. 8 Abs. 1 EMRK kein absolutes Recht auf Nichtausweisung abgeleitet werden (Bauer in Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl. 2016, Vor §§ 53-56 Rn. 96 ff.). Vielmehr bedarf es einer einzelfallbezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung, in die sämtliche Aspekte des Einzelfalls einzustellen sind.
Nach der wertentscheidenden Grundsatznorm des Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG hat der Staat die Pflicht, die Familie zu schützen und zu fördern. Jedoch ergibt sich auch hieraus kein unmittelbarer Anspruch auf Aufenthalt (vgl. nur BVerfG, B.v. 9.1.2009 – 2 BvR 1064/08 – juris Rn. 14). Vielmehr verpflichtet Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG die Ausländerbehörde wie auch die Gerichte, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des Antragstellers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen bei der Entscheidung zu berücksichtigen (BVerfG, B.v. 23.1.2006 – 2 BvR 1935/05 – juris – Rn. 16; BVerfG, B.v. 9.1.2009 – 2 BvR 1064/08 – juris Rn. 14). Insofern beanspruchen die oben zu Art. 8 EMRK genannten Kriterien auch Geltung für die Beantwortung der Frage, ob der vorliegende Eingriff verhältnismäßig im Sinne von Art. 6 GG, Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 3 GG ist.
Der Antragsteller ist erst 2010 im Alter von 30 Jahren eingereist und ist daher kein faktischer Inländer. Er ist nicht derart irreversibel in die deutschen Lebensverhältnisse eingefügt, dass ihm ein Leben im Staat seiner Staatsangehörigkeit unzumutbar wäre. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Integration des Antragstellers im Bundesgebiet ist zu berücksichtigen, dass er über keine gesicherte berufliche Position verfügt. Er ist in Deutschland nicht beruflich integriert, sondern war nur in unregelmäßigen Abständen erwerbstätig. Das Gericht geht davon aus, dass der Antragsteller die Sprache seines Heimatlands beherrscht und dem Aufbau einer Existenz in Marokko daher auch keine unüberbrückbare sprachliche Barriere entgegensteht. Er kann die ggf. vorhandenen kulturellen Hürden mit einiger – zumutbarer – Anstrengung überwinden und sich in sein Heimatland integrieren. Darüber hinaus ist der Antragsteller als erwachsener Mann in der Lage, für sich selbst zu sorgen. Daher wird sich der Antragsteller in seinem Heimatland eine neue Existenz aufbauen können.
Weiter ist vor dem Hintergrund des Art. 8 EMRK und des Art. 6 GG zu berücksichtigen, dass der Antragsteller verlobt ist/war und die Heirat geplant ist/war. Ein Verlöbnis ist allerdings nicht einer nach Art. 6 GG, Art. 8 EMRK geschützten Ehe gleichzustellen. Ein Verlöbnis hat allenfalls die „Vorwirkung“ einer Ehe, wenn die Eheschließung und der Beginn der ehelichen Lebensgemeinschaft unmittelbar bevorstehen (BayVGH, B.v. 24.10.2012 – 10 CE 12.2125 – juris). Dies ist regelmäßig nur dann anzunehmen, wenn der Eheschließungstermin feststeht oder jedenfalls verbindlich bestimmbar ist. Dies ist vorliegend nicht gegeben. Vielmehr hat das Standesamt T* … mitgeteilt, dass ein Termin zur Eheschließung nicht wahrgenommen wurde. Zudem hat die Verlobte des Antragstellers gegenüber der Beklagten erklärt, dass sie den Antragsteller nicht mehr heiraten werde, sondern sich vielmehr vor 2-3 Monaten von ihm getrennt habe. Damit steht die vorhandene Bindung des Antragstellers zu seiner Verlobten der Ausweisung des Antragstellers nicht entgegen.
Vor diesem Hintergrund, unter Berücksichtigung der Schwere der vom Antragsteller begangenen Taten und der von ihm ausgehenden Wiederholungsgefahr fällt die nach § 53 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG zu treffende Gesamtabwägung zu Lasten des Antragstellers aus. Das Ausweisungsinteresse überwiegt das Bleibeinteresse. Die Verurteilung, die die Beklagte zum Anlass für die Ausweisung genommen hat, ist die Letzte in einer Kette von strafrechtlichen Verfehlungen ist, die dem Antragsteller zur Last zu legen sind. 2011 wurde der Antragsteller wegen Diebstahls zur Verantwortung gezogen. 2012 erfolgte eine weitere Verurteilung wegen Diebstahls. 2014 wurde der Antragsteller ein weiteres Mal wegen Diebstahls verurteilt. In weiteren Ermittlungsverfahren wegen Diebstahls wurde von der Verfolgung abgesehen. Der Antragsteller ist in regelmäßigen Abständen straffällig geworden und zeigte sich unbeeindruckt von drohenden Konsequenzen. Es bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass dem Antragsteller daran gelegen ist, sich zukünftig rechtstreu zu verhalten. Insgesamt hat der Antragsteller mehrere Chancen, ein straffreies Leben zu führen, nicht ergriffen. Weder Bewährung noch Strafhaft haben den Antragsteller davon abgehalten, weitere Straftaten zu begehen. Die Ausweisung steht auch mit Art. 8 EMRK im Einklang, da sie gesetzlich vorgesehen ist (§ 53 Abs. 1 AufenthG) und einen in dieser Bestimmung aufgeführten legitimen Zweck, nämlich die Verteidigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und die Verhinderung von Straftaten, verfolgt. Die Ausweisung ist die geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahme, um den beabsichtigten Zweck durchzusetzen. Durch ein anderes, milderes Mittel kann der mit ihr verfolgte Zweck vorliegend nicht erreicht werden. Im Ergebnis ist die Ausweisung des Antragstellers daher verhältnismäßig und rechtmäßig.
Nachdem bei summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung damit nicht bestehen, entfaltet diese die Sperrwirkung nach § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG.
Darüber hinaus besteht beim Antragsteller wie oben bereits dargestellt ein Ausweisungsinteresse gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG, welches gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entgegensteht.
Zudem ist der Antragsteller ohne das gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG erforderliche Visum eingereist. Vielmehr reiste der Antragsteller am 29. Oktober 2010 unerlaubt ins Bundesgebiet ein.
Weiter erfüllt der Antragsteller die Voraussetzungen des § 30 AufenthG nicht. Wie oben bereits dargestellt, ist kein Termin zur Eheschließung bestimmt und die Verlobte des Antragstellers hat im Rahmen einer Vorsprache bei der Beklagten am … März 2016 zudem erklärt, ihn nicht mehr heiraten zu wollen und sich von ihm getrennt zu haben.
Auch die Voraussetzungen für ein eigenständiges Aufenthaltsrecht gemäß § 31 Abs. 1 AufenthG sind nicht gegeben. Die frühere Ehe des Antragstellers bestand vom *. Februar 2011 bis 14. November 2011 und somit weniger als ein Jahr im Bundesgebiet. Zudem fehlte es in dem Zeitraum an einem rechtmäßigen Aufenthalt des Antragstellers.
Damit ist davon auszugehen, dass die Ablehnung der Erteilung bzw. Verlängerung des Aufenthaltstitels zu Recht erfolgte und die Klage insoweit erfolglos bleiben wird.
Die in Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheids enthaltene Abschiebungsandrohung erweist sich bei summarischer Prüfung ebenfalls als rechtmäßig. Der Erlass einer Abschiebungsandrohung setzt voraus, dass der Ausländer zur Ausreise verpflichtet ist. Vorliegend ergibt sich die Ausreisepflicht des Antragstellers bereits aus dem Umstand, dass er keinen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG erforderlichen Aufenthaltstitel (mehr) besitzt. Der am *. Februar 2011 gestellte Antrag auf Erteilung bzw. Verlängerung eines Aufenthaltstitels wurde in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids abgelehnt. Im Übrigen entspricht die Abschiebungsandrohung den gesetzlichen Anforderungen. Die gesetzte Ausreisefrist hält sich im Rahmen des § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, besondere Umstände des Einzelfalls im Sinne des § 59 Abs. 1 Satz 4 AufenthG, die eine längere Ausreisefrist erfordern würden, liegen nicht vor. Nach § 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG zu bezeichnende Staaten, in die eine Abschiebung nicht erfolgen darf, sind nicht ersichtlich.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 30.5./1.6.2012 und am 18.7.2013 beschlossenen Änderungen.