Aktenzeichen RN 8 S 17.937
§ 100 Abs. 1 Satz 2 WHG i.V.m. Art. 58 Abs. 1 Satz 2 BayWG
Leitsatz
1. Ist im gerichtlichen Eilverfahren nach summarischer Prüfung von offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache auszugehen, überwiegen im Hinblick auf die hohe Schutzwürdigkeit von Gewässern bei drohenden erheblichen Gewässerverunreinigungen die öffentlichen Interessen am Sofortvollzug. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Gemeinde als öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft und Betreiberin einer kommunalen Kläranlage ist dem Gewässerschutz in anderer Weise verpflichtet als ein Privater. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 12.500 € festgelegt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine gewässeraufsichtliche Anordnung im Hinblick auf die von ihm betriebene gemeindliche Kläranlage.
Infolge eines Unfalls am 29.12.2016 gelangten aus einem Kesselwagen der Speditionsfirma … große Mengen an Dieselöl in die gemeindliche Kanalisation und damit in die nahe gelegene gemeindliche Kläranlage. Seitdem wird in der gemeindlichen Kläranlage aufgrund der vorhandenen Belastung mit Mineralkohlenwasserstoffen (MKW) Schlammspeicherung betrieben. Bereits Anfang März 2017 holte der Antragsteller zwei Angebote der Firma F … zur Entsorgung des belasteten Klärschlamms ein. Die Angebote der Firma F … vom 8.3.2017 (Ausführungsdatum ab KW 11) betreffen das „Entsorgungskonzept“ Entwässerung von Klärschlamm mit einer Dekanterzentrifuge sowie Abtransport und Entsorgung des gepressten Klärschlamms in die thermische Verwertung inklusive Absaugen von öligem Filtratwasser, Zwischenlagerung des Filtratwassers und Entsorgung des Filtratwassers. Im ersten Angebot wird ein 8-tägiger Betrieb der Entwässerungsanlage, im zweiten Angebot ein 15-tägiger Betrieb der Entwässerungsanlage zugrunde gelegt (Kosten 106.624 € bzw. 171.133,80 €).
Bereits mit E-Mail vom 20.3.2017 teilte der Klärwärter des Antragstellers dem Wasserwirtschaftsamtes (WWA) … mit, dass die Möglichkeiten der Klärschlammspeicherung erschöpft seien. Es komme zu Schlammabtrieb in das Belebungsbecken. Die Auslaufwerte nach der Abwasserverordnung Anhang 1 könnten wahrscheinlich nicht mehr lange eingehalten werden. Der Versicherer der Speditionsfirma … lasse aber eine Entsorgung des Klärschlamms nicht zu, da die Kosten zu hoch seien. Das WWA wies mit E-Mail vom 21.3.2017 darauf hin, dass der ordnungsgemäße Betrieb der Kläranlage dauerhaft zu gewährleisten sei. Der Klärschlamm sei ordnungsgemäß zu verwerten oder, wie im vorliegenden Fall wohl erforderlich, zu entsorgen. Auch das Landratsamtes (LRA) … als untere Wasserrechtsbehörde wies mit E-Mail vom gleichen Tage darauf hin, dass eine Einhaltung der im Bescheid für die Kläranlage festgesetzten Überwachungswerte jederzeit gewährleistet sein müsse und das betroffene Gewässer nicht verunreinigt werden dürfe.
Ein im Auftrag des Versicherers der Speditionsfirma … in Auftrag gegebener Prüfbericht der G … mbH (Dr. G … ) vom 11.4.2017 kam nach Entnahme einer Sickerwasserprobe aus dem Schlammspeicher am 5.4.2017 zu dem Ergebnis, dass diese Probe einen sehr geringen Gehalt an MKW aufweise. Es werde empfohlen, das Sickerwasser nicht wieder in den Schlammspeicher zurückzuführen oder gesondert zu entsorgen, sondern es dem Kläranlagenzulauf zuzuführen. Hinsichtlich einer am gleichen Tag entnommenen Schlammprobe kam Dr. G … zu dem Ergebnis, dass der aktuelle Kohlenwasserstoffgehalt der untersuchten Klärschlämme dem Gehalt normaler kommunaler Klärschlämme entspreche. Die Infolge des Unfalls eingetretene Dieselölbelastung sei in den zurückliegenden vier Monaten bereits weitgehend mikrobiell abgebaut worden, wie sich auch an den aufgezeichneten Chromatogrammen zeige. Es werde daher empfohlen, den Klärschlamm der bisherigen Klärschlammvererdungsanlage zuzuführen. In einem Schreiben von Dr. G … vom 17.5.2017 an den Bevollmächtigten des Antragstellers nahm dieser zu aktuellen Analysen des Labors L … vom 4.5.2017 und 15.5.2017 Stellung, bei denen im abfließenden Zentratwasser aus der Klärschlammzentrifuge ein Gehalt von MKW (KW-Index) von 146 mg/l im Zentratwasser und von 490 mg/kg TS im Klärschlamm ermittelt worden war. Ursache der im Zentrat enthaltenen erhöhten Kohlenwasserstoffgehalte seien die hohen Anteile an partikulären Feststoffen (Klärschlamm), an welchen das Öl noch anhafte sowie offenbar eine erhebliche Probeninhomogenität. Es werde daher empfohlen, entweder den Zentrifugationsprozess zu optimieren, so dass eine höhere Abscheideleistung erzielt werde, oder das Zentratwasser wieder dem klärtechnischen Prozess zuzuführen, um so die enthaltenen Mineralölanteile weiter abzubauen.
In einer Aktennotiz mit Risikoanalyse des Klärwärters des Antragstellers vom 1.6.2017 wird u.a. ausgeführt, dass die Schlammspeicherkapazitäten am Schlamm Platz der Kläranlage erschöpft seien. Der Regelbetrieb der Kläranlage sei massiv gestört, da kein Faulschlammabzug aus dem Faulraum mehr möglich sei. Die Gasmenge und die Gasqualität für das Blockheizkraftwerk seien stark beeinträchtigt. Durch den hohen Trockensubstanzgehalt in der biologischen Reinigungsstufe werde die Rücklaufschlamm-Rückführung beeinträchtigt. Der Schlamm verbleibe zu lange im Nachklärbecken oder werde nicht mehr rückgeführt. Bei einem Regenereignis werde es mit Sicherheit wegen des zu hohen Schlammvolumens zu einem Schlammabtrieb im Nachklärbecken kommen und das Gewässer verunreinigt werden. Die Gebläse könnten den Sauerstoffbedarf der Mikroorganismen nicht mehr decken und die Reinigungsleistung der Kläranlage sinke. Die Ablaufwerte der Abwasserverordnung Anhang 1 könnten bei längerem Unterschreiten der Sauerstoffwerte nicht mehr eingehalten werden.
Noch am 1.6.2017 fand daraufhin eine Ortseinsicht mit Vertretern des WWA …, des LRA …, sowie dem 1. Bürgermeister und dem Klärwärter des Antragstellers statt, bei der sich die vom Klärwärter geschilderte Situation mit dringendem Handlungsbedarf bestätigte. Dem Antragsteller gegenüber wurde mündlich angeordnet, umgehend die ordnungsgemäße Klärschlammentsorgung mittels Entwässerung und Verbrennung zu veranlassen; es müsse auch Sorge dafür getragen werden, dass im Zuge der Entwässerung anfallendes Konzentratwasser keinesfalls dem Kreislauf der Kläranlage zugeführt werde.
Am 2.6.2017 nahm das WWA … zur Situation in der Kläranlage Stellung. Aufgrund der bei der Ortseinsicht festgestellten kritischen Situation der Kläranlage sei davon auszugehen, dass spätestens bei dem nächsten stärkeren Regenereignis eine Gewässerverschmutzung auftrete. Die Grenzwerte des gültigen Wasserrechtsbescheids am Ablauf der Kläranlage dürften keinesfalls überschritten werden. Aus wasserwirtschaftlicher Sicht bestehe dringender Handlungsbedarf. Der Klärschlamm sei umgehend ordnungsgemäß zu verwerten bzw. zu entsorgen. Das anfallende Konzentratwasser dürfe nicht mehr der Abwasseranlage zugeführt werden und sei somit ebenfalls ordnungsgemäß zu entsorgen. Das Konzentrat weise eine Belastung von > 60 mg/l mit MKW auf und liege damit weit über der erlaubten Belastung. Nur durch eine Verdünnung könnte der erlaubte Wert von 20 mg/l (am Ort des Anfalls) unterschritten werden. Art. 8a Satz 1 BayAbwAG schreibe jedoch vor, dass als Konzentrationswerte festgelegte Anforderungen nicht entgegen dem Stand der Technik durch Verdünnung erreicht werden dürften. Es handle sich bei dem mit MKW belasteten Konzentrat auch nicht mehr um häusliches oder kommunales Abwasser im Sinne des BayAbwAG. Zudem bestünde bei einer Rückbelastung der Kläranlage mit MKW die Gefahr, dass die Mikroorganismen in der Belebung absterben bzw. verdrängt würden; in einem solchen Fall könnte die Belebung der Kläranlage nicht mehr ihre volle Reinigungsleistung erbringen. Eine Gewässerverunreinigung sei zu vermeiden.
Mit Bescheid des LRA … vom 2.6.2017 wurde der Antragsteller in Nr. 1 verpflichtet, einen ordnungsgemäßen Betrieb der Kläranlage entsprechend der wasserrechtlichen Erlaubnis vom 19.1.2006 (zuletzt geändert mit Bescheid 23.6.2016) sicherzustellen und diesbezüglich folgende Maßnahmen durchzuführen:
„1.1 Der in der Kläranlage … vorhandene Klärschlamm ist umgehend ordnungsgemäß zu entsorgen. Hierzu hat eine vorherige Entwässerung und anschließende Verbrennung zu erfolgen.
1.2 Das im Zuge der Entwässerung anfallende Konzentratwasser darf keinesfalls dem Kreislauf der Abwasseranlage zugeführt werden und muss ebenfalls entsorgt werden.“
In Nr. 2 wurde die sofortige Vollziehung von Nr. 1 des Bescheids angeordnet.
Zur Begründung wurde unter Bezugnahme auf die Aktennotiz des Klärwärters des Antragstellers vom 1.6.2017 und die am gleichen Tag durchgeführte Ortseinsicht sowie unter teilweiser Wiedergabe der Stellungnahme des WWA … vom 2.6.2017 u.a. ausgeführt: Die Nr. 1 des Bescheids stütze sich auf Art. 58 Abs. 1 Satz 2 BayWG i.V.m. § 100 Abs. 1 WHG. Aufgrund des seit Monaten auf der Kläranlage gespeicherten Klärschlamms, welcher durch den Ölunfall aktuell eine über 60 mg/l liegende MKW-Belastung aufweise, sei derzeit kein ordnungsgemäßer Betrieb der Kläranlage sichergestellt und es drohe eine konkrete Gewässerbelastung im Rahmen des nächsten Regenereignisses. Darüber hinaus sei auch ein Verstoß gegen die im Bescheid vom 19.1.2006 festgesetzten Inhalts- und Nebenbestimmungen, insbesondere eine Überschreitung der zulässigen Schadstoffparameter abzusehen. Um eine Gewässerverunreinigung und damit eine Beeinträchtigung des Wasserhaushalts zu vermeiden, sowie einen ordnungsgemäßen Betrieb der Kläranlage entsprechend der wasserrechtlichen Erlaubnis sicherzustellen, sei daher eine umgehende Klärschlammentsorgung erforderlich. Die angeordneten Maßnahmen seien geeignet und erforderlich um die konkret drohende Gewässerverunreinigung in der N … zu verhindern und einen ordnungsgemäßen Kläranlagenbetrieb sicherzustellen. Aufgrund der Bedeutung des Gewässerschutzes und der Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Anlagenbetriebs seien die Maßnahmen auch angemessen. Die sofortige Vollziehung der Nr. 1 des Bescheids werde im überwiegenden öffentlichen Interesse angeordnet. Es könne nicht hingenommen werden, dass der Kläranlagenbetrieb anhaltend beeinträchtigt und insbesondere das Gewässer verunreinigt werde. Die Maßnahmen müssten umgehend durchgeführt werden und könnten nicht bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit ausgesetzt werden, insbesondere da für die nächsten Tage Gewitter mit erheblichen Regenmengen vorhergesagt seien und somit dringender Handlungsbedarf bestehe. Im Übrigen wird auf die Begründung des Bescheids Bezug genommen.
Mit den am 7.6.2017 (nachmittags, per Telefax) bei Gericht eingegangenen Schriftsätzen seines Bevollmächtigten ließ der Antragsteller Klage gegen den Bescheid des LRA … vom 2.6.2017 erheben (Az. RN 8 K 17.940) und gleichzeitig um vorläufigen Rechtsschutz nachsuchen. Zur Begründung des Eilrechtsschutzantrags wird im Wesentlichen ausgeführt, dass nach den vom Versicherer des Verursachers eingeholten Stellungnahmen des Ingenieurbüros Dr. G … vieles für die Rechtswidrigkeit der getroffenen Anordnung spreche. In fachlicher Hinsicht sei der von der Verwaltungsbehörde angeordnete Entsorgungs Weg nicht angezeigt. Mit dem Antrag verfolge der Antragsteller insbesondere das Ziel, den nunmehr zu pressenden Klärschlamm nicht einer Verbrennung zuführen zu müssen und das im Zuge der Entwässerung anfallende Konzentratwasser dem Kreislauf der Kläranlage wieder zuführen zu dürfen, mithin dieses nicht entsorgen zu müssen.
Es wird beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 1 des Bescheids des LRA … vom 2.6.2017 wiederherzustellen.
Für den Antragsgegner beantragt das LRA …, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung werden in dem am 8.6.2017 (per Telefax) bei Gericht eingegangenen Schriftsatz im Wesentlichen die Bescheidsgründe wiederholt und vertieft. Es wird auf eine vom 7.6.2017 datierende Stellungnahme des WWA … Bezug genommen, die wiederum im Wesentlichen auf die Stellungnahme WWA … vom 2.6.2017 verweist.
Zur Ergänzung der Sachverhaltswiedergabe wird auf den weiteren Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der (per Telefax) vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist nicht begründet.
Mit dem Antrag wird begehrt, die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen Nr. 1 des Bescheids des LRA … vom 2.6.2017 wiederherzustellen. Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen belastenden Verwaltungsakt grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO entfällt aber die aufschiebende Wirkung, wenn die sofortige Vollziehung durch die den Verwaltungsakt erlassende Behörde besonders angeordnet wird. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann dann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen.
1. Das LRA …, das die sofortige Vollziehung Nr. 1 des Bescheids vom 2.6.2017 angeordnet hat, hat das besondere Interesse an der Anordnung des Sofortvollzugs hinreichend begründet.
Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen, in denen die Behörde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO den Sofortvollzug anordnet, das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Die schriftliche Begründung soll den Betroffenen in die Lage versetzen, seine Rechte wirksam wahrnehmen und die Erfolgsaussichten seines Rechtsmittels abschätzen zu können. Außerdem soll die Begründungspflicht der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollzugsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes Vollzugsinteresse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert. Daraus folgt, dass die Begründung nicht lediglich formelhaft sein darf, sondern die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen darlegen muss, die die Annahme eines besonderen öffentlichen Vollzugsinteresses tragen.
Davon ist im vorliegenden Fall auszugehen. Das LRA … hat im streitgegenständlichen Bescheid hinreichend dargelegt, welche Gründe es bewogen haben, im konkreten Einzelfall den Sofortvollzug anzuordnen. Es hat insbesondere ausgeführt, dass es nicht hingenommen werden könne, dass der Kläranlagenbetrieb anhaltend beeinträchtigt und insbesondere das Gewässer verunreinigt werde und dass die angeordneten Maßnahmen umgehend durchgeführt werden müssten, um dies zu verhindern und nicht bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit ausgesetzt werden könnten, da für die nächsten Tage auch Gewitter mit erheblichen Regenmengen vorhergesagt seien und daher dringender Handlungsbedarf bestehe.
2. Die vom Gericht vorzunehmende Interessenabwägung ergibt auch, dass das öffentliche Interesse am Sofortvollzug das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs überwiegt.
Für diese Interessenabwägung sind in erster Linie die Erfolgsaussichten in der Hauptsache maßgeblich. Führt eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache dazu, dass der Rechtsbehelf offensichtlich Erfolg haben wird, so kann kein Interesse der Öffentlichkeit oder anderer Beteiligter daran bestehen, dass der mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrige Verwaltungsakt sofort vollzogen wird. Wird der Hauptsacherechtsbehelf umgekehrt aller Voraussicht nach erfolglos bleiben, weil nach der im vorläufigen Rechtschutzverfahren gebotenen summarischer Prüfung keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen, kann der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt werden, ohne dass es einer zusätzlichen Interessenabwägung bedarf. Ist nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes allein möglichen summarischen Prüfung von offenen Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren auszugehen, bleibt es bei einer bloßen Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses gegen das Aussetzungsinteresses des Antragstellers.
Im vorliegenden Fall ist eine verlässliche Abschätzung der Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens im Hinblick auf die Komplexität der inmitten stehenden Sach- und Rechtsfragen und der gleichzeitig gegebenen besonderen Dringlichkeit nicht möglich (vgl. unter a.). Bei der daher vorzunehmenden reinen Abwägung zwischen den öffentlichen Interessen am Sofortvollzug und dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt aber das Interesse am Fortbestand des Sofortvollzugs (vgl. unter b.).
a. Rechtsgrundlage für die getroffenen Anordnungen in Nr. 1 des Bescheids vom 2.6.2017 ist § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG i.V.m. Art. 58 Abs. 1 Satz 2 BayWG. Danach ordnen die Kreisverwaltungsbehörden als Gewässeraufsichtsbehörden nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen an, die im Einzelfall notwendig sind, um Beeinträchtigungen des Wasserhaushalts zu vermeiden und zu beseitigen oder die Erfüllung von Verpflichtungen nach § 100 Abs. 1 Satz 1 WHG sicherzustellen. § 100 Abs. 1 Satz 1 WHG umfasst (auch) alle öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen, die nach oder aufgrund der Vorschriften des WHG, nach den auf das WHG gestützten Rechtsverordnungen oder nach landesrechtlichen Vorschriften bestehen. Zu den Verpflichtungen nach § 100 Abs. 1 Satz 1 WHG gehören deshalb auch die zur Regelung eines Einzelfalls durch Verwaltungsakt begründeten Pflichten, wie etwa Pflichten, die in einer wasserrechtlichen Erlaubnis für eine Gewässerbenutzung durch Inhalts- und Nebenbestimmungen (§ 13 WHG) festgelegt sind.
Vorliegend ist nach summarischer Prüfung zu befürchten, dass es ohne die Durchführung entsprechender Maßnahmen wegen des zu hohen Volumens des in der Kläranlage gespeicherten MKW-belasteten Klärschlamms insbesondere bei starkem oder länger anhaltenden Regen zu einem Schlammabtrieb in den Vorfluter und infolgedessen zu einer Verunreinigung des Gewässers N … kommt, was sicherlich eine erhebliche Beeinträchtigung des Wasserhaushalts darstellen würde. Außerdem ist plausibel dargelegt, dass ohne entsprechende Maßnahmen die in der wasserrechtlichen Erlaubnis vom 19.1.2006 festgesetzten Inhalts- und Nebenbestimmungen nicht eingehalten werden können und es insbesondere zu einer Überschreitung der zulässigen Schadstoffparameter kommen wird.
Die Kammer geht nach überschlägiger Prüfung auch davon aus, dass die getroffenen Anordnungen hinreichend bestimmt sind. Insoweit ist auf den Empfängerhorizont abzustellen und davon auszugehen, dass der Antragsteller, der die Kläranlage betreibt, weiß, wie die angeordnete ordnungsgemäße Entsorgung des Klärschlamms (mit vorheriger Entwässerung und anschließender Verbrennung) sowie die angeordnete ordnungsgemäße Entsorgung des im Zuge der Entwässerung des Klärschlamms anfallenden Konzentratwassers im Einzelnen zu erfolgen hat. Dafür spricht auch, dass der Antragsteller bereits Anfang März 2017 zwei Angebote der Firma F … für eine ordnungsgemäße Entsorgung eingeholt hat und die Leistungsbeschreibung der Angebote im Wesentlichen der nunmehr vorgegebenen Entsorgung des entwässerten Klärschlamms und des Konzentratwassers entspricht. Es ist auch davon auszugehen, dass die Anordnung einer umgehenden Entsorgung hinreichend bestimmt ist und die Vorgabe einer datumsmäßig bestimmten Frist für die Durchführung der Entsorgungsmaßnahmen nicht erforderlich bzw. gar nicht tunlich ist, nachdem einerseits insbesondere im Hinblick auf möglicherweise bevorstehende Regenereignisse unmittelbarer Handlungsbedarf besteht (so schnell wie möglich), andererseits eine Entsorgung zunächst eine Auftragsvergabe an einen Entsorger voraussetzt, der in der Lage ist, die Entsorgung zeitnah durchzuführen und sich die Entsorgungsmaßnahmen selbst auch wohl über einen Zeitraum von ein bis zwei Wochen erstrecken. Dass ein Entsorger wohl sehr kurzfristig beauftragt werden kann, zeigen allerdings die Angebote der Firma F …, die am 8.3.2017 eine Ausführung bereits ab der 11. Kalenderwoche vorsahen; aus einer E-Mail des Klärwärters des Antragstellers vom 2.6.2017 ergibt sich außerdem, dass die Firma F … auch aktuell bereitsteht, um unverzüglich die Klärschlammentsorgung aufzunehmen.
Nach überschlägiger Prüfung offen bleibt jedoch, ob die getroffenen Anordnungen auch verhältnismäßig sind. Zwar ist von einer Geeignetheit der angeordneten Maßnahmen ohne Weiteres auszugehen, denn wenn der in der Kläranlage vorhandene Klärschlamm entwässert und anschließend verbrannt wird und auch das bei der Entwässerung anfallende Konzentratwasser einer Entsorgung außerhalb der Kläranlage zugeführt wird, steht einem ordnungsgemäßen und bescheidsgemäßen Kläranlagenbetrieb nichts mehr im Wege und wäre die Gefahr einer Verunreinigung des Vorfluters gebannt. Offen bleibt nach summarischer Prüfung allerdings die Frage der Erforderlichkeit der getroffenen Anordnungen, die ja einen erheblichen finanziellen Aufwand für den Antragsteller bedeuten. Denn bereits in dem vom 11.4.2017 datierenden Prüfbericht kam der Sachverständige Dr. G … nach Entnahme einer Sickerwasserprobe aus dem Schlammspeicher zum Ergebnis, dass dieses Sickerwasser wegen des geringen Gehalts von MKW nicht in den Schlammspeicher zurückgeführt werden oder gesondert entsorgt werden müsse, sondern dem Kläranlagenzulauf zugeführt werden könne. Hinsichtlich einer am gleichen Tag entnommenen Schlammprobe kam der Sachverständige zum Ergebnis, dass der aktuelle Kohlenwasserstoffgehalt der von ihm untersuchten Klärschlämme dem Gehalt normaler kommunaler Klärschlämme entspreche und daher empfohlen werde, den Klärschlamm der bisherigen Klärschlammvererdungsanlage zuzuführen. In einer Stellungnahme vom 17.5.2017 an den Bevollmächtigten des Antragstellers nahm der Sachverständige dann zu aktuellen Analysen des Labors L … vom 4.5.2017 und 15.5.2017 Stellung, bei denen im abfließenden Zentratwasser aus der Klärschlammzentrifuge ein Gehalt von MKW (KW-Index) von 146 mg/l im Zentratwasser und von 490 mg/kg TS im Klärschlamm ermittelt worden war. Ursache der im Zentrat enthaltenen erhöhten Kohlenwasserstoffgehalte sind nach fachlicher Einschätzung des Sachverständigen Dr. G … die hohen Anteile an partikulären Feststoffen (Klärschlamm), an welchen das Öl noch anhafte sowie eine erhebliche Probeninhomogenität. Es werde daher empfohlen, entweder den Zentrifugationsprozess zu optimieren, so dass eine höhere Abscheideleistung erzielt werde, oder das Zentratwasser wieder dem klärtechnischen Prozess zuzuführen, um so die enthaltenen Mineralölanteile weiter abzubauen. Das LRA … und das WWA … gehen hingegen augenscheinlich davon aus, dass die vom Sachverständigen Dr. G … vorgeschlagenen Maßnahmen nicht zulässig, nicht zielführend bzw. nicht ausreichend sind, ohne sich allerdings mit den von diesem durchgeführten Untersuchungen näher zu befassen. In der Stellungnahme des WWA … vom 2.6.2017 wird diesbezüglich ausgeführt, dass (auch) das Konzentratwasser nicht mehr der Abwasseranlage zugeführt werden dürfe, vielmehr ordnungsgemäß entsorgt werden müsse, weil das Konzentrat eine Belastung von > 60 mg/l mit MKW aufweise, was weit über der erlaubten Belastung liege. Nur durch eine Verdünnung könnte der erlaubte Wert von 20 mg/l (am Ort des Anfalls) unterschritten werden. Art. 8a Satz 1 BayAbwAG schreibe jedoch vor, dass als Konzentrationswerte festgelegte Anforderungen nicht entgegen dem Stand der Technik durch Verdünnung erreicht werden dürften. Es handle sich bei dem mit MKW belasteten Konzentrat auch nicht mehr um häusliches oder kommunales Abwasser im Sinne des BayAbwAG. Zudem bestünde bei einer Rückbelastung der Kläranlage mit MKW die Gefahr, dass die Mikroorganismen in der Belebung absterben bzw. verdrängt würden. Nach allem bleibt nach überschlägiger Prüfung daher offen und ist ggfs. im Hauptsacheverfahren noch näher aufzuklären, ob allein die angeordneten Maßnahmen tatsächlich (und rechtlich) geeignet sind, einen ordnungsbzw. bescheidsgemäßen Kläranlagenbetrieb zu gewährleisten und eine Gewässerverunreinigung im Vorfluter zu verhindern.
b. Ist daher im Ergebnis nach summarischer Prüfung von offenen Erfolgsaussichten der in der Hauptsache erhobenen Anfechtungsklage auszugehen, überwiegen nach Auffassung der Kammer im Hinblick auf die hohe Schutzwürdigkeit der betroffenen Rechtsgüter, insbesondere im Hinblick auf den erforderlichen Schutz der N … vor erheblichen Gewässerverunreinigungen, die öffentlichen Interessen am Sofortvollzug des streitgegenständlichen Bescheids das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Dabei wird nicht verkannt, dass die angeordneten Maßnahmen eine erhebliche finanzielle Belastung für den Antragsteller bedeuten. Insoweit ist aber auch zu bedenken, dass der Antragsteller als öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft und Betreiber der gemeindlichen Kläranlage in anderer Weise dem Gewässerschutz verpflichtet ist als ein Privater und mit der Erfüllung der Anordnung auch wieder ein ordnungsgemäßer Betrieb der gemeindlichen Kläranlage ermöglicht wird.
Nach allem war der Antrag daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 GKG.