Aktenzeichen AN 3 S 16.30273
Leitsatz
Bei pauschalem und substanzlosem Vortrag im Folgeverfahren ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG nicht vorliegen. (redaktioneller Leitsatz)
Gründe
Bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach
Aktenzeichen: AN 3 S 16.30273
Beschluss
vom 4. April 2016
3. Kammer
Sachgebiets-Nr.: 810 01
Hauptpunkte:
Folgeverfahren;
Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage;
pauschaler und unsubstantiierter Vortrag;
Wirkungen des Einreise- und Aufenthaltsverbots;
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache
…
– Antragstellerin –
bevollmächtigt: …
gegen
… vertreten durch: …
– Antragsgegnerin –
wegen Verfahrens nach dem AsylVfG/AsylG
Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach, 3. Kammer,
durch die Einzelrichterin … ohne mündliche Verhandlung am 4. April 2016 folgenden Beschluss:
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten
des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Der Gegenstandswert beträgt 2.500,00 EUR.
Gründe:
I.
Die 1988 geborene Antragstellerin ist äthiopische Staatsangehörige und orthodoxe Christin. Sie hat bereits ein Asylverfahren in der Bundesrepublik Deutschland unter dem Aktenzeichen … betrieben. Ihr Asylantrag wurde am 27. November 2012 unanfechtbar abgelehnt. Der Antragstellerin wurde die Abschiebung nach Äthiopien angedroht.
Am 7. März 2016 beantragte die Antragstellerin die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens. Mit Schreiben vom 4. März 2016 ließ die Antragstellerin durch ihre Prozessbevollmächtigte vortragen, die Begründung des Folgeantrags werde in einer persönlichen Anhörung erfolgen. Seit dem Abschluss des Erstverfahrens sein vier Jahre vergangen. Der Antrag werde auf eine politische Gefährdung infolge des fortgesetzten politischen Engagements der Antragstellerin gestützt und auf Gründe, die in den Bereich des nationalen subsidiären Schutzes fielen.
Mit Bescheid vom 8. März 2016, der am selben Tag als Einschreiben zur Post gegeben wurde, lehnte die Beklagte den Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab (Ziffer 1), lehnte den Antrag auf Abänderung des Bescheides vom 4. Juli 2012 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes ab (Ziffer 2), forderte die Antragstellerin auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen und drohte für den Fall der Nichteinhaltung der Ausreisefrist an, die Antragstellerin nach Äthiopien oder in einen anderen zur Rückübernahme bereiten oder verpflichteten Staat abzuschieben (Ziffer 3). Sie befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß
§ 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4).
Zur Begründung wird ausgeführt, die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens lägen nicht vor. Die für die Durchführung eines Folgeverfahrens erforderliche Änderung der Sachlage sei nicht gegeben, auch eine geänderte Rechtslage sei nicht ersichtlich. Der bei der Asylfolgeantragstellung darzulegende Sachvortrag müsse alleine aus sich heraus schon so detailliert und in sich stimmig, nachvollziehbar und damit einleuchtend sein, dass sich daraus ergebe, bei verständiger Würdigung bestehe gerade nunmehr die Befürchtung, nach einer Rückkehr in das Heimatland Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3a Asylgesetz oder einem ernsthaften Schaden im Sinne des § 4 Asylgesetz ausgesetzt zu sein. Diesen Anforderungen genüge der Sachvortrag der Antragstellerin nicht. Sie habe lediglich pauschal und ohne konkrete Ausführungen erklärt, dass sie weiterhin exilpolitisch aktiv sei und subsidiären Schutz erhalten wolle. Ein derart unsubstantiiertes und pauschales Vorbringen könne nicht zur Durchführung eines Folgeverfahrens führen. Auch sei der Folgeantrag nach Erklärung der zuständigen Ausländerbehörde vom 7. März 2016 ganz offensichtlich nur deshalb gestellt, um die Rückkehr in das Herkunftsland zu verhindern. Der Antragstellerin sei der Reisepass von der Ausländerbehörde abgenommen worden und sie sei aufgefordert worden, ein Ticket für ihre Reise nach Äthiopien zu erwerben. Im Übrigen wird auf die Begründung des Bescheides Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 8. März 2016 übersandte die Ausländerbehörde der Stadt … dem Bundesamt eine Kopie des neuen äthiopischen Nationalpasses, der von der Ausländerbehörde im Original einbehalten worden sei. Die Antragstellerin beabsichtige, einen deutschen Staatsangehörigen zu ehelichen. Die Eheschließung sei jedoch nicht absehbar. Für die Antragstellerin sei die Abschiebung nach Äthiopien für den …2016 geplant.
Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten, das am 14. März 2016 beim Verwaltungsgericht Ansbach einging, ließ die Antragstellerin Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge erheben (AN 3 K 16.30256).
Mit weiterem Schreiben, das am 16. März beim Verwaltungsgericht Ansbach einging, beantragte die Antragstellerin,
die aufschiebende Wirkung ihrer Klage anzuordnen.
Zur Begründung wird ausgeführt, die Antragstellerin sei, wie bereits im Erstantrag geltend gemacht, politisch aktiv. Sie habe sich seit 2012 weiterhin politisch engagiert, unter anderem habe sie an einer Vielzahl von Demonstrationen teilgenommen, Hungerstreiks organisiert und unterstützt. Sie habe Artikel in sozialen Medien veröffentlicht, sich mit Eingaben an die Botschaft ihres Landes gewandt und sich nachdrücklich, konsistent und beharrlich regierungskritisch positioniert. Sie habe dabei auch innerhalb der äthiopischen Gemeinde in Deutschland eine gewisse Prominenz erlangt, so dass ihr Engagement der äthiopischen Regierung auch zur Kenntnis geraten sei. Sie habe sich nachhaltig für die Belange von Flüchtlingen in Deutschland eingesetzt, sie sei in … in einem entsprechenden Umfeld aktiv und auch dort bekannt.
Mit Schriftsatz, der gleichzeitig mit den Behördenakten der Antragsgegnerin am 21. März 2016 beim Verwaltungsgericht Ansbach einging, beantragte diese
den Antrag abzulehnen.
Mit Schreiben vom 23. März 2016 teilte die Ausländerbehörde der Stadt … dem Gericht mit, dass sich die Antragstellerin seit 22. März 2016 im Kirchenasyl befinde.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Behörden- und Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die Antragstellerin begehrt mit ihrem Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Anfechtungsklage sowohl gegen die in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheides ausgesprochene Abschiebungsandrohung als auch gegen die in Ziffer 4 ausgesprochene Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung der Antragsgegnerin.
1.
Rechtsgrundlage der ausgesprochenen Abschiebungsandrohung sind §§ 34 Abs. 1, 36 Abs. 1, 71 Abs. 4 AsylG. Die Klage hat gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 75 Abs. 1 AsylG keine aufschiebende Wirkung.
Gemäß §§ 71 Abs. 4 1. Halbsatz, 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf das Gericht die Aussetzung der Abschiebung nur anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen, d. h. hier daran, dass die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 51 Abs. 1-3 VwVfG nicht vorliegen.
Diese gesetzliche Regelung findet ihre Rechtfertigung in der Erwägung, dass der Asylfolgeantragsteller bereits ein Asylverfahren erfolglos durchlaufen hat, so dass ein verfassungsrechtlich gewährleistetes vorläufiges Bleiberecht in Abwägung mit den Belangen des Staates auch dann zurücktreten muss, wenn die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens und eine erneute Prüfung nicht gegeben sind (BVerfG, B. v. 16.3.1999 – 2 BvR 2131/95-, juris; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Januar 2016, § 71 Rn. 106).
Ernstliche Zweifel im dargelegten Sinn bestehen an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht. Denn der Vortrag der Antragstellerin zu den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 -3 VwVfG erschöpfte sich sowohl bei der Antragstellung als auch im gerichtlichen Verfahren in unsubstantiierten Behauptungen zum Vorliegen (im Vergleich zum Erstverfahren unveränderter) exilpolitischer Betätigung. Bei pauschalem und substanzlosem Vortrag im Folgeverfahren ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG nicht vorliegen (VG Münster, B. v. 12.4.2000 – 7 L 414/00.A-, juris).
Insbesondere ist die zur Begründung angeführte seit Abschluss des Erstverfahrens unverändert fortgesetzte exilpolitische Betätigung schon begrifflich nicht geeignet, eine Änderung der dem Bescheid des Bundesamtes aus dem Erstverfahren zugrundeliegenden Sachlage herbeizuführen. Darüber hinaus spricht wegen des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Aufforderung der Ausländerbehörde, die Antragstellerin solle ein Rückflugticket nach Äthiopien erwerben und der Folgeantragstellung viel dafür, dass der Folgeantrag ausschließlich zur Vermeidung der Ausreise gestellt wurde, vgl. auch § 30 a Abs. 1 Nr. 5 AsylG i. d. F. des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11.3.2016, BGBl. I S. 390.
Gründe, die die Zuerkennung des begehrten subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i. V. m. 4 Abs. 1 AsylG tragen könnten, wurden von der Antragstellerin nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Dasselbe gilt für das Bestehen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG.
2.
Auch der Antrag gem. § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klagen gegen Ziffer 4 des Bescheids vom 8. März 2016, mit der für die Antragstellerin eine Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes gem. § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ausgesprochen wurde, hat keinen Erfolg.
Gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, weder erneut in das Bundesgebiet einreisen, noch sich darin aufhalten, noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden (Einreise- und Aufenthaltsverbot). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist gemäß § 11 Abs. 2 S. 1 AufenthG von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise (§ 11 Abs. 2 S. 2 AufenthG).
Das Bundesamt ist gemäß § 75 Nr. 12 AufenthG für die Entscheidung über die Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 2 AufenthG zuständig.
Gemäß § 11 Abs. 3 AufenthG wird über die Länge der Frist nach Ermessen entschieden. Sie darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Diese Frist soll zehn Jahre nicht überschreiten.
Die Antragsgegnerin hat die Frist im Falle der Antragstellerin auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung gesetzt. Dies hat sie damit begründet, dass Anhaltspunkte für eine kürzere Fristsetzung aufgrund schutzwürdiger Belange weder ausreichend vorgetragen worden seien noch nach den Erkenntnissen des Bundesamtes vorlägen.
In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht auf der Grundlage einer eigenen Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Suspensivinteressen. Wesentliches Element dieser Interessenabwägung ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, die dem Charakter des Eilverfahrens entsprechend nur aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erfolgen kann. Ist es nicht möglich, die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wenigstens summarisch zu beurteilen, so sind allein die einander gegenüber stehenden Interessen unter Berücksichtigung der mit der Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einerseits und deren Ablehnung andererseits verbundenen Folgen zu gewichten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.3.2010 – VR 1.10, juris).
Die Einzelrichterin sieht – wie das Verwaltungsgericht Osnabrück (Beschluss vom 23.9.2015 – 5 B 377/15, juris) – die Erfolgsaussichten der Klage gegen die Befristungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG derzeit als offen an. Ob die Entscheidung über die Befristung rechtmäßig ist, kann erst im Hauptsacheverfahren geklärt werden.
Die daher vorzunehmende folgenorientierte Interessenabwägung fällt in dem maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) zugunsten der Antragsgegnerin aus.
Die Folgenabwägung hat sich zum einen an dem bereits kraft Gesetzes vorliegenden Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG zu orientieren. Dieses Verbot gilt unabhängig von der Befristungsentscheidung der Antragsgegnerin gem. § 11 Abs. 2, 3 AufenthG. Dies führt dazu, dass selbst bei einer hypothetischen Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage in diesem Punkt das Einreise- und Aufenthaltsverbot für die Antragsteller bestehen bliebe.
Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass mit Inkrafttreten des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20. Oktober 2015, BGBl. I, S. 1722, am 24. Oktober 2015 § 36 Abs. 3 AsylVfG (nunmehr § 36 AsylG) um folgende Sätze ergänzt wurde:
„Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes und die Anordnung und Befristung nach § 11 Absatz 7 des Aufenthaltsgesetzes sind ebenso innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung bleibt hiervon unberührt.“
Die Antragstellerin könnte also auch dann abgeschoben werden, wenn ihr Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klagen gegen die Entscheidung des Bundesamtes über die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes anzuordnen, Erfolg hätte. Der Gesetzgeber geht somit ersichtlich davon aus, dass es den Betroffenen zumutbar ist, den Rechtsstreit zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Befristung nach § 11 Abs. 2 AufenthG vom Heimatland aus zu führen, was bei der Interessenabwägung ebenfalls zu Ungunsten der Antragstellerin zu gewichten ist.
Die Antragstellerin ist folglich unabhängig von der (späteren) gerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Ziffer 4 des angefochtenen Bescheids des Bundesamtes zur Ausreise verpflichtet. Folgt sie dieser Pflicht, verhält sie sich also rechtstreu, kann die Antragstellerin zudem selbst dafür sorgen, dass das Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG nicht eintritt. Denn dieses gilt nur im Falle einer Abschiebung der Antragstellerin.
Im Übrigen wird auf die Begründung des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes Bezug genommen, § 77 Abs. 2 AsylG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83 b AsylG.
Der Gegenstandswert bemisst sich nach § 30 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz RVG.
Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylG unanfechtbar.