Verwaltungsrecht

Erfolgloser vorläufiger Rechtsschutzantrag gegen Zuweisung von Asylbewerbern in eine neue Gemeinschaftsunterkunft

Aktenzeichen  B 3 S 17.31058

Datum:
13.4.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwZVG BayVwZVG Art. 34, Art. 36
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
AsylG AsylG § 50, § 75 Abs. 1
DVAsyl DVAsyl § 5, § 7

 

Leitsatz

Die Androhung des unmittelbaren Zwangs erledigt sich, wenn der Verpflichtete der Wohnsitzzuweisung freiwillig nachkommt.
2 Nach § 7 Abs. 2 S. 2 iVm § 7 Abs. 1 Nr. 2 DVAsyl werden Personen, die nicht mehr verpflichtet sind, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, innerhalb der Regierungsbezirke durch die jeweilige Regierung auf die Landkreise oder kreisfreien Gemeinden nach dem Maßstab des § 3 Abs. 2 DVAsyl verteilt. Die Zuweisungsentscheidung bestimmt den Landkreis oder die kreisfreie Gemeinde, in den oder in die der Ausländer sich zu begeben hat, sowie seinen Wohnsitz und weist ihn im Regelfall einer bestimmten Unterkunft nach § 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 und Abs. 2 S.1 DVAsyl zu. (Rn. 19) (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Eine Zuweisungsentscheidung muss familiären oder sonstigen humanitären Gründe von vergleichbarem Gewicht im Sinne von § 7 Abs. 3 DVAsyl Rechnung tragen. Hierbei ist insbesondere der Haushaltsgemeinschaft von Eltern und Kindern Rechnung zu tragen; auch soll Kindern der Schulbesuch ermöglicht werden. (Rn. 22 – 25) (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 27.03.2017 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 13.03.2017 wird abgelehnt.
2. Die Antragsteller tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens als Gesamtschuldner.

Gründe

I.
Die Antragsteller, aserbaidschanische Asylbewerber, wenden sich gegen die Unterbringung in der Gemeinschaftsunterkunft des Antragsgegners in …, Landkreis ….
Die Antragsteller sind seit 31.10.2016 im Asylverfahren. Über ihre Asylanträge ist noch nicht entschieden. Die Antragsteller waren zuletzt in der Aufnahmeeinrichtung Bayern, …, …, … Straße …, … untergebracht.
Mit Bescheid vom 13.03.2017, der dem Antragsteller zu 1 am 21.03.2017 ausgehändigt wurde, teilte die Regierung von Oberfranken die Antragsteller ab dem 21.03.2017 dem Landkreis … zu (Nr. 1) und wies ihnen als künftigen Wohnsitz die Gemeinschaftsunterkunft in … zu (Nr. 2). Zudem wurde festgelegt, dass die Antragsteller bis zum 21.03.2016 zum Einzug in die genannte Unterkunft verpflichtet sind (Nr. 3). Für den Fall, dass die Antragsteller der Aufforderung unter Nr. 3 nicht rechtzeitig nachkommen, wurde die Vollstreckung durch unmittelbaren Zwang angedroht (Nr. 4).
Im Übrigen wird auf den angefochtenen Bescheid verwiesen.
Mit Schriftsatz vom 27.03.2017, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag, erhob der Bevollmächtigte der Antragsteller Klage gegen den Bescheid vom 13.03.2017 und beantragte gleichzeitig,
die aufschiebende Wirkung der Klage vom 27.03.2017 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 13.03.2017 anzuordnen.
Zur Begründung führt der Bevollmächtigte der Antragsteller im Wesentlichen aus, der Antragsteller zu 1 sei erheblich erkrankt. Die neue Unterkunft sei sehr abgelegen. Der Antragsteller zu 1 habe nur eine Niere und sei daher körperlich sehr eingeschränkt.
Der Antragsteller zu 3 müsse jeden Tag durch den Wald zur Schule gebracht werden. Ein Bus fahre nicht. Es handle sich um einen Weg von ca. 6 km. Die Familie wisse nicht, wie sie ihr Kind in die Schule bringen solle. In der bisherigen Unterkunft habe es diese Probleme nicht gegeben.
Mit Schriftsatz vom 07.04.2017, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am 10.04.2017, beantragte der Antragsgegner, den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen.
Zur Begründung führte der Antragsgegner im Wesentlichen aus, ein überwiegendes Interesse der Antragsteller an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 27.03.2017 sei vorliegend nicht erkennbar, da der angefochtene Bescheid rechtmäßig sei. Insbesondere sei die zu beachtende Haushaltsgemeinschaft von Eltern und Kindern gewahrt. Erkrankungen des Antragstellers zu 1 seien bislang nicht bekannt. Von der Sozialhilfeverwaltung seien auch keine Krankenscheine für den Besuch eines Facharztes für Nierenerkrankungen ausgestellt worden. Im Übrigen sei auch nicht ersichtlich weshalb eine notwendige ärztliche Behandlung nicht auch am Ort bzw. in der Umgebung der Gemeinschaftsunterkunft sichergestellt werden könne.
Der Antragsteller zu 3 habe die Möglichkeit, die Schule in … zu besuchen, welche nur 1,8 km entfernt sei. Im Übrigen könne der Antragsteller zu 3 die Schule in … besuchen. Für den Schulweg von ca. 6 km sei ein Fahrdienst eingerichtet worden, welcher vom Schulhausmeister ausgeübt werde.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die vorgelegte Behördenakte sowie auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens und die Gerichtsakte im Hauptsacheverfahren B 3 K 17.31059 verwiesen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den angefochtenen Bescheid des Antragsgegners vom 13.03.2017 hat keinen Erfolg
1. Der Antrag ist – soweit er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Zwangsmittelandrohung (Ziffer 3 u. 4 des Bescheides) zum Gegenstand hat – schon unzulässig, da die Antragsteller der in Ziffer 2 angeordneten Wohnsitznahme in … freiwillig nachgekommen sind. Zwar führt die freiwillige Befolgung eines Grundverwaltungsaktes (hier Ziffern 1 und 2 des Bescheides) nicht zu dessen Erledigung (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 113, RdNr. 104), jedoch erledigt sich die Androhung des unmittelbaren Zwangs nach Art. 36, 34 BayVwZVG, wenn der Adressat der zu vollstreckenden Anordnung bereits freiwillig nachgekommen ist (VG Augsburg, B.v. 25.05.2016 – Au 7 S. 16.258 – juris; VG Augsburg, U.v. 11.05.2016 – Au 6 K 15.1520 – juris; vgl. auch VG Würzburg, B.v. 17.03.2017 – W 5 S. 17.232 – juris). Hat sich der Verwaltungsakt erledigt, ist ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den erledigten Verwaltungsakt unstatthaft (Kopp/Schenke a.a.O., § 80, RdNr. 130, 131; BayVGH B.v. 16.08.2012 – 8 CE 11.2759 – juris; BayVGH, B.v. 20.03.2017 – 22 CS 17.290 – juris).
2. Soweit der der Antrag zulässig ist, ist er unbegründet.
Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat die Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung, sofern diese nicht kraft Gesetzes (hier: § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 10 Abs. 1 Satz 2 AufnG bzw. § 50 i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG, Art. 21a BayVwZVG) oder auf Grund einer Anordnung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO entfällt.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache – hier der Einzelrichter nach § 76 Abs. 4 i.V.m. § 50 AsylG – auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage – im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO – ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat abzuwägen zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids und dem Interesse der Antragsteller an der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO erforderliche summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, tritt das Interesse der Antragsteller regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig, so besteht in der Regel kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessensabwägung.
Im vorliegenden Fall erweist sich der angefochtene Bescheid bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig, so dass ein überwiegendes öffentliches Interesse am Fortbestand des gesetzlich angeordneten Sofortvollzugs gegeben ist.
a) Die angefochtene Zuweisungsentscheidung, die auf § 50 AsylG, § 7 Abs. 2 DVAsyl, § 1 Abs. 1 AsylbLG, Art. 1, Art. 3 und Art. 5 Abs. 2 AufnG beruht, ist formell rechtmäßig.
Die Regierung von Oberfranken ist nach § 7 Abs. 2 Satz 4 DVAsyl für die Zuweisungsentscheidung zuständig. Die Antragsteller sind – ungeachtet ihrer Erwerbseinkünfte – dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, so dass hinsichtlich Form, Begründung und Bekanntgabe der Zuweisungsentscheidung nach § 7 Abs. 2 Satz 5 DVAsyl die Regelungen des § 50 Abs. 4 und Abs. 5 AsylG Anwendung finden. Eine Anhörung und Begründung sind demnach entbehrlich (§ 50 Abs. 4 Satz 3 und 4 AsylG). Der angefochtene Bescheid ist schriftlich erlassen, die Rechtsbehelfsbelehrung:ist beigefügt (§ 50 Abs. 4 Satz 2 AsylG).
b) Die Zuweisung ist im hier entscheidungserheblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylG) nach derzeitiger Aktenlage auch materiell rechtmäßig.
aa) Rechtsgrundlage für die Zuweisungsentscheidung ist § 7 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 2 DVAsyl. Danach werden Personen, die nicht mehr verpflichtet sind in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, innerhalb der Regierungsbezirke durch die jeweilige Regierung auf die Landkreise oder kreisfreien Gemeinden nach dem Maßstab des § 3 Abs. 2 verteilt. Die Zuweisungsentscheidung bestimmt den Landkreis oder die kreisfreie Gemeinde, in den oder in die der Ausländer sich zu begeben hat, sowie seinen Wohnsitz und weist ihn im Regelfall einer bestimmten Unterkunft nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 und Abs. 2 Satz 1 DVAsyl zu.
bb) Den Antragstellern stehen auch keine familiären oder sonstigen humanitären Gründe von vergleichbarem Gewicht im Sinne von § 7 Abs. 3 DVAsyl zur Seite, denen derart Rechnung zu tragen wäre, dass sich der streitgegenständliche Bescheid als rechtswidrig erweisen würde. Die zu beachtende Haushaltsgemeinschaft von Eltern und Kindern wurde gewahrt, indem die Antragsteller zu 1 bis 4 gemeinsam der Gemeinschaftsunterkunft in … zugewiesen wurden.
Auch die erstmals im Eilverfahren vorgetragene gesundheitliche Beeinträchtigung des Antragstellers zu 1 steht der Rechtmäßigkeit der Zuweisungsentscheidung nicht entgegen. Zum einen liegen keine näheren Erkenntnisse über die behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Antragstellers zu 1 vor. Im Übrigen ist für das Gericht nicht ersichtlich, warum eine unter Umständen notwendige ärztliche Betreuung nicht auch am Ort der Gemeinschaftsunterkunft bzw. in der Umgebung der Gemeinschaftsunterkunft … sichergestellt werden kann.
Durch die Zuweisung nach … wird auch der Schulbesuch des Antragstellers zu 3 nicht unverhältnismäßig erschwert. Der Antragsgegner weist zutreffend darauf hin, dass der Antragsteller zu 3 die Schule in …, welche nur 1,8 km von der Unterkunft entfernt ist, besuchen kann. Selbst die Schule in …, die der Antragsteller zu 3 aufgrund einer dort russisch sprechenden Lehrerin besucht, ist unproblematisch erreichbar. Zwar ist hierfür ein Schulweg von ca. 6 km zurückzulegen, es wurde jedoch ein Fahrdienst eingerichtet, welchen der Antragsteller zu 3 nutzen kann.
Weitere Aspekte im Sinne des § 7 Abs. 3 DVAsyl, die der Rechtmäßigkeit der Zuweisungsentscheidung entgegenstehen könnten, sind weder vorgetragen noch anderweitig für das Gericht ersichtlich.
c) Auf die Rechtmäßigkeit der Androhung des unmittelbaren Zwangs nach Art. 19 Abs. 1 Nr. 2, 34 und 36 BayVwZVG (Ziffern 3 und 4 des Bescheides) kommt es vorliegend nicht entscheidungserheblich an, da der Antrag insoweit schon unzulässig ist (siehe bereits unter 1.)
Nach alledem erweist sich die Zuweisung im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bei summarischer Prüfung als rechtmäßig. Vor diesem Hintergrund wird die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage voraussichtlich erfolglos bleiben. Demnach überwiegt das öffentliche Interesse am gesetzlich angeordneten Sofortvollzug gegenüber dem Aussetzungsinteresse der Antragsteller.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG; vgl. BayVGH, B. v. 17.10.2016 – 21 C 16.30043 – juris).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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