Verwaltungsrecht

Erfolgloses Eilbegehren georgischer Staatsangehöriger gegen negative Bundesamtsentscheidung im Asylfolgeverfahren

Aktenzeichen  W 7 S 17.33934

Datum:
2.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 11422
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, § 88, § 122, § 123
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 5, § 71
VwVfG § 48, § 49, § 51
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

Führt ein Festhalten an der bestandskräftigen negativen Entscheidung bzgl. eines nationalen Abschiebungsverbots zu einem schlechthin unerträglichen Ergebnis, verdichtet sich der Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung zu einem strikten Rechtsanspruch, was insbesondere dann in Betracht kommt, wenn der Ausländer bei einer Abschiebung einer extremen individuellen Gefahrensituation ausgesetzt würde und das Absehen von einer Abschiebung daher verfassungsrechtlich zwingend geboten ist. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Anträge werden abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
1. Die Antragsteller sind georgische Staatsangehörige und reisten am 11. Januar 2016 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Ihre Asylanträge wurden mit Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 8. September 2017 – W 7 K 16.32339 – unanfechtbar abgelehnt. Am 15. September 2017 stellten sie persönlich weitere Asylanträge. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass Personen, die den Antragsteller zu 1) im Heimatland verfolgen würden, den Dorfladen seiner Eltern angezündet hätten. Zuvor habe die Verwandtschaft im Heimatland Drohanrufe bzgl. des Antragstellers zu 1) erhalten. Weiter wurde der Folgeantrag damit begründet, dass sich die psychische Erkrankung des Antragstellers zu 1) erheblich verschlechtert habe.
Mit Bescheid vom 14. Dezember 2017 lehnte das Bundesamt sowohl den (weiteren) Asylantrag als unzulässig ab (Ziffer 1) als auch den Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 11. November 2016 bezüglich der Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG (Ziffer 2). Wegen der Begründung wird auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides, der am 18. Dezember 2017 zur Post gegeben wurde, Bezug genommen.
2. Gegen diesen Bescheid erhob die Bevollmächtigte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2017, bei Gericht am selben Tag als Telefax eingegangen, Klage zum Bayer. Verwaltungsgericht Würzburg (Az.: W 7 K 17.33933) und beantragte gleichzeitig,
„die aufschiebende Wirkung der Klage vom heutigen Tage gegen die Abschiebungsandrohung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14.12.2017 anzuordnen“.
Die Antragsgegnerin beantragte,
den Antrag abzulehnen.

hat noch keinen Antrag gestellt.
Wegen der sonstigen Ausführungen der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt, die beigezogenen Behördenakten, die beigezogene Akte des Verfahrens W 7 K 16.32339 und die Sachverhaltsdarstellung im angefochtenen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
II.
Der auslegungsbedürftige Antrag hat keinen Erfolg.
1. Nach § 88 VwGO darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. Dem Gericht obliegt es danach, das tatsächliche Rechtsschutzbegehren zu ermitteln und zur Grundlage seiner Sachprüfung zu machen. Dabei ist maßgeblich auf das gesamte Parteivorbringen abzustellen. Unter Anwendung der für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätze ist das wirkliche Rechtsschutzziel anhand des sich aus der prozessualen Erklärung und den sonstigen Umständen ergebenden Parteiwillens zu ermitteln; der Wortlaut der Erklärung tritt insoweit hinter deren Sinn und Zweck zurück. Zu be-rücksichtigen ist neben dem Klageantrag und der Klagebegründung insbe-sondere auch die Interessenlage des Klägers, soweit sie sich aus dem Parteivortrag und sonstigen für das Gericht und den Beklagten als Empfänger der Prozesserklärung erkennbaren Umständen ergibt (vgl. zum Vorstehenden: BVerwG, B.v. 12.3.2012 – 9 B 7/12, juris, Rn. 5; B.v. 13.01.2012 – 9 B 56/11, juris, Rn. 7). Ist der Kläger bei der Fassung des Klageantrags anwalt-lich vertreten, kommt der Antragsformulierung allerdings gesteigerte Bedeutung für die Ermittlung des tatsächlich Gewollten zu. Eine Umdeutung ist hier nur ausnahmsweise möglich (OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 12.05.2003 – OVG 3 S 22.02, BeckRS 2014, 45685, dort m.w.N.; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 88, Rn. 3; noch enger BayVGH, B.v. 12.10.2006 – 24 CS 06.2576, BeckRS 2009, 41083), wenn die Klagebegründung, die beigefügten Bescheide oder sonstige Umstände eindeutig erkennen lassen, dass das wirkliche Klageziel von der Antragsfassung abweicht (BVerwG, a.a.O., Rn. 6 bzw. Rn. 8). Die vorstehenden Grundsätze gelten auch in selbstständigen Beschlussverfahren, in denen § 88 VwGO entsprechend anwendbar ist (§ 122 Abs. 1 VwGO).
Die Antragsteller begehren hier vorläufigen Rechtsschutz gegen den Bescheid des Bundesamts vom 14. Dezember 2017. Vorläufiger Rechtsschutz gegen diesen Bescheid erfolgt nach sinngemäßer Auslegung des Begehrens durch einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Ablehnung des Folgeantrags (§ 71 AsylG) als unzulässig durch Ziffer 1 des Bescheids vom 14. Dezember 2017 (siehe 1.1.) sowie durch einen (hilfsweisen) Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gemäß § 123 VwGO zur Sicherung von Ansprüchen der Antragsteller auf Feststellung der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG (siehe 1.2.).
1.1. Die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens gemäß § 71 AsylG stellt sich nach Inkrafttreten des Integrationsgesetzes als Entscheidung über die Unzulässigkeit des Asylantrages nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG dar, die mit der Anfechtungsklage anzugreifen ist (BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – ZAR 2017, 236). Anders als früher scheidet insoweit ein Antrag nach § 123 VwGO also aus; § 80 Abs. 5 VwGO ist insoweit vorrangig (vgl. § 123 Abs. 5 VwGO). Denn bei einem Erfolg eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides führt dies zu einer Nichtvollziehbarkeit bzw. Wirksamkeitshemmung, sodass der betroffene Ausländer im Ergebnis so gestellt ist, als sei über seinen Folgeantrag noch nicht entschieden. Das Bundesamt hat in einem derartigen Fall die Ausländerbehörde über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung und die damit verbundenen Rechtsfolgen in Kenntnis zu setzten (vgl. im Einzelnen VG München, B.v. 8.5.2017 – M 2 E 17.37375 – juris; ebenso VG Würzburg, B.v. 10.10.2017 – W 8 E 17.33482 –, juris; VG Dresden, B.v. 11. 9. 2017 – 13 L 1004/17.A, juris; VG Münster, B.v. 24. 11.2017 – 3 L 1944/17.A –, juris; a.A. aber etwa VG München, B.v. 18.8.2017 – M 6 S 17.35653 – juris; VG Bayreuth, B.v. 11.7.2017 – B 6 E 17.32344 – juris; VG Würzburg, B.v. 19.6.2017 – W 1 S 17.32522 – juris; VG Augsburg, B.v. 14.3.2017 – Au 5 E 17.31264 – juris; VG Augsburg, B.v. 23.10.2017 – Au 8 E 17.35023 – juris; VG Regensburg, B.v. 22.7.2013 – RN 9 S 13.30312 – juris Rn. 10).
1.2. Anders ist die Rechtslage hinsichtlich der nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG, über die unter Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids entschieden ist. In der Hauptsache ist insoweit weiterhin eine (hilfsweise zu erhebende) Verpflichtungsklage statthaft (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – ZAR 2017, 236). Denn das Bundesamt muss gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG auch bei Entscheidungen über unzulässige Asylanträge feststellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen. Da hinsichtlich der nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, der eine aufschiebende Wirkung anordnen könnte, ausscheidet, muss vorläufiger Rechtsschutz insoweit durch einen Antrag nach § 123 VwGO auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gewährt werden. Zweck einer solchen Anordnung ist es, einen Anspruch des betroffenen Ausländers auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorläufig zu sichern. Zur Erreichung dieses Zwecks ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dem Bundesamt aufzugeben, gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde zu erklären, dass die Abschiebung des betroffenen Ausländers bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG im Hauptsacheverfahren vorläufig nicht vollzogen werden darf. Allein auf die Mitteilung nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG kann insoweit nicht abgestellt werden, insbesondere wenn ein Rechtsschutzbegehren gegen die Unzulässigkeitserklärung in Ziffer 1 des Bescheides erfolglos bleibt (vgl. im Einzelnen VG München, B.v. 8.5.2017 – M 2 E 17.37375 – juris; ebenso VG Würzburg, B.v. 10.10.2017 – W 8 E 17.33482 –, juris; VG Dresden, B.v. 11.9.2017 – 13 L 1004/17.A, juris; VG Münster, B.v. 24. 11.2017 – 3 L 1944/17.A –, juris).
2. Die so verstandenen Anträge sind zulässig, haben jedoch in der Sache keinen Erfolg.
2.1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen Ziffer 1 des Bescheids vom 14. Dezember 2017 ist unbegründet.
Für einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage gegen eine Ablehnung eines Folgeantrags (§ 71 AsylG) als unzulässig gilt der Prüfungsmaßstab der „ernstlichen Zweifel“. Denn für Fälle, in denen mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG kein weiteres Asylverfahren durchgeführt wird, hat der Gesetzgeber durch die Regelungen in § 71 Abs. 4 i.V.m. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG kraft einfachen Rechts für das gerichtliche Eilverfahren den Maßstab des Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG bestimmt. Das Verwaltungsgericht darf einstweiligen Rechtsschutz daher nur gewähren, wenn es ernstliche Zweifel daran hat, dass die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen (BVerfG, B. v. 16.3.1999 – 2 BvR 2131/95 – juris Rn. 22). Daran ändert auch nichts, dass es vorliegend nicht um einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. §§ 71 Abs. 4, 36 Abs. 3 AsylG „gegen die Abschiebungsandrohung“ geht: Der Verweis in § 71 Abs. 4 AsylG auf eine entsprechende Anwendung des § 36 Abs. 4 AsylG gilt unabhängig davon, ob zugleich auch der Verweis in § 71 Abs. 4 AsylG auf § 36 Abs. 3 AsylG zur Anwendung kommt. Ernstliche Zweifel liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird (BVerfGE 94, 166, 194). Ferner bleiben Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (§ 71 Abs. 4 AsylG i.V.m. § 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG).
Derartige ernstliche Zweifel bestehen hier bzgl. Ziffer 1 des streitbefangenen Bescheides nicht. Die Antragsgegnerin hat zu Recht den Asylantrag gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG als unzulässig abgelehnt, da im Falle eines Folgeantrags nach § 71 AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist. Die Antragsteller konnten die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens i.S.v. § 71 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG bzw. auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nicht glaubhaft machen.
Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag (Folgeantrag), so ist § 71 Abs. 1 AsylG ein weiteres Asylverfahren nur dann durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des VwVfG vorliegen. Gemäß § 51 Abs. 2 VwVfG ist der Antrag nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in den früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf geltend zu machen. Der Antrag muss gemäß § 51 Abs. 3 VwVfG binnen drei Monaten ab dem Tag gestellt werden, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Wiederaufnahmegründe im Sinne des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG sind vorliegend nicht ersichtlich. Insoweit folgt das Gericht zunächst den Feststellungen und der Begründung im angefochtenen Bescheid und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer nochmaligen Darstellung ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die zur Begründung des Folgeantrags vorgelegten Fotos nur ein abgebranntes Haus ohne jedwede Verbindung zu den Antragstellern noch zu der behaupteten politischen Verfolgung des Antragstellers zu 1) zeigen, so dass es bereits an dem für § 51 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 VwVfG erforderlichen substantiierten Sachvortrag mangelt. Zudem ist es völlig unschlüssig, wie die Nachbarn der Eltern des Antragstellers zu 1) sicher sein können, dass es sich bei den Brandstiftern um die Personen handelt, die den Antragsteller zu 1) verfolgen sollen.
Darüber hinaus sind auch die spezifischen Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 VwVfG nicht erfüllt. Insbesondere eine nachträglich geänderte Sach- oder Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG liegt nicht vor. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass bei einem im Asylerstverfahren als unglaubhaft bewerteten Vorbringen die reine Ablehnung der Würdigung im ersten Verfahren nicht für ein Wiederaufgreifen genügt. Insoweit ist vom Antragsteller vielmehr zu erwarten, dass er sich mit den als unglaubhaft gewerteten Angaben konkret und detailliert auseinandersetzt und im Einzelnen deutlich macht, ob und in welcher Weise das neue Sachvorbringen die früheren Zweifel an seinen Angaben auszuräumen vermag. Hier haben die Antragsteller lediglich die bereits bei ihrer ersten Anhörung beim Bundesamt und im Klageverfahren W 7 K 16.32339 vorgebrachten Verfolgungsgründe wiederholt. Die nun vorgetragene Brandstiftung hängt nach dem eigenen Vorbringen des Antragstellers zu 1) mit seiner behaupteten politischen Verfolgung zusammen, die schon im Erstverfahren geprüft, im Ergebnis aber verneint worden ist, so dass eine nachträglich geänderte Sach- oder Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG nicht vorliegt.
Auch handelt es sich bei den vorgelegten Fotos nicht um neue Beweismittel gem. § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG. Insoweit obliegt es dem Antragsteller darzulegen, dass das neue Beweismittel im Erstverfahren eine für ihn günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde, d.h. das Beweismittel muss geeignet sein, die Richtigkeit gerade derjenigen Feststellungen in Frage zu stellen, die für die Entscheidung im Erstverfahren tragend waren. Dies ist offensichtlich nicht der Fall, da das Verwaltungsgericht Würzburg im Urteil vom 8. September 2017 – W 7 K 16.32339 – schon die Tätigkeit des Antragstellers zu 1) als Wahlkoordinator für die Partei „Nationale Bewegung“ und eine damit zusammenhängende politische Verfolgung nicht für glaubhaft gehalten hat, so dass die vorgelegten Fotos nicht geeignet sind, die Richtigkeit dieser im Erstverfahren als tragend angenommenen Feststellung in Frage zu stellen.
Der Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nach § 71 AsylG wurde daher zu Recht als unzulässig abgelehnt (vgl. § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG).
1.2. Auch der Antrag nach § 123 VwGO ist unbegründet. Es besteht schon kein Anordnungsanspruch, da die Antragsteller keine Tatsachen glaubhaft gemacht haben, wonach die Voraussetzungen nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen könnten (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 ZPO).
Hat das Bundesamt im ersten Asylverfahren unanfechtbar festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht bestehen, so ist eine erneute Befassung mit § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG erst dann zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen (vgl. BVerwG, U.v. 21.03.2000 – 9 C 41/99 – juris Rn. 9; B. v. 15.01.2001 – 9 B 475.00 – juris Rn. 5). Sind die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht erfüllt, hat das Bundesamt aber nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob die bestandskräftige Entscheidung zurückgenommen oder widerrufen wird; insoweit besteht ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung (BVerwG vom 15.01.2001, a.a.O, Rn. 5). Denn für die Prüfung und Feststellung eines betreffenden verfolgungsunabhängigen Abschiebungshindernisses bleibt das Bundesamt auch dann zuständig, wenn der Folgeantrag die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des eigentlichen Asylverfahrens nicht erfüllt. Insoweit setzt ein Erfolg des neuerlichen Schutzbegehrens auch nicht zwingend voraus, dass die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG gegeben sind. Auch wenn das Schutzbegehren diesen Anforderungen nicht gerecht wird, hat das Bundesamt nach § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob die bestandskräftige frühere Entscheidung zurückgenommen oder widerrufen wird. Diesbezüglich besteht daher ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung (vgl. BVerwG, U.v. 21.3.2000 – 9 C 41.99 – juris – m.w.N.; BayVGH, U.v. 6.6.2002 – 23 B 02.30222 – juris). Dieser verdichtet sich dann mit Blick auf das Schutzgebot in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu einem strikten Rechtsanspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens zu § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG und erlaubt damit eine abschließende gerichtliche Entscheidung zugunsten des Ausländers, wenn ein Festhalten an der bestandskräftigen negativen Entscheidung zu § 60 Abs. 7 AufenthG zu einem schlechthin unerträglichen Ergebnis führen würde. Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn der Ausländer bei einer Abschiebung einer extremen individuellen Gefahrensituation ausgesetzt würde und das Absehen von einer Abschiebung daher verfassungsrechtlich zwingend geboten ist (vgl. BVerwG, U.v. 20.10.2004 – 1 C 15.03 – juris).
Das Verwaltungsgericht Würzburg hat bereits im Urteil vom 8. September 2017 – W 7 K 16.32339 – ausführlich dargelegt, dass die (psychischen) Erkrankungen (schwere depressive Episode; PTBS) des Antragstellers zu 1) in Georgien behandelbar sind; dies gilt auch für den Fall, dass sie sich tatsächlich verschlimmert haben sollten. Die ferner angeführte Fraktur (dazu Entlassbrief vom 4.11.2017) stellt ersichtlich keine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung gem. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG dar und ist im Übrigen in Georgien behandelbar. Nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Umstand, ob bzgl. des Antragstellers zu 1) aufgrund der behaupteten Verschlechterung seiner psychischen Verfassung ein inlandsbezogenes Abschiebungsverbot vorliegt, das ggf. seiner Rückführung zum gegenwärtigen Zeitpunkt entgegenstehen könnte. Denn über Fragen der Reiseunfähigkeit hat allein die zuständige Ausländerbehörde zu befinden.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).

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