Aktenzeichen M 16 S 16.33325
AsylG AsylG § 36 Abs. 4 S. 1
VwZG VwZG § 8
Leitsatz
Ist nicht sicher, dass das Bundesamt vergeblich versucht hat, den streitgegenständlichen Bescheid an den Antragsteller zuzustellen und spricht einiges dafür, dass der Bescheid nicht wirksam bekanntgegeben wurde, liegt eine Verletzung von Mitwirkungspflichten durch den Antragsteller nicht vor. Die Voraussetzungen für die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet iSd § 30 Abs. 3 Nr. 5 AsylG sind dann nicht gegeben. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 5 des Bescheides des Bundesamts vom 26. August 2016 wird angeordnet.
II.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Der Antragsteller reiste am 26. Mai 2014 in das Bundesgebiet ein und stellte am 18. Juni 2014 Asylantrag. In seinem Antrag gab er an, senegalesischer Staatsangehöriger zu sein.
Der Antragsteller wurde mit Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 2. Juli 2014 folgender Unterkunft zugewiesen: „…“ In der Folgezeit wurden die Ladung zur Anhörung vom 18. Dezember 2015 und die Aufforderung zur schriftlichen Stellungnahme vom 18. Mai 2016 an die Anschrift: „…“ versandt. Die Schreiben gelangten jeweils mit dem Vermerk „Empfänger unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln“ an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) zurück.
Mit Bescheid vom 26. August 2016 lehnte das Bundesamt den Antrag der Antragstellers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie den Antrag auf Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet ab (Nrn. 1 und 2), erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Nr. 3) und verneinte das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz – AufenthG. Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung in den Senegal oder in einen anderen aufnahmebereiten oder zur Rückübernahme verpflichteten Staat angedroht (Nr. 5). Außerdem wurde ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG angeordnet und auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Nr. 6) sowie das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 7). Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller stamme aus Senegal, einem sicheren Herkunftsstaat. Er habe keine Tatsachen vorgetragen, die die Annahme begründen könnten, dass er entgegen dieser Vermutung verfolgt werde. Der Antragsteller sei zu seiner persönlichen Anhörung ohne genügende Entschuldigung nicht erschienen und habe auch die Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme innerhalb eines Monats nicht wahrgenommen. Bereits sein augenscheinliches Desinteresse an der Weiterführung des Asylverfahrens lasse eine Verfolgungsfurcht oder einen ernsthaften Schaden im Heimatland unglaubhaft erscheinen. Darüber hinaus habe er auch seine Mitwirkungspflichten gröblich verletzt. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor.
Der Bescheid vom 26. August 2016 wurde ebenfalls an die oben genannte Anschrift in … adressiert und gelangte mit dem Vermerk „Adressat unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln“ an das Bundesamt zurück.
Am 4. Oktober 2016 erhob der Bevollmächtigte des Antragstellers Klage gegen den Bescheid vom 26. August 2016 (M 16 K 16.33323) und beantragte gleichzeitig,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der streitgegenständliche Bescheid sei dem Antragsteller bis heute nicht wirksam zugestellt worden. Der Bescheid sei an die … gerichtet. Der Antragsteller wohne aber in der … In der Aufenthaltsgestattung sei die richtige Anschrift des Antragstellers eingetragen. Der Antragsteller habe daher weder die Ladung zur Anhörung bekommen noch den angefochtenen Bescheid zugestellt erhalten. Nachdem er keine Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz mehr erhalten habe, habe er sich an die Caritas gewandt, der der Bescheid vom zuständigen Ausländeramt in Kopie zugesandt worden sei. Dem Antragsschriftsatz war eine Sachverhaltsdarstellung der Caritas beigefügt.
Das Bundesamt hat die Behördenakten vorgelegt, ein Antrag wurde nicht gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte des vorliegenden Verfahren und des Klageverfahrens M 16 K 16.33323 sowie auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Gemäß § 88 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO ist davon auszugehen, dass sich der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nur gegen die im angefochtenen Bescheid enthaltende Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung (Nr. 5) richtet, da entsprechende Anträge gegen die Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG (Nr. 6) und gegen die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots (Nr. 7) unzulässig wären (vgl. VG Düsseldorf, B.v. 26.1.2016 – 20 L 4078/15.A – juris Rn. 21 und 32; VG Münster, B. v. 20.1.2016 – 4 L 39/16.A – juris Rn. 9 und 14).
Der so verstandene Antrag hat Erfolg.
Im Hinblick auf die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur mögliche summarische Prüfung ist davon auszugehen, dass der Antrag zulässig ist. Das Bundesamt hat den Bescheid vom 26. August 2016 an die in der Zuweisungsentscheidung der Regierung von Oberbayern vom 2. Juli 2016 angegebene Anschrift in … adressiert. Sollte der Antragsteller aber tatsächlich einer Unterkunft in … zugewiesen worden sein, wofür der Zusatz „… …“ und der Umstand, dass in beiden Gemeinden eine … Straße existiert, spricht, könnte ihm die vom Bundesamt vergeblich versuchte Zustellung an die … Anschrift nicht entgegengehalten werden. Vieles spricht dann auch dafür, dass der streitgegenständliche Bescheid nicht einmal wirksam bekannt gegeben wurde, da der Antragsteller bislang wohl nur von einer bei der zuständigen Ausländerbehörde vorhandenen Kopie des Bescheids Kenntnis erlangt hat. Sollte dies der Fall sein, wäre auch keine Heilung nach § 8 Verwaltungszustellungsgesetz – VwZG erfolgt. Eine abschließende Klärung dieser Fragen bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
Der Antrag ist begründet, da ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides bestehen (§ 36 Abs. 4 Satz 1 Asylgesetz – AsylG).
Sollten sowohl die Ladung zur persönlichen Anhörung als auch die nachfolgende Aufforderung zur schriftlichen Stellungnahme gemäß § 25 Abs. 5 AsylG an eine durch eine andere Behörde dem Bundesamt mitgeteilte nicht zutreffende Anschrift des Antragstellers erfolgt sein, liegt eine Verletzung von Mitwirkungspflichten durch den Antragsteller nicht vor. Die Voraussetzungen für die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet im Sinne des § 30 Abs. 3 Nr. 5 AsylG sind dann nicht gegeben. In diesem Fall konnte der Asylantrag darüber hinaus auch nicht nach § 29a AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden, weil der Antragsteller bislang noch gar keine Gelegenheit hatte, Tatsachen vorzutragen oder Beweismittel zu benennen, die seine Furcht vor Verfolgung oder die Gefahr eines ihm drohenden ernsthaften Schadens begründen.
Dem Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).