Verwaltungsrecht

Erfolgreicher Eilantrag einer als Flüchtling anerkannten Syrerin bzgl. einer Wohnsitzzuweisung

Aktenzeichen  M 24 S 17.2758

Datum:
8.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 11436
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 5 S. 1
AufenthG § 12a Abs. 2, Abs. 8

 

Leitsatz

Zweck der Wohnsitzzuweisung ist die Gewährleistung der Versorgung mit angemessenem Wohnraum, was voraussetzt, dass ausreichend bezahlbarer Wohnraum für anerkannte Flüchtlinge zur Verfügung steht. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage wird angeordnet.
II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem sie – zusammen mit ihrem Sohn – verpflichtet wurde, ihren Wohnsitz im Landkreis … zu nehmen.
Der Antragstellerin, einer syrischen Staatsangehörigen, wurde mit Bescheid des Bundesamtes für … vom 8. Juni 2016 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Seit 2. März 2016 hat sie ihren Aufenthalt in einer dezentralen Unterkunft in … im Landkreis … Mit Schreiben vom 27. April 2017 wurde sie zur beabsichtigten Wohnsitzzuweisung in den Landkreis … angehört. Im Rahmen dieser Anhörung trug die Antragstellerin vor, dass ihr Sohn aktuell noch nach … im Landkreis … in die Schule gehe. Da … näher an … als an … liege und die Antragstellerin in … in einen Integrationskurs gehe, wolle sie sich in Ingolstadt eine Wohnung suchen. Sie bitte, keine Zuweisung für … zu bekommen.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 22. Mai 2017 verpflichtete die Regierung von Oberbayern die Antragstellerin (und ihren Sohn), innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe dieses Bescheides ihren Wohnsitz im Landkreis … zu nehmen. Diese Verpflichtung gelte längstens für den Zeitraum von 3 Jahren ab Bekanntgabe des Bescheides des Bundesamts für …, mit dem sie als Asylberechtigter, Flüchtling oder subsidiär Schutzberechtigter anerkannt oder mit welchem ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) festgestellt worden sei (Nr. 1). Sofern ihr in dem unter Ziffer 1 genannten Landkreis … kein anderer Wohnraum zur Verfügung stehe, sei sie berechtigt, ihren Wohnsitz in KVB – … … (EI) …str. 3, … … zu nehmen. Die Wohnberechtigung erlösche, sobald ihr anderer Wohnraum in dem unter Ziffer 1 genannten Landkreis … zur Verfügung stünde (Nr. 2). Falls sie der Verpflichtung aus Ziffer 1 zuwider handle, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 400 Euro zur Zahlung fällig (Nr. 3).
Am 19. Juni 2017 erhob die Antragstellerin zur Niederschrift bei der Rechtsantragstelle des Verwaltungsgerichts … Klage und beantragte, den Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 22. Mai 2017 aufzuheben. Über die unter dem Aktenzeichen M 24 K 17.2797 bei Gericht anhängige Klage wurde noch nicht entschieden. Zugleich beantragte sie,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Im Landkreis … hätten sie sich bislang ohne Erfolg um eine Wohnung bemüht. Sie könnten stattdessen in eine Wohnung nach … ziehen. Auf die beigefügte schriftliche Klagebegründung werde Bezug genommen. In dieser, mit dem Briefkopf der Caritas versehenen Stellungnahme wurde ausgeführt, dass sie nach längerem Suchen eine Wohnung in … gefunden hätten. In … würde ihre Tochter … (24 Jahre) leben. Dieser gehe es seit einiger Zeit psychisch sehr schlecht und diese brauche sie als Familienmitglieder bei sich. Im Landkreis … hätten sie auch bereits seit langer Zeit ohne Erfolg eine Wohnung gesucht. Sie sei auch bereit, sich in … eine Arbeit zu suchen, damit sie von der Wohnsitzauflage ausgenommen werde, allerdings sei das in der Kürze der Zeit nicht möglich, da der Vermieter auf eine rasche Klärung bestehe.
Mit Schreiben vom 7. Juli 2017 äußerte sich der Antragsgegner dahingehend, dass die Antragstellerin innerhalb von sechs Monaten nach ihrer Anerkennung (hier bis zum 7. Dezember 2016) weder eigenständig im von ihr präferierten Ort … angemessenen Wohnraum gefunden habe noch ihr dieser von der Regierung von Oberbayern habe angeboten werden können, so dass bei der Wohnsitzzuweisung von der Zwölfmonatsfrist nach § 12a Abs. 2 Satz 2 AufenthG Gebrauch gemacht worden sei. Im Rahmen der Anhörung zur beabsichtigten Wohnsitzzuweisung seien keine Integrationsumstände vorgetragen worden, die einer Wohnsitzzuweisung in den Landkreis … entgegenstehen würden. Diese lägen nur dann vor, wenn der Ausländer, sein Ehegatte, eingetragener Lebenspartner oder minderjähriges Kind eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufnimmt oder aufgenommen hat, durch die diese Person mindestens über ein Einkommen in Höhe des monatlichen durchschnittlichen Bedarfs nach den §§ 20 und 22 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für eine Einzelperson verfügt, oder eine Berufsausbildung aufnimmt oder aufgenommen hat oder in einem Studien- oder Ausbildungsverhältnis steht. Auch der Wunsch nach Zuweisung nach … habe in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt werden können. Die Antragstellerin habe keine nachweisbaren Anstrengungen unternommen, eigenständig Wohnraum in der Stadt … zu finden. Auch gebe es in der kreisfreien Stadt keine freien Kapazitäten. Zudem liege der Landkreis … in unmittelbarer Nachbarschaft zur Stadt …, so dass sich Anfahrtszeiten zum Integrationskurs in zumutbarem Rahmen hielten. Im Rahmen der Anhörung habe die Antragstellerin keine Angaben gemacht, dass es möglich wäre, eine Wohnung in … zu beziehen. Im Übrigen sei eine Aufhebung des Wohnsitzzuweisungsbescheides unter den Voraussetzungen des § 12a Abs. 5 AufenthG möglich. Der Regierung von Oberbayern lägen keine Erkenntnisse vor, dass die Antragstellerin von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hätte.
Mit Beschluss vom 8. März 2018 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten des Eil- und des Klageverfahrens und auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen die auf § 12a Abs. 2 Satz 1 AufenthG gestützte Verpflichtung der Antragstellerin zur Wohnsitznahme im Landkreis … ist zulässig, insbesondere statthaft.
Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. mit § 12a Abs. 8 AufenthG hat die Anfechtungsklage gegen Verpflichtungen nach § 12a Abs. 2 bis 4 AufenthG keine aufschiebende Wirkung. In diesem Fall kann das Gericht der Hauptsache gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung anordnen. Gleiches gilt im Hinblick auf das in Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheides angedrohte Zwangsgeld; insoweit ist die aufschiebende Wirkung der Rechtsbehelfe nach Art. 21a des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG) ausgeschlossen.
2. Der Eilantrag hat in der Sache Erfolg.
2.1. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall eines gesetzlichen Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO) ganz oder teilweise anordnen. Hierbei hat das Gericht selbst abzuwägen, ob diejenigen Interessen, die für einen gesetzlich angeordneten sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts streiten, oder diejenigen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung sprechen, höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches, aber nicht als alleiniges Indiz zu berücksichtigen (beispielsweise BVerwG, B.v. 25.3.1993 – 1 ER 301/92 – NJW 1993, 3213, juris Rn. 3). Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein, weil er zulässig und begründet ist, so wird im Regelfall nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig, besteht ein öffentliches Interesse an seiner sofortigen Vollziehung und der Antrag bleibt voraussichtlich erfolglos. Sind die Erfolgsaussichten bei summarischer Prüfung als offen zu beurteilen, findet eine eigene gerichtliche Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt.
2.2. Nach summarischer Prüfung sind die Erfolgsaussichten der gegen den streitgegenständliche Bescheid vom 22. Mai 2017 erhobenen Klage offen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Wohnsitzverpflichtung ist der des vorliegenden Eilbeschlusses, da es sich bei dieser um eine Ermessensentscheidung betreffend einen Dauerverwaltungsakt handelt (vgl. BVerwG, U.v. 20.6.2013 – 8 C 46/12 – juris, Rn 33). Auch prozessökonomische Gründe sprechen dafür, im Rahmen des Antragsbzw. Klageverfahrens neu auftretende Erkenntnisse in die gerichtliche Entscheidung einfließen zu lassen.
2.1.1. Die erhobene Anfechtungsklage ist zulässig, insbesondere statthaft, und zwar hinsichtlich Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheides gemäß § 42 Abs. 1 VwGO sowie hinsichtlich der vollstreckungsrechtlichen Maßnahme in Nr. 3 gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG).
Der auf Aufhebung der Wohnsitzzuweisung in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheides gerichteten Anfechtungsklage fehlt auch nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, weil die Antragstellerin die Möglichkeit hat, nach § 12a Abs. 5 AufenthG i.V.m. § 8 Abs. 2 Satz 2 der Asyldurchführungsverordnung (DVAsyl) – bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen – bei der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde die Aufhebung der Zuweisungsentscheidung nach § 12a Abs. 2 AufenthG zu beantragen. Soweit die Rechtsbehelfsfristen noch nicht abgelaufen sind, würde es einen Verstoß gegen das Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) bedeuten, wenn das Rechtsschutzbedürfnis für eine Anfechtungsklage (und für einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO) auf Grund dieser Möglichkeit verneint werden würde; der Antragstellerin steht vielmehr ein Wahlrecht zu, innerhalb offener Rechtsbehelfsfrist die Wohnsitzzuweisung mit einer Anfechtungsklage und einem Eilantrag gerichtlich überprüfen zu lassen oder den Weg nach § 12a Abs. 5 AufenthG zu gehen.
Im Hinblick auf das mit der Wohnsitzverpflichtung verbundene Angebot des Antragsgegners in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheides, dass die Antragstellerin zusammen mit ihrem Sohn (weiterhin) in der dezentralen Unterkunft in … im Landkreis … ihren Wohnsitz zu nehmen berechtigt ist, sofern ihr im Landkreis … kein anderer Wohnraum zur Verfügung steht, geht das Gericht davon aus, dass sich die Anfechtungsklage nicht hiergegen richtet, da sie mangels Beschwer unzulässig wäre.
2.1.2. Die Erfolgsaussichten der erhobenen Anfechtungsklage sind bei summarischer Überprüfung offen, weil sich im maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung nicht abschließend beurteilen lässt, ob sich der streitgegenständliche Bescheid vom 22. Mai 2017 als rechtmäßig oder rechtswidrig erweisen wird und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1, § 114 VwGO).
2.1.2.1. Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Zuständig ist insoweit gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 DVAsyl die Regierung von Oberbayern. Die Antragstellerin wurde vor Erlass der Entscheidung angehört (Art. 28 Abs. 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes – BayVwVfG). Die Zuständigkeit für die Zwangsgeldandrohung ergibt sich aus Art. 36 Abs. 2 VwZVG.
2.1.2.2. Ob die in Nr. 1 des streitgegenständliche Bescheides verfügte Wohnsitzverpflichtung materiell rechtmäßig ist, ist nach summarischer Prüfung in dem für das vorliegende Eilverfahren maßgeblichen Zeitpunkt des vorliegenden Beschlusses offen.
Rechtsgrundlage der Wohnsitzzuweisung in den Landkreis … ist § 12a Abs. 2 AufenthG. Nach dieser Vorschrift kann ein Ausländer, der der Verpflichtung nach Absatz 1 unterliegt und der in einer Aufnahmeeinrichtung oder anderen vorübergehenden Unterkunft wohnt, innerhalb von sechs Monaten nach Anerkennung oder Aufnahme längstens bis zum Ablauf der nach Absatz 1 geltenden Frist zu seiner Versorgung mit angemessenem Wohnraum verpflichtet werden, seinen Wohnsitz an einem bestimmten Ort zu nehmen, wenn dies der Förderung seiner nachhaltigen Integration in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland nicht entgegensteht. Soweit im Einzelfall eine Zuweisung angemessenen Wohnraums innerhalb von sechs Monaten nicht möglich war, kann eine Zuweisung nach Satz 1 innerhalb von einmalig weiteren sechs Monaten erfolgen.
Nach § 12a Abs. 1 AufenthG ist ein Ausländer, der als Asylberechtigter, Flüchtling im Sinne von § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiär Schutzberechtigter im Sinne von § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes anerkannt worden ist oder dem nach § 22, § 23 oder § 25 Absatz 3 AufenthG erstmalig eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden ist, zur Förderung seiner nachhaltigen Integration in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, für den Zeitraum von drei Jahren ab Anerkennung oder Erteilung der Aufenthaltserlaubnis in dem Land seinen gewöhnlichen Aufenthalt (Wohnsitz) zu nehmen, in das er zur Durchführung seines Asylverfahrens oder im Rahmen seines Aufnahmeverfahrens zugewiesen worden ist. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer, sein Ehegatte, eingetragener Lebenspartner oder minderjähriges Kind eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufnimmt oder aufgenommen hat, durch die diese Person mindestens über ein Einkommen in Höhe des monatlichen durchschnittlichen Bedarfs nach den §§ 20 und 22 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für eine Einzelperson verfügt, oder eine Berufsausbildung aufnimmt oder aufgenommen hat oder in einem Studien- oder Ausbildungsverhältnis steht.
Der Antragstellerin wurde mit Bescheid des Bundesamtes für … vom 8. Juni 2016 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Da sie nicht zum Personenkreis des § 12a Abs. 1 Satz 2 AufenthG gehört, insbesondere weder eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit in dem gesetzlich vorgegebenem Umfang oder eine Berufsausbildung aufnimmt oder aufgenommen hat und auch nicht in einem Studien- oder Ausbildungsverhältnis steht, ist sie nach § 12a Abs. 1 Satz 1 AufenthG verpflichtet, für den Zeitraum von drei Jahren ab Anerkennung in dem (Bundes-)Land – vorliegend also in Bayern – ihren gewöhnlichen Aufenthalt zu nehmen, in das sie zur Durchführung ihres Asylverfahrens zugewiesen worden ist. Sie unterfällt somit der Verpflichtung nach § 12a Abs. 1 AufenthG.
Die Antragstellerin wohnt in einer vorübergehenden Unterkunft, die ihr vom Landratsamt … als dezentrale Unterkunft zugewiesen wurde.
Da den unwidersprochen gebliebenen Ausführungen des Antragsgegners zufolge eine Zuweisung angemessenen Wohnraums innerhalb von sechs Monaten seit der Anerkennung nicht möglich war, konnte eine Wohnsitzzuweisung innerhalb weiterer sechs Monate ab der mit Bescheid vom 8. Juni 2016 erfolgten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft mit streitgegenständlichem Bescheid vom 22. Mai 2017 erfolgen.
Offen ist nach Auffassung des Gerichts allerdings, ob und inwiefern die angeordnete Wohnsitzzuweisung der Versorgung der Antragstellerin mit angemessenem Wohnraum dient. Den Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid zufolge soll durch die Zuweisung die Versorgung mit angemessenem Wohnraum gewährleistet werden, da auf diese Weise der Wohnungsmarkt im gesamten Gebiet des Freistaates Bayern genutzt werden könne und in der in Ziffer 1 des Bescheides genannten Kommune (Landkreis …*) Wohnraum für die Antragstellerin und ihren Sohn zur Verfügung stehe. Diesen nicht näher belegten Ausführungen steht jedoch die unwidersprochen gebliebene Einlassung der Antragstellerin in der Klage- und Antragsbegründung entgegen, dass sie sich im Landkreis … bislang ohne Erfolg um eine Wohnung bemüht habe. Es ist auch weder offenkundig noch für das Gericht sonst ersichtlich, dass gerade im Landkreis … ausreichend bezahlbarer Wohnraum für anerkannte Flüchtlinge zur Verfügung steht. Die Rechtmäßigkeit der Wohnsitznahmeverpflichtung wird im Hauptsacheverfahren davon abhängen, ob der Antragsgegner hierzu konkretisierende Angaben machen oder entsprechende Unterlagen vorlegen kann. Vor diesem Hintergrund ist derzeit eine abschließende Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheides nicht möglich.
2.1.2.3. Hinsichtlich der in Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheides verfügten Zwangsgeldandrohung sind die Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage ebenfalls offen, weil diese Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung schon wegen Art. 18 und Art. 19 VwZVG von der Rechtmäßigkeit der Grundverfügung abhängt.
2.1.3. Die angesichts der offenen Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage gebotene Abwägung des Suspensivinteresses der Antragstellerin und des Vollzugsinteresses des Antragsgegners fällt vorliegend zugunsten der Antragstellerin aus. Durch die ausgesprochene Wohnsitznahmeverpflichtung im Landkreis … wird der Antragstellerin die Möglichkeit genommen, sich außerhalb dieses Landkreises eine Wohnung zu suchen und ihren Wohnsitz zu nehmen. Diese Einschränkung wirkt deutlich schwerer als das Interesse des Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung seines Bescheides.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Da es sich vorliegend nicht um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, werden Gerichtskosten erhoben, und es ist ein Streitwert festzusetzen. Die Höhe des Streitwertes ergibt sich aus § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Nr. 1.5. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

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