Verwaltungsrecht

Erfolgreicher Eilantrag gegen Ablehnung eines Zweitantrags als unzulässig: Nichtberücksichtigung eines ärztlichen Attests

Aktenzeichen  M 18 S 17.70481

Datum:
16.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 27205
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3e, § 29 Abs. 1 Nr. 5, § 34, § 36 Abs. 4 S. 1, § 71a
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
VwVfG § 39 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Setzt sich der Bescheid des Bundesamtes nicht mit der vom Asylbewerber substantiiert vorgetragenen psychischen Erkrankung auseinander, liegt ein formeller Begründungsfehler nach § 39 Abs. 1 S. 2 VwVfG vor. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage M 18 K 17.70478 wird angeordnet.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage M 18 K 17.70478. In dieser Klage begehrt er die teilweise Aufhebung des Bescheids vom … und die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihm Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise subsidiären Schutz zuzuerkennen und höchsthilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote vorliegen.
Der Antragssteller, der nach eigenen Angaben afghanischer Staatsangehöriger ist, reiste am … in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte dort am … einen Asylantrag.
Zu einem unbekannten Zeitpunkt wurde in der Bundesamtakte ein Eurodac-Treffer der Kategorie eins für Griechenland dokumentiert. Am … erfolgte die Anhörung des Antragstellers vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden Bundesamt). Der Antragsteller gab an, dass er wegen seiner Posttraumatischen Belastungsstörung jeden Tag eine Tablette nehmen müsse (Citalopram 20 mg) und legte eine psychiatrische Kurzstellungnahme eines Facharztes vom … vor. Aus dieser ergibt sich, dass sich der Antragsteller seit dem … in der ambulanten psychiatrischen Behandlung des Facharztes befinde. Diagnostisch liege eine mittelgradige depressive Episode mit somatischem Syndrom (F.32.11) sowie eine posttraumatische Belastungsstörung (F. 43.1) vor. Der Antragsteller habe mehrere Erlebnisse, in denen er vom Tode bedroht und ohnmächtig war, geschildert, sodass die Eingangskriterien für eine posttraumatische Belastungsstörung erfüllt seien. Weiter zeige er bei den Terminen typische Symptome wie Hyperarousal, Schlafstörungen, Flash backs, Wiedererinnern und affektive Instabilität. Zudem liege eine depressive Symptomatik vor. Die Schilderungen wirkten stringent, nachvollziehbar und glaubhaft. Medikamentös erfolge eine Behandlung mit Citalopram 20 mg und mittelfristig sei eine spezifische Traumatherapie notwendig.
Zu seinen Fluchtgründen trug der Kläger ausführlich dahingehend vor, dass sein Vater ein wichtiger Kommandant der Taliban gewesen und von amerikanischen Soldaten nach einer nächtlichen Hausdurchsuchung auf der Flucht hingerichtet worden sei. Der Antragsteller sei sein Leibwächter gewesen und habe nach seinem Tod stark um ihn getrauert. Deshalb habe er sich dazu bereit erklärt, sich als Selbstmordattentäter ausbilden zu lassen. Die Taliban hätten ihn dann zu einem Camp gebracht und der Antragsteller sei dort ca. eine Woche an Weste und Sprengstoffgürtel ausgebildet worden. Am Vorabend des geplanten Selbstmordattentats hätten die Taliban erlaubt, dass er seine Familie besuche. Der Schwager des Antragstellers habe ihn dann überreden können, kein Attentat zu begehen und zu fliehen. Mit Hilfe des Schwagers sei der Antragsteller zunächst nach Jalalabad und dann weiter nach Pakistan gereist. Die sei 2007 gewesen. Der Antragsteller habe sich nach ca. halbjähriger Reise fünf Jahre in Griechenland aufgehalten. Dort habe er auf Samos zunächst 4,5 Jahre illegal als Tagelöhner gearbeitet. Anschließend habe er ein halbes Jahr legal als Küchenhilfe im Hotel … auf … gearbeitet. Er habe in Griechenland einen Asylantrag gestellt, sei jedoch nie interviewt worden und es habe auch keine Entscheidung gegeben. Er habe jedoch eine rote Aufenthaltskarte bekommen. Nach der Tötung eines Freundes durch die Gruppe Chrisy Avgi sei der Antragsteller 2013 nach Deutschland gereist.
Mit Aktenvermerk vom … stellte das Bundesamt fest, dass aufgrund Fristablaufs ein Dublin-Verfahren nicht durchführbar sei. Der nationale Entscheider ersuchte die griechischen Behörden am … um Auskunft nach Art. 34 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (im Folgenden: Dublin-III-Verordnung). Unter Anhang der in Deutschland bekannten Personendaten, eines EURODAC-Treffers und eines Fotos des Antragsteller erbat das Bundesamt um Informationen bezüglich einer Entscheidung im Asylantrag des Antragstellers.
Mit via Dublinet übertragenen Brief vom … antwortete die griechische Dublin-Behörde, dass der Kläger unter den Personaldaten … (Familienname), … (Vorname), geboren am … dort gespeichert sei. Er habe am … einen Asylantrag gestellt, der am … in erster Instanz abgelehnt worden sei. Am … habe der Antragsteller ein Rechtsmittel eingelegt. Am … sei die Prüfung des Rechtsmittels unterbrochen worden, weil der Antragsteller untergetaucht sei.
Mit Schreiben des Antragstellers vom … legte dieser eine ausführliche fachärztliche Stellungnahme des behandelnden Facharztes vom … vor. In dem dreieinhalb Seiten langen Attest berichtet der Facharzt ausführlich über Vorstellungsanlass, Biographie, psychiatrischer Befund vom …, diagnostische Einschätzung und aktuelle Behandlung des Antragstellers. Die Diagnosen aus dem Kurzattest vom … werden darin bestätigt und untermauert.
Mit Aktenvermerk vom … entschied das Bundesamt auf Grundlage der durch die griechischen Behörden übermittelten Informationen, den Antrag des Antragstellers als Zweitantrag zu werten. In der daraufhin schriftlich erfolgten Anhörung zum Zweitantrag gab der Kläger an, dass die Grenzpolizei beim Grenzübertritt nach Griechenland lediglich seine Fingerabdrücke genommen habe. Einen Asylantrag habe er gar nicht gestellt, der Asylantrag in Deutschland sei der Einzige, den er gestellt habe.
Mit Schriftsatz vom … bestellte sich die (auch im Klage- und Antragsverfahren) Bevollmächtigte und trug vor, dass der Kläger zwar Asyl in Griechenland beantragt habe, jedoch nichts über eine Entscheidung des Asylantrags wisse. Positive Erkenntnisse über einen erfolgslosen Abschluss eines möglichen Erstantrages lägen nicht vor. Akteneinsicht wurde beantragt.
Mit Schreiben vom … wurde vom Bundesamt die Akte übersandt und auf den erstinstanzlich abgelehnten Asylantrag vom … hingewiesen.
Mit weiterem Schriftsatz vom … erklärte die Bevollmächtigte, dass der Mandant angebe, bereits 2008 die Grenze nach Griechenland überquert zu haben, zu keiner Zeit einen negativen Bescheid erhalten und daher auch kein Rechtsmittel eingelegt zu haben. Eine Personenverwechslung sei hier anzunehmen, insbesondere, da die Personenstandsdaten auch differieren. Angesichts der Tatsache, dass bereits 2011 eine Aussetzung der Überstellungen nach Griechenland stattfand, stellt Griechenland nach § 71a Abs. 1 AsylG auch kein Land dar, in dem die Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gegolten haben.
Nach Übersendung einer Schweigepflichtsentbindung des Antragstellers für die Informationsübermittlung nach Art. 34 Abs. 3 Satz 1 Dublin-III-Verordnung erbat das Bundesamt bei den griechischen Behörden am 9. November 2017 über Dublinet um weitere Auskünfte. Mit Antwort vom … teilte die griechische Behörde mit, dass die Entscheidung über die Verfahrenseinstellung vom 12. Dezember 2014 am … der Stadt … zugestellt wurde, da keine Adresse des Antragstellers bekannt war. Der Antragsteller hätte innerhalb von 60 Tagen das Wiederaufgreifen des Verfahrens beantragen können. Nach Ablauf der 60 Tage sei das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen. Aus dem Interview des Antragstellers habe sich ergeben, dass er aus wirtschaftlichen Gründen Asyl beantragte. In der erstinstanzlichen Entscheidung seien sowohl Flüchtlingsschutz als auch subsidiärer Schutz sachlich geprüft worden.
Mit Bescheid vom … wurde der Antrag des Antragstellers in Ziffer 1. als unzulässig abgelehnt. In Ziffer 2 wurde festgestellt, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen. In Ziffer 3 wird der Antragsteller aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen. Ansonsten werde die Abschiebung nach Afghanistan angedroht. In Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheids wurde das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf 36 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Zur Begründung wird angeführt, dass ein Zweitantrag vorliege, da ausweislich der Auskünfte der griechischen Behörden ein Erstverfahren in Griechenland sachlich geprüft wurde und der Bescheid bestandskräftig sei. Ein Wiederaufgreifensgrund nach § 51 VwVfG sei nicht ersichtlich, da der Vortrag des Klägers in der Anhörung sich auf Tatsachen beziehe, die zeitlich vor seiner Ausreise aus Afghanistan gelegen seien. Dass der Antragsteller nur wirtschaftliche Gründe bei seinem Asylantrag in Griechenland angegeben habe, sei unbeachtlich, da nicht ersichtlich sei, dass der Antragsteller an einem Vortrag des Sachverhalts in Griechenland gehindert gewesen sei. Die Sach- und Rechtslage habe sich im Vergleich zu 2009 auch nicht maßgeblich geändert. Neue Beweise seien nicht vorgelegt worden. Aus der gesamten Bescheidsbegründung lässt sich indes keine Auseinandersetzung mit dem Vortrag des Antragstellers zu seiner gesundheitlichen Situation und den beiden Stellungnahmen des Facharztes entnehmen.
Der Bescheid wurde am … als Einschreiben zur Post gegeben. Nach Aussage der Klägerbevollmächtigten fand die Zustellung am … statt. Ein Hinweis auf den Zustellungszeitpunkt ergibt sich nicht aus der Akte.
Mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2017, Eingang am 28. Dezember 2017, erhob die Bevollmächtigte des Antragstellers beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage gegen den Bescheid vom 5. Dezember 2017(M 18 K 17.70478).
Mit Schriftsatz vom gleichen Tag beantragte die Bevollmächtigte,
die aufschiebende Wirkung der erhobenen Klage gegen Ziffer 3 des Bescheides vom 5. Dezember 2017 anzuordnen.
Zur Begründung wurde auf die Klagebegründung und eine angekündigte Klagebegründung verwiesen, die bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht bei Gericht einging.
Am … wurde vom Bundesamt vorab die Asylakte übersandt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorgelegte Behördenakte sowie die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag des Antragstellers ist erfolgreich.
1. Der Antrag ist zulässig.
Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO ist statthaft. Die Klage gegen einen Bescheid, der aufgrund eines Zweitantrag ergeht, hat nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. §§ 75 Abs. 1, 38 Abs. 1 AsylG keine aufschiebende Wirkung.
Die Antragsfrist von einer Woche nach §§ 71a Abs. 4, 36 Abs. 3 AsylG ist bei Zustellung am … eingehalten.
2. Die aufschiebende Wirkung der Klage M 18 K 17.70478 gegen Ziffer 3 des Bescheids vom … ist anzuordnen.
Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist aufgrund von Zweifeln an der Ablehnung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 5 bzw. 7 AufenthG begründet.
Gemäß § 36 Abs. 4 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn – gemäß § 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG gemessen am antragstellerischen Vortrag – ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen (§ 71a Abs. 4 AsylG i.V.m. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG). Ernstliche Zweifel liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 99 ff.). Von einem Standhalten ist auszugehen, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung sich die Abweisung geradezu aufdrängt (BVerfG, B.v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – juris Rn. 15; B.v. 20.9.2001 – 2 BvR 1392/00 – juris Rn. 17).
2.1 Gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheids der Antragsgegnerin vom … bestehen nach summarischer Prüfung keine ernstliche Zweifel i.S.v. § 71a Abs. 4 i.V.m. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG in Bezug auf die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig in Nr. 1 des Bescheids.
Voraussetzung für das Vorliegen eines Zweitantrags ist gemäß § 71a AsylG der erfolglose Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat, für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten (vgl. BayVGH, U. v. 3. Dezember 2015 – 13a B 15.50069 u.a. – juris Rn 24 ff.; BVerwG, U. v. 14. Dezember 2016 – 1 C 4.16 – juris Rn 27 ff; VGH BW, U. v. 29. April 2015 – A 11 S 121/15 – juris Rn 36). Erfolglos abgeschlossen ist ein Asylverfahren in diesem Sinne erst mit der rechtskräftigen negativen Entscheidung in der Sache. Die Schlussfolgerung der Antragsgegnerin, dass der Antragsteller in Griechenland bereits ein rechtkräftiges ablehnendes Erstverfahren durchlaufen hat, in dem die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. eines subsidiären Schutzes in der Sache geprüft wurde, ist angesichts der Auskünfte der griechischen Behörden vom … … und … nicht zu beanstanden.
Soweit die Klägerbevollmächtigte vorträgt, dass es sich bei der Person, die von den griechischen Behörden der Anfrage des Bundesamtes zugeordnet wurde, nicht um den Antragsteller handele, ist dem nicht zu folgen. Die Klägerbevollmächtigte weist als Argument auf die Vertauschung des Vor- und Nachnamens des Antragstellers mit leicht abweichender Schreibweise sowie dem abgeänderten Geburtsdatum hin. Weiter habe der Antragsteller erklärt, bereits 2008 eingereist zu sein, nicht zu einer Anhörung geladen worden zu sein und auch mangels Erhalts einer Entscheidung kein Rechtsmittel eingelegt zu haben. Dem ist entgegen zu halten, dass das Bundesamt einen EURODAC-Treffer der Kategorie 1 für den Antragsteller erhalten hat. Das EURODAC-System, das in der Verordnung (EG) 603/2013 normiert ist, basiert auf den Abgleich von Fingerabdrücken von Migranten. Der Anfrage an die griechischen Behörden vom … wurde dieser EURODAC-Treffer angehängt, sodass ein Fingerabdruckabgleich zwischen den in Deutschland gespeicherten Fingerabdrücken des Antragstellers und der Fingerabdrucksdatei in Griechenland vorgenommen wurde und somit die Personenidentität des Antragstellers mit der bei den griechischen Behörden zugeordnete Person für das Gericht nach Prüfung der Aktenlage feststeht. Falls eine falsche Zuordnung der Fingerabdrücke im Rahmen der Abnahme in Griechenland aufgetreten sein würde, wäre nicht damit zu rechnen, dass die falsch zugeordnete Person derart ähnliche Personenstandsdaten wie der Antragsteller aufweist. Es handelt sich lediglich um eine phonetisch erklärbare Abweichung der Schreibweise eines Namensteils sowie um die Vertauschung des Vor- und des Nachnamens. Zumindest des Namensteil … ist – im Vergleich zum Namensteil … – nicht so häufig, dass mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von einem möglichen Zuordnungsfehler auszugehen ist. Angesichts der Tatsache, dass der Antragsteller im Rahmen des Asylverfahrens keinerlei Dokumente, die seinen Namen und sein Geburtsdatum auch nur ansatzweise nachweisen, vorlegen konnte (z.B. Tazkira), ist davon auszugehen, dass es entweder versehentlich oder durch Verschleierung des Antragstellers zu den abweichenden Einträgen zwischen den griechischen Behördendaten und den deutschen Behördendaten gekommen ist. Für die Personenidentität spricht weiter, dass der Antragsteller in seiner Anhörung angab, auf Samos gelebt und gearbeitet zu haben und laut der zweiten Ankunft der griechischen Behörde, die Unterbrechungsmeldung an die zuständige kommunale Behörde … geschickt wurde, da der Antragsteller unbekannt verzogen sei. Dass der Antragsteller keine Anhörung und keinen Bescheid bekommen haben möchte und daher auch kein Rechtsmittel eingelegt haben soll, wird vom Gericht als Schutzbehauptung gewertet. Es ist angesichts der Vernetzung der Migranten untereinander, der mehr als dreijährigen Wartezeit zwischen Asylantragstellung und Anhörung des Antragstellers und der Beratung diverser Flüchtlingsorganisationen davon auszugehen, dass der Antragsteller in Erfahrung gebracht hat, dass seine Asylgründe hier nicht sachlich nochmal geprüft würden, wenn er den durch den EURODAC-Treffer ermittelten Sachverhalt gegenüber dem Bundesamt eingeräumt hätte, nämlich ein Asylerstverfahren in Griechenland bereits vollständig durchlaufen zu haben.
Nach Art. 49 Abs. 2 Satz 2 der Dublin-III-Verordnung ist wegen der Asylantragstellung weit vor 6 Monaten nach Inkrafttreten der Dublin-III-Verordnung für die Zuständigkeitsbestimmung hinsichtlich des Erstantrages des Antragstellers die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (im folgenden: Dublin-II-Verordnung) maßgeblich. Unbeachtlich ist das von der Bevollmächtigten vorgebrachte Argument, dass Griechenland zum Zeitpunkt der Entscheidung kein Mitgliedsstaat im Sinne des § 71a Abs. 1 AsylG gewesen sei, da die Überstellung von Asylbewerbern dorthin aufgrund systemischer Mängel nicht mehr erfolgte. Dies betrifft nicht die Personen, die innerhalb Griechenlands ein Asylerstverfahren bereits durchlaufen haben. Für den Kläger war Griechenland nach Art. Art. 10 Abs. 1 Dublin-II-Verordnung von Anfang an zuständig, da kein anderer Mitgliedsstaat als Griechenland zum nach Art. 5 Abs. 2 Dublin-II-Verordnung maßgeblichen Zeitpunkt der Asylerstantragsstellung die Voraussetzungen der Dublin-II-Verordnung erfüllte. Dass der Antragsteller später vom Staatsgebiet der Beklagten für einen gewissen Zeitraum nicht nach Griechenland überstellt hätte werden können, ändert nichts an der ursprünglichen Erstzuständigkeit Griechenlands für das dort gestellte Asylerstverfahren des Antragstellers.
Relevante Wiederaufgreifensgründe i.S.v. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG in Bezug auf das Heimatland Afghanistan hat der Antragsteller nicht vorgetragen. Auf die diesbezügliche Bescheidsbegründung wird nach § 77 Abs. 2 AsylG Bezug genommen.
2.2 Gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheids der Antragsgegnerin vom … bestehen jedoch ernstliche Zweifel i.S.v. § 71a Abs. 4 i.V.m. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG in Bezug auf die Ablehnung von Abschiebungsverbote in der Nr. 2 des Bescheids.
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung der Antragsgegnerin, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG), zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Dies ergibt sich daraus, dass der angegriffene Verwaltungsakt nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG wegen § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG zwingend auch die Prüfung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG umfassen muss. Hierbei ist der Vortrag nicht an die Voraussetzungen des § 51 VwVfG gebunden, sodass eine umfängliche Prüfung der Voraussetzungen der §§ 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG zu erfolgen hat (VG Oldenburg, B.v.16.3.2017, Az. 3 B 1233/17 – juris Rn. 11).
Soweit die Antragsgegnerin das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 bzw. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG im angegriffenen Bescheid verneint hat, bestehen angesichts der umfänglich vorgetragenen psychischen Erkrankungen des Antragstellers ernsthafte Zweifel.
Der streitgegenständliche Bescheid lässt eine Auseinandersetzung mit der vom Antragsteller vorgetragenen psychischen Erkrankung vollständig vermissen, was bislang schon nach § 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG als formeller Begründungsfehler ausreicht, um Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids als rechtswidrig anzusehen. Der Antragsteller trug während der Anhörung vor, dass er psychisch krank sei und Medikamente einnehme. Weiter legte er zu diesem Zeitpunkt eine Kurzstellungnahme seines behandelnden Facharztes vor, der die Diagnosen PTBS und depressiven Episoden erkennen ließ. Der Antragsteller reichte bald nach seiner Anhörung am … ein sehr ausführliches fachärztliches Attest über seine psychischen Erkrankungen nach. Da dieses Attest nach summarischer Prüfung auch den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung genügt (BVerwG, U.v. 11.9.2007, 10 C 8/07 juris – Rn. 15f), ist das Vorliegen einer psychischen Erkrankung indiziert, sodass eine Prüfung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Sätze1 und 2 AufenthG hätte erfolgen müssen. Angesichts der offensichtlichen Nichtberücksichtigung des Gesundheitszustandes des Antragstellers bei der Prüfung der Abschiebungsverbote trotz Einreichung eines detaillierten, dreieinhalb Seiten langen Attestes durch einen Facharzt, sieht das Gericht nach der summarischen Prüfung die Ablehnung eines entsprechenden Abschiebungsverbots somit als durchaus zweifelhaft an.
Weiter ist im streitgegenständlichen Bescheid im Rahmen der Prüfung des § 60 Abs. 5 AufenthG auf die Möglichkeit des Antragstellers, internen Schutz in Anspruch zu nehmen, hingewiesen worden. Auch in diesem Zusammenhang hätte die vorliegende psychische Erkrankung des Antragstellers bei der Zumutbarkeit der Niederlassung in einem anderen Teil Afghanistans hinsichtlich der Möglichkeit Arbeit zu finden und ausreichend Geld zu erwirtschaften, um die notwendigen Medikamente zu finanzieren, Berücksichtigung finden müssen. Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Lage und der Überdehnung der Infrastruktur durch die großen Mengen an Binnenflüchtlingen und aus dem Iran und Pakistan wieder neu eingereisten Personen sind die Hürden, die an die Annahme der Möglichkeit eines internen Schutz gestellt werden müssen, bei einer vulnerablen, weil psychisch kranken Person, momentan als sehr hoch einzuschätzen.
Dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG)

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