Verwaltungsrecht

Erfolgreicher Eilantrag hinsichtlich einer Stellenbesetzung mangels Vergleichbarkeit der Beurteilungen

Aktenzeichen  M 5 E 16.3694

Datum:
16.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 123 Abs. 1
BeamtStG BeamtStG § 9
GG GG Art. 33 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Nur wenn das Gebot der höchstmöglichen Vergleichbarkeit beachtet ist, ist die einer Regelbeurteilung vergleichbare Aussagekraft über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber auch bei einer Anlassbeurteilung gewährleistet. (redaktioneller Leitsatz)
2. Höchstmögliche Vergleichbarkeit erfordert grundsätzlich einen gemeinsamen Beurteilungsstichtag und den gleichen Beurteilungszeitraum der zu vergleichenden Beurteilungen; dies ist nicht gegeben, wenn sich der Beurteilungszeitraum in einem Fall über 34,5 Monate und in einem konkurrierenden Fall über 12,5 Monate erstreckt (ebenso BVerwG BeckRS 2001, 30194355). (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei einem um 3 Punkte höheren Gesamtprädikat des Beamten im niedrigeren Statusamt gegenüber dem Konkurrent im höheren Statusamt liegt die Annahme einer Überkompensation und damit eines Bewerbervorsprungs des Beamten im niedrigeren Statusamt nahe. (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein Anordnungsgrund ist gegeben, wenn mit der endgültigen anderweitigen Stellenbesetzung das Besetzungsverfahren abgeschlossen ist mit der Folge, dass die Stellenbesetzung in der Regel nicht mehr rückgängig gemacht werden kann (Abrenzung zu BVerwG BeckRS 2011, 45441). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, die Stelle des Leiters der Abteilung … des Staatsinstituts … in … nicht zu besetzen, bevor über die Bewerbung der Antragstellerin bestandskräftig entschieden ist.
II.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Der Streitwert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsgegner schrieb mit Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst vom 22. Oktober 2015 die Stelle des Leiters/der Leiterin der Abteilung … des Staatsinstituts … in … aus. Auf diese Stelle bewerben sich unter anderem die Antragstellerin und der Beigeladene. Unter den Bewerbern befanden sich daneben auch (Kon-)Rektoren, welche in der zugrunde gelegten dienstlichen Beurteilung kein Gesamtprädikat in Punkten erhalten hatten, sondern die Bewertungsstufen „BG“ bzw. „UB“.
Die 1961 geborene Antragstellerin steht als Beamtin auf Lebenszeit als Institutsrektorin (Besoldungsgruppe A 14) in Diensten des Antragsgegners. Mit einer Anlassbeurteilung für den Zeitraum 1. Januar 2015 bis 15. Januar 2016 wurde sie im Amt A 14 mit einem Gesamturteil von 13 Punkten bewertet. Diese Anlassbeurteilung, die der Auswahlentscheidung zugrunde gelegt wurde, wurde nach Einwendungen der Antragstellerin vom 28. Januar 2016 mit Widerspruchsbescheid vom 4. August 2016 teilweise abgeändert. Sie wurde im Einzelmerkmale „Fachkenntnisse“ um einen Punkt auf 15 Punkte angehoben. Nach weiterem Einwendungsschreiben der Antragstellerin am 15. September erfolgte mit Widerspruchsbescheid vom 31. Oktober 2016 erneut Abhilfe im Hinblick auf die ergänzenden Bemerkungen in der Beurteilung.
Der 1958 geborene Beigeladene steht ebenfalls als Beamter auf Lebenszeit als Schulrat (Besoldungsgruppe A 14 + AZ) in Diensten des Antragsgegners. Mit einer der Auswahlentscheidung zugrunde gelegten Anlassbeurteilung für den Zeitraum 1. Januar 2011 bis 17. Oktober 2014 wurde er in der Besoldungsgruppe A 14 + AZ mit einem Gesamturteil von 10 Punkten bewertet. Bei ihm liegt ein Grad der Behinderung von 80 vor.
Mit Aktenvermerk vom 22. Juni 2016 wurde festgestellt, dass von zehn Bewerbern neun generell geeignet seien. Unter Beachtung des Gesamtprädikats in der jeweils letzten Beurteilung sowie der Schwerbehinderung befänden sich der Beigeladene sowie ein weiterer Bewerber R. (Statusamt A 14 + AZ, 11 Punkte in der letzten Beurteilung) in einem Gleichstand. Die Antragstellerin befinde sich zwar in der niedrigeren Besoldungsstufe A 14, ihr seien jedoch in der letzten dienstlichen Beurteilung 13 Punkte zuerkannt worden. Damit befinde sie sich zunächst ebenfalls in einem Gleichstand mit dem Beigeladen, dem Bewerber R. sowie einigen weiteren Bewerbern. Bei einer anschließenden Binnendifferenzierung bei der Antragstellerin, dem Beigeladenen sowie drei weiteren Beamten der engeren Bewerberauswahl wurde das Einzelmerkmal „Führungs- und Vorgesetztenverhalten“ als Superkriterium herausgegriffen, da dieses für die Stellung des Leiters einer Abteilung am Staatsinstitut besonders wichtig sei. In diesem Merkmal lag für die Antragstellerin keine Bewertung vor, da sie bisher nicht in Führungsverantwortung tätig war. Der Beigeladene erreichte hier eine Bewertung von 9 Punkten. Insgesamt weise der Beigeladene 8 mal 10 Punkte und 6 mal 9 Punkte auf. Die Antragstellerin weise 5 mal 14 und 8 mal 13 Punkte auf. Da die Beurteilungen jedoch nicht unmittelbar vergleichbar seien, könne mit Hilfe der Binnendifferenzierung kein entscheidender Vorsprung eines Bewerbers ausgemacht werden. Daher seien mit den einzelnen Bewerbern strukturierte Vorstellungsgespräche geführt worden. Bei diesen sei ein deutlicher Vorsprung des Beigeladenen erkennbar gewesen.
Mit Schreiben des Antragsgegners vom 18. Juli 2016 wurde der Antragstellerin mitgeteilt, dass ihre Bewerbung nicht berücksichtigt wurde. Es sei beabsichtigt, die Stelle mit dem Beigeladenen zu besetzen. Hiergegen legte die Antragstellerin über ihre Bevollmächtigten Widerspruch ein. Über diesen wurde, soweit ersichtlich, bislang nicht entschieden.
Mit Schriftsatz vom 16. August 2016, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat die Antragstellerin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und beantragt:
Dem Antragsgegner wird aufgegeben, die Stelle des Leiters der Abteilung … des Staatsinstituts … in … nicht zu besetzen, bevor über die Bewerbung der Antragstellerin bestandskräftig entschieden wurde.
In der Anlassbeurteilung, die der Auswahlentscheidung zugrunde gelegt wurde, sei sie in den Einzelmerkmalen „Auffassungsgabe“ und „Einsatzbereitschaft“ zu schlecht bewertet worden. Selbst unter Berücksichtigung des niedrigeren Statusamtes der Antragstellerin sei bedenklich, dass eine im Wesentlichen gleiche Beurteilungslage angenommen wurde, obwohl zwischen Antragstellerin und Beigeladenem ein Unterschied von drei Punkten bestehe. Der Antragsgegner hätte vor der Annahme eines Gleichstandes auf zurückliegende Beurteilungen zurückgreifen müssen. Die Antragstellerin sei schon früher mit Führungsaufgaben betraut gewesen und in der vorangegangenen Anlassbeurteilung für den Zeitraum 1. April bis 22. Oktober 2013 im Einzelmerkmal „Führungserfolg“ mit 14 Punkten bewertet worden. In der tabellarischen Übersicht im Auswahlvermerk würden, anders als bei den übrigen Bewerbern, wesentliche Funktionen und Tätigkeiten der Antragstellerin nicht erwähnt werden. Bei der vorgenommenen Binnendifferenzierung fehle ein Bezug zu den in der Stellenausschreibung aufgeführten Kriterien hinsichtlich erwünschter Erfahrungen und Kompetenzen, nämlich „Erfahrungen im Bereich der Lehrerbildung“ sowie „mit inhaltlichen und organisatorischen Konzeptentwicklungen“, „vertiefte Kompetenzen in Pädagogik, Psychologie, Schulpädagogik“ sowie „fundierte Kenntnisse und Fertigkeiten in den Informations- und Kommunikationstechniken“. Die Erfüllung dieser Kriterien gebe bei einer angenommenen gleichen Beurteilungslage den Ausschlag. Die Antragstellerin erfülle als einzige die Mehrzahl dieser Kriterien, da sie im Gegensatz zu den übrigen Bewerbern der engeren Auswahl vertiefte Kompetenzen im Fach Psychologie sowie umfassende Erfahrungen im Bereich der Lehrerbildung und mit inhaltlichen und organisatorischen Konzeptentwicklungen aufweisen könne. Bedenken bestünden auch hinsichtlich der deutlich differierenden Beurteilungszeiträume, da die Beurteilung des Beigeladenen einen deutlich längeren Zeitraum umfasse. Auch die durchgeführten Auswahlgespräche würden rechtlichen Bedenken begegnen.
Das Bayerische Staatsministerium für Bildung und Kultur, Wissenschaft und Kunst hat mit Schriftsatz vom 31. August 2016 beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Auf eine Binnendifferenzierung sei verzichtet worden, da sich die Merkmale in Anzahl und Inhalt unterschieden und einen direkten Vergleich nicht zugelassen hätten. Ein Rückgriff auf frühere dienstliche Beurteilungen sei nicht zwingend, zudem beziehe sich die vorherige Beurteilung der Antragstellerin ohnehin nur auf wenige Monate. Den Auswahlgesprächen könne durch den Dienstherrn der Vorrang gegenüber den Kriterien im Ausschreibungstext eingeräumt werden. Insofern sei es auf die Tätigkeiten, die in der tabellarischen Übersicht bei der Antragstellerin nicht angeführt gewesen seien, nicht angekommen. Die entsprechenden Tätigkeiten seien auch hinsichtlich der übrigen Bewerber nicht herangezogen worden.
Mit Beschluss vom 28. Oktober 2016 wurde der ausgewählte Beamte zum Verfahren beigeladen. Dieser hat mit Schriftsatz vom 7. November 2016 mitgeteilt, dass er auf eine Äußerung verzichte. Ein Antrag wurde durch ihn nicht gestellt.
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag hat Erfolg.
1. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 des § 123 Abs. 1 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, notwendig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. § 123 Abs. 1 VwGO setzt daher sowohl einen Anordnungsgrund, d. h. ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes in Form der Gefährdung eines eigenen Individualinteresses, als auch einen Anordnungsanspruch voraus, d. h. die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg oder zumindest auf einen Teilerfolg des geltend gemachten Begehrens in der Hauptsache. Die Antragstellerin hat die hierzu notwendigen Tatsachen glaubhaft zu machen.
2. Ein Anordnungsgrund ist glaubhaft gemacht, da die von der Antragstellerin angestrebte Stelle des Leiters/der Leiterin der Abteilung … des Staatsinstituts … … … … in … ausweislich des Schreibens des Antragsgegners vom 18. Juli 2016 mit dem Beigeladenen besetzt werden soll. Nach herrschender Auffassung in der Rechtsprechung (BVerwG, U.v. 4.11.2010 – 2 C 16/09 – NVwZ 2011, 358 und U.v. 25.8.1988 – 2 C 62/85 – NVwZ 1989, 158; VG München, B.v. 28.4.2014 – M 5 E 14.1466) ist mit der endgültigen anderweitigen Besetzung einer Stelle das Besetzungsverfahren grundsätzlich abgeschlossen mit der Folge, dass dem Begehren der Antragstellerin, die Auswahlentscheidung zu ihren Gunsten vorzunehmen, nicht mehr entsprochen werden könnte, weil der Antragsgegner die Stellenbesetzung mit dem Beigeladenen in der Regel nicht mehr rückgängig machen könnte.
3. Für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung besteht auch ein Anordnungsanspruch.
Einen Rechtsanspruch auf Übertragung der streitgegenständlichen Stelle hat die Antragstellerin nicht. Ein solcher lässt sich nach herrschender Rechtsprechung nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten, die sich auf das vom Beamten bekleidete Amt beschränkt und somit amtsbezogen ist. Die Antragstellerin hat aber einen Bewerbungsverfahrensanspruch, d. h. einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr den Dienstposten unter Berücksichtigung des in Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG), Art. 94 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung für den Freistaat Bayern (BV), § 9 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) und Art. 16 Abs. 1 des Gesetzes über die Leistungslaufbahn und die Fachlaufbahnen der Bayerischen Beamten und Beamtinnen (Leistungslaufbahngesetz – LlbG) normierten Leistungsgrundsatzes vergibt und seine Auswahlentscheidung nur auf Gesichtspunkte stützt, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen (vgl. BVerfG, B.v. 26.11.2010 – 2 BvR 2435/10 – NVwZ 2011, 746 und vom B.v. 2.10.2007 – 2 BvR 2457/04 – NVwZ 2008, 194).
Anhand dieser Vorgaben hat der Dienstherr unter mehreren Bewerbern den am besten Geeigneten ausfindig zu machen. Diese Vorgaben dienen zwar vornehmlich dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Besetzung von Beamtenstellen, berücksichtigen aber zugleich das berechtigte Interesse eines Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen. Ein Bewerber hat daher Anspruch auf rechtsfehlerfreie Anwendung (BVerwG, U. v. 25.8.1988 – 2 C 28/85 – juris; BayVGH, B.v. 25.5.2011 – 3 CE 11.605 – BayVBl 2011, 565; VG München, B.v. 24.10.2012 – M 5 E 12.2637 – juris). Aus der Verletzung dieses Anspruchs folgt zwar regelmäßig nicht ein Anspruch auf Beförderung oder auf Vergabe des begehrten Dienstpostens. Der unterlegene Bewerber kann aber eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung beanspruchen, wenn seine Auswahl möglich erscheint (BVerfG, B. v. 26.11.2010 – 2 BvR 2435/10 – NVwZ 2011, 746).
Feststellungen über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung von Bewerbern um eine Beförderungsstelle sind in erster Linie auf die aktuellen dienstlichen Beurteilungen zu stützen, denn sie bilden den gegenwärtigen bzw. zeitnah zurückliegenden Stand ab und können somit am besten als Grundlage für die Prognose dafür dienen, welcher der Konkurrenten die Anforderungen der zu besetzenden Stelle voraussichtlich am besten erfüllen wird (BVerwG, B.v. 27.9.2011 – 2 VR 3/11 – NVwZ-RR 2012, 71; vgl. zum Ganzen auch: BayVGH, B.v. 18.6.2012 – 3 CE 12.675 – juris; VG München, B.v. 26.10.2012 – M 5 E 12.3882 – juris; B.v. 24.10.2012 – M 5 E 12.2637 – juris).
4. Die streitgegenständliche Besetzungsentscheidung entspricht nicht diesen Grundsätzen.
a) So ist zu beanstanden, dass die Auswahlentscheidung nicht auf aktuellen, vergleichbaren Beurteilungen für alle Konkurrenten beruht.
aa) Der Antragsgegner durfte seiner Auswahlentscheidung anstelle von periodischen Beurteilungen der Bewerber außerordentliche Beurteilungen zugrunde legen, um einen Vergleich der Bewerber anhand des Leistungsgrundsatzes durchzuführen. Außerordentliche Beurteilungen sind periodischen Beurteilungen grundsätzlich als gleichwertig anzusehen und untereinander ohne weiteres vergleichbar (vgl. BayVerfGH, E.v. 4.7.2005 – Vf. 85-VI-02 – BayVBl 2005, 657; BayVGH, B.v. vom 11.12.2009 – 3 CE 09.2350 -; B.v. 24.5.2007 – 3 ZB 06.2265, B.v. 17.4.2004 – 3 CE 04.10 und B.v. 20.9.2002 – 3 CE 02.2056 – jeweils juris). Dies verlangt jedoch die größtmögliche Vergleichbarkeit der erhobenen Daten und gilt auch für Anlassbeurteilungen bzw. außerordentliche Beurteilungen (BayVGH, B.v. 28.2.2014 – 3 CE 14.32 – juris, Rn. 34). Daraus folgt, dass die Beurteilungsmaßstäbe gleich sein und gleich angewendet werden müssen. Die Einheitlichkeit des Beurteilungsmaßstabes ist unabdingbare Voraussetzung dafür, dass die Beurteilung ihren Zweck erfüllt, einen Vergleich der Beamten untereinander anhand vorgegebener Sach- und Differenzierungsmerkmale zu ermöglichen (vgl. BVerwG, U.v. 18.7.2001- 2 C 41/00 – ZBR 2002, 211). Bei der Festlegung, welchen Zeitraum die Beurteilung erfasst, ist vorrangig zu berücksichtigen, dass sie ihr Ziel nur dann optimal erreichen kann, wenn die für die Vergleichbarkeit maßgeblichen äußeren Kriterien so weit wie irgend möglich eingehalten werden. Höchstmögliche Vergleichbarkeit wird grundsätzlich durch den gemeinsamen Stichtag und den gleichen Beurteilungszeitraum erreicht. Der gemeinsame Stichtag dient vorrangig dazu, durch Fixierung auf einen bestimmten Zeitpunkt Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit herzustellen. Die Einheitlichkeit des Beurteilungszeitraums soll gewährleisten, dass die Beurteilung für alle Konkurrenten gleichmäßig die zu beurteilenden Merkmale nicht nur punktuell, sondern in ihrer zeitlichen Entwicklung unabhängig von einer konkreten Verwendungsentscheidung erfasst (vgl. BVerwG, U.v. 18.7.2001- 2 C 41/00 – ZBR 2002, 211). Bei einer aus Anlass der Besetzung einer Beförderungsstelle erstellten Beurteilung verlangt das Gebot der größtmöglichen Vergleichbarkeit auch, den Beurteilungszeitraum so zu wählen, dass er mit den Beurteilungszeiträumen der Beurteilungen der anderen Bewerber im Wesentlichen übereinstimmt (BayVGH, B.v. 28.6.2002 – 3 CE 02.1282 – juris Rn. 35; BayVGH, B.v. 28.2.2014 – 3 CE 14.32 – juris Rn. 36). Nur so wird eine einer Regelbeurteilung vergleichbare Aussagekraft der Anlassbeurteilung über Eignung, Befähigung und Leistung im Vergleich zu den anderen Bewerbern gewährleistet. Deshalb verletzt der Dienstherr den Anspruch auf Chancengleichheit im Bewerbungsverfahren und mithin den Bewerbungsverfahrensanspruch, wenn Beurteilungen verglichen werden, die auf erheblich abweichenden Beurteilungszeiträumen beruhen (ThürOVG, B.v. 15.4.2014 – 2 EO 641/12 – juris, Rn. 27). Der Beurteilungszeitraum einer Anlassbeurteilung ergibt sich dabei aus ihrem Zweck (vgl. Weiss/Niedermeier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Oktober 2016, Art. 54 LlbG Rn. 5).
bb) Vorliegend erstreckt sich der Beurteilungszeitraum für die Beurteilung des Beigeladenen über 34,5 Monate hinweg, für die Antragstellerin wurde hingegen ein wesentlich kürzerer Zeitraum von 12,5 Monaten für den Leistungsvergleich zugrunde gelegt. Die Beurteilungen sind damit als Vergleichsgrundlage nicht geeignet, da sie nicht auf gleichen Bewertungsgrundlagen beruhen. Einschränkungen des Gebots der größtmöglichen Vergleichbarkeit der Beurteilungen sind nur hinzunehmen, soweit sie auf zwingenden Gründen beruhen (BayVGH, B.v. 14.8.2015 – 3 CE 15.993 – juris Rn. 27). Es ist nichts dafür ersichtlich, warum gerade die vom Beurteilungsdatum wie vom Beurteilungszeitraum her stark differierenden Anlassbeurteilungen heranzuziehen waren. So konnte der Beigeladene in einem fast dreijährigen Zeitraum weitaus länger seine Eignung und Leistung unter Beweis stellen als die Antragstellerin, für die ein kürzerer Zeitraum von lediglich einem Jahr in den Blick genommen wurde. Dies gilt insbesondere deshalb, da die Antragstellerin im Zeitraum der vorangegangenen Anlassbeurteilung im Jahr 2013 – vom Antragsgegner unbestritten – als Leiterin des Praktikumsamtes durchaus bereits Führungsaufgaben wahrgenommen hat. Für die ausgeschriebene Stelle galt das Einzelmerkmal „Führungs- und Vorgesetztenverhalten“ als Superkriterium und wurde als besonders wichtig erachtet. Unter den Bewerbern der engeren Auswahl fehlte es laut dem Auswahlvermerk allein bei der Antragstellerin an einer Bewertung dieses Merkmales. Wäre in der Anlassbeurteilung der Antragstellerin derselbe Zeitraum wie beim Beigeladenen (1.1.2011 bis 17.10.2014) betrachtet worden oder, ausgehend vom vorliegend für die Antragstellerin verwendeten Beurteilungsstichtag 15. Januar 2016, dieselbe Zeitspanne von 3 Jahren und 10 Monaten, wäre ihre Führungstätigkeit erfasst gewesen. Durch den festgelegten, verhältnismäßig kurzen Zeitraum der Anlassbeurteilung wurde jedoch die Führungstätigkeit der Antragstellerin außer Betracht gelassen. Die Auswahlentscheidung wurde durch den Antragsgegner somit auf Basis einer unzureichenden Vergleichsgrundlage getroffen.
b) Bedenken begegnet auch die Annahme einer im Wesentlichen gleichen Beurteilungslage. Der Antragsgegner hat sich nicht hinreichend damit auseinandergesetzt, dass die Antragstellerin im niedrigeren Statusamt ein um drei Punkte höheres Gesamtprädikat als der Beigeladene aufweist. Generell besitzt bei gleichem Gesamtprädikat der Bewerber mit dem höheren Statusamt einen Bewerbervorsprung. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Konkurrent im niedrigeren Statusamt, der dafür im Gesamtprädikat um einen Punkt besser beurteilt wurde, diesen Vorsprung ausgleichen oder seinen Konkurrenten sogar überholen kann (BayVGH, B.v. 1.2.2008 – 3 CE 07.3227 – juris Rn. 26; B.v. 29.11.2012 – 3 CE 12.2225 – juris Rn. 32; B.v. 24.4.2009 – 3 CE 08.3152 – juris Rn. 41). Die Antragstellerin (Besoldungsgruppe A 14) befindet sich lediglich ein Statusamt tiefer als der Beigeladene (Besoldungsgruppe A 14 + AZ), weist jedoch ein um drei Punkte höheres Gesamtprädikat auf. Soweit nach der Rechtsprechung schon ein um einen Punkt besseres Gesamtprädikat zum Überholen genügen kann, liegt die Annahme einer Überkompensation im vorliegenden Fall sehr nahe. Es bedarf daher einer vertieften Auseinandersetzung, weshalb lediglich von einem Gleichstand auszugehen sein soll. Gleichwohl hat der Antragsgegner im Auswahlvermerk lediglich festgestellt, dass sich die Antragstellerin zwar in der Besoldungsstufe A 14 befinde, ihr jedoch in der letzten dienstlichen Beurteilung 13 Punkte zuerkannt worden sein. Damit befinde sie sich zunächst ebenfalls in einem Gleichstand mit dem Beigeladenen. Darüber hinaus finden sich keinerlei Erwägungen, aus welchen Gründen eine Überkompensation und somit ein Bewerbervorsprung der Antragstellerin vorliegend nicht in Betracht kommen soll.
5. Der Antragsgegner hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Es entspricht der Billigkeit, dem Beigeladenen, der keinen Antrag gestellt und sich insoweit keinem Prozesskostenrisiko ausgesetzt hat, seine außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen. Der Streitwert in einem beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitverfahren, das auf die vorläufige Freihaltung der zu besetzenden Beförderungsstelle im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung gerichtet ist, wird nach § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG mit dem vollen Auffangstreitwert von 5.000 € bemessen (BayVGH, B.v. 16.4.2013 – 3 CE 09.596 – juris).

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