Verwaltungsrecht

Erfolgreicher Eilantrag – Keine ordnungsgemäße Zustellung der Ladung

Aktenzeichen  M 10 S 16.34307

Datum:
17.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 10,
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
VwGO VwGO § 80 Abs. 5, § 122
GG GG Art. 16a Abs. 4

 

Leitsatz

1. Müssen nach dem Tatbestand, auf den das Bundesamt seine negative Entscheidung über den Asylantrag und daran anknüpfend die Abschiebungsandrohung stützt, bestimmte Voraussetzungen “offensichtlich” vorliegen, hat das angerufene Verwaltungsgericht (ausschließlich) darüber zu befinden, ob gerade das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamtes ernstlichen Rechtmäßigkeitszweifeln unterliegt. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Da dem Bundesamt bei seiner Entscheidung über die Offensichtlichkeit kein Einschätzungsspielraum und kein Ermessen zusteht, darf das Gericht die Begründung für die offensichtliche Unbegründetheit auswechseln. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Wirkung des § 10 Abs. 2 AsylG tritt nur ein, wenn die Zustellung ordnungsgemäß erfolgte. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die in Ziff. 5 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 4. März 2016 enthaltene Abschiebungsandrohung und gegen das in Ziff. 6 des Bescheides enthaltene Einreise- und Aufenthaltsverbot wird angeordnet.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist senegalesischer Staatsangehöriger. Er reiste am 5. Oktober 2013 in die Bundesrepublik ein und stellte am 22. Oktober 2013 einen Asylantrag. Bei Antragstellung wurde der Antragsteller auf deutsch und französisch darüber belehrt, dass er Adressänderungen der Antragsgegnerin mitzuteilen hat und über die Folgen des § 10 AsylG. Der Antragsteller hat diese Belehrungen unterschrieben.
Laut den Verfahrensakten hat der Antragsteller bereits im Oktober 2013 gegenüber der Bundespolizei anlässlich seines Aufgreifens in einem Zug angegeben, homosexuell und wegen Diskriminierungen aus dem Senegal geflohen zu sein.
Der Antragsteller wohnte zunächst seit November 2013 in … und zog im Juni 2015 nach … um. Mit Schreiben vom 16. Juni 2015 teilte das Landratsamt … dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) diese neue Adresse des Antragstellers mit (Bl. 90 der Bundesamts-Akte).
Mit Schreiben vom 5. November 2015 lud die Antragsgegnerin den Antragsteller zur Anhörung. Das Schreiben war an die frühere Adresse des Antragstellers in … adressiert. Eine Postzustellungsurkunde oder ein anderer Zustellungsnachweis finden sich in der Akte nicht. Der Antragsteller ist zu der Anhörung nicht erschienen.
Mit Schreiben vom 18. November 2015, ebenfalls an die Adresse in … adressiert, gab die Antragsgegnerin dem Antragsteller Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme. Laut Postzustellungsurkunde konnte dieses Schreiben nicht zugestellt werden, da der Antragsteller unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln gewesen sei.
Mit Bescheid vom 4. März 2016, ebenfalls adressiert an die Adresse in …, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziff. 1 des Bescheids) sowie den Antrag auf Asylanerkennung (Ziff. 2 des Bescheids) als offensichtlich unbegründet und den Antrag auf subsidiären Schutz ab (Ziff. 3 des Bescheids). Das Bundesamt stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 4 des Bescheids) und forderte den Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen; ansonsten werde er abgeschoben (Ziff. 5 des Bescheids). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 7 AufenthG wurde angeordnet und auf 10 Monate befristet (Ziff. 6 des Bescheids) und das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate befristet (Ziff. 7 des Bescheids). Das Bundesamt stützt sich auf die unterlassene Mitwirkung durch den Antragsteller („Bereits das augenscheinliche Desinteresse an der Weiterführung des Asylverfahrens lässt eine Verfolgungsfurcht oder einen ernsthafter Schaden im Heimatland unglaubhaft erscheinen.“) Auf die weitere Begründung des Bescheids wird Bezug genommen. Auf der Postzustellungsurkunde ist vermerkt, dass der Antragsteller unter der angegebenen Adresse in … nicht zu ermitteln war.
Am 17. November 2016 erhob der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten Klage gegen den Bescheid und beantragte, die Beklagte zu verpflichten, dem Antragsteller die Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise subsidiären Schutz zuzuerkennen, festzustellen, dass Abschiebungsverbote vorliegen und beantragte gleichzeitig,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen,
hilfsweise für den Fall, dass die Klagefrist/Antragsfrist abgelaufen sei, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie im Wege einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO festzustellen, dass Abschiebungsverbote gem. § 60 AufenthG vorliegen.
Zur Begründung wird ausgeführt: Der Antragsteller sei homosexuell. Dies sei im Senegal ein Straftatbestand sowie ein Grund für Verfolgung, vor der der Staat nicht schützen könne. Der Antragsteller sei in einem kleinen Ort in einer konservativen Großfamilie aufgewachsen, vor der er seine Homosexualität zu verbergen versuchte. Bei Treffen mit anderen Homosexuellen sei er zusammengeschlagen worden und er habe Drohbriefe erhalten. In Frankreich habe die extrem muslimisch orientierte Familie des Antragstellers die Homosexualität nicht geduldet und den Antragsteller mit dem Tod bedroht. Der Antragsteller sei am 10. Juni 2015 von … nach … umgezogen. Dies habe das Landratsamt … der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 16. Juni 2015 mitgeteilt. Dem Antragsteller sei nicht klar gewesen, dass er gegenüber der Beklagten seinen Wohnortwechsel habe anzeigen müssen, er sei davon ausgegangen, alles Erforderliche getan zu haben. Am 11. November 2016 habe der Antragsteller bei dem Versuch, seine Aufenthaltsgestattung bei der Regierung … zu verlängern, erfahren, dass ein Bescheid an ihn ergangen sei, woraufhin die Bevollmächtigte des Antragstellers von der Regierung … den Bescheid am 16. November 2016 zugesandt bekommen habe. Der Bescheid sei nicht ordnungsgemäß zugestellt, da er an die alte Adresse des Klägers in … adressiert gewesen sei und somit die Zustellungsfiktion des § 10 Abs. 2 AsylG nicht anwendbar sei. Der Antragsteller habe seine Mitwirkungspflichten nicht verletzt, da er das Landratsamt … veranlasst habe, der Antragsgegnerin die Adressänderung mitzuteilen. Zudem habe die Antragsgegnerin nicht darauf vertrauen dürfen, dass die alte Adresse noch stimmt, nachdem der Antragsteller auf die Post im November 2015 nicht reagiert habe. Die Antragsgegnerin hätte sich beim Landratsamt erkundigen müssen. Da die Zustellungsvorschrift des § 10 AsylG die Rechte der Asylbewerber einengten, dürften sie nur angewendet werden, wenn kein Rechtsmissbrauch vorliege. Da dem Antragsteller nicht klar gewesen sei, dass er die Antragsgegnerin hätte unterrichten müssen, werde davon ausgegangen, dass keine ordnungsgemäße Belehrung im Sinne des § 10 Abs. 7 AsylG stattgefunden habe. Es sei bei mit dem Asylverfahren Unkundigen erforderlich, in der Belehrung darauf hinzuweisen, dass die in § 10 Abs. 1 AsylG normierte Mitwirkungspflicht auch in dieser Situation zu beachten sei. Es hätten der Behördenaufbau und die jeweiligen Mitwirkungspflichten erläutert werden müssen. Der Antragsteller habe seine Mitwirkungspflichten nicht verletzt, er habe die Ladung zu seiner Anhörung nicht erhalten. Der Klage beigefügt war eine eidesstattliche Versicherung des Antragstellers, dass die Angaben in der Klage der Wahrheit entsprechen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtssowie die Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässig, insbesondere fristgerecht nach § 80 Abs. 5 VwGO erhobene Antrag ist begründet.
Der gestellte Antrags ist auch im Falle eines – wie hier – anwaltlich vertretenen Antragstellers (siehe dazu BVerfG, B.v. 23.10.2007 – 2 BvR 542/07 – juris Rn. 17) unter Berücksichtigung der Begründung nach dem erkennbaren Rechtschutzziel auszulegen (vgl. §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO). Das Gericht legt den Antrag dahingehend aus, dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 4. März 2016 hinsichtlich der nach § 75 AsylG kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Abschiebungsandrohung (Ziff. 5 des Bescheides) sowie dem nach § 84 Abs. 1 AufenthG kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 7 AufenthG (Ziff. 6 des Bescheides) angeordnet werden soll. Anhaltspunkte dafür, dass ein weitergehender Rechtsschutz begehrt wird, bestehen nicht.
1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist der Bescheid noch nicht bestandskräftig. Denn der Bescheid wurde dem Antragsteller nicht im März 2015 zugestellt. Die Fiktionswirkung des § 10 AsylG tritt nicht ein. Denn die Wirkung des § 10 Abs. 2 AsylG tritt nur ein, wenn die Zustellung ordnungsgemäß erfolgte (Hailbronner, Kommentar zum Ausländerrecht, Stand September 2014, § 10 AsylG Rn. 43). Der Bescheid wurde aber mit der falschen Adresse zur Post gegeben.
Das Bundesamt hatte durch die Mitteilung des Landratsamts … vom 16. Juni 2015 objektiv Kenntnis von der neuen Adresse des Antragstellers in … Nach § 10 Abs. 2 Satz 2 AsylG hätte das Bundesamt mit der Fiktionswirkung an diese von einer Behörde mitgeteilte Adresse zustellen können. Denn es kommt diesbezüglich auf die objektive Kenntnis an von Daten, die in den Machtbereich der jeweiligen Stelle gelangt sind und dort noch existieren (vgl. Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 10 AsylG Rn. 16. Aus der Gesetzessystematik ergibt sich aber nicht, dass § 10 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 AsylG derart in einem Stufenverhältnis zueinander stehen, dass das Bundesamt sich aussuchen kann, an welche der beiden Adressen (die vom Antragsteller oder die von einer öffentlichen Stelle zuletzt mitgeteilte) es zustellen möchte. Vielmehr soll die Behörde an die letzte ihr vom Antragsteller oder einer öffentlichen Stelle mitgeteilten Adresse zustellen können, ohne weitere Recherchen anstellen zu müssen. Nicht aber soll das Bundesamt davon entlastet werden, von öffentlichen Stellen mitgeteilte Adressänderungen in die Daten zu übernehmen. Nachdem laut den Behördenakten dem Bundesamt die Mitteilung des Landratsamts … zuging und damit in deren objektive Kenntnis gelangte, ist die Adresse in … maßgeblich. Dem Antragsteller wurde der Bescheid vom 4. März 2016 somit frühestens bekanntgemacht, als sein Verfahrensbevollmächtigter ihn am 16. November 2016 erhielt. Die einwöchige Antragsfrist hat der Antragsteller somit mit der Klage vom 17. November 2016 eingehalten.
2. Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg.
Im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht eine eigene Interessenabwägung anzustellen (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 80 Rn. 68). Dabei sind insbesondere die Erfolgsaussichten der Klage einzubeziehen. Wird die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben, so überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse am Sofortvollzug das private Interesse des Antragstellers, da kein schutzwürdiges Interesse daran besteht, von dem Vollzug eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes verschont zu bleiben. Nur wenn die Vollziehung einen erheblichen, nicht mehr rückgängig zu machenden Eingriff darstellt, mithin vollendete Tatsachen schafft, könnte auch in diesem Fall das private Interesse des Antragstellers überwiegen (vgl. Schmidt in Eyermann, a.a.O. Rn. 76).
Gemäß Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 GG wird die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen in den Fällen, in denen das Schutzbegehren als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen. Im Anschluss an Art. 16a Abs. 4 Satz 2 GG bestimmt § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG, dass die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden darf, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (Art. 16a Abs. 4 Satz 2 GG, § 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG). „Ernstliche Zweifel“ im Sinne des Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 GG liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 99).
Die Verwaltungsgerichte haben im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu prüfen, ob etwaige Verfahrensverstöße des Bundesamtes ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der behördlichen Entscheidung begründen (vgl. nur BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 135).
Müssen nach dem Tatbestand, auf den das Bundesamt seine negative Entscheidung über den Asylantrag und daran anknüpfend die Abschiebungsandrohung stützt, bestimmte Voraussetzungen „offensichtlich“ vorliegen (vgl. etwa § 30 Abs. 1 und Abs. 2 AsylG), hat das angerufene Verwaltungsgericht (ausschließlich) darüber zu befinden, ob gerade das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamtes ernstlichen Rechtmäßigkeitszweifeln unterliegt (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 93 f.; VG München, B.v. 13. Juni 2016 – M 10 S. 16.30355 – juris). Verlangt der Anknüpfungspunkt für die Abschiebungsandrohung hingegen keine Offensichtlichkeit, müssen die Voraussetzungen des Tatbestandes selbst ernstlich zweifelhaft sein, damit dem vorläufigen Rechtsschutzbegehren des Asylbewerbers entsprochen werden kann (vgl. nur Pietzsch in Beck’scher Online-Kommentar Ausländerrecht, 9. Edition, Stand 1.11.2015, § 36 AsylG Rn. 40 m.w.N.). Da dem Bundesamt bei seiner Entscheidung über die Offensichtlichkeit kein Einschätzungsspielraum und kein Ermessen zusteht, darf das Gericht die Begründung für die offensichtliche Unbegründetheit auswechseln (vgl. VG München, B.v. 29.8.2013 – M 24 S. 13.30753 – juris Rn. 27; B.v. 13.6.2016 – M 10 S. 16.30355 – juris).
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamtes, dass dem Antragsteller kein subsidiärer Schutzstatus nach § 4 AsylG zuzuerkennen ist und dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht bestehen, zum Gegenstand seiner Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung in §§ 30, 36 AsylG nicht unmittelbar zu entnehmen, dafür sprechen jedoch § 34 Abs. 1 AsylG und Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, B.v. 17.7.1996 – 2 BvR 1291/96 – juris Rn. 3).
Gemessen an diesen Maßstäben bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen, an die Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) anknüpfenden Abschiebungsandrohung.
Es bestehen ernstliche Zweifel daran, dass das Bundesamt formell rechtmäßig entschieden hat.
Grundsätzlich hat das Bundesamt den Ausländer persönlich anzuhören (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylG). Bei einem Ausländer, der nicht verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, kann von der persönlichen Anhörung abgesehen werden, wenn der Ausländer einer Ladung zur Anhörung ohne genügende Entschuldigung nicht folgt (§ 25 Abs. 5 Satz 1 AsylG). In diesem Fall ist dem Ausländer Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme innerhalb eines Monats zu geben (§ 25 Abs. 5 Satz 2 AsylG). Äußert der Ausländer sich innerhalb dieser Frist nicht, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage, wobei auch die Nichtmitwirkung des Ausländers zu würdigen ist (§ 25 Abs. 5 Satz 3 AsylG).
Nach summarischer Prüfung bestehen schon durchgreifende Zweifel, ob nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AsylG von einer persönlichen Anhörung abgesehen werden durfte. Denn es ist zweifelhaft, ob der Antragsteller ordnungsgemäß zur Anhörung im November 2015 geladen wurde. Ist aber die ordnungsgemäße Ladung zweifelhaft, so ist bereits das Ermessen zum Absehen von der persönlichen Anhörung nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AsylG nicht eröffnet. In der Bundesamtsakte befindet sich kein Nachweis der Bekanntgabe oder Zustellung der Ladung zur persönlichen Anhörung. Auch diesbezüglich ist nicht die Fiktionswirkung des § 10 AsylG eingetreten (s.o.).
Es ist bereits grundsätzlich nicht auszuschließen, dass sich der Verfahrensfehler auf die Entscheidung des Bundesamtes ausgewirkt hat (vgl. nur Pietzsch a.a.O. § 36 AsylG Rn. 41 m.w.N.). Zudem hat der Antragsteller bereits im Oktober 2013 gegenüber der Bundespolizei vorgetragen, wegen seiner Homosexualität im Senegal diskriminiert worden zu sein. Demnach sind ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung begründet. Bereits weil es an einer ordnungsgemäßen Ladung zur persönlichen Anhörung fehlt, lässt sich überdies die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet nicht auf den vom Bundesamt herangezogenen § 30 Abs. 3 Nr. 5 AsylG stützen.
Im Ergebnis bestehen damit ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet, so dass die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der hierauf beruhenden Abschiebungsandrohung sowie des ebenfalls auf der Abweisung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet beruhenden Einreise- und Aufenthaltsverbots gem. § 11 Abs. 7 AufenthG anzuordnen ist.
3. Dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung und das Einreise- und Aufenthaltsverbot im Bescheid vom 4. März 2016 war mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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