Verwaltungsrecht

Erfolgreicher isolierter Prozesskostenhilfeantrag – Maßgeblicher Zeitpunkt der Entscheidungsreife

Aktenzeichen  10 C 17.2195

Datum:
3.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 60
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1
AufenthG § 25 Abs. 3 S. 1, § 26 Abs. 1 S. 4

 

Leitsatz

Maßgeblich für die Beurteilung der Erfolgsaussichten ist der Zeitpunkt der Bewilligungs- und Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags, die regelmäßig nach Vorlage der vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen sowie Anhörung der Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme eintritt (BayVGH BeckRS 2013, 50869). (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 24 K0 17.4487 2017-10-24 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

Unter Abänderung von Nr. II. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 24. Oktober 2017 wird den Klägern für das Verfahren M 24 K0 17.4487 Prozesskostenhilfe gewährt und Rechtsanwältin B. G., M., beigeordnet.

Gründe

Mit ihrer Beschwerde verfolgen die Kläger ihren in erster Instanz erfolglosen (isolierten) Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die (noch zu erhebende) Verpflichtungsklage auf Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis weiter. Das Verwaltungsgericht hat die ausdrücklich unter dem Vorbehalt (Bedingung) der Bewilligung von Prozesskostenhilfe erhobene Untätigkeitsklage aufgrund der außerprozessualen Bedingung für die Klageerhebung als unwirksam angesehen und hinreichende Erfolgsaussichten für eine noch zu erhebende Verpflichtungsklage – nach Maßgabe der unwirksamen Klageerhebung – verneint, weil einem Anspruch der Kläger auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Soll-Regelung des § 25 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 26 Abs. 1 Satz 4 AufenthG der Ausschlussgrund gemäß § 25 Abs. 3 Satz 2 1. Alt. AufenthG entgegenstehe. Die Kläger könnten auf die Ausreise nach Italien verwiesen werden, die ihnen möglich und zumutbar sei.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Rechtsverfolgung der Kläger, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen können, hat im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Maßgeblich für die Beurteilung der Erfolgsaussichten ist der Zeitpunkt der Bewilligungs- und Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags, die regelmäßig nach Vorlage der vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen sowie Anhörung der Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme eintritt (stRspr, vgl. zuletzt BayVGH, B.v 11.12.2017 – 10 C 17.1628 – Rn. 12 m.w.N.). Danach lag Entscheidungsreife jedenfalls zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts über den Prozesskostenhilfeantrag am 24. Oktober 2017 vor. Ein späterer Zeitpunkt kann für die Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussichten allenfalls dann maßgeblich sein, wenn sich nach Eintritt der Bewilligungsreife die Sach- und Rechtslage zugunsten des Antragstellers geändert hat und die von ihm beabsichtigte Rechtsverfolgung infolge dieser Änderung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2013 – 10 C 12.1757 – juris Rn. 25).
Im maßgeblichen Zeitpunkt bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg. Denn nach summarischer Prüfung ist zumindest offen, ob den Klägern der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 26 Abs. 1 Satz 4 AufenthG zusteht. Das Verwaltungsgericht geht in seiner Entscheidung ebenso wie die Beklagte im inzwischen erlassenen Ablehnungsbescheid vom 9. November 2017 zutreffend davon aus, dass der Tatbestand des § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG aufgrund des für den Herkunftsstaat der Kläger festgestellten Abschiebungsverbots erfüllt ist. Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis ist nach Auffassung der Beklagten und des Verwaltungsgerichts jedoch ausgeschlossen, weil den Klägern die Ausreise in einen anderen Staat (Italien) möglich und zumutbar sei.
Letztere Frage sieht der Senat aber jedenfalls im Hinblick darauf als offen an, weil ausweislich der vorliegenden Unterlagen die Antragstellerin zu 1) und Mutter der Antragsteller zu 2) bis 5), die gültige unbefristete italienische Aufenthaltstitel besitzen, selbst nicht mehr über eine gültige Aufenthaltsgenehmigung für Italien verfügt (vgl. die von der Beklagten vorgelegte Auskunft der PI Kiefersfelden Kontaktstelle vom 9.11.2017, Blatt 64 der VGH-Akte). Damit steht aber gerade nicht fest, dass der Antragstellerin zu 1) die Einreise und der Aufenthalt in Italien erlaubt wären und damit – wovon die Beklagte aber ausgeht – die Voraussetzungen für eine freiwillige Ausreise oder Abschiebung nach Italien vorliegen.
Die von Klägerseite im Beschwerdeverfahren aufgeworfene Frage, ob ihre Überstellung nach Italien deshalb unzulässig ist, weil sie dort dem ernsthaften Risiko ausgesetzt wären, bei einem Leben völlig am Rande der Gesellschaft obdachlos zu werden und zu verelenden (vgl. VGH BW, B.v. 15.3.2017 – A 11 S 2151/16 – juris), bedarf daher hier keiner näheren Prüfung.
Mit Blick auf den oben dargelegten maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags ist für die Beurteilung der Erfolgsaussichten unerheblich, dass nach der vorliegenden Mitteilung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 15. November 2017 dort inzwischen Anträge der Kläger auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeanträge) anhängig sind, die die Sperrwirkung des § 10 Abs. 1 AufenthG auslösen (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2016 – 1 C 23.15 – juris) und derzeit einem Erfolg der (noch zu erhebenden) Verpflichtungsklage entgegenstünden.
Sonstige Gründe, die im maßgeblichen Zeitpunkt der Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels entgegenstehen, sind weder vom Verwaltungsgericht noch von der Beklagten festgestellt worden oder sonst ersichtlich.
Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da weder Gerichtskosten anfallen noch Kosten erstattet werden können (§ 166 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 118 Abs. 1 Satz 4, § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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