Aktenzeichen 6 ZB 17.1863
BBG § 126 Abs. 2 S. 1
GG Art. 143b Abs. 3 S. 2
PBAZV § 3 Abs. 4 S. 2, § 7 S. 1
Leitsatz
1 Das nach § 126 Abs. 2 S. 1 BBG obligatorische Widerspruchsverfahren in beamtenrechtlichen Angelegenheiten dient der Selbstkontrolle der Verwaltung‚ dem individuellen Rechtsschutz und der Entlastung der Verwaltungsgerichte (vgl. BVerwG BeckRS 2014, 45317). (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2 Hätte der damit ebenfalls mit dem Widerspruchsverfahren verfolgte Zweck der Entlastung der Verwaltungsgerichte noch erreicht werden können, verbietet sich die Annahme, die Durchführung des in § 126 Abs. 2 S. 1 BBG vorgeschriebenen Widerspruchsverfahrens sei ausnahmsweise entbehrlich. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
3 Sind der Klägerin im Rahmen einer durchgeführten allgemeinen Informationsveranstaltung genaue Kenntnisse über die auch für sie geltenden Arbeitszeitregelungen vermittelt worden, unternimmt sie jedoch vier Jahre lang gegen einen vorgenommenen arbeitstäglichen Zeitabzug überhaupt nichts‚ um ihre Rechte zu wahren, ist Verwirkung des Widerspruchsrechts eingetreten. (Rn. 17 – 19) (redaktioneller Leitsatz)
4 Der Umstand, dass die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist beamtenrechtlicher Ansprüche noch nicht abgelaufen ist, schließt eine Verwirkung des Widerspruchsrechts nicht aus. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 21 K 16.5876 2017-06-26 Urt VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 26. Juni 2017 – M 21 K 16.5876 – wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 5.000‚- Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antrag der Klägerin‚ die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen‚ hat keinen Erfolg. Die fristgerecht geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1‚ 2 und 3 VwGO liegen nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Die Klägerin steht als Beamtin im Dienst der Beklagten; sie ist im Wege der Zuweisung einer Tätigkeit gemäß § 4 Abs. 4 PostPersRG bei der Betriebs-Center für Banken AG (BCB AG) mit Sitz in Frankfurt am Main‚ einer 100%igen Tochtergesellschaft der D. P. AG‚ an deren Dienstort München beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis der Klägerin findet die Verordnung zur Regelung der Arbeitszeit für die bei der D. P. AG beschäftigten Beamten (Postbankarbeitszeitverordnung – PBAZV) Anwendung. Der Vorstand der Beklagten hat von der durch § 7 Satz 1 PBAZV eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, die durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit der Beamten, denen Tätigkeiten bei der BCB AG zugewiesen sind, an die in der BCB AG für Arbeitnehmer geltenden Regelungen anzugleichen. Auf der Grundlage von § 4 Abs. 1 Satz 1 des Manteltarifvertrages für die BCB AG vom 8. April 2004 nach Maßgabe von § 1 Abs. 3 des zum 1. Januar 2013 in Kraft getretenen Änderungstarifvertrages vom 22. März 2012 wurden der Klägerin – wie auch allen übrigen Beschäftigten der BCB AG – im Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 31. August 2014 an 296 Arbeitstagen auf ihrem elektronisch geführten Arbeitszeitkonto von der dort erfassten Ist-Arbeitszeit arbeitstäglich 10 Minuten abgezogen. Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 21. Dezember 2016 beantragte die Klägerin bei der D. P. AG die Gutschrift von insgesamt 49,4 Stunden auf ihrem Arbeitszeitkonto und erhob am 23. Dezember 2016 Klage zum Verwaltungsgericht mit dem Antrag‚ die Beklagte zu verpflichten‚ ihrem Arbeitszeitkonto weitere 49,4 Arbeitsstunden gutzuschreiben.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem angegriffenen Urteil abgewiesen. Es ist zu dem Ergebnis gelangt‚ dass die Klage unzulässig sei‚ weil die Frist‚ innerhalb derer der nach § 126 Abs. 2 Satz 1 BBG erforderliche Widerspruch gegen das Verwaltungshandeln der Beklagten noch zulässigerweise hätte eingelegt werden können‚ am 23. Dezember 2016 bereits abgelaufen gewesen sei. Zwar sei die Widerspruchseinlegung nicht fristgebunden‚ wenn sich der einzulegende Widerspruch – wie hier – nicht gegen einen Verwaltungsakt richte. Allerdings bestehe auch das Recht‚ Widerspruch gegen ein schlicht-hoheitliches Verhalten des Dienstherrn einzulegen‚ zeitlich nicht unbegrenzt; es könne vielmehr dann verwirkt sein, wenn es ohne sachlichen Grund erst nach längerer Zeit geltend gemacht werde und der Dienstherr nach den Umständen darauf habe vertrauen können‚ dass eine Anfechtung nicht mehr erfolge. Dies sei vorliegend der Fall gewesen‚ nachdem zwischen der letzten Minusbuchung (31.8.2014) und dem Eingang des Antrags der Klägerin auf Rückbuchung (23.12.2016) über zwei Jahre vergangen seien.
Im Übrigen hätte die Klage auch aus sachlichen Gründen keinen Erfolg gehabt. Die der D. P. AG nach Art. 143b Abs. 3 Satz 2 GG verliehene Dienstherrenrechtsausübungsbefugnis schließe es ein, auf der hier einschlägigen Grundlage des § 7 Satz 1 und 2 PBAZV entweder in den individuellen Zuweisungsbescheiden oder durch Allgemeinverfügung des Vorstands die Arbeitszeit der Bundesbeamten abweichend von den allgemeinen Regeln der AZV, wenn auch unter Wahrung der dort bestimmten, hier aber keineswegs berührten Mindeststandards zu regeln. Die danach Arbeitnehmer und Beamte gleichermaßen betreffende tarifvertragliche Festlegung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 39:50 Stunden ab 1. Januar 2013 sei noch hinter dem damals zulässigen Höchstmaß des § 3 Abs. 1 Satz 1 AZV zurückgeblieben und daher nicht zu beanstanden. Lediglich aus Gründen der für die Arbeitnehmervertretung wichtigen Optik gegenüber der interessierten Öffentlichkeit sei nach außen eine Arbeitszeit von 39:00 Stunden präsentiert worden, während die restlichen laut Tarifvertrag geschuldeten 50 Minuten im elektronischen Zeiterfassungssystem „versteckt“ worden seien. Ein Anspruch auf Rückbuchung dieser Zeiten bestehe daher nicht.
2. Die mit dem Zulassungsantrag gegen das erstinstanzliche Urteil vorgebrachten Einwendungen bleiben ohne Erfolg und bedürfen keiner weiteren Prüfung oder Aufklärung in einem Berufungsverfahren.
a) An der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Dieser Zulassungsgrund liegt vor‚ wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG‚ B.v. 26.3.2007 – 1 BvR 2228/02 – juris Rn. 25). Das ist vorliegend nicht der Fall.
aa) Die Durchführung eines Vorverfahrens gemäß § 126 Abs. 1‚ Abs. 2 Satz 1 BBG war entgegen der Auffassung der Klägerin nicht entbehrlich. Nach § 126 Abs. 2 Satz 1 BBG ist vor allen Klagen von Beamten ein Vorverfahren nach den Vorschriften des 8. Abschnitts der Verwaltungsgerichtsordnung durchzuführen. Deshalb ist eine Klage aus dem Beamtenverhältnis unabhängig von der Klageart erst nach Durchführung eines Widerspruchsverfahrens zulässig.
Das Vorverfahren soll grundsätzlich zum einen im öffentlichen Interesse eine Selbstkontrolle der Verwaltung durch die Widerspruchsbehörde ermöglichen. Außerdem soll es zu einem möglichst effektiven individuellen Rechtsschutz beitragen: für den Betroffenen soll eine gegenüber der gerichtlichen Kontrolle zeitlich vorgelagerte und ggf. erweiterte Rechtsschutzmöglichkeit eröffnet werden. Dabei hat der Beamte sein Begehren zu konkretisieren. Denn nur dies gibt dem Dienstherrn Gelegenheit zu verwaltungsinterner Prüfung und zu dem Versuch, einen gerichtlichen Rechtsstreit zu vermeiden‚ sei es durch Abhilfe‚ durch gütliche Einigung oder durch nähere Begründung seines Rechtsstandpunktes (vgl. BVerwG, U.v. 28.6.2001 – 2 C 48.00 – juris Rn. 12 ff.). Schließlich soll das Vorverfahren im öffentlichen Interesse die Gerichte entlasten und damit Ressourcen schonen helfen („Filterwirkung“). Diese dreifache normative Zwecksetzung eines Widerspruchsverfahrens ist allgemein anerkannt (vgl. BVerwG, U.v. 15.9.2010 – 8 C 21.09 – juris Rn. 30 m.w.N.).
Auch das nach § 126 Abs. 2 Satz 1 BBG obligatorische Widerspruchsverfahren in beamtenrechtlichen Angelegenheiten dient der Selbstkontrolle der Verwaltung‚ dem individuellen Rechtsschutz und der Entlastung der Verwaltungsgerichte (vgl. BVerwG‚ U.v. 30.10.2013 – 2 C 23.12 – juris Rn. 20). Da es damit mehreren Zwecken dient, steht es weder im Belieben der Verwaltungsbehörden noch in dem des jeweiligen Rechtsschutzsuchenden, hierauf umstandslos zu verzichten. Wenn allerdings die genannten Zwecke eines Vorverfahrens schon auf andere Weise erreicht worden sind oder nicht mehr erreicht werden können‚ wäre ein Widerspruchsverfahren nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts funktionslos und daher ausnahmsweise entbehrlich (BVerwG, U.v. 15.9.2010 – 8 C 21.09 – juris Rn. 30). Seine Durchführung würde dann einen sachlich nicht zu rechtfertigenden Formalismus darstellen‚ der die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes unnötig verzögert. Ob diese Voraussetzung im konkreten Fall vorliegt, bestimmt sich allerdings nicht nach der subjektiven Einschätzung des Rechtsschutzsuchenden; vielmehr ist auf einen objektiven Beurteilungsmaßstab abzustellen.
Dies zugrunde gelegt war die Durchführung eines Vorverfahrens vorliegend nicht entbehrlich. Die Klägerin selbst trägt nicht vor‚ dass die Beklagte vor ihrem Antrag vom 21. Dezember 2016 mit dem von ihr behaupteten individuellen Anspruch auf nachträgliche Gutschrift von insgesamt 49‚4 Stunden auf ihrem Arbeitszeitkonto bereits konfrontiert gewesen wäre. Vorgerichtliche Erklärungen der Beklagten sind weder zu ihrem Anspruch noch zu den von der Arbeitnehmerschaft der BCB AG vor dem Arbeitsgericht München bekämpften Minusbuchungen ersichtlich. Auch die Berufung der Klägerin auf „etliche arbeitsgerichtliche Verfahren in den Jahren 2013 und 2014“ lässt nicht darauf schließen‚ dass sich die Beklagte etwa endgültig darauf festgelegt habe‚ entsprechende Begehren von Beamten abzulehnen: wie die Beklagte unwidersprochen vortragen lässt‚ handelte es sich bei den erwähnten Verfahren ausschließlich um Rechtsbeschwerdeverfahren gegenüber der BCB AG durch die sogenannte „Betriebsrätegemeinschaft“ im Hinblick auf die Anwendung und Durchführung von Betriebsvereinbarungen, die im Übrigen nach dem Hinweis des Bundesarbeitsgerichts auf die fehlende Befugnis der „Betriebsrätegemeinschaft“, individuelle Ansprüche geltend zu machen, für erledigt erklärt wurden. Daraus, dass die BCB AG dem Begehren der „Betriebsrätegemeinschaft“ entgegengetreten ist, konnte aber entgegen der Auffassung der Klägerseite nicht geschlossen werden‚ dass auch die mit der BCB AG nicht identische Beklagte unter keinen Umständen bereit sei‚ etwaige individuelle Forderungen von Beamten auf Rückgängigmachung der in den Jahren 2013 und 2014 erfolgten Minusbuchungen auf deren Widerspruch hin anzuerkennen. Soweit die Klägerseite hierzu vorträgt, die D. P. AG sei „in diese Verfahren durch die Zuweisungen von Beamten an ihr 100%iges Tochterunternehmen BCB AG zwangsläufig eingebunden“ gewesen, da „es nicht vorstellbar sei, dass die D. P. AG und damit die Beklagte hier nicht involviert“ gewesen sei, stellt sich dies als reine Spekulation dar. Auch 100%ige Tochtergesellschaften haben eine gegenüber der Muttergesellschaft selbständig agierende Führung, die eigenständig sowohl Tarifvertragsverhandlungen bestreitet und arbeitsgerichtliche Verfahren durchführt. Dafür, dass die D. P. AG die Rechtsauffassung der BCB AG offensichtlich geteilt, unterstützt oder gar vorgegeben hätte, liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor.
Angesichts dessen besteht kein Anlass, die Erhebung von Widersprüchen der betroffenen Beamten, die mit den Minusbuchungen nicht einverstanden waren, als sinnlose Förmelei zu bezeichnen.
Unabhängig davon verbietet sich die Annahme, die Durchführung des in § 126 Abs. 2 Satz 1 BBG vorgeschriebenen Widerspruchsverfahrens sei vorliegend ausnahmsweise entbehrlich, auch bereits deshalb, weil zumindest der damit ebenfalls verfolgte Zweck der Entlastung der Verwaltungsgerichte noch hätte erreicht werden können. Gerade in Fällen wie dem vorliegenden können durch zeitnah erhobene Widersprüche der Betroffenen etwaige, dem beamtenrechtlichen Treueverhältnis abträgliche, da überflüssige gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen Dienstherrn und Beamten vermieden werden. Die – zeitnahe – Einleitung der Widerspruchsverfahren hätte die Verjährung der vermeintlichen Ansprüche der Beamten auf Gutschrift der abgebuchten Arbeitszeiten gehemmt und Gelegenheit gegeben, eine rechtskräftige Entscheidung der für Fragen der Auslegung tarifvertraglicher Regelungen zuständigen Arbeitsgerichte in den von den Arbeitnehmern angestrengten Klageverfahren abzuwarten. Die Flut der kurz vor Ablauf der Verjährung eingelegten, nicht unerhebliche Kosten verursachenden Klagen der Beamten beim Verwaltungsgericht hätte damit vermieden werden können. Auch die Möglichkeit der Durchführung eines „Musterverfahrens“ durch Entscheidung nur über einen der Widersprüche wurde damit „verbaut“.
Entgegen der Auffassung der Klägerseite liegt auch ein vorbehaltloses Einlassen der Beklagten zur Sache im Klageverfahren, das ebenfalls ausnahmsweise die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens entbehrlich machen könnte, nicht vor. In ihrer Klageerwiderung hat die Beklagte vielmehr ausgeführt, dass sie die Klage auch mangels Durchführung des erforderlichen Widerspruchsverfahrens für unzulässig hält. Durch eine nur hilfsweise Einlassung zur Sache bringt die Behörde regelmäßig zum Ausdruck, dass sie den Beamten an der Durchführung des Widerspruchsverfahrens festhalten will (vgl. BVerwG, U.v. 30.10.2013 – 2 C 23.12 – juris Rn. 38).
bb) Ohne Erfolg bleibt der Einwand‚ das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen‚ die Klägerin habe ihr Recht‚ Widerspruch einzulegen‚ verwirkt.
Die Vorschriften des 8. Abschnitts des Verwaltungsgerichtsordnung über den Lauf der Widerspruchsfrist (§ 70 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 sowie § 58 Abs. 2 VwGO) finden zwar keine Anwendung auf Widersprüche von Beamten‚ die gemäß § 126 Abs. 2 Satz 1 BBG einer allgemeinen Leistungsklage oder einer Feststellungsklage aus dem Beamtenverhältnis vorgeschaltet sind. Denn der Lauf dieser Fristen wird nur durch die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts in Gang gesetzt. Die Nichtanwendbarkeit des § 70 VwGO bedeutet allerdings nicht‚ dass keinerlei Fristbindung für den Rechtsbehelf des Beamten eintritt oder dass gar ein Vorverfahren überhaupt entfällt (vgl. BVerwG‚ U.v. 13.11.1975 – II C 16.72 – juris Rn. 33). Vielmehr kann auch ein sog. Feststellungs- oder Leistungswiderspruch dann als verspätet verworfen werden, wenn der Beamte die Widerspruchsbefugnis verwirkt hat (BVerwG‚ U.v. 31.3.2011 – 2 A 3.09 – juris Rn. 21).
Der Einwand der Klägerin‚ das Verwaltungsgericht habe die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO unter Bezugnahme auf einzelne, völlig andere Streitgegenstände betreffende Entscheidungen bayerischer Verwaltungsgerichte strikt auf Rechte aus dem Beamtenrecht übertragen‚ trifft nicht zu. Der Entscheidung des Verwaltungsgerichts liegt vielmehr die gefestigte Rechtsprechung zugrunde‚ dass eine Verwirkung des Widerspruchsrechts nicht nur im sogenannten nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis im Baurecht in Betracht kommt‚ sondern dass auch im Beamtenrecht der Möglichkeit‚ gegen schlichthoheitliches Handeln des Dienstherrn Einwendungen anbringen zu können‚ eine Grenze durch den auch im öffentlichen Recht anwendbaren Grundsatz von Treu und Glauben gezogen ist (vgl. BVerwG‚ B.v. 4.6.2014 – 2 B 108.13 – juris Rn. 11; OVG SH‚ B.v. 2.8.2016 – 2 MB 16/16 – juris Rn. 19; ThürOVG‚ U.v. 28.6.2015 – 2 KO 31/16 – juris; NdsOVG‚ B.v. 6.12.2012 – 5 ME 258/12 – juris; BayVGH‚ B.v. 13.4.2010 – 3 ZB 08.1094 – juris).
Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen‚ dass im vorliegenden Einzelfall eine derartige Verwirkung eingetreten ist. Dies ist der Fall‚ wenn der Betroffene innerhalb eines längeren Zeitablaufs unter Verhältnissen untätig geblieben ist‚ unter denen vernünftigerweise etwas zur Wahrung des Rechts unternommen zu werden pflegt‚ so dass beim rechtlichen Gegner der Anschein erweckt worden ist‚ der Betroffene werde bezüglich des fraglichen Vorgangs nichts mehr unternehmen (BVerwG, B.v. 23.12.2015 – 2 B 40.14 – juris Rn. 21). Die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO bietet hierfür eine zeitliche Orientierung, ihre Einhaltung stellt aber keine Voraussetzung für die Zulässigkeit des Widerspruchs dar (BVerwG‚ B.v. 4.6.2014 – 2 B 108.13 – juris Rn. 11). Ab wann ein Untätigsein als vertrauensbildend und damit als für eine Verwirkung relevant gewertet werden kann, lässt sich letztlich nur durch Abwägung der konkreten Umstände des Einzelfalls ermitteln (BVerfG, B.v. 4.3.2008 – 2 BvR 2111/07 – juris Rn. 31).
Das Verwaltungsgericht hat hier zutreffend auf folgende Umstände abgestellt: Der Klägerin waren im Rahmen einer am 6. November 2012 durchgeführten allgemeinen Informationsveranstaltung genaue Kenntnisse über die auch für sie ab Januar 2013 geltenden Arbeitszeitregelungen vermittelt worden. Sie hat jedoch vier Jahre lang gegen den in der Zeit vom 1. Januar 2013 bis 31. August 2014 vorgenommenen arbeitstäglichen Zeitabzug von 10 Minuten überhaupt nichts unternommen‚ um ihre Rechte zu wahren. Dies konnte aber von ihr als Beamtin auch im Hinblick auf das beamtenrechtliche Dienst- und Treueverhältnis und die hieraus folgende grundsätzliche Obliegenheit zu zeitnaher Rechtsverfolgung zumutbarerweise verlangt werden (vgl. BVerwG‚ U.v. 3.12.2014 – 2 A 3.13 – juris Rn. 24). Sie kann nicht beanspruchen, über einen so langen Zeitraum gänzlich untätig zu sein, wenn ihr an der Verfolgung ihrer Interessen ernstlich gelegen ist. Im Hinblick darauf, dass bei gleitender Arbeitszeit ein Über- oder Unterschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit grundsätzlich innerhalb eines festzulegenden Abrechnungszeitraums von längstens zwölf Kalendermonaten auszugleichen ist (§ 3 Abs. 4 Satz 1 PBAZV) und nur bis zu 40 Stunden Zeitguthaben in den nächsten Abrechnungszeitraum übertragen werden dürfen (§ 3 Abs. 4 Satz 2 PBAZV), wäre bei vernünftiger Betrachtung zu erwarten gewesen‚ dass sich ein Beamter‚ der mit dem täglichen Zeitabzug von 10 Minuten nicht einverstanden war‚ spätestens bis zum Ablauf eines Jahres gegen diese seiner Meinung nach unrechtmäßige Handhabung zur Wehr setzt. Spätestens nach Ablauf eines Jahres durfte der Dienstherr daher grundsätzlich davon ausgehen‚ dass die betroffenen Beamten die Minusbuchungen hingenommen haben‚ wenn sie hiergegen nicht zeitnah die zur Verfügung stehenden rechtlichen Schritte unternommen haben. Das Verwaltungsgericht hat dabei die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO nicht – wie die Klägerin meint – strikt auf den vorliegenden Fall angewendet‚ sondern hat sie in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (s.o.) lediglich als zeitliche Orientierung herangezogen. Das ist auch unter Berücksichtigung des klägerischen Zulassungsvorbringens nicht zu beanstanden.
Der Einwand der Klägerin‚ es könne jedenfalls nicht davon ausgegangen werden‚ dass das Recht auf Einlegung eines Widerspruchs vorliegend exakt nach Ablauf eines Jahres nach Auslaufen der für die Minusbuchungen maßgeblichen Regelung verwirkt worden sei‚ verfängt nicht. Er lässt außer Acht, dass der Widerspruch tatsächlich erst viel später‚ nämlich etwa zweieinhalb Jahre nach der letzten Minusbuchung bei der Beklagten einging. Das Verwaltungsgericht ist daher jedenfalls im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen‚ dass die Beklagte Ende 2016 nicht mehr mit einem entsprechenden Widerspruch der Klägerin rechnen musste. Auch der Hinweis der Klägerin auf die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist beamtenrechtlicher Ansprüche führt nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Denn eine Verwirkung ist nicht schon immer dann ausgeschlossen‚ wenn der geltend gemachte Anspruch noch nicht verjährt ist (vgl. OVG NW‚ U.v. 27.4.2016 – 1 A 2310/14 – juris Rn. 96).
b) Die Rechtssache weist aus diesen Gründen keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
c) Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) hat die Klägerin nicht dargelegt. Um den auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen‚ muss der Rechtsmittelführer erstens eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren‚ zweitens ausführen‚ weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist‚ drittens erläutern‚ weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist‚ und viertens darlegen‚ weshalb ihr eine über die einzelfallbezogene Rechtsanwendung hinausgehende Bedeutung zukommt. Die einzige konkret formulierte, als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage‚ ob es sich bei den Regelungen im Änderungstarifvertrag um eine technische Regelung der Arbeitszeiterfassung oder um eine materiell-rechtliche Regelung im Hinblick auf die durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit handelt‚ ist für den vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich; angesichts der Unzulässigkeit der Klage würde sich diese Frage im Berufungsverfahren nicht stellen. Ausführungen zur Rechtmäßigkeit der erfolgten Minusbuchungen erübrigen sich daher ebenfalls.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47‚ § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).