Verwaltungsrecht

Erinnerung gegen Kostenfestsetzungsbeschluss

Aktenzeichen  M 17 M 18.30627

Datum:
6.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 31757
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 151, § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 2 S. 3, § 165
AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1
VV-RVG Nr. 7000 Nr. 2
GG Art. 3 Abs. 1
AsylG § 80, § 83b

 

Leitsatz

1. Ein Anspruch auf eine Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach Nr. 7002 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz besteht nur, wenn tatsächlich (notwendige) Aufwendungen im Rahmen des Prozessverfahrens seitens der Behörde stattgefunden haben. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Innerbehördliche Betriebs- und Personalkosten, d.h. allgemeine Geschäftskosten des Behördenbetriebs, sind keine Aufwendungen für tatsächlich entstandene Kosten für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen. Bei Behörden sind Generalkosten, die allgemein mit der Prozessführung verbunden sind, nicht zu erstatten. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
3. Auch eine Gebühr nach Nr. 7000 Nr. 2 VV RVG kann die Antragstellerin nicht geltend machen, weil sich juristische Personen des öffentlichen Rechts auf diese Dokumentenpauschale nicht berufen können. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Erinnerungsverfahrens.

Gründe

I.
Mit Urteil vom 29. August 2017 (M 17 K 16.35669) hat das Verwaltungsgericht München den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 15. November 2016 in Nr. 4 aufgehoben und die Antragstellerin verpflichtet, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistans vorliegen. Die Kosten hat das Gericht zu 3/4 dem Antragsgegner und zu 1/4 der Antragstellerin auferlegt. Im Klageverfahren hat das Bundesamt lediglich die elektronische Asylakte übermittelt, sich aber ansonsten nicht geäußert.
Auf Kostenfestsetzungsantrag des Antragsgegners erging am 16. Januar 2018 Kostenfestsetzungsbeschluss, in dem die dem Antragsgegner zu erstattenden Aufwendungen auf 231,31 € festgesetzt wurden. Aufwendungen der Antragstellerin wurden trotz entsprechendem Kostenausgleichsantrag nicht angesetzt, da diese nicht erstattungsfähig seien. Hiergegen beantragte die Antragstellerin am 24. Januar 2018 die Entscheidung des Gerichts. Es sei die beantragte Postpauschale entsprechend § 162 Abs. 2 Satz 3 VwGO in Höhe von 20,- € zu berücksichtigen. Auch die elektronische Bearbeitung von Verwaltungsvorgängen verursache Ausgaben/Kosten (Gehalt der Mitarbeiter, technische Ausstattung, Sachausgaben, Miete, Anschaffung, Strom etc.) und auch die Übersendung des Prozesskostenausgleichs, der Erinnerung und der Stellungnahme seien postalisch erfolgt, sodass Porti entstanden seien. Auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts München vom 11. Juli 2017, mit der ein Kostenfestsetzungsbeschluss aufgrund der Erinnerung der Antragstellerin aufgehoben worden sei, werde verwiesen. Auch seien in jüngster Zeit in nicht unerheblicher Zahl vom Verwaltungsgericht München die Prozessaufwendungen wie beantragt bei der Berechnung im Kostenfestsetzungsbeschluss berücksichtigt worden. Die Pauschale gemäß 7002 VV RVG sei regelmäßig und – wie schon der Begriff „Pauschale“ aussage – ohne Überprüfung des konkreten Aufwands bzw. ohne Einzelnachweis zu gewähren, was im Übrigen bei derartigen Kleinbeträgen der gegenseitigen Arbeitserleichterung und der kostenmäßigen Aufwandsminimierung diene. Für den Fall, dass alle Seiten schon am elektronischen Datenaustausch mit elektronischer Signatur (EGVP) teilnähmen, was bundesweit bisher so gut wie nie der Fall sei, werde hilfsweise eine Gebühr nach Nr. 7000 Ziffer 2 VV RVG für die Überlassung von elektronisch gespeicherten Daten maximal in Höhe der Dokumentenpauschale geltend gemacht. Einzig das Verwaltungsgericht München – und dort auch nicht alle Urkundsbeamten – verlange einen erheblichen Begründungsaufwand für die Anerkennung einer banalen Postpauschale.
Der Urkundsbeamte half dem Antrag nicht ab. Zur Begründung verwies er auf entsprechende Beschlüsse des Verwaltungsgerichts München (M 24 M 17.46144, M 19 M 17.49875, M 17 M 17.47881). Bei den von der Antragstellerin in Bezug genommenen Beschlüssen des Verwaltungsgerichts handele es sich um Kostenfestsetzungsbeschlüsse, die vor konkreter Auseinandersetzung mit der Postpauschalenproblematik bzw. vor entsprechender richterlicher Entscheidung ergangen seien.
Mit Schreiben vom 15 Februar 2018 vertiefte die Antragstellerin ihr Vorbringen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren und im Verfahren M 17 K 16.35669 verwiesen.
II.
Zur Entscheidung über die vorliegende Kostenerinnerung ist im Rahmen der Annexzuständigkeit der auch für die Hauptsache zuständige Einzelrichter berufen, der die Kostengrundentscheidung getroffen hat (vgl. BVerwG, B.v. 14.2.1996 – 11 VR 40/95 – juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 03.12.2003 – 1 N 01.1845 – juris Rn. 9 ff.).
1. Die Kostenerinnerung ist zulässig, insbesondere wurde sie innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Kostenfestsetzungsbeschlusses erhoben (§§ 165, 151 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
2. Die Erinnerung ist jedoch unbegründet. Der Urkundsbeamte hat die Festsetzung der Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen i.H.v. 20,- € zu Recht abgelehnt.
2.1 Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf eine Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach Nr. 7002 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV RVG). Nach § 162 Abs. 2 Satz 3 VwGO können Behörden den Höchstsatz der Pauschale nur „an Stelle ihrer tatsächlich notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen“ fordern. Auch nach Nr. 7002 Abs. 1 VV RVG besteht der Anspruch auf die erhöhte Pauschale nur „an Stelle der tatsächlichen Auslagen nach Nummer 7001“. Der nach § 162 Abs. 2 Satz 3 VwGO zugunsten der Behörde vorgesehene Rückgriff auf die Geltendmachung eines Pauschhöchstbetrages als Auslagenersatz anstelle der Geltendmachung und des Nachweises der Einzelauslagen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen ändert nichts an der Tatsache, dass für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen tatsächlich (notwendige) Aufwendungen im Rahmen des Prozessverfahrens seitens der Behörde stattgefunden haben müssen. Die Behörde wird lediglich von der Verpflichtung, Einzelnachweise für die jeweiligen Aufwendungen zu erbringen, entbunden (vgl. a. VG München, B.v. 19.1.2018 – M 17 M 17.70175; B.v. 9.1.2018 – M 17 M 17.47881; B.v. 4.1.2018 – M 24 M 17.48673 m.w.N.).
Das Bundesamt hatte hier aber mangels Äußerung im Klageverfahren keine Aufwendungen oder Auslagen, insbesondere wurde die Behördenakte des Bundesamts nicht mithilfe eines Postdienstleisters (unter Entgeltaufwendung) an das Gericht übermittelt. Eine Übersendung der Kostennote im Klageverfahren kann einen Anspruch auf Festsetzung der Pauschale ebenso wenig begründen wie der Antrag auf Entscheidung des Gerichts im Erinnerungsverfahren. Denn gemäß § 162 Abs. 1 VwGO müssen die Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig gewesen sein. Die Beschränkung auf die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung bewirkt, dass die Aufwendungen während des eigentlichen Prozessverfahrens, hier also des Klageverfahrens, angefallen sein müssen (vgl. a. VG München, B.v. 19.1.2018 – M 17 M 17.70175; B.v. 9.1.2018 – M 17 M 17.47881; B.v. 4.1.2018 – M 24 M 17.48673). Innerbehördliche Betriebs- und Personalkosten, d.h. allgemeine Geschäftskosten des Behördenbetriebs, sind keine Aufwendungen für tatsächlich entstandene Kosten für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen. Bei Behörden sind Generalkosten, die allgemein mit der Prozessführung verbunden sind, nicht zu erstatten (vgl. z.B. VG München, B.v. 19.1.2018 – M 17 M 17.70175; B.v. 9.1.2018 – M 17 M 17.47881; B.v. 4.1.2018 – M 24 M 17.48673; Schmidt in Eyermann, VwGO, Kommentar 14. Aufl. 2014, § 162 Rn. 7; Gerold/Schmidt, RVG Kommentar, 23. Auflage, Vorb. 7 VV RVG Rn. 10).
2.2 Auch eine Gebühr nach Nr. 7000 Nr. 2 VV RVG kann die Antragstellerin nicht geltend machen, weil sich juristische Personen des öffentlichen Rechts auf diese Dokumentenpauschale nicht berufen können (vgl. § 1 RVG; VG München, B.v. 19.1.2018 – M 17 M 17.70175; B.v. 9.1.2018 – M 17 M 17.47881; B.v. 2.1.2018 – M 19 M 17.49875; SG Fulda, B.v. 4.4.2016 – S 4 SF 45/15 E – juris Rn. 18).
2.3 Die Antragstellerin kann ihre Erinnerung auch nicht darauf stützen, dass gegebenenfalls andere Kostenbeamte des Verwaltungsgerichts die Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen festgesetzt haben, da es im Rahmen des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 GG keine Gleichheit im Unrecht gibt. Die rechtskonforme Handhabung einer Vorschrift für die Zukunft verletzt keine schützenswerte, das Vertrauen auf ihren Bestand rechtfertigende Rechtsposition des Betroffenen (vgl. VG München, B.v. 18.1.2018 – M 17 M 17.46968 m.w.N.).
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar (vgl. VGH BW, B.v. 28.2.2017 – A 2 S 271/17 – juris Rn. 3).

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen