Aktenzeichen 4 C 19.1345
VwGO § 40 Abs. 1 S. 1
BayVwVfG Art. 57
Leitsatz
Solange der Wille, in einer privatrechtlichen Handlungsform zu agieren, nicht besonders in Erscheinung tritt, besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sich ein Träger öffentlicher Verwaltung in seinem Aufgabenbereich der für das Verwaltungshandeln besonders zugeschnittenen öffentlichen Rechtsformen bedient. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
W 2 K 18.1599 2019-06-07 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg
Tenor
I. Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 7. Juni 2019 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Die weitere Beschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
In dem beim Verwaltungsgericht Würzburg anhängigen Ausgangsverfahren begehrt die Klägerin eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Betrags von 76.158,73 Euro für anteilige Abschreibungen an einer gemeindlichen Kläranlage im Jahr 2013. Sie beruft sich auf eine zwischen der (damals noch selbständigen) Gemeinde Rieden und der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1970 abgeschlossene und im Jahr 1973 ergänzte Vereinbarung, die den Anschluss einer Rastanlage an der BAB 7 an die Kläranlage der Gemeinde mit verschiedenen Kostenregelungen zum Gegenstand hatte. Zwar sei die Beklagte wohl nicht Rechtsnachfolgerin der Bundesrepublik Deutschland, sie habe aber seit der Betriebsübernahme im Jahr 1999 stets die sich aus der genannten Vereinbarung ergebenden Verpflichtungen faktisch anerkannt. Dadurch sei ein faktisches Dauerschuldverhältnis mit dem Inhalt einer über mehrere Jahrzehnte außerhalb eines satzungsmäßigen Einleitungsverhältnisses erfolgten Abnahme und Reinigung der Abwässer der Rastanlage entstanden, das auch über den Zeitpunkt der Inbetriebnahme der mittlerweile neu errichteten Kläranlage hinaus gelte.
Die Beklagte rügte die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs und beantragte, den Rechtsstreit an das Landgericht Bonn zu verweisen.
Mit Beschluss vom 7. Juni 2019 erklärte das Verwaltungsgericht Würzburg den Rechtsweg zum Verwaltungsgericht für zulässig.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der am 15. Juli 2019 eingelegten, trotz nachfolgender Akteneinsicht nicht näher begründeten Beschwerde.
II.
1. Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 7. Juni 2019 ist nach § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG i. V. m. § 146 Abs. 1, § 147 VwGO zulässig, aber unbegründet.
Für die von der Klägerin erhobene Zahlungsklage ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, da das hierfür als Rechtsgrundlage angeführte „faktische Dauerschuldverhältnis“, mit dessen Vollzug die aus der öffentlich-rechtlichen Vereinbarung vom 21./30. Mai 1970 bzw. vom 28. März/11. Mai 1973 folgenden Verpflichtungen von der Beklagten anerkannt worden seien, im Falle seines Bestehens ebenfalls als öffentlich-rechtlich angesehen werden muss.
Die Klägerin besitzt zwar grundsätzlich die Wahlfreiheit, in welcher Form sie die ihr übertragene Pflichtaufgabe der Abnahme und Beseitigung des in ihrem Gemeindegebiet anfallenden Abwassers (Art. 34 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 BayWG) erfüllen will. Es ist aber nicht ersichtlich, dass sie sich gegenüber der Beklagten bzw. dem Bund als deren Rechtsvorgänger – anders als gegenüber allen anderen im Gemeindegebiet ansässigen Einleitern – privatrechtlicher Mittel hätte bedienen wollen. Die von der Gemeinde Rieden seinerzeit mit dem Bund getroffenen Vereinbarungen zielten auf die Begründung eines Rechtsverhältnisses auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts (BayVGH, B.v. 5.5.2014 – 4 C 14.449 – juris Rn. 12 ff.). Dass sich an dieser Zuordnung in der Folgezeit etwas geändert haben könnte, kann schon mangels diesbezüglicher Anhaltspunkte nicht angenommen werden, zumal es ersichtlich an einer entsprechenden Erklärung des nach Art. 29 GO zuständigen Gemeindesrats fehlt. Solange der Wille, in einer privatrechtlichen Handlungsform zu agieren, nicht besonders in Erscheinung tritt, besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sich ein Träger öffentlicher Verwaltung in seinem Aufgabenbereich der für das Verwaltungshandeln besonders zugeschnittenen öffentlichen Rechtsformen bedient (so bereits BGH, U.v. 20.12.1951 – IV ZR 163/50 – NJW 1952, 466 ff.; VGH BW, U.v. 8.5.1978 – I 1383/75 – NJW 1979, 1900/1901; vgl. auch Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 40 Rn. 45; Ehlers/Schneider in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Februar 2019, § 40 Rn. 256 ff.; jeweils m.w.N.). Dem steht auch nicht entgegen, dass das von der Klägerin geltend gemachte faktische Dauerschuldverhältnis an dem gesetzlichen Schriftformerfordernis des Art. 57 BayVwVfG scheitern könnte (vgl. BayVGH, B.v. 13.8.2019 – 4 CE 19.1436 – juris Rn. 4 f.). Denn dieses ist zwar Wirksamkeitsvoraussetzung des öffentlichen-rechtlichen Vertrags, nicht jedoch dessen begriffliche Voraussetzung (Bonk/Neumann/Siegel in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 54 Rn. 24 m.w.N.).
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts bedarf es im Hinblick auf den in Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zu § 3 GKG genannten Festbetrag nicht. Der Gegenstandswert wird nach § 33 Abs. 1 RVG nur auf Antrag festgesetzt.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG liegen nicht vor.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.