Aktenzeichen 1 ZB 14.1681
BayBO Art. 56 S. 1 Nr. 1, Art. 57 Abs. 1 Nr. 1c, Art. 76 S. 1
WHG § 39 Abs. 1, § 67 Abs. 2 S. 1
Leitsatz
Eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB setzt voraus, dass das Vorhaben auch im Außenbereich ausgeführt werden „soll“. Angesichts der beträchtlichen Größe eines geplanten Fischerhauses ist eine Darlegung erforderlich, inwiefern sich die Größe aus den konkreten Erfordernissen einer ordnungsgemäßen Jagdausübung rechtfertigt. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 11 K 13.4472 u.a. 2014-03-27 Urt VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Die Anträge werden abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 123.000 Euro festgesetzt.
Gründe
Die gegen die Beseitigungsanordnung (1.) und gegen die Duldungsanordnung (2.) gerichteten Anträge haben keinen Erfolg.
1. Die vom Kläger zu 1 gegen die Beseitigungsanordnung geltend gemachten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel) und § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten) sind nicht hinreichend dargelegt oder liegen nicht vor.
1.1 An der Richtigkeit des insoweit angegriffenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils liegen vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v.10.3.2004 – 7 AV 4/03 – DVBl 2004, 838). Die diesbezügliche Darlegung erfordert eine substantiierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, durch die der Streitstoff entsprechend durchdrungen und aufbereitet wird. Der Kläger muss sich mit den Argumenten, die das Verwaltungsgericht für die angegriffene Rechtsauffassung oder Sachverhaltsfeststellung und -würdigung angeführt hat, inhaltlich auseinandersetzen und aufzeigen, warum sie aus seiner Sicht nicht tragfähig sind (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Auflage, § 124a RdNr. 59, 63). Das ist nicht der Fall.
Der Kläger wendet sich gegen die nach Art. 76 Satz 1 BayBO angeordnete Beseitigung eines Bootshauses, eines Fischerhauses, von Stützmauern und sonstigen Anlagen. Die hiergegen vom Kläger vorgebrachten Einwände beschränken sich vorwiegend auf eine Kritik des Urteils, ohne sich inhaltlich mit dem Urteil auseinanderzusetzen.
1.1.1 Die Zulassungsbegründung legt nicht hinreichend substantiiert dar, dass das Fischerhaus, das Bootshaus und die Stützmauern nach § 35 BauGB genehmigungsfähig sind.
Das Verwaltungsgericht ist von der Baugenehmigungspflicht der Vorhaben ausgegangen, weil es die verfahrensfreie Errichtung des Fischer- und Bootshauses nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1a und c BayBO und im Hinblick auf die Stützmauern einen Vorrang eines wasserrechtlichen Gestattungsverfahrens nach Art. 56 Satz 1 Nr. 1 BayBO verneint hat. Es hat die bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit der beiden Gebäude und der Stützmauern nach § 35 BauGB, insbesondere mangels Vorliegens eines Privilegierungstatbestandes, festgestellt. Im Hinblick auf die vom Kläger vorgebrachte fischereiwirtschaftliche Nutzung hat das Gericht eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB aufgrund des insoweit unsubstantiierten klägerischen Vortrags abgelehnt. Zudem hat es seine Annahme darauf gestützt, dass sowohl das Fischerhaus als auch das Bootshaus in Anbetracht ihrer Größe nicht dem landwirtschaftlichen Betrieb im Sinn von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB „dienen“. Ebenso hat es die von der Rechtsprechung geforderten Voraussetzungen für eine Privilegierung des Fischerhauses als Jagdhütte nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB für nicht gegeben erachtet.
Die auch in der Zulassungsbegründung insoweit nur pauschal vorgetragene Behauptung des Klägers, die beabsichtigte fischereiwirtschaftliche Nutzung sei ausreichend, um die Voraussetzungen der berufsmäßigen Binnenfischerei im Sinn des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB zu erfüllen, genügt bereits nicht den Anforderungen an eine hinreichende Darlegung.
Daher kommt es auf die Frage, ob das Fischer- und Bootshaus dem fischereiwirtschaftlichen Betrieb dienen, sowie auf die Einlassungen des Klägers, die Dimensionierung des Fischerhauses entspreche entgegen der vom Verwaltungsgericht verwendeten Stellungnahme des Fischereifachberaters den heutigen Anforderungen aus fischereiwirtschaftlicher Sicht, nicht entscheidungserheblich an. Unabhängig hiervon ist die Auffassung des Verwaltungsgerichts, das Fischerhaus diene in Anbetracht seiner Größe nicht einem – unterstellten – fischereiwirtschaftlichen Betrieb, nicht zu beanstanden. Im Rahmen der Auslegung des Tatbestandmerkmals des „Dienens“ ist darauf abzustellen, ob ein vernünftiger Landwirt – auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs – das Vorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde (vgl. BVerwG, U. v. 19.6.1991 – 4 C 11.89 – BauR 1991, 579). Davon kann hier nicht die Rede sein. Es ist nicht nachvollziehbar, inwiefern ein Grundflächenbedarf von 106m² (Fischerhaus ohne Terrasse) und 51m² (Bootshaus) für die vorgetragene fischereiwirtschaftliche Nutzung erforderlich ist. Dies gilt umso mehr, als auch die ebenfalls vom Kläger nur unsubstantiiert angegriffene Stellungnahme des Fischereifachberaters eine Größe von höchstens 40m² für zu Fischereizwecken genutzte Gebäude als ausreichend und angemessen hält.
Zudem legt der Kläger weder die jagdwirtschaftliche Nutzung näher dar noch setzt er sich mit den vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Anforderungen für eine Privilegierung von Jagdhütten hinsichtlich der Größe des Fischerhauses ausreichend auseinander. Nach der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung können Jagdhütten privilegiert sein, wenn es sich bei ihnen um einen möglichst einfachen Bau handelt, dessen Errichtung, örtliche Lage, Größe und äußere Gestaltung, innere Einteilung und innere Ausstattung ausschließlich unter Gesichtspunkten auszurichten sind, die sich allein aus den konkreten Erfordernissen einer ordnungsgemäßen Jagdausübung ergeben (BVerwG, U.v. 10.12.1982 – 4 C 52/78 – NVwZ 1983, 472). Hierzu stellt der Kläger lediglich pauschal darauf ab, das Fischerhaus sei für jagd- und fischereiwirtschaftliche Zwecke passgenau konzipiert und ausgeführt, ohne dies zu konkretisieren. Angesichts der beträchtlichen Größe des Fischerhauses wäre aber eine Darlegung des Klägers, inwiefern sich die Größe des Fischerhauses aus den konkreten Erfordernissen einer ordnungsgemäßen Jagdausübung rechtfertigt, erforderlich gewesen. Im Übrigen verkennt der Kläger, dass dem Vorhaben bereits durch seine Größe eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB abzusprechen ist. Eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB setzt voraus, dass das Vorhaben auch im Außenbereich ausgeführt werden „soll“ (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.1994 – 4 C 20.93 – BVerwGE 96, 95; U.v. 14.3.1975 – IV C 41.73 – BVerwGE 48, 109). Das ist vom Kläger bereits nicht dargetan und im Übrigen nicht der Fall.
Soweit der Kläger mit seinen Ausführungen zugleich auch die verfahrensfreie Errichtung des Fischer- und Bootshauses nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1c BayBO behauptet, genügen sie aus den obigen Erwägungen bereits nicht den Darlegungsanforderungen.
Zu den Stützmauern wendet der Kläger nur pauschal ein, dass sie entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts als sonstige an Gewässern befindliche eigenständige Anlagen keiner Baugenehmigung nach Art. 56 Satz 1 Nr. 1 BayBO bedürften, weil es sich insoweit um Anlagen handele, die dem Gewässerausbau dienten. Inwiefern von einem Gewässerausbau auszugehen ist, legt der Kläger indes nicht dar. Ungeachtet der nicht hinreichenden Darlegung eines Gewässerausbaus, setzt sich der Zulassungsantrag mit dem angegriffenen Urteil nicht ausreichend auseinander. Denn das klägerische Vorbringen geht weder auf die Frage der Genehmigungsfähigkeit der Stützmauern ein, noch greift es die Feststellung des Verwaltungsgerichts an, dass die Stützmauern den bauplanungsrechtlichen Vorschriften widersprechen. Auch soweit die Stützmauern als Gewässerausbaumaßnahmen nach § 67 Abs. 2 Satz 1 WHG qualifiziert werden würden mit der Folge eines Entfallens der Baugenehmigungsbedürftigkeit nach Art. 56 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 BayBO, müsste das Bauplanungsrecht (als sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften) nach § 68 Abs. 3 Nr. 2 Halbs. 2 WHG eingehalten werden. Soweit der Kläger darauf abstellt, dass es sich bei den Stützmauern letztlich um Gewässerunterhaltungsmaßnahmen (§ 39 Abs. 1 WHG) handele, steht sein Vortrag bereits in Widerspruch zu seinen eigenen Ausführungen. Im Übrigen wären aber in diesem Fall die Stützmauern nach dem Wasserrecht nicht zulassungspflichtig, sodass der Vorrang eines wasserrechtlichen Gestattungsverfahrens nach Art. 56 Satz 1 Nr. 1 BayBO nicht greifen und damit wiederrum die Baugenehmigungspflicht eintreten würde (vgl. Dhom in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Stand Januar 2016, Art. 56 Rn. 13).
Soweit der Kläger im Übrigen beanstandet, das Verwaltungsgericht sei bei den Stützmauern unzutreffend von unselbständigen Bestandteilen ausgegangen, verkennt er, dass das Verwaltungsgericht die Stützmauern als eigenständige Vorhaben geprüft hat.
1.1.2 Im Hinblick auf die sonstigen Anlagen vermag der Zulassungsantrag unabhängig von der Frage der ausreichenden Darlegung ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung nicht begründen. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass es sich bei den sonstigen Anlagen um Gewässerausbaumaßnahmen im Sinn von § 67 Abs. 2 Satz 1 WHG handelt und ihre nachträgliche Legalisierung wegen einer Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit nach § 68 Abs. 3 Satz 1 WHG ausscheidet.
Hierzu trägt der Kläger ausschließlich vor, das Verwaltungsgericht habe bei der Qualifizierung der sonstigen Anlagen als Gewässerausbaumaßnahmen das klägerische Sachverständigengutachten nicht ausreichend berücksichtigt. Soweit die im Gutachten als Unterhaltungsmaßnahmen eingeordneten Anlagen nicht bereits vom Bescheid ausgenommen worden sind (vgl. Klammerzusatz in Nummer 2a des Bescheides), verweist der Zulassungsantrag auf die wiederrum nicht näher begründete Einschätzung des klägerischen Sachverständigengutachters. Jedenfalls kommt es aber auf die Qualifizierung als Gewässerausbau- oder Gewässerunterhaltungsmaßnahmen nicht entscheidungserheblich an. Denn selbst wenn man zugrunde legen würde, dass es sich bei den sonstigen Anlagen um Unterhaltungsmaßnahmen im Sinn von § 39 Abs. 1 WHG handeln würde, würden diese nicht den Anforderungen nach § 39 Abs. 2 Satz 3 WHG entsprechen. Aus der überzeugenden naturschutzfachlichen Stellungnahme des Landratsamtes vom 7. Dezember 2011 ergibt sich, dass durch die Maßnahmen die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes und das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigt werden. Die naturschutzrechtliche Stellungnahme wird vom Kläger auch nicht ernstlich in Frage gestellt. Sein Argument, sie sei aus Gründen des Hochwasserschutzes nicht haltbar, geht dabei ins Leere, weil die Anlagen, die nach dem klägerischen Gutachten dem Hochwasserschutz dienen, gerade vom Bescheid ausgenommen sind.
Aus obigen Erwägungen kann das klägerische Vorbringen auch nicht die Auffassung des Verwaltungsgerichts erschüttern, einer nachträglichen Legalisierung der sonstigen Anlagen stünde eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit nach § 68 Abs. 3 Satz 1 WHG entgegen.
Schließlich ist die angeordnete Beseitigung der sonstigen Anlagen hinreichend bestimmt. Das Fehlen von Fotos oder anderen Unterlagen von dem ursprünglichen Zustand ist unerheblich, weil der Bescheid nur eine Rückbauverpflichtung vorsieht, nicht hingegen die Herstellung des ursprünglichen Zustandes. Insoweit enthält der Bescheid (Hinweis 1) eine entsprechende Klarstellung. Im Übrigen hat der Kläger mit seinem eigenmächtigen Handeln selbst bewirkt, dass keine Dokumentation des vorherigen Zustands vorliegt.
1.2 Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich zugleich, dass die Rechtssache keine besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweist, die eine Zulassung der Berufung erforderlich machen würden.
1.3 Soweit zu Gunsten des Klägers unterstellt werden kann, dass er mit seinen Ausführungen zur Verwendung einer unbekannten telefonischen Ergänzung der Stellungnahme des Fischereifachberaters durch das Verwaltungsgericht einen Verfahrensmangel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO geltend macht, verkennt der Kläger, dass die im Urteil des Verwaltungsgerichts genannte Ergänzung aus dem Jahr 2012 stammt, Bestandteil des behördlichen Verfahrensakts (Bl. 33) ist und nicht durch das Verwaltungsgericht eingeholt wurde. Ebenso ist im Hinblick auf den klägerischen Vortrag, das Verwaltungsgericht hätte prüfen müssen, ob die Errichtung der Stützmauern eine wesentliche Umgestaltungsmaßnahme im Sinn eines Gewässerausbaus oder lediglich eine Unterhaltungsmaßnahme darstelle, kein Verfahrensfehler zu erkennen. Insoweit fehlt es bereits an einer hinreichenden Substanziierung des Vorbringens. Die anwaltlich vertretenen Kläger haben vor dem Verwaltungsgericht keinen Beweisantrag mit dem Inhalt der Klärung dieser Frage durch einen Sachverständigen gestellt. Es wäre daher ihre Obliegenheit gewesen, im Zulassungsantrag näher darzulegen, warum sich dem Gericht ein entsprechender Aufklärungsbedarf hätte aufdrängen müssen.
2. Im Hinblick auf die Duldungsanordnung ist der Zulassungsantrag der Klägerin zu 2 bereits unzulässig, da er insoweit weder einen Zulassungsgrund nennt noch anderes Vorbringen enthält.
Die Kläger haben die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen, weil ihr Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 39 Abs. 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 sowie § 52 Abs. 2 GKG und entspricht den vom Verwaltungsgericht festgesetzten Beträgen.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).