Aktenzeichen 6 ZB 19.1904
BayKAG Art. 5 Abs. 1 S. 3, Art. 19 Abs. 7, Abs. 8
Leitsatz
Ein Anspruch auf Vollzugsfolgenbeseitigung kommt in Betracht, wenn der durch den angefochtenen Bescheid festgesetzte Straßenausbaubeitrag bezahlt wurde. Vor seiner Geltendmachung als Annexantrag bedarf es nicht der vorherigen Durchführung eines Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahrens. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
AN 3 K 19.10 2019-07-31 Urt VGANSBACH VG Ansbach
Tenor
I. Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 31. Juli 2019 – AN 3 K 19.00010 – in seinem stattgebenden Teil wird abgelehnt.
II. Auf den Antrag des Klägers wird die Berufung gegen dieses Urteil in seinem klageabweisenden Teil zugelassen.
III. Die Beklagte hat die Kosten ihres Zulassungsverfahrens zu tragen.
IV. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren der Beklagten wird auf 4.533,20 € festgesetzt.
Gründe
Die wechselseitigen Anträge auf Zulassung der Berufung, mit denen der Kläger und die Beklagte das verwaltungsgerichtliche Urteil jeweils in dem sie beschwerenden Teil angreifen, sind zulässig. In der Sache hat aber nur derjenige des Klägers Erfolg.
1. Der Kläger wurde von der beklagten Stadt für den Ausbau der C …Straße zu einem Beitrag in Höhe von zuletzt 4.533,20 € herangezogen und unter Anrechnung einer Vorauszahlung von 3.406,00 € zur Zahlung des Restbetrags aufgefordert (Bescheid vom 29.1.2013 und Teilabhilfebescheid vom 4.5.2016). Hiergegen hat er Klage erhoben und beantragt, die Bescheide (und den im Verlauf des Klageverfahrens ergangenen Widerspruchsbescheid) aufzuheben und den von ihm bereits gezahlten Beitrag in Höhe von 4.533,20 nebst Zinsen in Höhe von 6% ab dem 24. April 2010 aus einem Betrag von 3.406,00 € und ab dem 29. Februar 2013 aus weiteren 1.127,20 € zu erstatten.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 31. Juli 2019 teilweise stattgegeben. Auf die Anfechtungsklage hat es die Bescheide in vollem Umfang mit der Begründung aufgehoben, die sachlichen Beitragspflichten seien noch nicht entstanden, weil es an dem nach der Ausbaubeitragssatzung vom 27. Januar 2003 dazu erforderlichen Erwerb des Eigentums an den für die Straßenbaumaßnahme benötigten Grundflächen fehle. Die Klage auf Rückzahlung des vom Kläger bereits geleisteten Straßenausbaubeitrags hat es hingegen abgewiesen; sie sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, weil der Kläger keinen entsprechenden Rückzahlungsantrag bei der Beklagten gestellt habe.
2. Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil in seinem stattgebenden Teil ist unbegründet. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.
Die Beklagte beruft sich – innerhalb der Antragsbegründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO – darauf, dass sie ihre Ausbaubeitragssatzung inzwischen geändert habe und dass mit dem Inkrafttreten der Änderungssatzung vom 12. September 2019 rückwirkend zum 1. Januar 2013 der Grunderwerb keine Voraussetzung mehr für das Entstehen der sachlichen Beitragspflichten bilde. Das führt nicht zur Zulassung der Berufung. Zwar kann im Beitragsrecht eine nachträgliche Änderung der Rechtslage unter Umständen zu berücksichtigen sein und in diesem Rahmen im Zulassungsverfahren geltend gemacht werden (etwa BayVGH, B.v. 1.10.2018 – 6 ZB 18.1466 – juris Rn. 13 m.w.N.). Die Änderungssatzung vom 12. September 2019 ist jedoch unwirksam und deshalb von vornherein ungeeignet, den vom Verwaltungsgericht für rechtswidrig erachteten Beitragsbescheid zu heilen.
Denn durch das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 26. Juni 2018 (GVBl S. 449) wurde rückwirkend zum 1. Januar 2018 die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen verboten (Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG n.F.). Das schließt den Erlass von entsprechenden Beitragssatzungen aus; entgegenstehendes Satzungsrecht wird unwirksam (vgl. LT-Drs. 17/21586 S. 7). Zwar verbleibt es für Beiträge und für Vorauszahlungen, die – wie hier – bis zum 31. Dezember 2017 durch Bescheid festgesetzt worden sind, nach Maßgabe der Übergangsvorschriften in Art. 19 Abs. 7 und 8 KAG bei der früheren, bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Rechtslage, die sich aus dem Kommunalabgabengesetz selbst und dem auf seiner Grundlage wirksam erlassenen gemeindlichen Satzungsrecht ergibt. Die Übergangsvorschriften ermächtigen die Gemeinden jedoch nicht, wie der Senat bereits entschieden hat, nach dem Stichtag 1. Januar 2018 ihr bis zum 31. Dezember 2017 geltendes Satzungsrecht nachträglich zu ändern (BayVGH, B.v. 1.10.2018 – 6 ZB 18.1466 – juris Rn. 15). Beitragsausfälle, die den Gemeinden durch den Wegfall der nach früherer Gesetzeslage bestehenden Heilungsmöglichkeiten entstehen, sind den Gemeinden unter den Voraussetzungen des Art. 19 Abs. 9 KAG vom Freistaat Bayern zu erstatten.
3. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist begründet. Es bestehen ernstliche Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 VwGO an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, soweit es die mit der Anfechtungsklage verbundene (Leistungs-)Klage auf Rückzahlung des bereits geleisteten Beitrags mangels Rechtsschutzbedürfnisses für unzulässig erachtet und abgewiesen hat.
Gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann gleichzeitig mit der Aufhebung des rechtswidrigen Verwaltungsakts ausgesprochen werden, dass und wie dessen Vollziehung rückgängig gemacht wird. Ein solcher mit der Klage ausdrücklich verfolgter Anspruch auf Vollzugsfolgenbeseitigung kommt in Betracht, weil der Kläger den durch den angefochtenen Bescheid festgesetzten Straßenausbaubeitrag bezahlt hat; der Verwaltungsakt ist damit im Sinn von § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO „vollzogen”. Vor seiner Geltendmachung als Annexantrag bedarf es nicht der vorherigen Durchführung eines Verwaltungs- oder gar Widerspruchsverfahrens. Zwar fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn die Behörde eindeutig zu erkennen gibt, dass sie bei einem Erfolg der Anfechtungsklage die zugleich begehrte Leistung gewähren wird (vgl. etwa Knauff in Gärditz, VwGO, 2.Aufl. 2018, § 113 Rn. 92 zum vergleichbaren Fall des § 113 Abs. 4 VwGO). Davon kann indes aus den vom Kläger angeführten Gründen jedenfalls nicht ohne weiteres ausgegangen werden.
4. Die Beklagte hat nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten ihres ohne Erfolg gebliebenen Zulassungsverfahrens zu tragen. Die Streitwertfestsetzung beruht insoweit auf § 47, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG. Soweit die Berufung des Klägers zugelassen wurde, bleibt die Kostenentscheidung der Endentscheidung vorbehalten, weil das Zulassungsverfahren insoweit als Berufungsverfahren fortgesetzt wird (§ 124a Abs. 5 Satz 5 VwGO).
Soweit der Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt wird, ist dieser Beschluss unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts in diesem Umfang rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
Soweit die Berufung des Klägers zugelassen wurde, gilt folgende
Belehrung:
Das Verfahren wird als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht. Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Wegen der Verpflichtung, sich im Berufungsverfahren vertreten zu lassen, wird auf die Rechtsmittelbelehrungder angefochtenen Entscheidung verwiesen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.