Verwaltungsrecht

Erstattung von Ausbildungskosten von Zeitsoldaten nach Kriegsdienstverweigerung

Aktenzeichen  6 ZB 18.1446

Datum:
16.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 20043
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SG § 46 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, § 55, § 56 Abs. 4 S. 1 Nr. 1. S. 3
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3

 

Leitsatz

1 Von einem wegen Kriegsdienstverweigerung entlassenen Soldaten auf Zeit ist nur der durch eine Fachausbildung bei der Bundeswehr erlangte Vorteil zu erstatten. Damit wird sichergestellt, dass die Rückforderung nicht von der Kriegsdienstverweigerung abhält (stRspr BVerwG BeckRS 2016, 40247). (Rn. 6 und 7) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die ersparten Ausbildungskosten können entsprechend der Verwaltungspraxis der Bundeswehr anhand der Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks berechnet werden (vgl. BayVGH BeckRS 2018, 8649). (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
3 Es verletzt nicht den Gleichheitssatz, einen auf Betreiben der Bundeswehr entlassenen Zeitsoldaten hinsichtlich der Erstattung der Ausbildungskosten anders zu behandeln als einen auf eigenen Antrag wegen Kriegsdienstverweigerung entlassenen Soldaten. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 21 K 16.3330 2018-05-08 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 8. Mai 2018 – M 21 K 16.3330 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 37.016,61 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, bleibt ohne Erfolg. Der innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Solche Zweifel wären begründet, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würde (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163/1164; B.v. 23.3.2007 – 1 BvR 2228/02 – BayVBl 2007, 624). Das ist nicht der Fall.
Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von Ausbildungskosten in Höhe von 37.016,61 €, nachdem er nach seiner Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer mit Ablauf des 16. Mai 2012 gemäß § 55 Abs. 1 i.V.m. § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SG aus dem Soldatenverhältnis auf Zeit vorzeitig entlassen worden ist. Er war am 1. Juni 2006 als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes in die Bundeswehr eingestellt und – bei einer Verpflichtungszeit von 12 Jahren – in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen worden. Vom 1. Oktober 2007 bis zum 30. September 2011 absolvierte er an der Universität der Bundeswehr M. erfolgreich ein Studium im Studiengang Elektrotechnik und Informationstechnik. Mit dem streitgegenständlichen Leistungsbescheid vom 31. März 2015 forderte die Beklagte vom Kläger die Erstattung des ihm anlässlich seines Studiums verbliebenen geldwerten Vorteils in Höhe von insgesamt 37.481,83 €. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 2016 wurde der Erstattungsbetrag auf 37.016,61 € reduziert; im Übrigen wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 8. Mai 2018 die dagegen erhobene Klage abgewiesen. Der angefochtene Leistungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Den zutreffenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts im angegriffenen Urteil setzt der Kläger mit dem Zulassungsantrag nichts Stichhaltiges entgegen, das weiterer Prüfung in einem Berufungsverfahren bedürfte.
Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 56 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SG. In Anwendung dieser Vorschrift hat das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt, dass der Kläger dem Grunde nach der Erstattungspflicht unterliegt. Denn er wurde vor Ablauf der eingegangenen Verpflichtungszeit entlassen, nachdem er als Kriegsdienstverweigerer anerkannt worden war. Das gilt gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 Halbs. 2 SG i.V.m. § 55 Abs. 1 SG als Entlassung auf eigenen Antrag. Seine militärische Ausbildung war mit einem Studium an der Universität der Bundeswehr verbunden. Daher sind die Ausbildungskosten grundsätzlich zu erstatten.
In Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Einbeziehung von anerkannten Kriegsdienstverweigerern in den Kreis der Soldaten auf Zeit und der Berufssoldaten, die bei vorzeitiger Entlassung Ausbildungskosten zu erstatten haben, mit Art. 4 Abs. 3 GG vereinbar ist (BVerwG, U.v. 28.10.2015 – 2 C 40.13 – juris Rn. 13; U.v. 30.3.2006 – 2 C 18.05 – juris Rn. 12). Die Erstattungspflicht, der sich ein wegen seiner Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer kraft Gesetzes zu entlassender Soldat gegenübersieht, stellt allerdings in der Regel eine besondere Härte im Sinne des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG dar, die den Dienstherrn nach dieser Vorschrift zu Ermessenserwägungen über den vollständigen oder teilweisen Verzicht auf einen Ausgleich der Ausbildungskosten zwingt (vgl. nur BVerwG, U.v. 28.10.2015 – 2 C 40.13 – juris Rn. 16; U.v. 30.3.2006 – 2 C 18.05 – juris Rn. 16).
Der Erstattungsbetrag darf nicht höher sein als der Betrag, den der als Kriegsdienstverweigerer anerkannte Soldat dadurch erspart hat, dass die Bundesrepublik Deutschland den Erwerb von Spezialkenntnissen und Fähigkeiten, die ihm im späteren Berufsleben von Nutzen sind, finanziert hat. Durch diese Beschränkung der zu erstattenden Kosten auf den durch die Fachausbildung erlangten Vorteil ist sichergestellt, dass die Erstattung nicht zu einer Maßnahme wird, die den Betroffenen von der Stellung des Antrags auf Kriegsdienstverweigerung abhält. Mit der Abschöpfung lediglich des durch die Fachausbildung erworbenen Vorteils erleidet der anerkannte Kriegsdienstverweigerer keine Einbuße an Vermögensgütern, über die er unabhängig von dem Wehrdienstverhältnis verfügt. Durch den Vorteilsausgleich wird nur die Situation wiederhergestellt, die in wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht bestand, bevor der Soldat die Fachausbildung absolviert hat. Mehr soll und darf bei verfassungskonformer Auslegung des Gesetzes nicht abgeschöpft werden (BVerwG, U.v. 28.10.2015 – 2 C 40.13 – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 20.4.2018 – 6 ZB 18.510 – juris Rn. 11).
In Anwendung dieser Grundsätze hat die Beklagte ohne Rechtsfehler nicht die tatsächlich entstandenen Kosten des Studiums in Höhe von 122.596,92 € zuzüglich 1.318,93 € persönlicher Kosten (Reisekosten, Umzugskosten und Trennungsgeld), insgesamt 123.915,85 €, geltend gemacht, sondern lediglich den deutlich niedrigeren Betrag von letztlich 37.016,61 € zurückverlangt. Die ersparten Ausbildungskosten hat die Beklagte entsprechend ihrer Verwaltungspraxis in nicht zu beanstandender Weise (vgl. BayVGH, B.v. 20.4.2018 – 6 ZB 18.510 – juris Rn. 13; B.v. 20.10.2017 – 6 ZB 17.1371 – juris Rn. 15; B.v. 26.10.2017 – 6 ZB 17.1640 – juris Rn. 14) anhand der Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks „Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in der Bundesrepublik Deutschland“ berechnet, nach der auch die Bedarfsermittlung für Leistungen nach dem BAföG erfolgt. In dieser alle drei Jahre durchgeführten Erhebung werden u.a. die fiktiven Lebenshaltungs- und Studienkosten ermittelt und somit die wirtschaftliche Situation eines Studierenden anhand von Durchschnittswerten zum maßgeblichen Zeitraum beschrieben. Nach den Sätzen dieser Erhebung beträgt die Summe der ersparten Aufwendungen im Studienzeitraum vom 1. Oktober 2007 bis zum 16. September 2011 35.697,68 €. Hinzukommen für den Kläger 1.318,93 € tatsächlich gewährte persönliche Kosten. Daraus ergibt sich ein Rückforderungsbetrag von insgesamt 37.016,61 €.
Die Entscheidung der Beklagten, diesen – auf die ersparten Aufwendungen beschränkten – Betrag vom Kläger zurückzufordern, ist ermessensfehlerfrei ergangen. Ohne Erfolg bleibt die Rüge, die Beklagte hätte in Anwendung der Härteregelung § 56 Abs. 4 Satz 3 SG aus Gründen der Gleichbehandlung in vollem Umfang auf eine Rückforderung von Ausbildungskosten verzichten müssen. Der Kläger macht geltend, einem anderen (namentlich benannten) Zeitsoldaten mit gleicher Ausbildung und Verwendung, der im Zuge des Postenabbaus aus dem Dienst entlassen worden sei, seien bis zuletzt die vollen Bezüge und sogar noch eine Abfindung ausbezahlt worden. Hätte er keinen KDV-Antrag gestellt, wäre er auch in den Genuss dieser Zahlungen gekommen. Diese Argumentation kann nicht überzeugen.
Der allgemeine Gleichheitssatz kann, wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, schon deshalb nicht verletzt sein, weil es bereits an wesentlich gleichen Sachverhalten fehlt. Die Vorschriften des § 49 Abs. 4 SG (für Berufssoldaten) und des § 56 Abs. 4 SG (für Soldaten auf Zeit) behandeln frühere Soldaten im Hinblick auf etwaige Rückzahlungsverpflichtungen für entstandene Studien- oder Fachausbildungskosten je nach Grund für ihre Entlassung vor Ablauf der Steh- oder Verpflichtungszeit bewusst verschieden. Die Entscheidung des Gesetzgebers, von denjenigen Soldaten die Kosten einer Ausbildung zurückzuverlangen, die vor Ablauf der Stehzeit auf eigenen Antrag oder infolge der Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer entlassen worden sind, deren Entlassung also auf einem eigenen Entschluss basiert, ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber hält sich damit im Rahmen seines Gestaltungsspielraums.
Dass die vorzeitige Beendigung des Dienstverhältnisses auf dem eigenen Entschluss basiert, stellt den entscheidenden Unterschied dar zu der Situation eines Soldaten, der – wie der vom Kläger genannte Kamerad – mangels anderer Verwendungsmöglichkeiten auf Initiative der Bundeswehr entlassen wird. Denn in letzterem Fall steuert die Bundeswehr mit der Entlassung selbst aktiv ihre Personalplanung, was auch die Rechtfertigung für die Schaffung eines billigen Ausgleichs entfallen lässt. Die vom Kläger bemängelte „Schieflage“ ist demnach unmittelbare Folge der vom Gesetzgeber gewollten unterschiedlichen Behandlung verschiedener Entlassungsgründe. Diese von der Beklagten zu beachtenden Rechtslage (Art. 20 Abs. 3 GG) kann nicht im Rahmen der Härtefallregelung „ausgehebelt“ werden. Ob der Kläger „auch in den Genuss einer Abfindung usw. gekommen wäre, wenn er keinen KDV-Antrag gestellt hätte“, spielt deshalb keine Rolle. Tatsächlich hat er dieses Verfahren gewählt, um das Soldatenverhältnis zu beenden. Das hatte die Entstehung der Rückzahlungsverpflichtung gemäß § 56 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1, § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 Halbs. 2 SG zur Folge.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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