Aktenzeichen Au 1 E 18.273
Leitsatz
1 Nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens ist Grundlage einer Beschäftigungserlaubnis die Regelung des § 4 Abs. 3 AufenthG in Verbindung mit § 32 Abs. 1 BeschV. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2 Es kann offen bleiben, ob bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 S. 2 bis 4 AufenthG die Beschäftigungserlaubnis gemäß § 4 Abs. 3 AufenthG in Verbindung mit § 32 Abs. 1 BeschV nur „in der Regel“ oder zwingend zu erteilen ist. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3 Der Erteilung einer Ausbildungsduldung steht das absolute Erwerbstätigkeitsverbot gemäß § 60a Abs. 6 S. 1 Nr. 2 AufenthG entgegen, wenn aufenthaltsbeendende Maßnahmen wegen der unzureichenden Mitwirkung bei der Passbeschaffung nicht vollzogen werden können. (Rn. 19 – 23) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 1.250,- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller, nach eigenen Angaben afghanischer Staatsangehöriger, begehrt die Verpflichtung des Antragsgegners, ihm einstweilen eine Erlaubnis für eine Berufsausbildung zu erteilen.
Er reiste im Januar 2014 ohne Papiere in die Bundesrepublik ein und beantragte am 22. Januar 2014 die Anerkennung als Asylberechtigter. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 1. Dezember 2016 ab, die hiergegen erhobene Klage wurde mit Urteil vom 11. Dezember 2017 (Au 1 K 16.32902) abgewiesen. Der Antragsteller wurde mehrfach aufgefordert, Identitätsdokumente zu beschaffen.
Mit Bescheid vom 12. Juli 2017 erteilte die Regierung von … dem Antragsteller die Erlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung im Rahmen einer Berufsausbildung. Der Widerruf der Erlaubnis wurde vorbehalten für den Fall, dass der Antragsteller gegen seine allgemeinen Mitwirkungspflichten verstößt. Die Erlaubnis wurde bis zum 13. Oktober 2017 befristet und später, im Rahmen der dem Antragsteller erteilten Aufenthaltsgestattungen, bis zum 31. Dezember 2017 verlängert.
Am 8. Januar 2018 beantragte der Antragsteller die Erteilung einer Ausbildungsduldung für seine Ausbildung zum Koch. Am 13. Februar 2018 erteilte ihm die Regierung von … eine Duldung. Darin ist geregelt, dass die Erwerbstätigkeit nur mit Genehmigung der Ausländerbehörde gestattet ist.
Am 22. Februar 2018 ließ der Antragsteller durch seine Bevollmächtigte Klage erheben, mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, ihm eine unbefristete Ausbildungsduldung nebst Beschäftigungserlaubnis bis zum Ende der Ausbildung zu erteilen (Au 1 K 18.272). Hierüber ist noch nicht entschieden. Vorliegend begehrt er einstweiligen Rechtsschutz. Zur Begründung wird vorgetragen, die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausbildungsduldung seien erfüllt. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob diese Voraussetzungen vorliegen, sei der Zeitpunkt der Beantragung der Ausbildungsduldung. Zu diesem Zeitpunkt, am 8. Januar 2018, hätten konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorgestanden. Auch die Voraussetzungen des § 60a Abs. 6 AufenthG würden nicht vorliegen. Der Antragsteller sei aktiv seinen Mitwirkungspflichten zur Feststellung seiner Identität nachgekommen. Gefordert werden könne nur eine zumutbare Mitwirkung bei der Beschaffung von Identitätspapieren. Gemessen an diesen Voraussetzungen habe der Antragsteller alles ihm Mögliche getan, um eine Tazkira zu beschaffen. Es werde durch die Behörde nicht erläutert, warum die beantragte Ausbildungsduldung hinsichtlich der Fortsetzung bzw. Beendigung der Ausbildung nicht erteilt werde. Schließlich könne sich der Antragsteller auf Vertrauensschutz berufen, da bereits im laufenden Asylverfahren die Aufnahme einer Ausbildung genehmigt wurde.
Der Antragsteller beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO bis zur Entscheidung in der Hauptsache vorläufig die Beschäftigungserlaubnis für die Fortsetzung der Ausbildung zum Koch zu erteilen.
Der Antragsgegner beantragt
Antragsabweisung.
Die Regierung von … trägt zur Begründung vor, es lägen ihr bis heute keine identitätsklärenden Dokumente des Antragstellers vor. Dieser habe keinen Anspruch auf die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis im Rahmen einer Berufsausbildung. Die von ihm gezeigten Bemühungen würden nicht ausreichen.
Ergänzend wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Behördenakte.
II.
Der Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Gegenstand des Antrags ist der vom Antragsteller begehrte Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit welcher dem Antragsgegner aufgegeben werden soll, ihm die Weiterführung seiner Ausbildung zum Koch zu gestatten.
2. Der Antrag ist nicht begründet.
Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist begründet, wenn auf Grund einer summarischen Prüfung der in § 123 Abs. 1 VwGO genannten Voraussetzungen grundsätzlich eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrunds besteht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 123 Rn. 26).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Dem Antragsteller steht ein Anordnungsanspruch nicht zu.
a) Grundlage der begehrten Erlaubnis oder Gestattung kann, nachdem das Asylverfahren des Antragstellers rechtskräftig abgeschlossen ist, nicht mehr § 61 Abs. 2 AsylG, sondern lediglich die allgemeine Regelung des § 4 Abs. 3 AufenthG in Verbindung mit § 32 Abs. 1 der Beschäftigungsverordnung (BeschV) sein. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AufenthG dürfen Ausländer eine Erwerbstätigkeit nur ausüben, wenn der Aufenthaltstitel sie dazu berechtigt. Über die Erteilung der Beschäftigungserlaubnis entscheidet die Ausländerbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei wird teilweise die Ansicht vertreten, dass das Ermessen hinsichtlich der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis immer dann auf Null reduziert ist, wenn sämtliche Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausbildungsduldung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 2 bis 4 AufenthG vorliegen (vgl. VG Augsburg, B.v. 20.10.2017 – Au 1 E 17.1333 – juris).
b) Im Fall des Antragstellers kann hiervon nicht ausgegangen werden.
Dabei braucht nicht abschließend geklärt zu werden, ob bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausbildungsduldung die Beschäftigungserlaubnis nur „in der Regel“ oder zwingend zu erteilen ist. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausbildungsduldung sind nämlich im Fall des Antragstellers nicht erfüllt. Bei ihm greifen vielmehr die Ausschlussgründe des § 60a Abs. 6 AufenthG. Der Erteilung einer Ausbildungsduldung steht das absolute Erwerbstätigkeitsverbot gemäß § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG entgegen, weil aufenthaltsbeendende Maßnahmen aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können.
Neben den in § 60a Abs. 6 Satz 2 AufenthG beispielhaft aufgeführten Fällen der Täuschung und Falschangaben ist in der unzureichenden Mitwirkung bei der Passbeschaffung grundsätzlich ebenfalls ein Versagungsgrund nach § 60a Abs. 6 AufenthG zu sehen (BayVGH, B.v. 31.7.2017 – 19 CE 17.1032 – juris).
Die Identität des Antragstellers ist bis zum heutigen Tag vollkommen ungeklärt. Alle Daten zu seiner Person beruhen auf seinen eigenen Angaben. Irgendwelche objektiven Beweise hierfür liegen nicht vor. Der Antragsteller ist nicht nur ohne Pass und damit unter Verstoß gegen die nach § 3 AufenthG grundsätzlich für alle Ausländer im Bundesgebiet geltende Passpflicht eingereist, sondern er hat auch bis heute keinen Pass oder ein sonstiges Identitätsdokument vorgelegt. Der Antragsteller ist seinen Mitwirkungspflichten insoweit (vgl. § 48 Abs. 3 AufenthG) auch nicht in ausreichendem Umfang nachgekommen. Er hat es damit zu vertreten, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können.
Der Antragsteller hält sich seit Januar 2014 ohne irgendwelche Dokumente in Deutschland auf. Er hat dann bis Mitte des Jahres 2017 und somit über dreieinhalb Jahre hinweg keinerlei Schritte unternommen, um in den Besitz irgendwelcher Dokumente oder Nachweise zu seiner Identität zu gelangen. Er war damit über einen sehr langen Zeitraum hinweg schlicht untätig und hat sich in keiner Weise um die Klärung oder den Nachweis seiner Identität bemüht. Dabei wurde der Antragsteller mehrfach hierzu aufgefordert. Mit Schreiben vom 27. April 2017 etwa zeigte ihm die Regierung von … mehrere Möglichkeiten auf, welche Schritte er unternehmen könne (Kontaktaufnahme mit Verwandten zur Beschaffung einer Tazkira, Anforderung von Zeugnissen etc.). Auch diese ihm aufgezeigten Schritte hat der Antragsteller dann in der Folgezeit sehr zögerlich und nur teilweise unternommen. Er hat letztlich erstmals im Sommer 2017 damit begonnen, erste Schritte in die Wege zu leiten, um in den Besitz von Dokumenten zu gelangen. Auch diese Aktivitäten zogen sich jedoch lange hin und waren letztlich nicht zielgerichtet und überzeugend auf den Erhalt von Dokumenten gerichtet. So hat es bis September 2017 gedauert, bis der Antragsteller erstmals Passfotos vorgelegt hat. Einen Anwalt hat der Antragsteller erst im Juli 2017 angeschrieben. Er hat dabei aber lediglich Informationen eingeholt, wie der Anwalt ihm möglicherweise helfen kann. Ein gleichlautendes Schreiben an einen anderen Anwalt datiert dann vom September 2017. Erstmals im Dezember 2017 hat der Antragsteller mit seinen Eltern Kontakt aufgenommen. Das Schreiben vom 17. Dezember 2017 (Bl. 149 der Behördenakte) ist jedoch äußerst kurz und ungenau gehalten. Der Kläger fordert lediglich eine Tazkira von seinen Eltern an. Sonstige Dokumente, Belege oder Unterlagen lässt er unerwähnt. Auch insoweit gilt, was sich über einen langen Zeitraum hinwegzieht, dass der Kläger letztlich nur bruchstückhaft und nicht vollständig bemüht ist, seine Identität zu klären. Im September 2017 hat der Antragsteller dann bei der Botschaft seines Heimatlandes vorgesprochen, allerdings auch nur mit dem Ziel, mögliche weitere Schritte abzuklären. Bis Ende des Jahres 2017 liegen somit keine wirklich ernsthaften und nachhaltigen Bemühungen vor, in den Besitz von Dokumenten zu gelangen. Auch sonstige identitätsklärende Aktivitäten des Antragstellers sind nicht erkennbar. Angesichts der Tatsache, dass der Antragsteller über mehrere Jahre hinweg völlig untätig geblieben ist, wäre es ihm zumutbar gewesen, jedenfalls nach erfolglosem Abschluss seines Asylverfahrens beim Bundesamt nachhaltig und intensiv Schritte zu unternehmen, die geeignet sind, diese Dinge zu klären. So hat der Kläger dann erstmals im Februar 2018 einen Antrag auf Ausstellung einer Tazkira gestellt.
Zusammenfassend hat der Antragsteller damit sehr lange damit gewartet, viele Dinge verzögert und auch dann letztlich nicht alle Aufforderungen erfüllt. Es war ihm aber seit vielen Jahren zumutbar und möglich, die von Seiten des Antragsgegners gestellten Anforderungen und Mitwirkungspflichten zu erfüllen. Dies hat er unterlassen.
Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der Antragsteller sich in diesem Zusammenhang auch nicht auf Vertrauensschutz berufen kann. Die Tatsache, dass während des laufenden Asylverfahrens eine Beschäftigung oder Berufsausbildung gestattet wird, kann die Behörde nicht dahingehend binden, dass sie auch nach erfolglosem Abschluss des Asylverfahrens weiterhin eine entsprechende Erlaubnis erteilt. Hinzu kommt vorliegend, dass sowohl der Antragsteller wie auch sein Arbeitgeber mehrfach darauf hingewiesen wurden, dass die weitere Gestattung der Berufsausbildung zwingend mit der Erfüllung der Mitwirkungspflichten zusammenhängt. Aus diesem Grund wurde dem Antragsteller zunächst auch nur für drei Monate die Beschäftigung bzw. Berufsausbildung gestattet. Danach wurde die Gestattung bis zum 31. Dezember 2017 verlängert. Seitdem ist es, soweit dies den Behördenakten entnommen werden kann, dem Antragsteller nicht mehr erlaubt, seine Lehre fortzusetzen.
3. Die Kostenentscheidung für das gerichtliche Verfahren folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterlegener Teil hat der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen.
4. Die Streitwertfestsetzung folgt den Vorgaben der §§ 53 Abs. 2 Nr. 1 und 52 Abs. 2 GKG. Die Kammer hat sich an den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (dort unter 8.3 und 1.5) orientiert.