Verwaltungsrecht

Erteilung einer Ausbildungsduldung nebst der hierfür erforderlichen Beschäftigungserlaubnis

Aktenzeichen  19 C 18.54

Datum:
26.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 32939
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 166 Abs. 1 S. 1
AufenthG § 4 Abs. 3 S. 1, § 25a, § 60a Abs. 2 S. 1, S. 3-6
BeschV § 32 Abs. 1 S. 1
ZPO §§ 114 ff.

 

Leitsatz

1. Mit dem Ausschlusstatbestand in § 60a Abs. 2 S. 4 letzter Hs. AufenthG, dass nicht bereits konkrete Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung bevorstehen, soll das Ziel verfolgt werden, in den Fällen, in denen die Abschiebung, Zurückschiebung oder Überstellung „absehbar“ ist, der Durchsetzung der Ausreisepflicht den Vorrang gegenüber der Ausbildungsduldung einzuräumen.      (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die zeitnahe und ergebnisoffene Überprüfung der Reisefähigkeit von ausreisepflichtigen Ausländern mittels einer ärztlichen Untersuchung zur Abklärung von etwaigen inlandsbezogenen Abschiebungshindernissen gehört zu den konkreten Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung, welche die Erteilung einer Ausbildungsduldung ausschließen (vgl. BayVGH BeckRS 2018, 186). (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für die Beurteilung der Frage, ob konkrete Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung entgegenstehen, ist maßgeblich auf den Zeitpunkt der Beantragung einer Duldung zum Zwecke einer zeitnah aufzunehmenden, konkret bezeichneten Berufsausbildung unter Vorlage geeigneter Nachweise abzustellen (vgl. BayVGH Beck 2018, 24977; Beschl. v. 22.1.2018 – 19 CE 18.51; BeckRS 2017, 12614). (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Bestimmungen über die Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 S. 4 ff. AufentG ersetzen nicht die Beschäftigungserlaubnis; erst wenn im Rahmen einer Ermessensentscheidung gemäß § 4 Abs. 3 S. 3 AufentG i.A. § 32 Abs. 1 S. 1 BeschV eine Beschäftigungserlaubnis erteilt ist, kann eine Ausbildung in rechtmäßiger Weise aufgenommen werden (vgl. BayVGH BeckRS 2017, 124620; BeckRS 2017, 102425 mwN). (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 9 K 17.2126 2017-12-27 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

Mit den Beschwerden verfolgen die Antragsteller, eine aus Kasachstan stammende und am 19. Juli 2013 ins Bundesgebiet eingereiste Familie, nach bestandskräftig negativem Abschluss des Asylverfahrens den in erster Instanz erfolglosen Antrag weiter, für einen beabsichtigten Eilantrag auf Unterlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegenüber den Antragstellern Prozesskostenhilfe zu bewilligen und den Prozessbevollmächtigten beizuordnen.
Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 27. Dezember 2017 die Anträge der Antragsteller auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung abgelehnt, dass für das von den Antragstellern beabsichtigte Eilverfahren auf Unterlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen keine hinreichende Erfolgsaussicht bestehe, weil die Antragsteller nach rechtskräftigem negativem Abschluss des Asylverfahrens vollziehbar ausreisepflichtig seien. Zwar stehe den Antragstellern ein Anordnungsgrund zur Seite, da nach Beschaffung der notwendigen Passpapiere eine Aufenthaltsbeendigung absehbar sei. Ein Anordnungsanspruch sei jedoch nicht gegeben, da der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an den Antragsteller zu 3 nach § 25a AufenthG keine Fiktionswirkung nach § 81 AufenthG auslöse. Der Antragsteller zu 1 habe keinen Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung, da diese die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis voraussetze. Dem Kontroll- und Steuerungszweck des Aufenthaltsgesetzes widerspreche es, wenn ein Ausländer auch nach illegaler Einreise allein mit dem Abschluss eines Ausbildungsvertrages einen weiteren Aufenthalt erzwingen könnte und damit letztlich ein Ausbildungsbetrieb über den weiteren Aufenthalt entscheiden würde.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsteller. Zur Begründung wird ausgeführt, Zweifel an den Erfolgsaussichten dürften nicht zur Ablehnung von Prozesskostenhilfe führen; bereits eine zeitweilige Aussetzung der Abschiebung durch die Behörde sowie die vom Antragsgegner initiierte ärztliche Begutachtung zur Reisefähigkeit der Antragstellerin zu 2 begründe eine hinreichende Erfolgsaussicht für das beabsichtigte Eilverfahren. Auch wenn der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG an den Antragsteller zu 3 keine Fiktionswirkung auslöse, müssten die offenen Erfolgsaussichten zu Vorwirkungen dergestalt führen, dass der Aufenthalt bis zur Entscheidung über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis geduldet werde. Es sei nicht eindeutig geklärt, die Altersgrenzen des Jugendstrafrechts oder Jugendgerichtsgesetzes auf § 25a AufenthG zu übertragen. Es bestünden überwiegende Erfolgsaussichten für die Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG und die hierfür erforderliche Beschäftigungserlaubnis an den Antragsteller zu 1; eine Ablehnung könne nicht maßgeblich auf eine fehlende Bleibeperspektive gestützt werden. Die volljährige Tochter der Antragsteller zu 1 und 2 habe wegen der belastenden Situation einer drohenden Abschiebung der (restlichen) Familie eine psychische Dekompensation erlebt, die zur Suizidalität geführt habe. In den nachteiligen Auswirkungen für die volljährige Tochter liege ein dringender persönlicher Grund für eine weitere Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG. Die Antragstellerin zu 2 habe für den Fall der Abschiebung Suiziddrohungen geäußert, sie benötige eine weitere ambulante psychiatrische und medikamentöse Behandlung (stationäre Aufenthalte vom 14.7.2018 bis 30.7.2018 und vom 3.9.2018 bis 19.10.2018). Für die Antragstellerin zu 2 sei eine rezidivierende depressive Störung mit einer gegenwärtig schweren depressiven Episode mit psychotischen Symptomen und eine fehlende Reisefähigkeit fachärztlich bescheinigt. Der Antragsteller zu 3 habe wenigstens einen Anspruch auf weitere Duldung seines Aufenthalts nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG zur Fortsetzung der begonnenen und erfolgreichen Schulbildung; er sei gut integriert. Der Antragsteller zu 3 leide ebenfalls mittlerweile unter einer Anpassungsstörung mit Angst und depressiver Reaktion.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht vorliegen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung weder im maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfeantrags noch zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
Nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V. mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Hinsichtlich der Erfolgsaussichten dürfen die Anforderungen nicht überspannt werden. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit in dem Sinn, dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss, ist nicht erforderlich, sondern es genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, die bereits dann gegeben ist, wenn bei summarischer Überprüfung ein Obsiegen ebenso wahrscheinlich ist wie ein Unterliegen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 166 Rn. 26). Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nämlich nicht selbst bieten, sondern ihn erst zugänglich machen (stRspr d. BVerfG, vgl. z.B. B.v. 4.8.2016 – 1 BvR 380/16 – juris Rn. 12; B.v. 28.7.2016 – 1 BvR 1695/15 – juris Rn. 16 f.; B.v. 13.7.2016 – 1 BvR 826/13 – juris Rn. 11 f.; B.v. 20.6.2016 – 2 BvR 748/13 – juris Rn. 12).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags, also wenn dieser vollständig vorliegt und der Prozessgegner Gelegenheit zur Äußerung hatte. Ausnahmsweise ist jedoch hiervon abweichend der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts – hier des Beschwerdegerichts – maßgeblich, wenn sich im Laufe des Verfahrens die Sach- und Rechtslage zugunsten des Antragstellers geändert hat, so dass sich infolge dieser Änderung nunmehr hinreichende Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung erkennen lassen. Für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage und damit auch für den Beurteilungszeitpunkt kommt es allein auf das materielle Recht an. Es wäre mit dem Sinn der Vorschriften über die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht vereinbar, würde man unter Berufung auf das Fehlen hinreichender Erfolgsaussichten in der Vergangenheit die Beschwerde zurückweisen und einen Antragsteller darauf verweisen, wegen einer aufgrund einer Änderung der Sach- und Rechtslage mittlerweile positiven Beurteilung der Erfolgsaussichten einen erneuten Antrag auf Prozesskostenhilfe zu stellen (BayVGH, B.v. 10.4.2013 – 10 C 12.1757 – juris Rn. 25; BayVGH, B.v. 21.12.2009 – 19 C 09.2958 – juris Rn. 3 ff., jeweils m.w.N.).
Vorliegend kommt der beabsichtigten Rechtsverfolgung weder zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife noch unter Berücksichtigung der weiteren Entwicklung zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung hinreichende Erfolgsaussicht zu. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer ergibt sich eine Offenheit der Erfolgsaussichten weder aus der zeitweiligen Aussetzung der Abschiebung wegen fehlender Passdokumente für einzelne Familienmitglieder noch aus der ärztlichen Begutachtung der Antragstellerin zu 2 zur Klärung deren Reisefähigkeit. Die Maßnahmen der Ausländerbehörde dienen letztlich der Vorbereitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen und sind damit nicht geeignet, einem Duldungsbegehren eine hinreichende Erfolgsaussicht zu verleihen. Mit der Veranlassung einer amtsärztlichen Begutachtung folgt die Ausländerbehörde der ihr aus Art. 2 Abs. 2 GG resultierenden Schutzpflicht, wonach die mit dem Vollzug einer Abschiebung betraute Stelle von Amts wegen aus dem Gesundheitszustand eines Ausländers folgende tatsächliche Abschiebungshindernisse in jedem Stadium der Durchführung der Abschiebung zu beachten und die notwendigen Vorkehrungen zu treffen hat (vgl. BVerfG, B.v. 17.9.2014 – 2 BvR 732/14 – juris Rn. 10). Liegen hinreichende Indizien für eine schwerwiegende Erkrankung vor, kann eine amtsärztliche Untersuchung oder die Einholung einer ergänzenden ärztlichen Stellungnahme angezeigt sein, da der Ausländerbehörde die erforderliche medizinische Sachkunde zur Beurteilung einer mit der Abschiebung einhergehenden Gesundheitsgefahr und auch der Frage fehlen dürfte, mit welchen Vorkehrungen diese Gefahr ausgeschlossen oder gemindert werden könnte (vgl. BayVGH, B.v. 18.12.2017 – 19 CE 17.1541 – juris Rn. 24; VGH BW, B.v. 6.2.2008, a.a.O.; OVG LSA, B.v. 21.6.2016 – 2 M 16/16 – juris). Selbst wenn somit bei der Antragstellerin zu 2 derartige Indizien für eine Erkrankung vorliegen sollten, begründen diese insbesondere unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vermutung der Reisefähigkeit nach § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG nicht schon eine hinreichende Erfolgsaussicht für ein Eilverfahren auf Aussetzung der Abschiebung.
Hinreichende Erfolgsaussichten für das beabsichtigte Eilverfahren ergeben sich weder im Hinblick auf den geltend gemachten Anspruch auf Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG für den Antragsteller zu 1 (1.) noch wegen rechtlicher oder tatsächlicher Unmöglichkeit der Abschiebung wegen einer fehlenden Reisefähigkeit der Antragstellerin zu 2 (2.) noch im Hinblick auf eine geltend gemachte Aufenthaltserlaubnis für den Antragsteller zu 3 (3.) oder auf einen geltend gemachten Duldungsgrund nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG zur Fortsetzung der Schulausbildung des Antragstellers zu 3 oder im Hinblick auf eine Erkrankung der volljährigen Tochter der Antragsteller zu 1 und 2 (4.).
1. Der (Anordnungs-) Anspruch des Antragstellers zu 1 auf Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG nebst der hierfür erforderlichen Beschäftigungserlaubnis nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AufenthG i.V.m. § 32 Abs. 3 Nr. 2 BeschV hat keine hinreichende Erfolgsaussicht.
Nach § 60 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Nach Satz 3 der Vorschrift kann einem Ausländer eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Duldung wegen dringender persönlicher Gründe im Sinne von Satz 3 ist nach Satz 4 zu erteilen, wenn der Ausländer eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf in Deutschland aufnimmt oder aufgenommen hat, die Voraussetzungen nach Absatz 6 nicht vorliegen und konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen.
Der Gesetzgeber hatte bei der Einführung der Sätze 4 bis 6 des § 60a Abs. 2 AufenthG mit dem Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl I S. 1386) erkennbar den Kreis geduldeter Ausländer in den Blick genommen, die insoweit eine dauerhafte Bleibeperspektive haben, als der Wegfall bereits vorliegender Duldungsgründe nicht absehbar ist (vgl. hierzu die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 18/5420, S. 27, sowie den Prüfauftrag des Bundesrates in BR-Drs. 642/1/14, S. 5). Die Neuregelung von § 60a Abs. 2 Satz 4 bis 6 AufenthG durch das Integrationsgesetz vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939) hatte ausweislich der Entwurfsbegründung mehr Rechtssicherheit für Geduldete und Ausbildungsbetriebe während einer Berufsausbildung zum Ziel (vgl. BT-Drs. 18/8615, S. 26 und 48). Mit der Ausbildungsduldung, die im Gegensatz zu sonstigen Duldungen mit einem längerfristigen, an die Dauer der Ausbildung angepassten Aufenthalt verbunden ist und letztlich vollziehbar Ausreisepflichtigen eine Brücke in die Erwerbsmigration baut, sollen nicht Aufenthaltsbeendigungen verhindert werden, die in absehbarer Zeit möglich sind. Nach der Entwurfsbegründung ist bei der Integration mittels Aufnahme einer qualifizierten Beschäftigung die Bleibeperspektive zu berücksichtigen, so dass die integrationsfördernden Maßnahmen in erster Linie denjenigen mit „guter Bleibeperspektive“ zugutekommen sollen (vgl. BT-Drucks. 18/8615, S. 1, 2, 22, 23, 26), während auf Maßnahmen mit dem Ziel der Integration verzichtet werden soll, wenn individuell eine geringe Bleibewahrscheinlichkeit besteht (vgl. BT-Drucks. 18/8615, S. 22, betreffend Ausländer aus sicheren Herkunftsstaaten). Ausweislich der durch den Ausschuss für Arbeit und Soziales eingebrachten Beschlussempfehlung wird mit dem Ausschlusstatbestand in § 60a Abs. 2 Satz 4 letzter Halbsatz AufenthG das Ziel verfolgt, in den Fällen, in denen die Abschiebung, Zurückschiebung oder Überstellung „absehbar“ ist, der Durchsetzung der Ausreisepflicht den Vorrang einzuräumen (vgl. BT-Drucks. 18/9090, S. 25). Mit der Voraussetzung, dass nicht bereits konkrete Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung bevorstehen (§ 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG) macht der Gesetzgeber deutlich, dass der Durchsetzung der Ausreisepflicht Vorrang zukommt, was es rechtfertigt, an ein Bevorstehen konkreter Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung keine zu hohen Maßstäbe anzulegen. Durch die Vorlage eines Ausbildungsvertrags oder die Aufnahme einer Berufsausbildung soll eine (vorrangige) Durchsetzung der Ausreisepflicht nicht konterkariert werden. Die Entwurfsbegründung selbst führt insoweit die Beantragung eines Pass(ersatz) papiers, die Terminierung der Abschiebung oder den Lauf eines Verfahrens zur Dublin-Überstellung als Beispiele an (BT-Drs. 18/9090 S. 25; vgl. auch BayVGH, B.v. 24.7.2017 – 19 CE 17.1079 – juris Rn. 8; B.v. 15.12.2016 – 19 CE 16.2025 – juris Rn. 19). Die Gesetzformulierung „Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung“ ist dabei bewusst weiter gefasst als die eigentliche Aufenthaltsbeendigung durch Abschiebung, Zurückschiebung oder Überstellung; andernfalls hätte die Verwendung des Begriffs Aufenthaltsbeendigung als gemeinsamer Oberbegriff genügt (vgl. BayVGH, B.v. 24.9.2018 – 10 CE 18.1825 – juris Rn. 4; B.v. 15.12.2016 – 19 CE 16.2025 – juris Rn. 19). Es genügt vielmehr, dass die Abschiebung durch die Ausländerbehörde oder eine andere für die Aufenthaltsbeendigung zuständige Behörde vorbereitet wird und für diese absehbar durchgeführt werden soll (vgl. NdsOVG, B.v. 30.8.2018, 13 ME 298/18 – juris Rn. 10). Die zeitnahe und ergebnisoffene Überprüfung der Reisefähigkeit von ausreisepflichtigen Ausländern mittels einer ärztlichen Untersuchung zur Abklärung von etwaigen inlandsbezogenen Abschiebungshindernissen gehört zu den konkreten Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung, welche die Erteilung einer Ausbildungsduldung ausschließen (vgl. BayVGH, B.v. 9.1.2018 – 19 CE 17.2247 – juris Rn. 9). Zeitliche Verzögerungen (z.B. hinsichtlich der Terminierung einer Untersuchung), die letztlich der mit Rücksicht auf Art. 6 GG intendierten Aufenthaltsbeendigung im Familienverband geschuldet sind, stehen einer konkreten Vorbereitung der Aufenthaltsbeendigung nicht entgegen. Für die Beurteilung der Frage, ob konkrete Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung entgegenstehen, ist maßgeblich auf den Zeitpunkt der Beantragung einer Duldung zum Zwecke einer zeitnah aufzunehmenden, konkret bezeichneten Berufsausbildung unter Vorlage geeigneter Nachweise abzustellen (vgl. BayVGH, B.v. 24.9.2018 – 10 CE 18.1825 – juris Rn. 4; B.v. 22.1.2018 – 19 CE 18.51 -; B.v. 31.7.2017 – 19 CE 17.1032 – jew. juris). Wird die Aufnahme einer Berufsausbildung schon während des Asylverfahrens angestrebt, ist mithin auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die übrigen Anspruchsvoraussetzungen für eine Ausbildungsduldung zur Entstehung gelangen (vgl. Fleuß, die Ausbildungsduldung im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 4 bis 12 AufenthG, VerwArchiv 2018, 261/284). Der Anspruch auf Duldung wegen Aufnahme einer qualifizierten Ausbildung ist nicht dazu bestimmt, eine bislang nicht vorhandene gute Bleibeperspektive (erst) durch die Ausbildung zu begründen. Auch soll es nicht der jeweilige Ausbildungsbetrieb in der Hand haben, durch Abschluss eines Berufsausbildungsvertrags schon während eines laufenden Asylverfahrens einen Weg in die Erwerbsmigration zu ebnen. Dem Interesse eines Ausbildungsbetriebs und des Ausländers an Rechtssicherheit kann während laufendendem Asylverfahren, d.h. zu einem Zeitpunkt, in dem sich die Bleibeperspektive als ungewiss darstellt, nicht die vom Gesetzgeber intendierte Schutzwürdigkeit zugebilligt werden.
Nach diesen Maßgaben kommt es vorliegend nicht mehr auf den vom Antragsteller zu 1 vor Abschluss des Asylverfahrens am 17. November 2016 gestellten Antrag auf (asylrechtliche) Beschäftigungserlaubnis zur Berufsausbildung als Koch (unter Vorlage eines Ausbildungsvertrages) an. Diese Beschäftigungserlaubnis wurde durch Bescheid vom 27. Januar 2017 abgelehnt; die Beantragung von Prozesskostenhilfe für ein dagegen gerichtete Klageverfahren wurde durch Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 9. Juli 2018 abgelehnt (vgl. Az.: Ro 3 K 17.30464; die dagegen gerichteten Beschwerde hat der Senat durch Beschluss vom heutigen Tag im Verfahren 19 C 18.1605 im Hinblick auf § 80 AsylG verworfen).
Dem nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens gestellten Antrag auf Erteilung einer Ausbildungsduldung vom 17. Mai 2017 ist vom Verwaltungsgericht zu Recht keine hinreichende Erfolgsaussicht zugemessen worden.
Der Vorrang der Ausreisepflicht nach bestandskräftigem Abschluss des Asylverfahrens des Antragstellers zu 1 wird nicht dadurch infrage gestellt, dass die Abschiebung des Familienverbandes des Klägers wegen noch fehlender Passersatzpapiere bzw. eines Heimreisescheins für den Antragsteller zu 4 und aufgrund einer Erkrankung der Ehefrau (vorübergehend) ausgesetzt war. Ein vorübergehendes, zeitlich absehbares Abschiebungshindernis vermag an der geringen Bleibeperspektive des Klägers nichts Grundsätzliches zu ändern. Es verbleibt vielmehr in Fällen wie dem vorliegenden dabei, in denen nach bestandskräftigem und erfolglosem Abschluss des Asylverfahrens die Abschiebung, Zurückschiebung oder Überstellung absehbar ist, entsprechend dem in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommenden Willen der Durchsetzung der Ausreisepflicht den Vorrang einzuräumen (vgl. BT-Drucks. 18/9090, S. 25). Mit der Übertragung der Zuständigkeit auf die für die Aufenthaltsbeendigung zuständige Zentrale Ausländerbehörde O. zum 30. Mai 2017, der Beschaffung von Heimreisepapieren für den Antragsteller zu 4 und der Veranlassung einer Untersuchung der Reisefähigkeit der Antragstellerin zu 2 sind konkrete Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung absehbar. Wenn lediglich vorübergehend wirkende tatsächliche oder rechtliche Hindernisse einer Abschiebung (noch) entgegenstehen, die die Aufenthaltsbeendigung letztlich nicht in einen zeitlich nicht überschaubaren – ungewissen – Rahmen verlagern, der ein Bedürfnis für die vom Gesetzgeber angestrebte Rechtssicherheit für Geduldete und Ausbildungsbetriebe hervorrufen könnte, bleibt es beim Vorrang der Durchsetzung der Ausreisepflicht (vgl. VG Schleswig-Holstein, B.v. 12.1.2018 – 1 B 2/18 – juris Rn. 14).
Die Bestimmungen über die Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 ff. Aufwendig ersetzen nicht die Beschäftigungserlaubnis; erst wenn im Rahmen einer Ermessensentscheidung gemäß § 4 Abs. 3 Satz 3 Aufwendig i.A. § 32 Abs. 1 Satz 1 BeschV eine Beschäftigungserlaubnis erteilt ist, kann eine Ausbildung in rechtmäßiger Weise aufgenommen werden (vgl. BayVGH, B.v. 24.7.2017 – 19 CE 17.1079 -; B.v. 25.1.2017 – 10 CE 16.2342 – juris Rn. 1 m.w.N.; VGH BW, B.v. 13.10.2016 – 11 S 1991/16 – juris Rn. 14; OVG Nds, B.v. 9.12.2016 – 8 ME 184/16 – juris Rn. 6). Allerdings ist das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 und 6 AufenthG im Rahmen der Ermessensentscheidung über die Beschäftigungserlaubnis in der Regel ermessensleitend zu berücksichtigen, nachdem die Bestimmungen in § 4 AufenthG und in der BeschV, die in Fällen der vorliegenden Art der Behörde ein weit gespanntes Ermessen eröffnen, ohne Kenntnis von dem erst neuerdings geschaffenen Rechtsinstitut der Ausbildungsduldung erlassen worden sind und die Bestimmungen über die Ausbildungsduldung diese als strikten Rechtsanspruch ausgestalten (vgl. BayVGH, B.v. 29.3.2018 – 19 CE 17.2317 -; im Ergebnis ebenso OVG Hamburg, B.v. 5.9.2017 – 1 Bs 175/17 – AuAS 2018, 6; juris Rn. 20 ff., insbes. Rn. 25 ff.; HessVGH, B.v. 15.2.2018 – 3 B 2137/17 – juris Rn. 12; tendenziell auch VGH BW, B.v. 27.6.2017 – 11 S 1067/17 – juris Rn. 13; Wittmann, ZAR 2017, 345/349, Eichler, Asylmagazin 2017, 180/181).
Nachdem die Erteilungsvoraussetzungen einer Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG nicht vorliegen und der Vollziehung der Ausreisepflicht nach negativem Abschluss des Asylverfahrens der Vorrang gebührt, ist auch die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis nach § 4 Abs. 3 Satz 3 AufenthG i.V.m. § 32 Abs. 1 Satz 1 BeschV nicht ermessensintendiert.
2. Der beabsichtigten Rechtsverfolgung kommt auch im Hinblick auf die geltend gemachte Reiseunfähigkeit der Antragstellerin zu 2 keine hinreichende Erfolgsaussicht zu.
Ein inlandsbezogenes Abschiebungsverbot im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG lässt sich aufgrund einer Erkrankung in zwei Fällen begründen: Zum einen scheidet eine Abschiebung aus, wenn und solange der Ausländer wegen Erkrankung transportunfähig ist, d.h. sich sein Gesundheitszustand durch und während des eigentlichen Vorgangs des „Reisens“ wesentlich verschlechtert oder eine Lebens- oder Gesundheitsgefahr transportbedingt erstmals entsteht (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn). Zum anderen muss eine Abschiebung auch dann unterbleiben, wenn sie – außerhalb des eigentlichen Transportvorgangs – eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bedeutet; dies ist der Fall, wenn das ernsthafte Risiko besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers unmittelbar durch die Abschiebung als solche (unabhängig vom Zielstaat) wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne). Von einem inlandsbezogenen Abschiebungshindernis ist auch dann auszugehen, wenn sich die Erkrankung des Ausländers gerade aufgrund der zwangsweisen Rückführung in sein Heimatland wesentlich verschlechtert, und nicht nur, wenn ein Suizid während der Abschiebung droht (BayVGH, B.v. 5.1.2017 – 10 CE 17.30 – juris Rn. 4 zu § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Nach dem mit Wirkung zum 17. März 2016 (Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11.3.2016 ) eingeführten § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG wird gesetzlich vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen, wenn nicht der Ausländer eine im Rahmen der Abschiebung beachtliche Erkrankung durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft macht. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände enthalten, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben. Ein Attest, dem nicht zu entnehmen ist, wie es zu den prognostizierten Folgerungen kommt und welche Tatsachen dieser Einschätzung zugrunde liegen, ist nicht geeignet, das Vorliegen eines Abschiebungsverbots wegen Reiseunfähigkeit zu begründen (vgl. BayVGH, B.v. 18.12.2017 – 19 CE 17.1541 – juris Rn. 16; B.v. 11.4.2017 – 10 CE 17.349 – juris Rn. 19; B.v. 5.1.2017 – 10 CE 17.30 – juris Rn. 7). Wird die geltend gemachte Erkrankung, die durch die Abschiebung beeinträchtigt werden soll, nicht durch eine qualifizierte Bescheinigung im Sinne von § 60a Abs. 2c AufenthG belegt, so wird auch die gesetzliche Vermutung für die Reisefähigkeit nicht widerlegt (BayVGH, B.v. 5.1.2017 – 10 CE 17.30 – juris Rn. 4).
Mit den für die Antragstellerin zu 2 erstmals im Beschwerdeverfahren vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen (medbo Dr. L.) vom 23. Januar 2018, vom 28. Februar 2018 und vom 26. Juli 2018 sowie dem Behandlungsbericht über den stationären Aufenthalt vom 21. November 2018 wird nach diesen Maßgaben weder eine Reiseunfähigkeit im engeren Sinne noch eine Reiseunfähigkeit im weiteren Sinne glaubhaft gemacht.
In den vorgelegten Attesten wird die Angst vor Abschiebung und das wiederholte eigenmächtige Absetzen der medikamentösen Behandlung durch die Antragstellerin zu 2 thematisiert. Eine akute Suizidalität wird in den Bescheinigungen vom 23. Januar 2018 und vom 28. Februar 2018 verneint. Ausweislich der Bescheinigung vom 26. Juli 2018 ist eine genaue Anamnese kaum möglich, da die Antragstellerin zu 2 nur russisch spreche. Abgesehen davon, dass den vorgelegten Bescheinigungen bereits die Aktualität fehlt, um Aussagen zur aktuellen Reisefähigkeit der Antragstellerin zu 2 zu treffen, setzt die in der Bescheinigung vom 28. Februar getroffene ärztliche Feststellung einer fehlenden Reisefähigkeit sich nicht mit einer naheliegenden Instrumentalisierung des Krankheitsbildes zur Vermeidung aufenthaltsbeendender Maßnahmen sowie möglichen Vorkehrungen zur Vermeidung einer Gesundheitsgefährdung im Rahmen des Abschiebungsvorgangs auseinander. Der Bericht über die stationäre Behandlung der Antragstellerin zu 2 vom 3. September 2018 bis zum 19. Oktober 2018 enthält sich jeglicher Aussagen zur Reisefähigkeit der Antragstellerin, sieht das Beschwerdebild thematisch auf die drohende Abschiebung eingeengt, weswegen sich die Patientin auch aufgrund sprachlicher Barrieren in Einzelgesprächen kaum lenkbar erwiesen habe, und attestiert keine akute Eigen- oder Fremdgefährdung.
Genügt ein vom Ausländer vorgelegtes Gutachten nicht den Anforderungen an den Nachweis einer Reiseunfähigkeit, bleibt die Ausländerbehörde gleichwohl verpflichtet, den Sachverhalt weiter aufzuklären, wenn sich aus den vorliegenden ärztlichen Äußerungen, dem Vortrag des Ausländers oder sonstigen Erkenntnisquellen ausreichende Indizien für eine Reiseunfähigkeit ergeben (vgl. Hailbronner, AuslR, Stand 2/2016, A 1, § 60a AufenthG, Rn. 61 mit Verweis auf VGH BW, B.v. 6.2.2008 – 11 S 2439/07 – juris Rn. 9). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besteht eine Verpflichtung der mit dem Vollzug einer Abschiebung betrauten Stelle, von Amts wegen aus dem Gesundheitszustand eines Ausländers folgende tatsächliche Abschiebungshindernisse in jedem Stadium der Durchführung der Abschiebung zu beachten; diese Stelle hat gegebenenfalls durch ein (vorübergehendes) Absehen von der Abschiebung (Duldung) oder durch entsprechende tatsächliche Gestaltung derselben die notwendigen Vorkehrungen zu treffen (vgl. BVerfG, B.v. 17.9.2014 – 2 BvR 732/14 – juris Rn. 10). Dem hat der Antragsgegner durch Veranlassung einer ärztlichen Untersuchung durch einen Facharzt für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie und Forensische Psychiatrie am 20. September 2018 unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers zur Feststellung der Reisefähigkeit der Antragstellerin zu 2 durch Dr. R. Rechnung getragen. In dem fachärztlichen Gutachten vom 16. Oktober 2018 wird eine mittelgradige rezidivierende depressive Störung diagnostiziert und in vollem Umfang Flug- und Reisefähigkeit positiv festgestellt. Die Antragstellerin zu 2 sei trotz der vorliegenden Erkrankung sowohl körperlich als auch psychisch den Belastungen einer Rückführung nach Kasachstan gewachsen; sie sei in vollem Umfang rückführungsfähig. Es bestehe keine Eigen- oder Fremdgefährdung als Folge einer psychischen Erkrankung, auch keine Hinweise für eine akute oder latente Suizidalität. Ausweislich des Gutachtens sind eventuelle Suizidhandlungen bzw. Suizidandrohungen als Zweckreaktion gegen eine Rückführung einzuschätzen, dem durch entsprechende Sicherungsmaßnahmen (Bewachungspersonal und ärztliche Begleitung) bei der Rückführung begegnet werden kann.
3. Keine hinreichenden Erfolgsaussichten hat das Geltendmachen von „Vorwirkungen“ der beantragten Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG an den Antragsteller zu 3.
Das Verwaltungsgericht hat insoweit zu Recht darauf hingewiesen, dass der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG keine Fiktionswirkung nach § 81 AufenthG auslöst. Es widerspräche der durch §§ 50 Abs. 1, 58 Abs. 1 und 2, 81 Abs. 3 und 4 AufenthG vorgegebenen Systematik und Konzeption des Aufenthaltsgesetzes, denen zufolge für die Dauer eines Erteilungsverfahrens nur unter den in § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG geregelten Voraussetzungen ein vorläufiges Bleiberecht besteht, darüber hinaus derartige „Vorwirkungen“ anzuerkennen und für die Dauer eines Erteilungsverfahrens eine Duldung vorzusehen (vgl. OVG NRW, B.v. 2.5.2006 – 18 B 437/06 – juris Rn. 2).
Abgesehen davon erfüllt der Antragsteller zu 3 die Voraussetzungen nach § 25a Abs. 1 AufenthG voraussichtlich nicht. Die Aufenthaltserlaubnis nach dieser Bestimmung soll – bei Bestehen weiterer Voraussetzungen – geduldeten jugendlichen oder heranwachsenden Ausländern erteilt werden. Der Antragsteller zu 3 ist weder Jugendlicher noch Heranwachsender im Sinne dieser Vorschrift ist. Nach der Definition des § 1 Abs. 2 JGG ist Jugendlicher, wer vierzehn, aber noch nicht achtzehn, Heranwachsender wer achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt ist (vgl. zu den Altersgrenzen im Rahmen des § 25a Abs. 1 AufenthG: Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung, BT-Drs. 18/4097, S. 42; vgl. BayVGH, B.v. 29.10.2018 – 10 C 18.1781 – juris Rn. 5; Nds OVG, B.v. 7.9.2017 – 13 ME 157/17 – juris Rn. 11). Kinder teilen grundsätzlich das aufenthaltsrechtliche Schicksal ihrer Erziehungsberechtigten (vgl. OVG Saarl, B.v. 27.3.2018 – 2 A 267/16 – juris). Der Kläger wird erst am 22. August 2019 das 14. Lebensjahr vollenden und kann damit nicht die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG beanspruchen.
4. Schließlich fehlt es für eine hinreichend erfolgsversprechende Rechtsverfolgung auch an einem geltend gemachten Duldungsgrund nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG zur Fortsetzung der Schulausbildung des Antragstellers zu 3 oder zur Unterstützung der volljährigen Tochter der Antragsteller zu 1 und 2.
Nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG kann einem Ausländer eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Der aus der Schulpflicht folgende Schulbesuch des Antragstellers zu 3 in der Jahrgangsstufe 7 der Mittelschule ist – ungeachtet der schulischen Erfolge – nicht geeignet, derartige dringende humanitäre oder persönliche Gründe zu belegen, zumal auch ein schulischer Abschluss nicht unmittelbar bevorsteht. Da der minderjährige Antragsteller zu 3 das aufenthaltsrechtliche Schicksal seiner Eltern teilt, kommt es auf die Integration des Antragstellers zu 3 im örtlichen Fußballverein nicht entscheidend an.
Hinsichtlich der geltend gemachten psychischen Belastung der volljährigen Tochter der Antragsteller zu 1 und 2 ist nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Tochter auf die Lebenshilfe der Antragsteller unabdingbar angewiesen wäre.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 161 Abs. 1, § 154 Abs. 2 VwGO. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO). Einer Streitwertfestsetzung bedurfte es im Hinblick auf § 3 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum GKG nicht.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 152 Abs. 1, § 158 Abs. 1 VwGO).

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