Verwaltungsrecht

EuGH kein divergenz-relevantes Gericht

Aktenzeichen  6 ZB 17.30519

Datum:
1.6.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 113721
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 2
VwGO § 166
ZPO § 114

 

Leitsatz

1 „Abweichung“ meint Widerspruch im abstrakten Rechtssatz; eine Divergenz im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG ist deshalb nur dann gegeben‚ wenn das Verwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung eines in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG genannten Obergerichtes aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abweicht. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Europäische Gerichtshof ist gemäß der abschließenden Aufzählung in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG kein divergenzrelevantes Gericht. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 11 K 16.31151 2017-03-10 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung ihres Bevollmächtigten für das Antragsverfahren wird abgelehnt.
II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 10. März 2017 – AN 11 K 16.31151 – wird abgelehnt.
III. Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens‚ für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Gründe

1. Da das Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg hat (s.u.)‚ wird Prozesskostenhilfe hierfür nicht gewährt (§ 166 VwGO‚ § 114 ff. ZPO).
2. Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) ist nicht den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG entsprechend dargelegt und liegt auch nicht vor.
a) Die Klägerin rügt unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Februar 2013 (Az.: 10 C 20.12)‚ das Verwaltungsgericht habe außer Acht gelassen bzw. nicht gebührend berücksichtigt‚ dass die Klägerin eine bekennende Ahmadi und eine religiös geprägte Persönlichkeit sei‚ die ihren Glauben in der Vergangenheit und auch gegenwärtig in einer Weise praktiziert habe und praktiziere‚ dass ihr im Falle ihrer Rückkehr nach Pakistan mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit‚ zumindest aber mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit‚ Verfolgung im Sinne des § 3a AsylG drohe.
Damit ist die geltend gemachte (Rechtssatz-)Abweichung im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG nicht dargelegt. „Abweichung“ meint Widerspruch im abstrakten Rechtssatz; eine Divergenz im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG ist deshalb nur dann gegeben‚ wenn das Verwaltungsgericht in Anwendung (ein und) derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung eines in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG genannten Obergerichtes aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abweicht (vgl. BVerwG, B.v. 27.1.2006 – 5 B 98.05 – juris Rn. 6 m.w.N.; BayVGH, B.v. 26.8.2016 – 6 ZB 15.2238 – juris Rn. 5).
Daran fehlt es hier. Denn die Klägerin benennt nicht – wie erforderlich – einen inhaltlich bestimmten‚ die angegriffene Entscheidung tragenden abstrakten Rechts- oder verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatz‚ mit dem das Verwaltungsgericht dem Bundesverwaltungsgericht widersprochen hätte. Die Gegenüberstellung der voneinander abweichenden Rechtssätze ist aber zur ordnungsgemäßen Erhebung der Divergenzrüge unverzichtbar (BVerwG, B.v. 14.8.2013 – 8 B 36.13 – juris Rn. 7).
Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht in Übereinstimmung mit dem von der Klägerin zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ausdrücklich anerkannt‚ dass für diejenigen Ahmadi‚ für die die öffentliche Religionsausübung ein wesensbestimmender Teil ihrer Persönlichkeit ist‚ keine inländische Fluchtalternative in Pakistan zur Verfügung steht. In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat das Verwaltungsgericht weiter ausgeführt‚ für die Anerkennung einer begründeten Furcht vor Verfolgung wegen öffentlicher‚ religiöser Betätigung sei eine besondere Schwere der zu erwartenden Verfolgung zu begründen‚ die sowohl objektive wie auch subjektive Elemente enthalte. Das Verwaltungsgericht hat vorliegend allerdings auf Grund der durchgeführten mündlichen Verhandlung die Überzeugung gewonnen‚ dass es sich bei der Klägerin eben gerade nicht um eine Person handelt‚ für die die öffentliche Religionsausübung wesensbestimmend ist‚ und hat dies ausführlich begründet. Ob diese Überzeugung des Verwaltungsgerichts tatsächlich zutreffend war‚ ist als Frage der einzelfallbezogenen Rechtsanwendung für die Divergenzzulassung unerheblich (vgl. BVerwG‚ B.v. 7.7.2005 – 5 B 18.06 – juris Rn. 7).
b) Auch mit ihrem weiteren Vorbringen‚ entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts gebe es für die Klägerin keine inländische Fluchtalternative‚ ist die geltend gemachte Divergenz im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG nicht dargelegt. Auch hier macht die Klägerin mit ihrer Zulassungsbegründung vielmehr (sinngemäß) ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils geltend‚ die keinen Zulassungsgrund im Sinne von § 78 Abs. 3 AsylG darstellen.
c) Soweit die Klägerin vorträgt‚ das Verwaltungsgericht hätte bei gebührender und zutreffender Würdigung der Art und Weise, wie sie ihren Glauben in der Bundesrepublik Deutschland lebe bzw. praktiziere‚ zu dem Ergebnis gelangen müssen‚ dass der Klägerin bei Aufrechterhaltung ihrer Glaubenspraktizierung in ihrer Heimat eine erhebliche Verfolgungsgefahr drohe‚ ist dies wiederum lediglich als Einwand gegen die inhaltliche Richtigkeit des angegriffenen Urteils zu verstehen und kann nicht zur Zulassung der Berufung führen.
d) Auch mit ihrem weiteren Vorbringen‚ das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts sei mit Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 5.9.2012 (Az.: C-71/11 und C-99/11) unvereinbar‚ legt die Klägerin nicht den Zulassungsgrund nach § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG dar. Der Europäische Gerichtshof ist gemäß der abschließenden Aufzählung in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG kein divergenzrelevantes Gericht (vgl. OVG NW‚ B.v. 19.12.2016 – 4 A 904/15.A – juris m.w.N.).
Ähnliches gilt in Bezug auf die ebenfalls angeführte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg: Er ist für das Verwaltungsgericht Ansbach kein übergeordnetes Gericht im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO‚ § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.

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