Verwaltungsrecht

Euthanasierungsanordnung eines Wildvogels – Mäusebussard

Aktenzeichen  M 23 S 17.4701

Datum:
9.10.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwZVG VwZVG Art. 18 Abs. 1, Art. 19 Abs. 1 Nr. 1, Art. 21 S. 1, Art. 32 S. 2, Art. 36 Abs. 1
VwGO VwGO § 67 Abs. 4 S. 4, S. 7, § 125 Nr. 1, § 154 Abs. 1
VwVfG VwVfG Art. 51 Abs. 2
GKG GKG § 52 Abs. 1
RDGEG RDGEG § 3, § 5

 

Leitsatz

Weder die Eingangsbestätigung einer Verfassungsbeschwerde noch die eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Bundesverfassungsgericht bewirken die aufschiebende Wirkung für das Vollstreckungsverfahren. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 250,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller beantragt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der durch Bescheid des Antragsgegners, Landratsamt … (im Folgenden: Landratsamt), vom 28. September 2017 angedrohten Ersatzvornahme der Euthanasierung des Mäusebussards, Ring Nr. B …, für den 10. Oktober 2017.
Durch rechtskräftiges Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 20. Dezember 2016 (M 23 K 16.1118; bestätigt durch Beschluss des BayVGH v. 9. August 2017, 9 ZB 17.766) wurde die Klage des Antragstellers u.a. gegen die in einem vorangegangenen Bescheid des Landratsamtes am 6. Mai 2014 angeordnete Tötungsanordnung für das vorbezeichnete Tier abgewiesen.
Durch Bescheid vom 12. September 2017 drohte das Landratsamt dem Antragsteller ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000 EUR an, sollte er nicht bis spätestens 27. September 2017 der Euthanasierungsanordnung Folge leisten. Der Bevollmächtigte des Antragstellers erhob gegen diesen Bescheid am 19. September 2017 Anfechtungsklage (M 23 K 17.4470), über die noch nicht entschieden ist. Ein Eilverfahren ist nicht anhängig.
Nachdem der Antragsteller der Verpflichtung aus dem Bescheid vom 12. September 2017 nicht nachgekommen war, erließ das Landratsamt am 28. September 2017 den streitgegenständlichen Bescheid, wonach u.a. dem Antragsteller für den Fall, dass er der Euthanasierungsanordnung nicht bis spätestens 6. Oktober 2017 nachkommt, die Ersatzvornahme in Form der Euthanasierung des Tieres durch Mitarbeiter des Landratsamts und durch das Landratsamt beauftragte Personen am 10. Oktober 2017 zwischen 10.00 und 14.00 Uhr angedroht wurde. Die Kosten der Ersatzvornahme wurden vorläufig auf 500,00 EUR veranschlagt.
Weiterhin wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass das Zwangsgeld aus dem Bescheid vom 12. September 2017 fällig geworden sei.
Durch Schriftsatz vom 29. September 2017, eingegangen am selben Tag, erhob der Bevollmächtigte des Antragstellers hiergegen Anfechtungsklage (M 23 K 17.4699) und beantragte gleichzeitig für das vorliegende Verfahren,
die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Landratsamtes vom 28. September 2017 (Anforderung Zwangsgeld, Androhung Ersatzvornahme) anzuordnen, vorsorglich einen „Hängebeschluss“ zu erlassen.
Auf die Begründung wird Bezug genommen.
Bereits durch Schutzschrift vom 28. September 2017 wurden von Antragsgegnerseite die Behördenakten übermittelt und Antragsablehnung beantragt. Auf die Begründung wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der statthafte Antrag, die aufschiebende Wirkung der am selben Tag erhobenen Anfechtungsklage anzuordnen, bleibt erfolglos.
Soweit die Antragsschrift auf die „Anforderung“ des im Bescheid vom 12. September 2017 angedrohten Zwangsgelds in Höhe von 5.000 EUR abzielt, ist die hierin enthaltene Fälligkeitsmitteilung des Zwangsgelds weder verwaltungsgerichtlich anfechtbar noch geeignet, vorläufig im Wege der Anordnung der aufschiebenden Wirkung verhindert werden zu können, da die Fälligkeit des Zwangsgelds bereits durch gesetzliche Anordnung (Art. 31 Abs. 3 Satz 3, Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG) eintritt, denn das angedrohte Zwangsgeld stellt einen aufschiebend bedingten Leistungsbescheid dar (vgl. hierzu Giehl/Adolph/Käß, Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern, Stand März 2017, Art. 31 Anm. 2).
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, Art. 21a VwZVG ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung zwischen der gesetzgeberischen Grundentscheidung für die sofortige Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers – der gesetzgeberischen Wertung folgend – regelmäßig zurück. Erweist sich die Anordnung bei dieser Prüfung dagegen als rechtswidrig, ist eine Abweichung von dieser Wertung gerechtfertigt und es besteht regelmäßig kein Interesse an deren sofortigen Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es regelmäßig bei der gesetzgeberischen Grundentscheidung.
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs wird die mit dem Eilrechtsschutz erhobene Anfechtungsklage des Antragstellers voraussichtlich erfolglos bleiben, da die vom Landratsamt angedrohte Ersatzvornahme rechtmäßig sein dürfte. Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen des Art. 18 Abs. 1, 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG liegen vor. Die Euthanasierungsanordnung ist rechtskräftig bestätigt worden und kann nicht mehr angefochten werden. Im Übrigen bindet das rechtskräftige Urteil die Beteiligten, insbesondere auch den Antragsteller (§ 125 Nr. 1 VwGO).
Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten des Antragstellers liegen auch die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen vor. Die Androhung ist schriftlich erfolgt und räumt dem Antragsteller eine angemessene Frist zur Erfüllung ein (Art. 36 Abs. 1 VwZVG). Auch die dem Antragsteller voraussichtlich entstehenden Kosten, sollte die Ersatzvornahme erforderlich werden, wurden vorläufig veranschlagt (Art. 36 Abs. 4 Satz 1 VwZVG). An der Bestimmtheit des Zwangsmittels und der Verhältnismäßigkeit bestehen keine Zweifel (Art. 36 Abs. 3, Art. 32 Satz 1 VwZVG), wie der Grundsatz der Wahl des mildesten Mittels eingehalten wurde. Das Verhalten des Antragstellers in der Vergangenheit hat hinreichend dargetan, dass ein (weiteres) Zwangsgeld keinen Erfolg erwarten lässt (Art. 32 Satz 2 VwZVG), selbst wenn dies nochmals erhöht worden wäre.
Auch die von der Antragseite erhobenen Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch nach Art. 21 Satz 1 VwZVG vermögen die Rechtmäßigkeit und Vollziehbarkeit der angedrohten Ersatzvornahme nicht in Frage zu stellen.
Es trifft zwar zu, dass das Bundesverfassungsgericht am 20. September 2017 den Eingang einer Verfassungsbeschwerde des Antragstellers gegen die behördlich angeordnete Euthanasierungsanordnung, das bezeichnete Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München und den bezeichneten Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sowie den Eingang eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bestätigt hat (1 BvR 2094/17). Weder die Eingangsbestätigung einer Verfassungsbeschwerde noch die eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bewirken jedoch aufschiebende Wirkung für das Vollstreckungsverfahren, wie dies der Bevollmächtigte des Antragstellers offenbar meint. Das Bundesverfassungsgericht hat weder den Antragsgegner noch das erkennende Gericht gebeten, einstweilen von weiteren Schritten beziehungsweise Entscheidungen abzusehen. Hierdurch erübrigt sich auch der von Antragstellerseite vorsorglich erbetene „Hängebeschluss“.
Schließlich vermag das Gericht nicht zu erkennen, dass der von Antragstellerseite gegenüber dem Landratsamt am 15. September 2017 gestellte (und am 6. Oktober 2017 negativ verbeschiedene) Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens die vorliegend streitgegenständliche Ersatzvornahme unzulässig machen würde (ganz unabhängig von der fortbestehenden Rechtskraftwirkung der oben bezeichneten gerichtlichen Entscheidungen).
Es kann vorliegend dahinstehen, ob es sich insbesondere bei der Stellungnahme der Frau Dr. … an den Bevollmächtigten des Antragstellers vom 12. September 2017 tatsächlich um ein neues Beweismittel im Sinne des Art. 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG handelt (was das Landratsamt zu Recht wegen Art und Inhalt der Darlegungen in Zweifel zieht). Der Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens scheitert jedenfalls an Art. 51 Abs. 2 VwVfG, denn der Antragsteller wäre zweifelsohne in der Lage gewesen den Wiederaufgreifensgrund bereits im erstinstanzlichen Verfahren, spätestens im Verfahren auf Zulassung der Berufung bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, geltend zu machen. Der Antragsteller hat sich in dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren aber jeglicher neutraler Sachverständigenuntersuchung und Begutachtung des Tieres verweigert. Der Antragsteller beansprucht offenbar nach wie vor das alleinige fachliche Beurteilungsvermögen für sich.
Hingegen kündigt die Antragsgegnerseite eine neuerliche Untersuchung des Tieres nach erfolgter Wegnahme im Hinblick auf die fortbestehende Erforderlichkeit der Euthanasierung an, was auch den Interessen des Antragstellers entsprechen dürfte.
Der Antrag war daher unter der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziff. 1.7.1, 1.5 Streitwertkatalog.

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