Aktenzeichen M 12 K 16.30593
Leitsatz
Äthiopischen Stellen ist bekannt, dass abgelehnte Asylbewerber durch exilpolitische Betätigung versuchen, sich in Deutschland ein Bleiberecht zu sichern. Die untergeordnete politische Betätigung in der EPPF des unverfolgt zu Studienzwecken ausgereisten Klägers werden äthiopische Stellen als taktisches Verhalten werten und den Kläger nicht als ernsthaften Regimegegner einstufen. (redaktioneller Leitsatz)
Anpassungs- und Angststörungen sind keine lebensbedrohlichen Erkrankungen. Sie sind in Äthiopien behandelbar. (redaktioneller Leitsatz)
Angesichts der Unschärfe des Krankheitsbildes “Depression und Belastungsreaktion auf Traumatisierung” bestehen im Hinblick auf die Substantiierung des Vortrags duch Vorlage von Attesten qualitative Anforderungen an das ärztliche Vorgehen und die Diagnostik bei der Begutachtung, die nur von Fachärzten für Psychiatrie oder für Psychotherapeutische Medizin erfüllt werden können. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen, gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unbegründet.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Über die Verwaltungsstreitsache konnte entschieden werden, obwohl die Beklagte nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen ist. Denn sie wurde mit Empfangsbekenntnis ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung geladen. In der Ladung wurde sie darauf hingewiesen, dass auch ohne sie verhandelt und entschieden werden kann, § 102 Abs. 2 VwGO.
Verfahrensgegenstand ist die Frage, ob der Bescheid des Bundesamtes vom 10. März 2015 rechtswidrig ist und deshalb aufzuheben ist und ob der Kläger einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, Anerkennung als Asylberechtigter und/oder Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus sowie eines nationalen Abschiebungsverbotes hat (vgl. Antrag der Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung).
Der Kläger hat offensichtlich weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 AsylG und/oder Asylanerkennung gem. Art 16a GG noch liegen bei ihm Gründe für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG oder nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vor.
Der Kläger hat offensichtlich keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 AsylG (vormals: § 60 Abs. 1 AufenthG) oder Asylanerkennung gem. Art. 16a GG, § 30 AsylG.
Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl, 1953 II S.559, 560-Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Eine Verfolgung kann dabei gem. § 3c AsylG ausgehen von einem Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebietes beherrschen oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die zuvor genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. Weiter darf für den Ausländer keine innerstaatliche Fluchtalternative bestehen, § 3e AsylG. Gem. Art. 16a GG gelten ähnliche Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigter.
Maßgeblich ist, ob der Asylsuchende bei Rückkehr in sein Heimatland der Gefahr politischer Verfolgung ausgesetzt wäre, wobei auf den Sachstand im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung abzustellen ist, § 77 Abs. 1 AsylG. Hat der Ausländer sein Heimatland bzw. den Staat des gewöhnlichen Aufenthalts auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen, besteht Anspruch auf Verfolgungsschutz bereits dann, wenn er bei Rückkehr vor erneuter Verfolgung nicht hinreichend sicher sein kann (herabgestufter Prognosemaßstab). Ist der Ausländer hingegen unverfolgt ausgereist, hat er einen Anspruch auf Schutz nur, wenn ihm aufgrund asylrechtlich beachtlicher Nachfluchttatbestände mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht (gewöhnlicher Prognosemaßstab).
Das Gericht muss – für einen Erfolg des Antrags – die volle Überzeugung von der Wahrheit des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals und hinsichtlich der zu treffenden Prognose, dass dieses die Gefahr politischer Verfolgung begründet, erlangen. Angesichts des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich Asylsuchende insbesondere hinsichtlich asylbegründender Vorgänge im Verfolgerland befinden, kommt dabei dem persönlichen Vorbringen des Asylsuchenden und dessen Würdigung für die Überzeugungsbildung eine gesteigerte Bedeutung zu (BVerwG, Urt. vom 16.04.1985, Buchholz 402.25 § 1 AsylG Nr. 32). Demgemäss setzt ein Asylanspruch gem. Art. 16a GG bzw. die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 AsylG voraus, dass der Asylsuchende den Sachverhalt, der seine Verfolgungsfurcht begründen soll, schlüssig darlegt. Dabei obliegt es ihm, unter genauer Angabe von Einzelheiten und gegebenenfalls unter Ausräumung von Widersprüchen und Unstimmigkeiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, der geeignet ist, das Asylbegehren lückenlos zu tragen (BVerwG, Urt. vom 08.05.1984, Buchholz § 108 VwGO Nr. 147).
An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.11.1990, InfAuslR 1991, 94, 95; BVerwG, Urteil vom 30.10.1990, Buchholz 402.25 § 1 AsylG Nr. 135; Beschluss vom 21.07.1989, Buchholz a. a. O., Nr. 113).
In Anwendung dieser Grundsätze ist beim Kläger offensichtlich weder eine Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 AsylG festzustellen noch ist er als Asylberechtigter gem. Art. 16a GG anzuerkennen, § 30 Abs. 1 AsylG. Es lässt sich nicht feststellen, dass der Kläger vor seiner Ausreise aus Äthiopien oder im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien landesweit von religiöser oder politischer Verfolgung betroffen war bzw. bedroht sein würde. Der Kläger hat einen unglaubhaften, widersprüchlichen Sachverhalt vorgetragen, § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG.
Die behaupteten Vorgänge zur Vorverfolgung des Klägers sind schon deshalb irrelevant, weil sie offensichtlich nicht kausal für die Ausreise des Klägers gewesen sind. Nach eigenen Angaben ist der Kläger mit der ägyptischen Fluggesellschaft Egypt Air von Addis Abeba nach Berlin und mit seinem eigenen Reisepass mit einem Visum zu Studienzwecken am … Februar 2008 ausgereist (Bl. 28, 29 BA).
Darüber hinaus sind die Ausführungen des Klägers zu seiner Vorverfolgung unglaubhaft und widersprüchlich.
Unglaubhaft und widersprüchlich ist, dass er vor Sicherheitsleuten geflohen ist, die in seiner Wohnung gewesen seien und dabei seine Schwester verletzt hätten. Beim Bundesamt hat der Kläger vorgetragen, die Leute hätten nach ihm gesucht (Bl. 2 der Niederschrift des Bundesamtes). In der mündlichen Verhandlung trug der Kläger dagegen vor, die Leute hätten in der Wohnung nach Unterlagen gesucht, die die Schwester nicht habe rausgeben wollen (Niederschrift, Seite 3). Dabei handelt es sich um widersprüchliche Angaben, die den Vortrag des Klägers unglaubhaft machen.
Unglaubhaft ist auch, dass dem Kläger überhaupt ein Reisepass ausgestellt worden ist mit einem Visum zu Studienzwecken, wenn er – wie von ihm behauptet – von Sicherheitskräften gesucht worden wäre. Nach eigenen Angaben ist dem Kläger der Reisepass „Anfang 2008 in Addis Abeba“ (Bl. 26 BA) ausgestellt worden. Nach seinen weiteren Angaben sind die Sicherheitsleute am 26. Januar 2008 in die Wohnung eingedrungen. Wäre nach dem Kläger (oder seinen Unterlagen) tatsächlich wegen irgendeiner politischen Betätigung gesucht worden, wäre ihm sicherlich kein Reisepass ausgestellt worden, um ihm die Flucht aus dem Land zu ermöglichen. Es ist völlig widersinnig, einerseits in der Wohnung nach dem Kläger und seinen Unterlagen zu suchen, andererseits ihm gleichzeitig den Reisepass auszustellen und zu belassen. Derart dilettantisch verhalten sich äthiopische Sicherheitskräfte sicher nicht, wenn sie eine Person wegen deren politischen Betätigung verfolgen.
Unglaubhaft ist auch, dass dem Kläger nach seinen Angaben die Ausreise mit seinem eigenen Pass und dem Visum gelungen ist, obwohl er von den Sicherheitsbehörden gesucht worden ist. Es ist nicht vorstellbar, dass eine gesuchte Person mit seinem eigenen Pass über den Flughafen Addis Abeba ausreisen kann (z. B. VG Kassel, U.v. 16.1.2014 – 1 K 349 -/13.KS.A – juris). Die Einlassung des Klägers, er habe einen Freund bei der Ausländerbehörde gehabt, der Zugang zum Flughafen gehabt habe und sein Foto sei noch nicht beim Flughafen gewesen, überzeugt nicht. Auch in Äthiopien werden Sicherheitsleute, wenn sie jemanden wegen politischer Betätigung verfolgen, dafür sorgen, dass die Fluchtmöglichkeiten gemindert werden. Dass das Foto des Klägers nicht beim Flughafen gewesen ist, überzeugt nicht, da er ja nach eigenen Angaben auch unter seinen eigenen Personalien geflogen ist, so dass die Sicherheitsleute zur Feststellung der Identität nicht unbedingt ein Foto gebraucht haben. Bei der Ausreise über den internationalen Flughafen Addis Abeba erfolgt eine genaue Personen- und Passkontrolle (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 4.3.2015, IV.4.1.)
Unglaubhaft ist auch, dass der Kläger „nach der Wahl“ 2008 das Land verlassen hat (Seite 2 der Niederschrift beim Bundesamt). Äthiopien hielt am 13. und 20. April 2008 landesweite Wahlen für lokale Niederlassungen für Kebele- und Woredaversammlungen ab (wikipedia.org/wiki/Kommunalwahlen_in_Äthiopien_2008). Der Kläger selbst ist aber bereits am 3. Februar 2008 ausgereist (Bl. 29 BA), so dass die Ausreise mit den Wahlen gar nichts zu tun hatte.
Unglaubhaft ist, dass der Kläger im Jahr 2006 in Haft gewesen. ist. Schon zu den Daten trug der Kläger widersprüchliche Angaben vor. Beim Bundesamt trug er vor, vom 22. Oktober 2006 an inhaftiert gewesen zu sein (Niederschrift Seite 2). In der mündlichen Verhandlung trug er dagegen vor, es sei der 20. Oktober 2006 gewesen (Niederschrift, Seite 1). Wäre der Kläger tatsächlich inhaftiert gewesen, hätte sich ihm das Datum sicherlich als ein außergewöhnliches Ereignis eingeprägt. Er trug darüber hinaus vor, nicht in einem Gefängnis, sondern in einer Privatwohnung gewesen zu sein. Insoweit ist nicht wahrscheinlich, dass die Verhaftung – sollte sie stattgefunden haben – überhaupt dem Staat zuzurechnen ist. Staatliche Bedienstete werden wohl kaum Leute in Privatwohnungen unterbringen, sondern auf einer Polizeidienststelle oder im Gefängnis.
Auch der Vortrag, warum der Kläger nach der Freilassung wieder in das Visier staatlicher Ermittlungen geraten sein soll, ist unsubstantiiert und unglaubhaft. Er habe Leuten, die noch inhaftiert gewesen sein sollen, helfen wollen. Der Kläger hat aber nicht vorgetragen, wie diese Hilfe im Einzelnen ausgesehen hat und warum er deshalb wieder verfolgt worden ist.
Im Übrigen ist nicht nachvollziehbar, dass der Kläger, wäre er verfolgt worden, nicht sofort nach der Einreise im Bundesgebiet um Hilfe gesucht und einen Asylantrag gestellt hat, sondern erst 5 ½ Jahre nach der Einreise, am 17. Oktober 2013. Dies auch offenkundig deshalb, weil er sein Studium in angemessener Frist nicht abschließen konnte und ihm wegen des Studiums keine Aufenthaltserlaubnis mehr erteilt wurde. Das Gericht geht davon aus, dass der Kläger deshalb ein Asylverfahren begonnen hat, um eine Chance zu haben, nach Auslauf der Aufenthaltserlaubnis zum Studium im Bundesgebiet bleiben zu können. Das Vorbringen des Klägers, er habe geglaubt, die Regierung werde in der Zwischenzeit abgelöst, überzeugt nicht.
Insgesamt ist die Vorfluchtgeschichte des Klägers völlig unglaubhaft und widersprüchlich, so dass das Gericht nicht davon ausgeht, dass sich der Sachverhalt wie geschildert ereignet hat. Der Kläger hat sich wohl – nachdem die Aufenthaltserlaubnis zum Studium nicht mehr verlängert wurde – eine Vorfluchtgeschichte zurecht gelegt.
Die exilpolitische Betätigung des Klägers führt ebenfalls offensichtlich nicht zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 AsylG oder zur Asylanerkennung gem. Art. 16a GG, § 30 AsylG.
Eine Asylanerkennung gem. Art. 16a GG ist schon deshalb nicht möglich, weil es sich bei der exilpolitischen Betätigung um selbst geschaffene Nachfluchtgründe handelt, deren Ursprung nicht in einer festen, bereits im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung entspricht, § 28 AsylG (siehe obige Ausführungen). Es liegt beim Kläger auch kein atypischer Fall vor, der eine Ausnahme von der Regelbeurteilung des § 28 AsylG rechtfertigen würde.
Die Kläger trug in der Anhörung beim Bundesamt vor, er sei in Deutschland Mitglied der EPPF (Ethiopian People`s Revolutionary Party). Er gehe ab und zu auf Versammlungen und Demonstrationen dieser Partei. Eine Person namens M. habe ihn ausspioniert. Er habe dann gemerkt, dass ihm Unterlagen und Fotos im Zusammenhang mit der Partei fehlen. In der mündlichen Verhandlung trug der Kläger vor, er sei derzeit nicht mehr für die EPPF tätig.
Es gibt zahlreiche politische Exilgruppen mit sehr unterschiedlichen Hintergründen und “Agenden“. Dem Auswärtigen Amt liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass allein die Betätigung für eine oppositionelle Partei im Ausland bei Rückkehr nach Äthiopien zu staatlichen Repressionen führt. Grundsätzlich kommt es auf den Einzelfall an, d. h. z. B. darauf, ob eine Organisation von der äthiopischen Regierung als Terrororganisation angesehen wird oder um welche politische Tätigkeit es sich handelt (z. B. nachweisliche Mitgliedschaft, führende Position, Organisation gewaltsamer Aktionen). Von Bedeutung ist auch, ob und wie sich die zurückgeführte Person anschließend in Äthiopien politisch betätigt (Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 4.3.2015, II.1.9.).
Dass der Kläger eine führende Position in der EPPF bekleidet (hat), wurde nicht vorgetragen. Äthiopischen Stellen ist bekannt, dass abgelehnte Asylbewerber durch exilpolitische Tätigkeit versuchen, sich in Deutschland ein Bleiberecht zu sichern. Dies gilt umso mehr, als der Kläger nicht an eine politische Betätigung in Äthiopien anknüpft, sondern unverfolgt ausgereist ist (siehe oben). Dass äthiopische Stellen dieses taktische Verhalten des Klägers besonders ernst nehmen und ihn als ernsthaften Regimegegner einstufen, ist nicht glaubwürdig und ergibt sich nicht aus dem Lagebericht. Selbst wenn der vom Kläger als Spitzel verdächtigte M. die Informationen über den Kläger in Äthiopien an die staatliche Stellen weiter geben sollte, ist nicht beachtlich wahrscheinlich, dass die äthiopische Regierung darauf mit der Verfolgung des Klägers reagiert. Die Stellung eines Asylantrags bleibt bei Rückkehr nach Äthiopien ohne staatliche Verfolgung (o.g. Lagebericht, II.1.9; vgl. auch VG Ansbach, U.v. 17.2.2016 – AN 3 K 14.30766 – juris).
Der vom Kläger erwähnte Überfall in der Asylbewerberunterkunft ist schon deshalb asylrechtlich irrelevant, weil er sich im Bundesgebiet ereignet hat.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG. Ein unionsrechtliches Abschiebungsverbot zugunsten des Klägers ist nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass ihm bei einer Rückkehr nach Äthiopien Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG; § 60 Abs. 2 AufenthG a. F.) drohen könnte. Denn der vom Kläger vorgetragene Sachverhalt zu seiner Vorverfolgung ist unglaubhaft; das Gericht geht davon aus, dass er sich nicht ereignet hat.
Der Kläger hat offensichtlich auch keinen Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots gem. § 60 Abs. 5 AufenthG.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist, § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist, § 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG. Schwere Krankheiten sind in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung in extremen Fällen von Lebensgefahr als obligatorische Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG im allgemeinen nur anerkannt worden, wenn ein erkrankter Ausländer im Zielstaat die erforderliche medizinische Behandlung nicht erlangen kann, sei es, weil die notwendige Behandlung oder Medikation für die betreffende Krankheit in dem Herkunftsstaat wegen des geringen Standards generell nicht verfügbar ist, sei es, weil diese Behandlung zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer aber individuell aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zur Verfügung steht. Für ein Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist erforderlich, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d. h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach Rückkehr des Ausländers droht (BayVGH, B.v. 27.4.2016 – 10 CS 16.485, 10 C 16.486 – juris).
Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Der Kläger kann keinen Abschiebungsschutz wegen der von der Kreisklinik … mit Behandlungsbericht vom 3. Februar 2016 (Bl. 74 BA), vom Diplom-Psychologen Dr. N., …, vom 26. Januar 2016 (Bl. 19 der Gerichtsakte), 24. Februar 2016 (Bl. 21 der Gerichtsakte) und undatiert (Bl. 57 BA) und dem Attest von Dr. L., …, vom 26.6.2014 (Bl. 60 BA) attestierten Erkrankungen beanspruchen. Die Kreisklinik … hat als Diagnose festgestellt: V.a. vestibuläre Migräne, Anpassungsstörung, Angststörung, V.a. posttraumatische Belastungsstörung. Wenn man die Verdachtsdiagnosen (V.a.) weglässt, die noch nicht bestätigt sind, bleiben als Erkrankungen eine Anpassungsstörung und Angststörung, die keine lebensbedrohlichen Erkrankungen im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind. Dr. N. hat als Diagnose festgestellt: mittelgradige depressive Episode, (akute) Reaktionen auf Traumatisierung (Bl. 20 der Gerichtsakte und 59 BA). Bei den attestierten Erkrankungen handelt es sich nicht um lebensbedrohliche Erkrankungen im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Darüber hinaus sind die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht erfüllt. Gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann die Gefahr, dass sich die Krankheit des Ausländers in seinem Heimatstaat verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind, ein Abschiebungshindernis darstellen (BVerwG NVwZ 1998, 524 in DVBl 1998,284). Eine derartige Gefahr ist auch dann erheblich, wenn sich der Gesundheitszustand wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Sie kann sich im Einzelfall auch daraus ergeben, wenn der erkrankte Ausländer eine an sich im Zielstaat verfügbare medizinische Behandlung aus finanziellen oder sonstigen Gründen tatsächlich nicht erlangen kann (BVerwG DVBl 2003, 463).
Die vom Kläger vorgelegten und oben genannten ärztlichen Atteste genügen schon nicht den Anforderungen an einen substantiierten Vortrag einer psychischen Erkrankung.
Zwar lassen sich die Anforderungen an die Qualität eines Gutachtens zum Vorliegen einer psychischen Erkrankung nicht abstrakt bestimmen. In erster Linie ist es dem Sachverständigen überlassen, in welcher Art und Weise er seine Stellungnahme unterbreitet. Dabei ist auch zu bedenken, dass das Gericht bei den in diesem Zusammenhang entscheidungserheblichen medizinischen Fachfragen keine eigene, nicht durch entsprechenden medizinischen Sachverstand vermittelte Sachkunde besitzt (BVerwG v. 17.8.2011, 10B 13/11). Gleichwohl ist dem Ergebnis eines Gutachtens oder der fachlichen Stellungnahme nicht blindlings, sondern nur dann zu folgen, wenn es schlüssig, nachvollziehbar und transparent hergeleitet ist und auf einer zutreffenden Grundlage beruht. Bei der Depression und einer Belastungsreaktion auf Traumatisierung handelt es sich um ein komplexes psychisches Krankheitsbild, bei dem nicht äußerlich feststellbare objektive Befundtatsachen, sondern innerpsychische Erlebnisse im Mittelpunkt stehen, so dass es entscheidend auf Glaubhaftigkeit und Nachvollziehbarkeit des geschilderten inneren Erlebens und der zugrunde liegenden faktischen äußeren Erlebnistatsachen ankommt. Aufgrund dieser Eigenart des Krankheitsbildes bestehen entsprechende Anforderungen an ärztliches Vorgehen und Diagnostik, die nur von Fachärzten für Psychiatrie oder für Psychotherapeutische Medizin erfüllt werden können. Angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes sowie seiner vielfältigen Symptomatik gehört zur Substantiierung des Vorbringens einer psychischen Erkrankung nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG v. 11.9.2007 – 10 C 17/07 – Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2ff AufenthG Nr. 31 zur PTBS) regelmäßig die Vorlage eines, gewissen Mindestanforderungen genügenden, fachärztlichen Attestes. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen der psychischen Erkrankung auf traumatische Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Krankheit nicht früher geltend gemacht worden ist (BVerwG v.11. 9. 2007, a. a. O.). Vorgelegte Gutachten müssen im Besonderen nachvollziehbar sein und den genannten Mindestanforderungen entsprechen (VG Düsseldorf v. 20. 2. 2003, juris).
Die vom Kläger vorgelegten Atteste genügen nicht den vorgenannten Anforderungen an die Substantiierung des Vorliegens einer Depression und Reaktion auf Traumatisierung.
Die Atteste des Dipl. Psychologen und Psychologischen Psychotherapeuten Dr. N., … vom 26. Januar 2016, 24. Februar 2016 und undatiert aus dem Jahr 2014 (Bl. 57 BA) diagnostizieren eine mittelgradige depressive Episode und Reaktionen auf Traumatisierung. Die Diagnosen depressive Episode und Reaktion auf Traumatisierung wurden schon nicht von einem Facharzt gestellt, sondern von einem Psychologischen Psychotherapeuten; dies reicht zur Substantiierung einer solchen Diagnose nicht aus. Ein „psychologischer Psychotherapeut“ darf sich nennen, wer ein Psychologiestudium mit dem Fach klinische Psychologie und eine psychotherapeutische Zusatzausbildung absolviert hat. Psychologische Psychotherapeuten unterliegen einer sog. Befugnisbeschränkung. Eine körperliche Untersuchung ist demzufolge den ärztlichen Psychotherapeuten vorbehalten, womit die Diagnostik und Therapie psychosomatischer Erkrankungen nicht unter das Berufsbild fällt. Auch die Verordnung einer Medikation, eine Krankschreibung oder Krankenhauseinweisung bedarf einer Approbation als Arzt (Psychotherapeut-wikipedia). Der Psychologischer Psychotherapeut ist nicht als Facharzt approbiert und kann deshalb nicht eine Diagnose der depressiven Episode und Reaktion auf Traumatisierung stellen.
Darüber hinaus übernimmt der Gutachter ungeprüft die Angaben des Klägers und führt nicht aus, ob die Angaben durch objektive Befunde bestätigt werden. Die Atteste enthalten keine Angaben darüber, warum der Kläger, der angeblich Gewalterfahrungen in Äthiopien hatte (2. des Attestes vom 26.1.2016), erst sechs Jahre nach seiner Einreise und nach einem nicht bestandenem Studium dieses Argument vorgetragen hat. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Attest vom 26.1.2016 nicht, dass eine weitergehende Behandlung erfolgt oder notwendig ist. Vielmehr ergibt sich aus dem Attest, dass der Kläger von 11.6.2014 bis 19.2.2015 behandelt wurde und die Behandlung erfolgreich war (5. des Attestes vom 26.1.2016). Über eine weitere Behandlungsbedürftigkeit ist im Attest nichts ausgeführt. Auch das Attest des Dr. N. vom 24. Februar 2016 führt nicht aus, wann sich „die Gesamtsymptomatik“ wieder verschlechtert haben soll und welche Behandlung in welchem Umfang erforderlich ist.
Das in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Attest des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B., …, vom 27. Mai 2016 genügt nicht den Anforderungen des BVerwG an ärztliche Atteste zur Subsstantiierung einer psychischen Erkrankung. In dem Attest ist weder eine deutliche Diagnose genannt („schwere Angst- und Depressionssymptomatik“) noch ein konkreter Behandlungsplan. Im Übrigen befasst sich das Attest überwiegend mit der Reisefähigkeit, die von der Ausländerbehörde bei Vollzug der Abschiebung zu prüfen ist und nicht das zielstaatsbezogene Abschiebungsverbot betrifft. Der Hinweis auf das zielstaatsbezogene Abschiebungsverbot im Attest ist nicht durch konkrete ärztliche Befunde belegt.
Darüber hinaus ist die Erkrankung des Klägers – falls eine solche erforderlich sein sollte – in Äthiopien behandelbar. Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes ist die medizinische Grundversorgung nur in Addis Abeba zufriedenstellend. Die Behandlungsmöglichkeiten haben sich in den letzten Jahren verbessert, sind aber nach wie vor eingeschränkt und – für äthiopische Verhältnisse – extrem teuer. Außerhalb der Hauptstadt gibt es auch für viele Gebiete gute Fachärzte ( Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16.5.2011, IV.1.2.). Psychiatrische Behandlungen werden in mehreren Krankenhäusern in Addis Abeba angeboten, jedoch ist nur ein Krankenhaus auf Psychiatrie spezialisiert. Nach dem Bericht „Äthiopien: Informationen zum Gesundheitswesen“ der Schweizerischen Flüchtlingshilfe ist das äthiopische Gesundheitssystem nicht mit europäischem Standard vergleichbar. Zugang, Qualität, Stabilität und Kosten der medizinischen Versorgung variieren innerhalb von Städten, zwischen Stadt und Land sowie zwischen privatem und öffentlichem Sektor. Die Verfügbarkeit von Medikamenten hat sich in den letzten Jahren verbessert. Die medizinische Versorgung mit Medikamenten ist kurzfristig möglich. In Addis Abeba bietet z. B. das Hospital des Gonder University College mit 350 Betten medizinische Versorgung und Behandlung für etwa 3,5 Millionen Äthiopier.
Zumindest in Addis Abeba könnte die psychotherapeutische Behandlung des Klägers durchgeführt werden. Ob der Abbruch der Behandlung ein Abschiebungshindernis darstellt, ist ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, das von der Ausländerbehörde vor der Abschiebung des Klägers zu prüfen ist.
Die Kosten für medizinische Behandlungen werden von privaten Krankenversicherungen nur eingeschränkt übernommen. Eine Pflichtversicherung gibt es nicht (Lagebericht v. 4.3.2015, IV. 1.2.). Bei Rückkehrern aus dem Ausland kann nicht davon ausgegangen werden, dass Krankenkosten von einer Krankenversicherung getragen werden. Es ist für den Kläger sicher nicht leicht, in Äthiopien wieder Fuß zu fassen. Der Kläger hat aber in Äthiopien zwölf Jahre lang die Schule besucht und das Abitur erreicht. Er hat danach nach eigenen Angaben 2 ½ Jahre lang die Kaufmännliche Berufsfachschule in Addis Abeba besucht; seit 2008 bis 2014 hat er in Deutschland studiert und hat gut deutsch gelernt. Nach Rückkehr hat der sehr gut vorgebildete Kläger die Möglichkeit, sich eine Beschäftigung zu suchen und – sollte eine ärztliche Behandlung nötig sein – diese, wie alle Äthiopier auch, selbst zu bezahlen. In der Anfangszeit ist ihm zuzumuten, Hilfe bei seiner noch in Äthiopien lebenden Mutter oder den weiteren Verwandten (drei Tanten väterlicherseits, Cousins und Cousinen) zu suchen.
Die nach Maßgabe des § 34 Abs. 1 und des § 36 Abs. 1 AsylG erlassene Abschiebungsandrohung ist nicht zu beanstanden. Der Kläger besitzt keine Aufenthaltsgenehmigung und ist auch nicht als Asylberechtigte anerkannt.
Soweit sich der Kläger mit seiner Klage gegen die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 30 Monate wendet, hat die Klage ebenfalls keinen Erfolg. Die Beklagte war nach § 11 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 75 Nr. 12 AufenthG zur Entscheidung über die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots (§ 11 Abs. 1 AufenthG) berufen. Die Entscheidung, das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung zu befristen, ist auch ermessensfehlerfrei innerhalb der von § 11 Abs. 3 Satz 2 und 3 AufenthG aufgezeigten gesetzlichen Grenzen getroffen worden. Das Vorliegen besonderer Umstände ist vom Kläger weder vorgetragen noch ersichtlich. Die vorgenommene Befristung auf 30 Monate begegnet keinen Bedenken.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG als offensichtlich unbegründet abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff ZPO.
Das Urteil ist unanfechtbar, § 78 Abs. 1 Satz 2 AsylG. Da der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, gilt die Unanfechtbarkeit auch dann, wenn das Klagebegehren im Übrigen als unbegründet abgewiesen worden ist.