Verwaltungsrecht

Fälligstellung und erneute Androhung von Zwangsgeld wegen Nichtvorlage eines baurechtlichen Standsicherheitsnachweises

Aktenzeichen  M 8 K 16.5207

Datum:
16.10.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwZVG VwZVG Art. 31 Abs. 3 S. 3, Art. 36 Abs. 6 S. 2, Art. 37 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

1. Die Fälligstellung eines Zwangsgeldes ist zu Recht erfolgt, wenn eine bestandskräftig festgesetzte Verpflichtung, die auf eine trotz Fehlens eines Standsicherheitsnachweises I noch mögliche Vorlage eines Standsicherheitsnachweises II gerichtet ist, nicht fristgerecht erfüllt worden ist. (Rn. 35 – 40) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die für die erneute Androhung eines Zwangsgeldes erforderliche Erfolglosigkeit einer vorausgegangenen Androhung setzt keine Beitreibung des vorher festgesetzten Zwangsgeldes bzw. keinen Beitreibungsversuch, sondern nur voraus, dass das angedohte Zwangsgeld fällig geworden und die frühere Androhung ohne Erfolg geblieben ist (ebenso BayVGH BeckRS 2002, 26472 Rn. 8). (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Umstand, dass die Behörde nachträglich auf Grund einer eigenen Prüfung, zu der sie nicht verpflichtet gewesen wäre, auf die Vorlage des geforderten Nachweises verzichtet, kann rückwirkend weder an der Fälligkeit des angedrohten Zwangsgeldes noch an der Rechtmäßigkeit der erneuten Androhung etwas ändern. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache insgesamt keinen Erfolg.
A.
Der Feststellungsantrag unter Ziff. 1 im Schriftsatz vom 17. November 2016 ist zulässig, insbesondere ist die Feststellungsklage nach § 43 VwGO der statthafte Rechtsbehelf gegen eine Zwangsgeldfälligstellung (vgl. BayVGH, B.v. 27.9.2010 – 1 CS 10.1389 – juris).
Die Feststellungsklage ist aber nicht begründet, da das mit Bescheid vom 28. Juni 2016 angedrohte und mit Schreiben vom 18. Oktober 2016 fällig gestellte Zwangsgeld in Höhe von 750,- EUR fällig geworden ist.
I. Nach Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG wird eine Zwangsgeldforderung fällig, wenn die nach Art. 31 Abs. 1 VwZVG festgesetzte Pflicht nicht bis zum Ablauf der nach Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG bestimmten Frist erfüllt wird. Die Fälligkeitsmitteilung der Behörde hat dabei aufgrund der Regelung des Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG insoweit nur deklaratorischen Charakter.
Vorliegend bestand die nach der bestandskräftigen Grundverfügung vom 18. April 2016 zu erfüllende Pflicht darin, die Bescheinigung „Standsicherheitsnachweis II“ vorzulegen. Dieser Pflicht ist der Kläger weder innerhalb der im Bescheid vom 18. April 2016 innerhalb 1 Monats nach Zustellung des Bescheides – das heißt bis zum 20. April 2016 – noch der im Bescheid vom 28. Juni 2016 gesetzten Frist – innerhalb 1 Monats nach Zustellung des Bescheides, das heißt bis zum 1. August 2016 – nachgekommen, weshalb die Beklagte mit Schreiben vom 18. Oktober 2016 das im Bescheid vom 28. Juni 2016 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 750,- EUR zu Recht für fällig erklärt hat.
II. Dem steht auch nicht der Einwand der Klagepartei entgegen, dass die bestandskräftige Verpflichtung aus den Bescheiden vom 18. April 2016 und 28. Juni 2016, die Bescheinigung „Standsicherheit II“ vorzulegen, ein nicht durchsetzbares Verlangen der Beklagten sei, da der Kläger den „Standsicherheitsnachweis I“ bislang nicht vorgelegt habe und dies von ihm auch nicht verlangt worden sei.
Zwar ist insoweit richtig, dass der „Standsicherheitsnachweis II“ – nämlich die ordnungsgemäße Bauausführung nach Art. 77 Abs. 2 BayBO i.V.m. § 13 Abs. 5 PrüfVBau – auf der Grundlage der Bescheinigung der „Standsicherheit I“ (Vollständigkeit und Richtigkeit des Standsicherheitsnachweises nach Art. 62 Abs. 3 BayBO i.V.m. § 13 Abs. 4 PrüfVBau) erfolgt. Die Tatsache, dass der Kläger pflichtwidrig der Auflage in der bestandskräftigen Baugenehmigung vom 26. Juni 2014 mit Baubeginnsanzeige die Bescheinigung „Standsicherheitsnachweis I“ vorzulegen nicht nachgekommen ist, kann – da die Prüfung des „Standsicherheitsnachweises gem. § 13 Abs. 4 PrüfVBau“ ohne weiteres jederzeit vom Kläger veranlasst werden konnte und noch kann – nicht dazu führen, dass nunmehr der „Standsicherheitsnachweis II“ von ihm nicht verlangt werden kann. Eine Unmöglichkeit, die Bescheinigung „Standsicherheitsnachweis II“ zu erbringen, ist nicht gegeben, auch wenn der Kläger nunmehr für die Erbringung des „Standsicherheitsnachweises II“ zunächst die Grundlage durch Prüfung des Standsicherheitsnachweises schaffen muss.
Es ist nicht ersichtlich, weshalb dem Kläger dies nicht möglich sein sollte. Insoweit kann an der Bestandskraft der mit Bescheiden vom 18. Oktober 2016 und 28. Juni 2016 festgesetzten Verpflichtung kein Zweifel bestehen. Diese könnte allenfalls dann in Frage gestellt sein, wenn die Beklagte – entsprechend dem in diese Richtung zielenden Vorbringen des Bevollmächtigten des Klägers – von diesem eine unmögliche Leistung verlangt hätte. Davon kann vorliegend aber keine Rede sein.
Damit hat der Kläger die im Bescheid vom 28. Juni 2016 bestandskräftig fest-gelegte Verpflichtung – innerhalb der ihm gesetzten Frist – nicht erfüllt, weshalb die Beklagte zu Recht das in diesem Bescheid angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 750,- EUR mit Schreiben vom 18. Oktober 2016 für fällig erklärt hat.
Die nunmehr ohne Notwendigkeit erklärte Bereitschaft der Beklagten auf die Vorlage des Standsicherheitsnachweises II zu verzichten kann daran – zumal rückwirkend – nichts ändern (vgl. auch unter B.3).
B.
Auch die Klage gegen die erneute Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom 18. Oktober 2016 bleibt erfolglos.
1. Nach Art. 38 Abs. 1 Satz 3 VwZVG kann in den Fällen, in denen eine Zwangsmittelandrohung nicht mit dem zugrunde liegenden Verwaltungsakt verbunden und dieser unanfechtbar geworden ist, die Zwangsmittelandrohung nur insoweit angefochten werden, als eine Rechtsverletzung durch die Androhung selbst behauptet wird.
Der hier zugrunde liegende Verwaltungsakt – die Verfügungen vom 18. April 2016 und 28. Juni 2016 – ist vom Kläger nicht angefochten worden und damit bestandskräftig.
Hinsichtlich des Einwandes der Klagepartei, von dem Kläger werde eine ihm nicht mögliche Leistung verlangt, gilt das unter A. II. Festgestellte.
2. Nach Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG können Zwangsmittel so lange und so oft angewendet werden, bis die Verpflichtung erfüllt ist. Nach Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG ist eine neue Androhung dabei erst dann zulässig, wenn die voraus-gegangene Androhung des Zwangsmittels erfolglos geblieben ist. Dies bedeutet nicht, dass ein weiteres Zwangsgeld erst dann angedroht werden darf, wenn das vorher festgesetzte Zwangsgeld beigetrieben bzw. ein Beitreibungsversuch gemacht worden ist; die Zwangsvollstreckungsbehörde muss vielmehr nur abwarten, dass das angedrohte Zwangsgeld fällig geworden und die frühere Androhung ohne Erfolg geblieben ist (BayVGH, B.v. 29.7.2002 – 20 ZB 02.1265 – juris).
Diese Voraussetzungen für eine erneute Zwangsgeldandrohung sind bzw. waren vorliegend gegeben, da – wie oben unter A. ausgeführt – das mit Bescheid vom 28. Juni 2016 angedrohte Zwangsgeld fällig geworden ist.
3. Der Umstand, dass die Beklagte nunmehr aufgrund einer hauseigenen Prüfung – zu der sie nicht verpflichtet gewesen wäre – auf die Vorlage des „Standsicherheitsnachweises II“ verzichtet, kann rückwirkend weder etwas an der Fälligkeit des im Bescheid vom 28. Juni 2016 angedrohten Zwangsgeldes noch an der Rechtmäßigkeit der erneuten Androhung im Bescheid vom 18. Oktober 2016 ändern.
Abgesehen davon, dass die im Urteil der erkennenden Kammer vom 21. September 2015 (M 8 K 14.1638) geäußerte Rechtsauffassung im Hinblick auf die Vorlagepflicht von Standsicherheitsnachweisen bei bloßer Nutzungsänderung keinen Einfluss auf die bestandskräftige Vorlagepflicht haben kann, ist dieser Fall mit dem Vorliegenden nicht vergleichbar, da es in dem, dem Verfahren M 8 K 14.1638 zugrunde liegenden Fall um eine bloße Nutzungsänderung ohne bauliche Veränderung ging, eine solche der Baugenehmigung vom 26. Juni 2014 jedoch nicht zugrunde lag.
Auf der Grundlage der Baugenehmigung vom 26. Juni 2014 wurde zwischen den ehemaligen Gasträumen 1 und 2 zur Herstellung zweier eigenständiger Gaststätten eine Trennwand eingefügt, die eine bauliche Veränderung darstellt, bei der auch nicht ausgeschlossen werden kann, dass das statisch-konstruktive Gefüge berührt wird.
4. Die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes im Bescheid vom 18. Oktober 2016 ist auch nicht unangemessen.
Nach Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG beträgt das Zwangsgeld mindestens 15,- EUR und höchstens 50.000,- EUR. Nach Satz 2 dieser Norm soll das Zwangsgeld das wirtschaftliche Interesse, das der Pflichtige an der Vornahme oder am Unterlassen der Handlung hat, erreichen, wobei nach Satz 4 dieser Vorschrift das wirtschaftliche Interesse nach pflichtgemäßem Ermessen zu schätzen ist.
Um den nötigen Nachdruck zu erzielen, soll das Zwangsgeld so bemessen werden, dass der Pflichtige keinen Vorteil aus der Nichterfüllung der Anordnung ziehen kann. Hierbei steht der Behörde innerhalb des gesetzlichen Rahmens ein weiter Ermessensspielraum zu, bei dem die Umstände des Einzelfalles sowie die persönlichen Verhältnisse des Pflichtigen zu berücksichtigen sind. Eine Begründung für die geschätzte Höhe des wirtschaftlichen Interesses ist regel-mäßig nicht erforderlich (BayVGH, B.v. 16.9.2010 – 1 CS 10.1803 – juris).
Gemessen an diesen Vorgaben ist eine Zwangsgeldandrohung in Höhe von 1.000,- EUR rechtlich nicht zu beanstanden. Mit einem Zwangsgeld dieser Höhe wird der gesetzliche Rahmen nur zu 1/50 ausgeschöpft, was auch im Hinblick auf die vorangegangenen ergebnislosen Androhungen in keiner Weise unangemessen erscheint.
C.
Gemäß den oben getroffenen Feststellungen ist auch der Klageantrag Ziff. 3 im Schriftsatz vom 17. November 2016 abzuweisen. Die Festsetzung von Gebühren und Auslagen in der Kostenrechnung entspricht den gesetzlichen Grundlagen und ist nicht zu beanstanden.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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