Aktenzeichen 7 ZB 16.281
BayEUG Art. 100
ZPO § 165
Leitsatz
Das Fehlen des Vermerks „vorgelesen und genehmigt“ (v.u.g.) unter einem zu Protokoll erklärten Klageantrag ist kein beachtlicher Verfahrensfehler, wenn die Stellung und der Inhalt dieses Klageantrags anderweitig festgestellt werden können.
Verfahrensgang
AN 2 K 14.998 2015-10-08 Urt VGANSBACH VG Ansbach
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 30.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger, ein eingetragener Verein, der seit dem Schuljahr 2011/2012 eine genehmigte private Berufsfachschule betreibt, beantragte erstmals mit Schreiben vom 1. August 2013 die Verleihung der Eigenschaft einer staatlich anerkannten Ersatzschule gemäß Art. 100 BayEUG. Der Beklagte lehnte die Anerkennung mit Schreiben vom 5. Dezember 2013 ab. Die daraufhin erhobene Klage hat das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach mit Urteil vom 8. Oktober 2015 abgewiesen und zur Begründung sinngemäß folgendes ausgeführt:
Die vom Kläger betriebene Schule habe mittlerweile mit Bescheid vom 12. Januar 2015 die begehrte staatliche Anerkennung erhalten. Der Kläger habe infolge dessen zwar seinen ursprünglichen, auf eine entsprechende Verpflichtung des Beklagten gerichteten Antrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 8. Oktober 2015 umgestellt und zuletzt beantragt, festzustellen, dass der Bescheid vom 5. Dezember 2013 rechtswidrig gewesen ist. Diese Fortsetzungsfeststellungsklage sei aber unzulässig, weil sie eine Klageänderung i.S.v. § 91 VwGO beinhalte. Im Übrigen sei die Klage auch unbegründet, weil der streitgegenständliche Bescheid vom 5. Dezember 2013 keinen rechtlichen Bedenken begegne.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzziel weiter. Er macht vor allem geltend, das angefochtene Urteil unterliege nicht nur ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), weil er seinen ursprünglichen Klageantrag zulässigerweise auf ein Fortsetzungsfeststellungsbegehren umgestellt habe, sondern leide auch an einem Verfahrensmangel i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO. Denn ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 8. Oktober 2015 fehle unter seinem in der mündlichen Verhandlung umgestellten Klageantrag der Zusatz „v.u.g.“ (vorgelesen und genehmigt); aufgrund der negativen Beweiskraft des Protokolls sei gemäß § 165 ZPO deshalb davon auszugehen, dass ein entsprechendes Vorlesen nicht stattgefunden habe und eine Genehmigung nicht erteilt worden sei. Im Übrigen weise die Rechtssache noch besondere rechtliche Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und habe grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und tritt dem Zulassungsbegehren im Einzelnen entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. An der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Senat folgt zunächst den Gründen des erstinstanzlichen Urteils und nimmt darauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist zu bemerken:
Die in der mündlichen Verhandlung von dem anwaltlich vertretenen Kläger vorgenommene Umstellung seiner ursprünglichen und bereits seit dem 12. Januar 2015 erledigten Verpflichtungsklage auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) ist unzulässig.
Ohne weiteres zulässig ist eine solche Fortsetzungsfeststellungsklage nur dann, wenn deren Streitgegenstand von dem bisherigen Verpflichtungsantrag umfasst war; denn nur dann gebietet der Gedanke der Prozessökonomie, der § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zugrunde liegt, die Weiterführung des Verfahrens zuzulassen, ohne dass die Voraussetzungen für eine Klageänderung nach § 91 VwGO erfüllt sein müssen (BVerwG, U.v. 4.12.2014 – 4 C 33/13 Rn. 13 – juris). Der Streitgegenstand der vorliegenden Fortsetzungsfeststellungsklage ist aber ein anderer als der der ursprünglich erhobenen Verpflichtungsklage. Streitgegenstand der Verpflichtungsklage ist – trotz des insoweit zumindest ungenauen Wortlauts des § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO – nach einhelliger Auffassung (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 22.5.1987 – 4 C 77.84 – juris; Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 113 Rn. 33) der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf den unterlassenen oder versagten Verwaltungsakt, hier die zunächst verweigerte staatliche Anerkennung der betriebenen Schule. Dieser Anspruch muss dem Kläger in dem nach materiellem Recht maßgeblichen Zeitpunkt zustehen; das ist in der Regel der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, hier der 8. Oktober 2015. Demgegenüber betrifft die Feststellung, dass der ablehnende Bescheid rechtswidrig gewesen ist, einen regelmäßig von der Verpflichtungsklage abweichenden Streitgegenstand, bei der auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Bescheidserlasses, hier den 5. Dezember 2013, abzustellen ist; sie fordert deshalb auch vom Gericht ein von der ursprünglichen Klage abweichendes Prüfprogramm (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 4.12.2014 – 4 C 33/13 Rn. 18 – juris m.w.N.).
Daran ändert auch der Hinweis des Klägers, er habe sich bereits im Rahmen seiner Verpflichtungsklage gegen den ablehnenden Bescheid vom 5. Dezember 2013 und die diesem zugrunde liegende Verwaltungspraxis gewandt, nichts: Es ist zwar richtig, dass der Erfolg der Verpflichtungsklage vorausgesetzt hätte, dass die Ablehnung oder Unterlassung des beantragten Verwaltungsakts rechtswidrig war. Dies darf jedoch nicht so verstanden werden, dass die inzidente Feststellung der Rechtswidrigkeit des ablehnenden Bescheids notwendige Voraussetzung und damit auch notwendiger, wenn auch unausgesprochener Bestandteil der im Verpflichtungsfall beantragten gerichtlichen Entscheidung ist. Bestandteil des Streitgegenstandes der Verpflichtungsklage ist nicht die Feststellung, dass der Verwaltungsakt, in dem die Ablehnung nach außen Gestalt gefunden hat, rechtswidrig ist, sondern die Feststellung, dass die Weigerung der Behörde in dem für das Verpflichtungsbegehren entscheidenden Zeitpunkt, den beantragten Verwaltungsakt zu erlassen, die Rechtsordnung verletzt (vgl. BVerwG, U.v. 4.12.2014 – 4 C 33/13 Rn. 17 – juris m.w.N.).
2. Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO liegt ebenfalls nicht vor. Nach dieser Vorschrift ist die Berufung nur zuzulassen, wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Das Fehlen des Vermerks „vorgelesen und genehmigt“ unter dem zu Protokoll erklärten Klageantrag ist jedoch kein im Sinne dieser Vorschrift beachtlicher Verfahrensfehler, wenn – wie hier – Stellung und Inhalt dieses Klageantrags anderweitig festgestellt werden können. Im Einzelnen:
Unstreitig enthält die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 8. Oktober 2015 entgegen den Regelungen in § 105 VwGO, § 162 Abs. 1 Satz 3 ZPO keinen Vermerk „vorgelesen und genehmigt“ (v.u.g.) über das Verlesen und die Genehmigung des zu Protokoll erklärten Fortsetzungsfeststellungsantrags, vgl. § 162 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Ebenso wenig aber bestreitet der Kläger, einen Fortsetzungsfeststellungsantrag mit dem protokollierten Inhalt – dessen Zulässigkeit er gerade mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung zu belegen sucht, s.o. – gestellt zu haben. Er bestreitet auch nicht ausdrücklich, dass der Antrag im Rahmen der mündlichen Verhandlung möglicherweise tatsächlich verlesen und genehmigt worden ist; er macht lediglich (sinngemäß) geltend, die „negative Beweiskraft des Protokolls“ führe gemäß § 165 ZPO zu einem insoweit beachtlichen Verfahrensfehler und es könne nicht ausgeschlossen werden, dass er für den Fall eines „erneuten“ Vorlesens in der mündlichen Verhandlung eventuell einen „korrigierten“ Antrag gestellt hätte, der nicht bereits als unzulässig abzuweisen gewesen wäre.
Mit diesem (im Hinblick auf sein sonstiges Zulassungsvorbringen durchaus widersprüchlichen) Vortrag verkennt der Kläger zunächst, dass das durch § 105 VwGO i.V.m. § 162 Abs. 1 ZPO vorgeschriebene Verfahren der Verlesung und Genehmigung von Protokollerklärungen lediglich die Gewähr für die Richtigkeit des Protokolls bieten und damit seine Beweiskraft untermauern soll, aber nicht im Sinne eines zwingenden Formerfordernisses zu verstehen ist (BVerwG, B.v. 22.11.2010 – 2 B 7/10 Rn. 6 – juris m.w.N.). Er lässt weiter außer Acht, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die Wirksamkeit einer Prozesshandlung durch einen Verstoß gegen § 162 Abs. 1 ZPO nicht berührt ist, wenn – wie hier durch die auch ihrem Inhalt nach nicht bestrittene Antragstellung – die Abgabe der Prozesserklärung und deren Inhalt anderweitig festgestellt werden können (vgl. BGH, B.v. 4.7.2007 – XII ZB 14/07 Rn. 8 – juris). Und schließlich überzeugt seine – hypothetische – Annahme, es sei nicht auszuschließen, dass er nach einem „erneuten Vorlesen“ einen anderen, prozessual zulässigen Antrag gestellt hätte, schon deshalb nicht, weil ein entsprechendes prozessuales „Problembewusstsein“ auf Seiten des Klägers ersichtlich erst nach der mündlichen Verhandlung im weiteren Verlauf des Verfahrens – sei es durch das angefochtene Urteil selbst oder die Stellungnahme der Landesanwaltschaft im Berufungszulassungsverfahren – entstanden ist.
3. Infolge der Unzulässigkeit der Klage kommt es auf die weiteren geltend gemachten Zulassungsgründe, die sich auf die materielle Rechtslage beziehen, nicht an.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.
5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).