Aktenzeichen B 6 E 19.159
VwGO § 80 Abs. 7, § 123
AufenthG § 11 Abs. 1, § 25 Abs. 3, § 28 Abs. 1, § 54 Abs. 2 Nr. 9, § 60 Abs. 5, Abs. 7, § 85a
BGB § 1597a
VO (EU) 604/2013 Art. 17 Abs. 1
Leitsatz
Das Bundesamt hat im Rahmen des Verfahrens auf Erlass einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 AsylG sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde zur Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwältin …, wird abgelehnt.
2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
3. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
4. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller, der bei seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland am 28.01.2018 zunächst angegeben hatte, aus Senegal zu stammen, ist ausweislich eines am 21.09.2018 von der Republik Gambia ausgestellten, bis zum 21.09.2023 gültigen Reisepasses gambischer Staatsangehöriger. Am 02.02.2018 stellte er einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) mit Bescheid vom 21.02.2018 als unzulässig ablehnte (Ziffer 1), verbunden mit der Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2), einer Abschiebungsanordnung nach Italien (Ziffer 3) und einer Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 6 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4). Über die dagegen am 02.03.2018 erhobene Klage (Az.: B 4 K 18.50112) ist noch nicht entschieden. Den gleichzeitig gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage lehnte das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Beschluss vom 13.04.2018 (Az.: B 4 S 18.50111) ab.
Am 01.08.2018 erkannte der Antragsteller mit Zustimmung der deutschen Kindsmutter (wohnhaft in E.) die Vaterschaft zu einem am …2018 geborenen Kind an. Am 02.08.2018 stimmte der Ehemann der Kindsmutter der Anerkennung der Vaterschaft zu. Am 26.09.2018 erklärten der Antragsteller und die Kindsmutter vor einem Notar, die elterliche Sorge für das Kind gemeinsam übernehmen zu wollen.
Den mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 27.08.2018 gestellten Antrag des Antragstellers nach § 80 Abs. 7 VwGO, den Beschluss vom 13.04.2018 abzuändern, lehnte das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Beschluss vom 23.10.2018 ab (Az.: B 4 S 18.50639).
Mit Schreiben vom 31.10.2018 beantragte der Antragsteller bei der Regierung von Oberfranken – Zentrale Ausländerbehörde (im Folgenden: ZAB) einen Aufenthaltstitel nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG.
Mit Schreiben an seine Prozessbevollmächtigte vom 16.01.2019 hörte die ZAB den Antragsteller zur beabsichtigten Ablehnung seines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels an.
Nachdem sich der Antragsteller vom 10.07.2018 bis 21.02.2019 in E. aufgehalten hatte, wohnt er seit 22.01.2019 wieder in B. Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 22.01.2019 beantragte der Antragsteller bei der ZAB ergänzend zum bereits gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG hilfsweise, dem Antragsteller eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG, hilfsweise nach § 25 Abs. 5 AufenthG, weiter hilfsweise eine Duldung aus familiären Gründen nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG zu erteilen, weiter hilfsweise das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG ab dem Tag der Abschiebung auf Null zu reduzieren.
Mit Bescheid vom 24.01.2019 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 28 Abs. 1 AufenthG, nach § 25 Abs. 3 AufenthG und nach § 25 Abs. 5 AufenthG ab. In den Gründen des Bescheides wird ausgeführt, die Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels seien bereits aufgrund der Sperrwirkung des § 10 Abs. 1 AufenthG abzulehnen. Außerdem seien die Tatbestandsvoraussetzungen der beantragten Aufenthaltstitel nicht erfüllt. Für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 AufenthG fehle die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, weil durch den Verstoß des Antragstellers gegen seine Wohnsitzauflage und durch sein Untertauchen ein Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG bestehe. Der Tatbestand des § 25 Abs. 3 AufenthG sei nicht erfüllt, weil das Bundesamt im Bescheid vom 21.02.2018 das Nichtvorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festgestellt und das Verwaltungsgericht Bayreuth dies mit Beschluss vom 13.04.2018 bestätigt habe. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG aus familiären Gründen unter Abweichung von § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG setze eine atypische Fallgestaltung voraus, die vorliegend nicht gegeben sei. Ferner sei zweifelhaft, ob die Vaterschaftsanerkennung am 01.08.2018 wirksam erklärt worden sei, weil der Antragsteller durch Vorlage seiner bereits erloschenen Aufenthaltsgestattung über seinen ausländerrechtlichen Status getäuscht habe. Andernfalls hätte die beurkundende Stelle ein Prüfungsverfahren nach § 1597a BGB / § 85a AufenthG einleiten und die Beurkundung aussetzen müssen.
Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 19.02.2019, beim Verwaltungsgericht Bayreuth an diesem Tag auch eingegangen, hat der Antragsteller Klage erhoben und beantragt, den Bescheid vom 24.01.2019 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG, hilfsweise nach § 25 Abs. 3 AufenthG, hilfsweise nach § 25 Abs. 5 AufenthG, hilfsweise eine Duldung aus familiären Gründen nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG zu erteilen, hilfsweise das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG ab dem Tag der Abschiebung auf Null zu reduzieren. Gleichzeitig hat der Antragsteller beantragt,
den Antragsgegner zu verpflichten, von einer Abschiebung des Antragstellers abzusehen, bis über diese Klage entschieden wurde sowie dem Antragsteller Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin …, zu gewähren.
Auf die Begründung wird Bezug genommen.
Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 25.02.2019 beantragt, die Klage abzuweisen und den Antrag abzulehnen.
Auf die Begründung wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 26.02.2019 teilte das Bundesamt der ZAB mit, eine Überstellung des Antragstellers sei momentan auszusetzen, bis eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Bayreuth über den am 22.01.2019 eingegangenen Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO vorliege. Anschließend werde intern geprüft, ob die humanitäre Klausel des Art. 17 Abs. 1 VO (EU) 604/2013 angewendet werde.
Hiervon setzte die ZAB das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Schriftsatz vom 05.03.2019 in Kenntnis, verbunden mit der Mitteilung, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen daher seitens der ZAB storniert worden seien und derzeit nicht weiter betrieben würden. Eine Aufenthaltsbeendigung stehe damit nicht unmittelbar bevor.
Den mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 22.01.2019 gestellten Antrag, den Beschluss vom 13.04.2018 nach § 80 Abs. 7 VwGO abzuändern und der Bundesrepublik Deutschland aufzugeben, der ZAB mitzuteilen, dass von Abschiebungsmaßnahmen abzusehen ist, lehnte das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Beschluss vom 06.03.2019 (Az.: B 4 S 19.50035) ab.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Ausländerakte Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachfolgend dargestellten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Infolgedessen kommt auch die Beiordnung eines Rechtsanwaltes gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 121 Abs. 2 ZPO nicht in Betracht.
2. Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unbegründet.
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Das zu sichernde Recht bzw. das streitige Rechtsverhältnis, der Anordnungsanspruch, und die Notwendigkeit vorläufigen Rechtsschutzes, der Anordnungsgrund, sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO).
2.1 Einen gegenüber dem Antragsgegner bestehenden Anordnungsanspruch, bis zur Entscheidung über die auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zielende Klage von einer Abschiebung des Antragstellers abzusehen, hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, weil im Falle einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a AsylG die Ausländerbehörde nicht befugt ist und deshalb auch nicht im Wege einer einstweiligen Anordnung dazu verpflichtet werden kann, die Abschiebung des Ausländers vorläufig gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG auszusetzen.
Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt, wenn der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Aus diesem Wortlaut wird gefolgert, dass es im Rahmen des Verfahrens auf Erlass einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 AsylG Aufgabe allein des Bundesamtes ist zu prüfen, ob “feststeht”, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Das Bundesamt hat damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde zur Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt. Dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender Abschiebungshindernisse und Duldungsgründe, sondern auch dann, wenn sie nachträglich auftreten. Gegebenenfalls hat das Bundesamt die Abschiebungsanordnung aufzuheben oder die Ausländerbehörde anzuweisen, von deren Vollziehung abzusehen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 17.09.2014 – 2 BvR 732/14, juris Rn. 11 und 12 m.w.N.). Dementsprechend werden inlandsbezogene Vollzugshindernisse wie beispielsweise ein geltend gemachter Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im asylrechtlichen Klage- und Eilrechtsschutzverfahren (Anfechtungsklage gegen die Abschiebungsanordnung und Antrag nach § 80 Abs. 5, ggf. § 80 Abs. 7 VwGO) geprüft mit der Folge, dass ein effektiver und umfassender einstweiliger Rechtsschutz auch ohne die Möglichkeit eines Antrags nach § 123 VwGO gegen den Rechtsträger der Ausländerbehörde gewährleistet ist.
2.2 Davon abgesehen ist es fraglich, ob gegenwärtig noch ein Anordnungsgrund besteht, nachdem das Bundesamt die Aussetzung der Überstellung des Antragstellers veranlasst und die Prüfung des Art. 17 Abs. 1 VO (EU) 604/2013 angekündigt hat.
2. Als demnach unterliegender Teil trägt gemäß § 154 Abs. 1 VwGO der Antragsteller die Kosten des Verfahrens.
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG (halber Auffangstreitwert).