Verwaltungsrecht

Fehlende Passivlegitimation

Aktenzeichen  B 4 E 16.408

Datum:
11.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
ZustVAuslR ZustVAuslR § 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

Gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 ZustVAuslR ist für ausländerrechtliche Maßnahmen die Behörde zuständig, in deren Bezirk der Ausländer vor seiner Inhaftierung seinen gewöhnlichen Wohnsitz hatte und er sich zudem in Untersuchungshaft befindet. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 1.250,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Untersagung aufenthaltsbeendender Maßnahmen bis zur Entscheidung über seine Klage auf Erteilung einer Duldung.
Der Antragsteller ist mazedonischer Staatsangehöriger und verfügt über einen gültigen Pass. Er reiste am 31.08.2014 über Slowenien in das Gebiet der Schengen-Staaten ein. Am 20.01.2016 wurde er im Rahmen der Schleierfahndung auf der Autobahn A 9 im Bereich … kontrolliert.
Dabei wurde festgestellt, dass sein Pass für den Zeitraum seit Ende August 2014 keine weiteren Ausreise- und Einreisestempel aufweist.
Mit Bescheid vom 20.01.2016 forderte der Antragsgegner den Antragsteller auf, bis zum 24.01.2016 aus der Bundesrepublik Deutschland auszureisen. Für den Fall, dass er nicht oder nicht fristgerecht ausreise, drohte die Ausländerbehörde ihm die Abschiebung nach Mazedonien an.
Mit Telefax vom 22.01.2016 erhob der damalige Prozessbevollmächtigte des Antragstellers dagegen Klage, über die noch nicht entschieden ist (B 4 K 16.43). Zugleich beantragte er gemäß § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen (B 4 S. 16.42). Mit Beschluss vom 24.02.2016 lehnte das Verwaltungsgericht Bayreuth den Antrag ab. Das Gericht führte dazu aus, die Abschiebungsandrohung sei rechtmäßig, weil der Antragsteller nicht über den erforderlichen Aufenthaltstitel verfüge und deshalb vollziehbar ausreisepflichtig sei. Denn der Antragsteller habe nicht nachgewiesen, dass er sich vor dem Aufgriff am 20.01.2016 höchstens 90 Tage in einem Zeitraum von 180 Tagen im Bundesgebiet aufgehalten habe. Die dagegen erhobene Beschwerde wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 17.05.2016 zurück (Az. 19 CS 16.547).
Bereits am 14.04.2016 hatte der Antragsteller durch seinen früheren Prozessbevollmächtigten beim Landratsamt B. die Aussetzung der Abschiebung beantragt.
Mit Bescheid vom 21.04.2016 lehnte das Landratsamt B. den Antrag ab.
Zur Begründung führte die Ausländerbehörde aus, der Antragsteller habe keinen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung, denn seine Ausreise sei nicht schon deshalb rechtlich unmöglich, weil er am 14.04.2016 seine Eheschließung beim Standesamt Nürnberg angemeldet habe. Erst wenn das Standesamt einen Eheschließungstermin festgesetzt habe, entfalte Art. 6 GG Schutzwirkung. Auch im Ermessenswege sei die Abschiebung nicht auszusetzen, weil der Antragsteller keinen dringenden persönlichen oder humanitären Grund glaubhaft gemacht habe. Die Aussage in dem vorgelegten Attest, wegen der Diabeteserkrankung seiner schwangeren Lebensgefährtin sei die weitere Anwesenheit des Antragstellers im Bundesgebiet erforderlich, reiche dazu nicht aus. Darüber hinaus überwiege jedenfalls das öffentliche Interesse an der Durchführung eines Visumverfahrens sein privates Interesse daran, ohne vorheriges Sichtvermerkverfahren auf Dauer im Bundesgebiet bleiben zu können. Der Bescheid wurde dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 02.05.2016 zugestellt.
Mit Telefax vom 01.06.2016 hat der frühere Prozessbevollmächtigte des Antragstellers Klage erhoben und beantragt, unter Aufhebung des Bescheides vom 21.04.2016 den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller eine Duldungsbescheinigung auszustellen.
Zugleich hat er, nachdem er am 01.06.2016 zunächst beantragt hatte, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, nunmehr am 10.06.2016 beantragt,
dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen den Antragsteller durchzuführen bis zur Entscheidung über die Klage gegen den Bescheid vom 21.04.2016.
Zur Begründung führt er aus, der Antragsteller habe schon allein deshalb einen Anspruch auf Duldung, weil die Stadt N., wo er seinen Wohnort habe, nicht beteiligt worden sei.
Der Antragsgegner hat keinen Antrag gestellt. Mit Schriftsatz vom 16.06.2016 wies er darauf hin, nachdem der Antragsteller sich in N. gewöhnlich aufhalte und sich inzwischen dort auch angemeldet habe, sei zuständige Ausländerbehörde und neue Antragsgegnerin nunmehr die Stadt N.
In der Folgezeit sicherte die Stadt N. dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers zu, dem Antragsteller eine Duldung bis zur Eheschließung zu erteilen, sobald ein konkreter Termin für die Trauung feststehe. Die Duldung wurde jedoch nicht erteilt. Gegen den Antragsteller wurde wegen des Verdachts auf Begehung von Straftaten gegen das Betäubungsmittelgesetz Untersuchungshaft angeordnet, die er bis heute in der JVA N. verbüßt. Deshalb geht die Stadt N. laut telefonischer Mitteilung vom 05.09.2016 von einer „faktischen“ Duldung“ des Antragstellers aus. Eine Eheschließung, für die alle personenstandsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen, konnte bis heute aufgrund der nicht vorliegenden Besuchserlaubnis für die Teilnehmer an der Trauung in der JVA nicht durchgeführt werden.
Mit Schreiben vom 07.09.2016 regte das Gericht beim nunmehr nicht mehr anwaltlich vertretenen Antragsteller an, die Stadt N. als neue Antragsgegnerin zu benennen. Eine Antwort darauf ist innerhalb der gesetzten Frist nicht erfolgt.
Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
II.
Der Antrag ist zwar zulässig (nachfolgend 1.), aber unbegründet (nachfolgend 2.).
1. Der Antrag ist zulässig. Insbesondere ist das Verwaltungsgericht Bayreuth für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung örtlich zuständig.
Gemäß § 123 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist für den Erlass einstweiliger Anordnungen das Gericht der Hauptsache zuständig. Die örtliche Zuständigkeit des Gerichtes in der Hauptsache, in der der Antragsteller im Wege einer Verpflichtungsklage die Ausstellung einer Duldungsbescheinigung begehrt, richtet sich nach § 52 Nr. 3 VwGO. Danach ist bei Anfechtungsklagen vorbehaltlich der Nummern 1 und 4 das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Verwaltungsakt erlassen wurde (§ 52 Nr. 3 Satz 1 VwGO). Dies gilt im Fall des Satzes 1 auch bei Verpflichtungsklagen (§ 52 Nr. 3 Satz 5 VwGO).
Der ablehnende Verwaltungsakt vom 21.04.2016 wurde vom Landratsamt B., also im Bezirk des Verwaltungsgerichts Bayreuth (Art. 1 Abs. 2 Nr. 3 AGVwGO) erlassen. Deshalb ist, da § 52 Nrn. 1 und 4 VwGO nicht einschlägig sind, das Verwaltungsgericht Bayreuth für die Entscheidung in der Hauptsache und damit auch über die einstweilige Anordnung örtlich zuständig.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Denn der Freistaat Bayern, gegen den der Antrag gerichtet ist, ist nicht der richtige Antragsgegner.
Gemäß § 78 Nr. 1 VwGO ist die Klage gegen den Bund, das Land oder die Körperschaft zu richten, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat. Die Vorschrift ist im Verfahren gemäß § 123 VwGO analog anzuwenden (Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 78 Rn.2).
Nachdem zunächst das Landratsamt B., in dessen Bezirk der Antragsteller am 20.01.2016 aufgegriffen wurde, gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Zuständigkeitsverordnung Ausländerrecht (ZustVAuslR) für ausländerrechtliche Maßnahmen gegen den Antragsteller zuständig war, ist nunmehr gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 ZustVAuslR die Stadt N. zuständig, in deren Bezirk der Ausländer vor seiner Inhaftierung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, wo er sich nunmehr in Untersuchungshaft befindet und beabsichtigt, sich nach dem Ende der Inhaftierung wieder aufzuhalten.
Der Anregung des Gerichts, den Antrag deshalb nunmehr gegen die Stadt N. zu richten, ist der Antragsteller nicht nachgekommen. Deshalb ist der Antrag schon wegen fehlender Passivlegitimation des Antragsgegners unbegründet, ohne dass es auf die weiteren Rechtsfragen noch ankommt.
Als unterliegender Teil trägt der Antragsteller gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Die Höhe des Streitwertes richtet sich nach § 62 Abs. 2, § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Ziff. 8.3, 1.5 Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (1/4 des Auffangstreitwertes für das im einstweiligen Rechtsschutz begehrte Unterlassen aufenthaltsbeendender Maßnahmen).

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