Aktenzeichen M 17 E 17.42885
Leitsatz
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Der Antragsteller, ein afghanischer Staatsangehöriger vom Volk der Tadschiken sunnitischen Glaubens, hatte einen Asylantrag gestellt, der mit Bescheid vom 13. August 2014 unanfechtbar abgelehnt wurde.
Mit Schreiben vom 1. Juli 2015 stellte der Bevollmächtigte des Antragstellers einen Wiederaufgreifensantrag mit der Bitte, Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 bzw. Abs. 5 AufenthG festzustellen. Beim Antragsteller läge eine posttraumatische Belastungsstörung vor, die behandlungsbedürftig sei. Ein Attest vom … Juni 2015 des Klinikums der … und Psychotherapie -, in dem beim Antragsteller rezidivierende depressive Störung und posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert wurden, wurde beigefügt.
Mit Bescheid vom 26. April 2017, am 4. Mai 2017 per Einschreiben zur Post gegeben, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Abänderung des Bescheides vom 13. August 2014 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) ab.
Zur Begründung führte das Bundesamt insbesondere aus, dass die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen gegeben seien, da die psychische Erkrankung erst nach Abschluss des Asylerstverfahrens bekannt geworden sei. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG lägen jedoch nicht vor. Nach dem Sachvortrag des Antragstellers drohe ihm keine durch einen staatlichen oder nichtstaatlichen Akteur verursachte Folter oder relevante unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung. Auch die derzeitigen humanitären Bedingungen in Afghanistan führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür vom EGMR geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Den vorliegenden ärztlichen Unterlagen sei nicht zu entnehmen, dass der Antragsteller aufgrund seiner psychischen Erkrankung inzwischen arbeitsunfähig wäre. Es sei davon auszugehen, dass der Antragsteller als volljähriger, arbeitsfähiger Mann, der mangels familiärer Bindungen keine Unterhaltslasten habe, auch ohne nennenswertes Vermögen und ohne abgeschlossene Berufsausbildung im Falle einer Rückkehr in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rande des Existenzminimums zu finanzieren. Der Antragsteller habe zudem seine Mutter, eine Schwester, zwei Brüder sowie einen Onkel in Afghanistan, von denen er Schutz und Unterstützung erhalten könne. Auch eine individuelle und konkrete Gefahr für Leib oder Leben nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG drohe dem Antragsteller nicht. Ausweislich der vorliegenden ärztlichen Unterlagen leide der Antragsteller an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) sowie einer rezidivierenden depressiven Störung. Gesundheitsgefahren, die aus einer vorliegenden Erkrankung hergeleitet werden, seien nur dann nachvollziehbar begründet, wenn die Diagnose der Erkrankung nachvollziehbar begründet worden sei. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen erfüllten die Mindestvoraussetzungen nicht und seien daher nicht geeignet, das Vorliegen einer psychischen Erkrankung nachvollziehbar zu begründen. Es mangele bereits an der Darlegung eines konkreten traumatisierenden Ereignisses. Dem Antragsteller habe sein Vorbringen im Erstverfahren in Gänze nicht geglaubt werden können und bei dem nunmehrigen Vorbringen scheine es sich um eine taktische Steigerung zu handeln. Im Übrigen sei den vorliegenden Unterlagen auch nicht zu entnehmen, dass eine Behandlung der geltend gemachten Erkrankung jemals stattgefunden habe bzw. derzeit stattfinde. Es sei weder eine derzeit vorliegende psychischen Erkrankung noch eine zum Zeitpunkt der Entscheidung stattfinde Behandlung nachvollziehbar dargelegt worden.
Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers erhob mit Schriftsatz vom 22. Mai 2017, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangen am selben Tag, hiergegen Klage (M 17 K 17.42883) und beantragte gleichzeitig,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde zu erklären, dass der Antragsteller bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seine Klage nicht nach Afghanistan abgeschoben werden darf.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller an einer behandlungsbedürftigen posttraumatischen Belastungsstörung leide. In dem fachärztlichen Attest vom … Juni 2015 sei beschrieben, auf welcher Grundlage die Diagnose erfolgt sei und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstelle. Insbesondere hätten durch den Facharzt die geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden können. Trotz des ausführlichen und fundierten fachärztlichen Attestes gehe die Antragsgegnerin davon aus, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG nicht gegeben seien. Damit weiche sie von aktueller Rechtsprechung des BayVGH ab.
Die Antragsgegnerin stellte keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Verfahren M 17 K 17.42883 sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag gemäß § 123 VwGO ist zulässig, aber unbegründet.
1. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ergehen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen notwendig erscheint. Der zu sichernde Anspruch (Anordnungsanspruch) und dessen Gefährdung (Anordnungsgrund) sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen.
2. Unabhängig vom Bestehen eines Anordnungsgrundes hat der Antragsteller jedenfalls keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann nicht bejaht werden. Das Gericht nimmt insoweit vollumfänglich auf die Begründung des Bundesamts im streitgegenständlichen Bescheid Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:
Das Attest vom … Juni 2015 ist mittlerweile zwei Jahre alt und ist daher nicht geeignet, den Gesundheitszustand des Antragstellers zum maßgeblichen Zeitpunkt dieser Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) zu belegen. Damit kann es auch nicht zur Beurteilung eines auf diesen Gesundheitszustand gestützten Abschiebungsverbots herangezogen werden.
Der (gerichtskostenfreie, § 83b AsylG) Antrag gemäß § 123 VwGO war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.