Verwaltungsrecht

Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis für Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach Aufhebung des zu vollziehenden Verwaltungsakts

Aktenzeichen  M 7 S 16.3606

Datum:
30.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 4, Abs. 5, Abs. 6 S. 1

 

Leitsatz

1 Einer Entscheidung im Eilverfahren bedarf es nicht mehr, wenn hinsichtlich des zu vollziehenden Verwaltungsakts, hier der Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins bzw. des Widerrufs der Waffenbesitzkarte und den begleitenden Anordnungen, eine Erledigung eingetreten ist und daher keine Vollstreckung mehr droht. (redaktioneller Leitsatz)
2 Sofern der Eilantrag (noch) auf die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Kostenentscheidung gerichtet ist, ist er unzulässig, wenn ein vorhergehender Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei der Behörde (§ 80 Abs. 6 S. 1 VwGO iVm Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und Abs. 4 VwGO) nicht gestellt wurde. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 8.375,– EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im einstweiligen Rechtschutzverfahren gegen die Ungültigerklärung und Einziehung seines Jagdscheins und den Widerruf seiner Waffenbesitzkarte.
Am 8. März 2011 wurde dem Antragsteller durch das Landratsamt E. die Waffenbesitzkarte Nr. … ausgestellt, in die aktuell 5 Langwaffen und die Erlaubnis zum Erwerb eines Schalldämpfers für eine eingetragene Repetierbüchse eingetragen sind. Weiter ist der Antragsteller Inhaber eines Jahresjagdscheins mit der Nummer …, der bis 31. März 2017 gültig ist. Dem Antragsteller wird dadurch ermöglicht, ohne weitere Erlaubnis Langwaffen und Munition zu erwerben.
Mit Bescheid vom 25. Juli 2016 erklärte das Landratsamt den Jagdschein des Antragsteller für ungültig, zog ihn ein (Nr. 1) und gab ihm auf, den Jagdschein innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheids beim Landratsamt Eichstätt abzugeben (Nr. 2). In Nr. 3 des Bescheids wurden die Nrn. 1 und 2 für sofort vollziehbar erklärt. Weiter wurden die Waffenbesitzkarte (Nr. 4) und die Erlaubnis zum Erwerb eines Schalldämpfers (Nr. 5) widerrufen. In Nr. 6 gab das Landratsamt dem Antragsteller auf, sämtliche in seinem Besitz befindlichen Schusswaffen laut beiliegender Waffenliste sowie Munition innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Zustellung des Bescheids einem Berechtigen zu überlassen oder unbrauchbar zu machen und dies nachzuweisen. In Nr. 7 wurde angeordnet, dass die Waffenbesitzkarte bis spätestens vier Wochen nach Zugang des Bescheids an das Landratsamt zurückzugeben ist. Nr. 8 des Bescheids enthält den Hinweis, dass nach fruchtlosem Ablauf der in Nr. 6 genannten Frist die in der Waffenbesitzkarte eingetragenen Schusswaffen einschließlich Munition sichergestellt werden. Die Nrn. 6, 7 und 8 des Bescheids wurden in Nr. 9 für sofort vollziehbar erklärt. In Nr. 10 wurde für den Fall der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs bestimmt, dass die Ungültigerklärung in Nr. 1 und der Widerruf in Nrn. 4 und 5 sowie die Fristen in Nrn. 2, 6 und 7 erst ab Bestandskraft des Bescheids gelten. Nr. 11 enthält eine Zwangsgeldandrohung für den Fall der nicht rechtzeitigen oder nicht vollständigen Erfüllung der Anordnungen in Nrn. 2 und 7, wobei dem Antragsteller bei Verstoß gegen die in Nr. 2 aufgegebene Verpflichtung 500,– EUR und bei Verstoß gegen die in Nr. 7 aufgegebene Verpflichtung 200,– EUR Zwangsgeld angedroht wurden. Weiter wurden für den Bescheid Gebühren in Höhe von 240,– EUR erhoben (Nr. 12). Das Landratsamt stützt seinen Bescheid auf die fehlende persönliche Eignung und Zuverlässigkeit des Antragstellers. Er habe nicht fristgerecht ein vollständiges amts- oder fachärztliches oder fachpsychologisches Zeugnis vorgelegt, dessen Beibringung ihm aufgegeben worden sei, um die bestehenden Zweifel an seiner persönlichen Eignung auszuräumen. Die Bedenken an seiner Eignung begründeten sich aus einem Vorfall, bei dem der Antragsteller in das Bezirkskrankenhaus Regensburg eingeliefert worden sei, nachdem er offensichtlich Betäubungsmittel konsumiert habe.
Gegen den am 1. August 2016 zugestellten Bescheid erhob der Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schreiben vom 9. August 2016 Klage (M 7 K 16.3605) und beantragte zuletzt im Wege des Eilrechtsschutzes, die Anordnung des Sofortvollzugs im Bescheid des Landratsamts Eichstätt vom 25. Juli 2016 betreffend die Nrn. 1 und 2 aufzuheben und die sofortige Vollziehbarkeitserklärung der Nrn. 6, 7 und 8 aufzuheben einschließlich der Anordnung von Zwangsgeldern vor Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens, sowie die aufschiebende Wirkung der erhobenen Hauptsacheklage anzuordnen.
Dazu trug er im Wesentlich unter Darstellung eines abweichenden Geschehensablaufs vor, dass der Sachverhalt keine Zweifel an der Zuverlässigkeit und Eignung des Antragstellers begründe und in ärztlichen Untersuchungen festgestellt worden sei, dass bei dem Antragsteller keine gesundheitlichen und psychischen Probleme bestünden.
Der Antragsteller legte im gerichtlichen Verfahren weitere Gutachten mit negativen Haaranalysen vor. Daraufhin hob das Landratsamt mit Bescheid vom 8. Dezember 2016 den Widerrufsbescheid hinsichtlich der Nummern 1 bis 11 mit Wirkung für die Zukunft auf (Nr. 1), wies darauf hin, dass die verfügten Verpflichtungen zur Abgabe der Erlaubnisurkunden sowie für das Überlassen oder Unbrauchbarmachen der Schusswaffen und Munition damit gegenstandslos sind (Nr. 2), erklärte, dass die Entscheidung unter Nr. 12 des Widerrufsbescheids über die Kosten des Verfahrens bestehen bleibt und die Gebühren in Höhe von 240,– EUR fällig sind (Nr. 3) und erhob weiter für den Bescheid Kosten in Höhe von 50,– EUR (Nr. 4).
Mit Schreiben vom 21. Dezember 2016 änderte der Antragsteller seine Anträge in Feststellungsanträge, dass der Bescheid des Landratsamts mit den Anordnungen des Sofortvollzugs und Vollziehbarerklärung sowie der Anordnung von Zwangsgeldern rechtswidrig war und focht die Nrn. 3 und 4 des Bescheids vom 8. Dezember 2016 an.
Mit Schreiben vom 16. Januar 2017 wies das Gericht bezüglich der gestellten Feststellungsanträge darauf hin, dass für eine Fortsetzungsfeststellungsklage ein Feststellungsinteresse erforderlich, vorliegend aber nicht ersichtlich sei und regte die Abgabe einer Erledigungserklärung an. Bezüglich des Eilverfahrens wies das Gericht darauf hin, dass kein Rechtsschutzbedürfnis mehr für einen Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung bestehe und regte ebenso die Abgabe einer Erledigungserklärung an. Dazu wurde dem Antragsteller eine Äußerungsfrist bis zum 27. Januar 2017 eingeräumt. Mit Schreiben vom 23. Januar 2017 nahm der Antragsteller in einem Schreiben unter Nennung der beiden Aktenzeichen des Eil- und Klageverfahrens zu der Frage des Feststellungsinteresses Stellung. Eine Erledigungserklärung gab der anwaltlich vertretene Antragsteller weder im Antragsnoch im Klageverfahren bis zum Zeitpunkt des Erlasses des vorliegenden Beschlusses ab.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag ist unzulässig.
Nach zweckentsprechender Auslegung (§§ 122, 88 VwGO) des gestellten Antrags begehrt der Antragsteller die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner erhobenen Klage gegen den Bescheid vom 25. Juli 2016 mit der Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins bzw. dem Widerruf der Waffenbesitzkarte und den begleitenden Anordnungen.
Vorliegend fehlt dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO bereits das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis. Zulässigkeitsvoraussetzung für den Antrag ist ein rechtlich schutzwürdiges Interesse an dem erstrebten Rechtsschutzziel. Die Behörde hat mit Bescheid vom 8. Dezember 2016 den angefochtenen Bescheid in den Nrn. 1 bis 11 und damit alle Verfügungen bis auf die festgesetzte Gebühr aufgehoben. Einer Entscheidung des Gerichts im Eilverfahren bedarf es daher nicht, da hinsichtlich der Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins bzw. des Widerrufs der Waffenbesitzkarte und den begleitenden Anordnungen eine Erledigung eintrat und keine Vollstreckung mehr droht (vgl. Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 31. EL Juni 2016, § 80 Rn. 492 und 498; VG München, B.v. 10.11.2016 – M 17 S. 16.4302 – juris Rn. 17 f.; VG Würzburg, B.v. 30.1.2015 – W 6 S. 14.1390 – juris Rn.16 ff.). Das Landratsamt hat im Bescheid ausdrücklich erklärt, dass die Verpflichtungen zur Abgabe der Erlaubnisurkunden und zum Überlassen oder Unbrauchbarmachen der Schusswaffen und Munition gegenstandslos sind. Trotz gerichtlichem Hinweis auf das fehlende Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat der anwaltlich vertretene Antragsteller keine Erledigungserklärung abgegeben.
Die Kostenentscheidung in Nr. 12 des Widerrufsbescheids hat der Antragsteller in seinen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO vom 9. August 2016 nicht einbezogen, was auch nicht notwendig war, da nach einem Hinweis im Bescheid dazu eine gesonderte Kostenrechnung nach Unanfechtbarkeit des Bescheids ergehen sollte. Mit dem Aufhebungsbescheid, in dem die Kosten in Höhe von 240,– EUR fällig gestellt wurden, ging dem Antragsteller eine Kostenrechnung über diesen Betrag zu. Sofern er mit seinem Eilantrag nun die aufschiebende Wirkung der Klage gegen diese Kostenforderung begehrt, wäre der Antrag unzulässig, da ein vorhergehender Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gegenüber dem Antragsgegner hinsichtlich der Kosten erforderlich ist (vgl. § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 4 VwGO).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 Satz 1, 20.3, 50.2 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

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