Verwaltungsrecht

Feststellung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots in den Kosovo wegen Erkrankung des Kindes

Aktenzeichen  AN 1 K 16.30006

Datum:
10.10.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 133872
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Die Kläger haben als Familieneinheit einen Rechtsanspruch auf Feststellung von Abschiebeverboten nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG, wenn aus den vorgelegten fachärztlichen Attesten und sonstigen Dokumenten voneinander unabhängiger Kliniken hevorgeht, dass aufrund einer im Kosovo nicht hehandelbaren, angeborenen Fehlbildung eine erhebliche konkrete Gefahr für die Gesundheit des Kindes droht. (Rn. 15 – 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1) Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 21. Dezember 2015 wird in Ziff. 4. bis 6. aufgehoben.
2) Das Bundesamt wird verpflichtet, hinsichtlich der Kläger die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen.
3) Im Übrigen wird das Verfahren eingestellt.
4) Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens zu ¼; die Kläger tragen ¾ der Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
5) Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Beteiligten können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet

Gründe

Hinsichtlich des in der mündlichen Verhandlung zurückgenommenen Teils der Klage (Feststellung der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzstatus, §§ 3 und 4 AsylG) konnte die Einstellung des Verfahrens mit entsprechender Kostenquotelung im gegenständlichen Urteil über den noch verbliebenen Restteil der Klage erfolgen (vgl. Eyermann/Rennert VwGO, 14. Aufl. 2014, § 92 Rn 14).
Die noch anhängige Klage auf Verpflichtung der Beklagten, bei den Klägern unter Aufhebung der Ziffern 4. bis 6. des Bundesamtsbescheids vom 21. Dezember 2015 ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen, ist zulässig und begründet.
Der Bescheid des Bundesamts vom 21. Dezember 2015, ist in Ziff. 4. bis 6. rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).
Die Kläger haben als Familieneinheit einen Rechtsanspruch auf Feststellung von Abschiebeverboten nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, da nach Überzeugung des Gerichts zumindest der an einer im Kosovo nicht operablen Fehlbildung des Unterschenkels mit begleitender ausgeprägte Verkürzung des rechten Beines leidenden Klägerin zu 5) im Kosovo eine erhebliche konkrete Gefahr für ihre Gesundheit droht.
Dies ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts im konkreten Einzelfall der Klägerin aus den vorgelegten fachärztlichen Attesten und sonstigen Dokumenten, in denen durch voneinander unabhängige Stellen (* … Kinderklinik, vorgelegt mit Schriftsatz der Klägerbevollmächtigten vom 8.6.2016 und der … Kliniken … vom 6.10.2016) bestätigt wird, dass aus medizinischer Sicht der Aufenthalt der Familie der Kläger in Deutschland notwendig ist, um die Gesundheit der Klägerin zu 5) wahren zu können.
Das Gericht hegt keine Zweifel an der medizinischen Fachkunde der Verfasser dieser ärztlichen Stellungnahmen. Somit ist nach Überzeugung des Gerichts davon auszugehen, dass eine durchgreifende Heilung bzw. Korrektur der Fehlbildung des Unterschenkels mit begleitender ausgeprägter Verkürzung des rechten Beins der Klägerin zu 5) mangels Vorhandensein von Kinderorthopäden und entsprechender Behandlungsmöglichkeiten im Kosovo nicht möglich ist.
Nach alledem war daher das Bundesamt in diesem besonders gelagerten medizinisch attestierten und glaubwürdigen Einzelfall zu verpflichten, ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bezüglich der Kläger festzustellen.
Hiervon ausgehend können auch die Regelungen der §§ 34 Abs. 1, 38 Abs. 1 AsylG keine Rechtsgrundlage mehr für den Erlass einer Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung (Ziff. 5. des Bundesamtsbescheids vom 21.12.2015) bieten und ist auch Ziff.6. des Bescheids (Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG) obsolet.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 709, 711 ZPO.
Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylG).

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