Aktenzeichen Au 5 K 20.30849
Leitsatz
Eine Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 4 AufenthG steht dem Erlass einer Abschiebungsandrohung durch das Bundesamt nicht entgegen, da die Regelung des § 34 Abs. 1 Nr. 4 AsylG den Besitz eines förmlichen Aufenthaltstitels voraussetzt. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Klagegegenstand sind nach der teilweisen Klagerücknahme nur noch die im Bescheid vom 20. Mai 2020 verfügte Abschiebungsandrohung (Nr. 5) und die Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung (Nr. 6). Der angefochtene Bescheid ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die Abschiebungsandrohung wurde zu Recht auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG gestützt.
Die dem Kläger am 9. Juli 2019 ausgestellte Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 4 AufenthG steht der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nicht entgegen. Zwar erlässt das Bundesamt nach § 34 Abs. 1 Nr. 4 AsylG eine Abschiebungsandrohung nur, wenn der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt. Dieser Fall liegt hier jedoch vor. Der Kläger war zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses und auch im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels. Die ihm erteilte Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 4 AufenthG steht dem Besitz eines Aufenthaltstitels nicht gleich. Dies lässt sich zum einen bereits aus dem Wortlaut des § 34 Abs. 1 Nr. 4 AsylG ableiten. Der „Besitz“ eines Aufenthaltstitels ist denklogisch nur möglich, wenn ein solcher Titel überhaupt existiert. Wenn jedoch lediglich sein Fortbestehen fingiert wird, existiert kein Titel, den der Ausländer besitzen kann. Auch in Zusammenschau mit den Regelungen in § 43 Abs. 2 AsylG ergibt sich, dass die Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 4 AufenthG dem Erlass der Abschiebungsandrohung nicht entgegensteht. Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 AsylG wird die Abschiebungsandrohung für den Fall, dass der Ausländer die Verlängerung eines Aufenthaltstitels mit einer Gesamtgeltungsdauer von mehr als sechs Monaten beantragt hat, erst mit der Ablehnung dieses Antrags vollziehbar. Die Regelung geht demnach davon aus, dass es eine Abschiebungsandrohung geben kann, auch wenn die Verlängerung eines Aufenthaltstitels beantragt wurde. Auch der Kläger hat die Verlängerung seines Aufenthaltstitels mit einer Gesamtgeltungsdauer von mehr als sechs Monaten beantragt. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 AsylG steht § 81 des Aufenthaltsgesetzes der Abschiebung im Übrigen nicht entgegen. Wenn jedoch weder § 81 Abs. 3 AufenthG noch § 81 Abs. 4 AufenthG einer tatsächlichen Abschiebung entgegenstehen, kann daraus geschlossen werden, dass sie auch dem Erlass einer Abschiebungsandrohung nicht entgegengehalten werden können. Die Regelung des § 34 Abs. 1 Nr. 4 AsylG setzt demnach den Besitz eines förmlichen Aufenthaltstitels voraus (so auch VG Darmstadt, U.v. 9.6.2006 – 5 E 853/04. A (3) – juris Rn. 58; Pietzsch in BeckOK, Ausländerrecht, Kluth/Heusch, Stand: 1.3.2020, § 34 AsylG Rn. 25, 26; Marx, AsylVfG, 8. Auflage, § 34 Rn. 18). Damit erweist sich die Abschiebungsandrohung in Nr. 5 des angefochtenen Bescheids als rechtmäßig.
2. Auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gem. § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate nach der Abschiebung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Bemessung der Frist beruht auf zutreffenden Ermessenserwägungen und trägt den privaten Belangen des Klägers ausreichend Rechnung.
3. Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).