Aktenzeichen M 13 K 16.32161
Leitsatz
1. Unzulässigkeit eines Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG aufgrund Gewährung internationalen Schutzes iSv § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG bereits in Bulgarien. In welcher Form die Gewährung dieses Flüchtlingsschutzes in Bulgarien erfolgte, kann dahinstehen. (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Rahmen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG in der Fassung vom 6. August 2016 sind systemische Mängel des Mitgliedstaates der Europäischen Union nach Auffassung des Gerichtes nicht inzident zu prüfen. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Hinsichtlich des Klageantrages zu II. im Schriftsatz der Klagepartei vom 8.8.2016 wird das Verfahren nach Rücknahme des Klageantrags eingestellt.
II. Die Klage wird im Übrigen abgewiesen.
III. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.
IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die Entscheidung konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung ergehen, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben.
Die Verpflichtungsklage bezüglich der Feststellung von Abschiebungsverboten (Klageantrag II. im Schriftsatz vom 8.8.2016) wurde mit Schreiben der Bevollmächtigten der Kläger vom 24. Januar 2017 zurückgenommen. Das Verfahren war insofern einzustellen (vgl. § 92 VwGO).
Soweit sich die Kläger gegen die in Ziffer 1. des Bescheides vom 9. März 2016 getroffene Feststellung wenden, dass ihnen in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zusteht, ist die Anfechtungsklage zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg (nachfolgend zu 1.). Soweit die Klage sich gegen die Ziffern 2. und 3. des Bescheides vom 9. März 2016 wendet, fehlt es der Klage bereits am Rechtsschutzbedürfnis und damit an der Zulässigkeit, da diese Ziffern bereits mit Bescheid des Bundesamtes vom 4. August 2016 aufgehoben wurden (nachfolgend zu 2.). Im vorliegenden Fall liegt keine Konstellation vor, die zur Anwendbarkeit der Regelungen der Dublin-III-Verordnung führt. Die Bundesrepublik Deutschland ist gemäß Art. 23 Abs. 3 Dublin-III-Verordnung für die Prüfung der gestellten Asylanträge zuständig.
1. Mit Art. 6 Nr. 7 des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl I S. 1939) wurde § 29 Asylgesetz (AsylG) mit Wirkung zum 6. August 2016 neu gefasst. Auf diese Neufassung ist nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG für die vorliegende Entscheidung abzustellen (vgl. BVerwG, U.v. 9.8.2016 – 1 C 6/16 – NVwZ 2016, 1492 Rn. 8).
a) Nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist ein Asylantrag (unter anderem) unzulässig, wenn dem Ausländer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union bereits internationaler Schutz im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt worden ist. Dies ist bei den Klägern der Fall. Die Kläger zu 1 und 2 haben übereinstimmend angegeben, in Bulgarien Asyl beantragt und zuerkannt bekommen zu haben. Dabei kann es dahinstehen, in welcher Form die Gewährung dieses Flüchtlingsschutzes in Bulgarien erfolgte. Denn nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG stellt jede Zuerkennung von Schutz in einem Mitgliedsstaat der EU eine Form des internationalen Schutzes im Sinne des Abschnitts 2 Unterabschnitts 2 (§§ 3 ff. AsylG) dar (vgl. ausführlich VG Hamburg, U.v. 22.11.2016 – 16 A 5054/14 – juris Rn. 22 ff.).
b) Damit ist nach der nunmehr anzuwendenden Fassung des § 29 AsylG die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig in Ziffer 1. des Bescheids vom 9. März 2016 rechtmäßig erfolgt. Dabei spielt es für diese Beurteilung keine Rolle, dass die Beklagte ihre ablehnende Entscheidung zur Unzulässigkeit des Asylantrags des Klägers mit Verweis auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juni 2014 (BVerwG, U.v. 17.6.2014 – 10 C 7/13 – BVerwGE 150, 29-44) und nicht in Anwendung von § 29 AsylG begründet hat.
Im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesamtes mit dem Bescheid vom 9. März 2016 war die Neuregelung des § 29 AsylG noch nicht in Kraft getreten, so dass die Entscheidung des Bundesamtes, den Asylantrag als unzulässig abzulehnen, darauf noch nicht gestützt werden konnte. Da § 29 AsylG eine gebundene Entscheidung darstellt („Ein Asylantrag ist (sic!) unzulässig“) kann der Ausspruch zu Ziffer 1. des Bescheids vom 9. März 2016 auf der Rechtsgrundlage des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG jedoch in der nunmehr nach dem Erlass des angefochtenen Bescheides geltenden Fassung aufrechterhalten werden (vgl. OVG Münster, U.v. 24.8.2016 – 13 A 63/16.A – juris Rn. 33 ff; VG Hamburg, U.v. 22.11.2016 – 16 A 5054/14 – juris Rn. 34 ff.). Vor allem hat die Beklagte auch die Unzulässigkeit des Asylantrags im Bescheidstenor festgestellt, so dass es insoweit auch keiner weiteren Auslegung des Bescheids bedarf.
c) Eine weitergehende Prüfung, insbesondere der Frage, ob die Kläger im Fall einer Überstellung nach Bulgarien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Gefahr laufen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK ausgesetzt zu werden, sehen weder das nationale Recht noch das Unionsrecht als Voraussetzung für die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig vor. Ungeachtet dessen, wie die tatsächlichen Verhältnisse für international Schutzberechtigte in Bulgarien sind, hat der Kläger als anerkannter Flüchtling keinen Anspruch auf erneute Zuerkennung internationalen Schutzes durch die Beklagte (vgl. OVG Münster, U.v. 24.8.2016 – 13 A 63/16.A – juris Rn. 41; VG Hamburg, U.v. 22.11.2016 – 16 A 5054/14 – juris Rn. 37). Der davon abweichenden Rechtsauffassung, die den Urteilen des hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 4. November 2016 zugrunde liegt (HessVGH, U.v. 4.11.2016 – 3 A 1292/16.A – juris; HessVGH, U.v. 4.11.2016 – 3 A 1322/16.A – juris) schließt sich das Gericht nicht an. Im Rahmen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG in der Fassung vom 6. August 2016 sind systemische Mängel des Mitgliedstaates der Europäischen Union nach Auffassung des Gerichtes nicht inzident zu prüfen. Bereits vor Erlass des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG n.F. führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass gerade kein Anspruch auf eine neuerliche Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder auf Feststellung subsidiären Schutzes oder eine hieran anknüpfende Erteilung eines Aufenthaltstitels in Deutschland bestehe. Vielmehr ist das Bundesamt bei Vorliegen einer ausländischen Anerkennungsentscheidung zur Feststellung von subsidiärem Schutz oder der (erneuten) Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Deutschland weder verpflichtet noch berechtigt (vgl. insgesamt BVerwG, U.v. 17.6.2014 – 10 C 7/13 – BVerwGE 150, 29-44). Dies entspricht auch dem europäischen Asylsystem, dass Asylsuchenden keine freie Wahl des Zufluchtslandes zugesteht (vgl. VG Hamburg, U.v. 22.11.2016 – 16 A 5054/14 – juris Rn. 32). Dass der Asylantrag im vorliegenden Fall als unzulässig abzulehnen war, ist nunmehr ausdrücklich in § 29 AsylG n.F. normiert.
2. Die Anfechtungsklage hinsichtlich Ziffer 2. und 3. des Bescheides vom 9. März 2016 geht ins Leere, da diese bereits durch den Bescheid des Bundesamtes vom 4. August 2016 aufgehoben wurden. Der Klage fehlt es insofern am Rechtsschutzbedürfnis. Auf die Frage, ob in Bezug auf Bulgarien Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vorliegen, kommt es nach der Rechtsauffassung des Gerichtes im vorliegenden Verfahren daher nicht an. Diese hätte vom Bundesamt jedenfalls bei Erlass einer Abschiebungsanordnung geprüft werden müssen (vgl. VG Ansbach, U.v. 7.10.2015 – AN 11 K 15.50067 – juris; OVG Saarland, U.v. 16.11.2016 – 2 A 89/16 – juris). Aus Sicht des Gerichtes steht den Klägern grundsätzlich, auch wenn der Asylantrag als unzulässig abgelehnt wird, dennoch die Möglichkeit offen, über § 25 Abs. 3 AufenthG i.V.m. § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 3 i.V.m. 155 Abs. 2 VwGO hinsichtlich des zurückgenommenen Klageantrags, im Übrigen aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Gemäß § 83b AsylG ist das Verfahren gerichtskostenfrei.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.