Verwaltungsrecht

Förderrichtlinien zur Durchführung des Bayerischen 10.000-Häuser-Programms – Rücknahme eines Zuwendungsbescheides

Aktenzeichen  RO 5 K 17.1873

Datum:
13.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 33335
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 48
GG Art. 3 Abs. 1
BayHO Art. 23, Art. 44
BGB § 133, § 157, § 276 Abs. 2
SGB X § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3

 

Leitsatz

1 Versagt ein Zuwendungsgeber in seiner ständigen Verwaltungspraxis unter bestimmten, regelmäßig in einer Förderrichtlinie dokumentierten Voraussetzungen die Gewährung einer Zuwendung, so verletzt er das Gleichbehandlungsgebot in seiner objektiv-rechtlichen Funktion, wenn er sich im Einzelfall ohne rechtfertigende Gründe über seine Verwaltungspraxis hinwegsetzt und trotz des Fehlens ansonsten geforderter Voraussetzungen die Leistung gewährt. Dann führt die verwaltungsinterne Nichtbeachtung einer Verwaltungsvorschrift zu einem unmittelbaren Verstoß gegen den grundgesetzlichen Gleichheitssatz und zur Rechtswidrigkeit des darauf beruhenden Zuwendungsbescheides. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2 Handelt es sich um einen von der Behörde vorformulierten Text, der in einer Vielzahl von Fällen verwendet wird, kommt es bei der Frage, ob der Kläger unrichtige Angaben gemacht hat, in erster Linie darauf an, wie der Antragsteller den Text nach den konkreten Umständen des Falles verstehen durfte und ob er auf der Grundlage dieses Verständnisses richtige oder unrichtige Antworten gegeben hat; nicht jedoch, ob ihm nach Lage der Dinge die Förderung aus dem 10.000-Häuser-Programm tatsächlich zustand. Sind mehrere Auslegungen möglich, die aber nicht alle zur Unrichtigkeit der Angaben des Erklärenden führen, ist die Erklärung zu Gunsten des Erklärenden auszulegen.(Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
3 Das Antragsformular für eine Förderung nach dem 10.000-Häuser-Programm ist für den Fall, dass nur der „TechnikBonus“ für eine netzdienliche Photovoltaik mit Energiemanagement- und Speichersystem und nicht auch der „EnergieEffizienzBonus“ beantragt wird, mit dem optional zusätzlich die Erreichung eines bestimmten Niveaus des spezifischen Heizwärmebedarfs des Gebäudes gefördert wird, nicht eindeutig. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid des Beklagten vom 25.09.2017, Az. 3328-3-69, wird aufgehoben.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Das Gericht konnte mit Einverständnis der Parteien ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
I.
Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet.
Der Rücknahmebescheid vom 25.09.2017, mit dem der Beklagte seinen Zuwendungsbescheid vom 26.10.2016 in voller Höhe aufhob, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Zwar ist der Zuwendungsbescheid vom 26.10.2017 aufgrund der Selbstbindung der Verwaltung und des Gleichbehandlungsgebots aus Art. 3 Abs. 1 GG rechtswidrig, sodass Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG die richtige Rechtsgrundlage für die Rücknahme des Zuwendungsbescheids darstellt (1). Der Kläger durfte jedoch in schutzwürdiger Weise auf den Bestand des Verwaltungsaktes, der eine einmalige Geldleistung gewährte, vertrauen, Art. 48 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BayVwVfG (2).
1. Rechtsgrundlage für den Rücknahmebescheid vom 25.09.2017 ist Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG, wonach ein rechtswidriger Verwaltungsakt ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden kann. Der Zuwendungsbescheid vom 26.10.2017 war nämlich – ausgehend vom Zeitpunkt seines Erlasses – wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG rechtswidrig, denn der Kläger hatte nach der ständigen Verwaltungspraxis der Bewilligungsbehörde keinen Anspruch auf die Gewährung einer Zuwendung aus dem 10.000-Häuser-Programm in Höhe von 6.000 €.
Maßgebend für den Zuwendungsbescheid waren ausweislich des Zuwendungsbescheids vom 26.10.2016 (vgl. Ziffer 1.2) insbesondere die Förderrichtlinien zur Durchführung des Bayerischen 10.000-Häuser-Programms vom 29. Juli 2015 und die anliegenden Merkblätter A „Allgemeines“ und T3 „TechnikBonus“ (Stand: 29.07.2015), der Förderantrag „EnergieSystemHaus“, elektronisch eingegangen am 12.10.2015, postalisch eingegangen am 03.11.2015, die Online-Bestätigung zum Antrag „Energieeffizient Bauen“ (KfW Nr. 153) sowie die Bestätigung der Hausbank über die KfW-Förderung.
Bei Zuwendungen der vorliegenden Art handelt es sich um freiwillige Maßnahmen des Freistaates Bayern. Eine Rechtsnorm, die einen Anspruch des Klägers auf Bewilligung der beantragten Zuwendung begründet, existiert nicht. Vielmehr erfolgt die Zuwendung auf der Grundlage der einschlägigen Förderrichtlinien im billigen Ermessen der Behörde und im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel (Art. 23, 44 BayHO). Ein möglicher Verstoß gegen die Förderrichtlinie führt allein allerdings noch nicht zur Rechtswidrigkeit des Zuwendungsbescheides. Rechtswidrig im Sinne des Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG ist nur derjenige Verwaltungsakt, der durch die unrichtige Anwendung bestehender Rechtssätze zustande gekommen ist, zu denen bloße ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften, anders als Gesetze und Rechtsverordnungen, nicht gehören (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.8.1961 – 4 C 86.58 -, BVerwGE 13, 28, 31 und BVerwG, Urt. v. 17.1.1996 – 11 C 5.95 -, NJW 1996, 1766, 1767 m.w.N.). Eine über die ihnen zunächst nur innewohnende verwaltungsinterne Bindung hinausgehende Außenwirkung wird nur durch den Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG und das im Rechtsstaatsprinzip verankerte Gebot des Vertrauensschutzes aus Art. 20 Abs. 3 GG vermittelt und dies nur in der Ausprägung, die die Verwaltungsvorschriften durch die ständige Verwaltungspraxis gefunden haben (vgl. BVerwG, Urt. v. 8.4.1997 – 3 C 6.95 -, BVerwGE 104, 220, 223 f.; Urt. v. 17.4.1970 – 7 C 60.68 -, BVerwGE 35, 159, 161 f.; BVerwG, Urt. v. 23.4.2003 – 3 C 25.02 -, NVwZ 2003, 1384 f.; OVG Lüneburg, B.v. 07. 10.2011 – 8 LA 93/11 -, Rn. 6, juris, m.w.N.)
Entscheidender Anknüpfungspunkt für den Selbstbindungsgrundsatz ist letztlich also „die tatsächliche Handhabung der Verwaltungsvorschriften in der Verwaltungspraxis zur maßgeblichen Zeit” (vgl. BVerwG DVBl. 1996, 814; ähnlich Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG § 40 Rn. 105, 111; BVerwG DÖV 2012, 780). Für den Zuwendungsbereich bedeutet dies vor allem, dass die zuständige Bewilligungsbehörde durch regelmäßige Wiederholung bestimmter Förderentscheidungen eine bestimmte Förderpraxis entwickelt. Diese bindet sie bei vergleichbaren Entscheidungen auch in Parallelverfahren und ist Maßstab für deren gerichtliche Kontrolle. Dabei kann das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 GG auch zu Lasten von Zuwendungsempfängern Anwendung finden. Aus einem Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG bei der Bewilligung einer Zuwendung kann sich dann die Rechtswidrigkeit eines Zuwendungsbescheides ergeben. Versagt ein Zuwendungsgeber in seiner ständigen Verwaltungspraxis unter bestimmten, regelmäßig in einer Förderrichtlinie dokumentierten Voraussetzungen die Gewährung einer Zuwendung, so verletzt er das Gleichbehandlungsgebot in seiner objektiv-rechtlichen Funktion, wenn er sich im Einzelfall ohne rechtfertigende Gründe über seine Verwaltungspraxis hinwegsetzt und trotz des Fehlens ansonsten geforderter Voraussetzungen die Leistung gewährt. Dann führt die verwaltungsinterne Nichtbeachtung einer Verwaltungsvorschrift zu einem unmittelbaren Verstoß gegen den grundgesetzlichen Gleichheitssatz und zur Rechtswidrigkeit des darauf beruhenden Zuwendungsbescheides (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.4.2003, a.a.O., m.w.N und OVG Lüneburg, Urt. v. 26.09.2013 – 8 LB 205/12 -, Rn. 36, juris).
Nach diesen Maßgaben erweist sich der Zuwendungsbescheid des Beklagten als rechtswidrig. Denn der Beklagte trägt glaubhaft vor, dass es ständige Verwaltungspraxis der Bewilligungsbehörde war und ist, die Zuwendung bei Abschluss eines Bauvertrages über den zu errichtenden Neubau vor der Erteilung der Zustimmung zum vorzeitigen Maßnahmebeginn zu versagen, da zur Beurteilung des Vorliegens eines vorzeitigen Maßnahmebeginns auf die Gesamtmaßnahme „Neubau eines energieeffizienten Gebäudes“ abgestellt wurde und wird (vgl. Blatt 26 der Gerichtsakte).
Da der Werkvertrag über die Lieferung und Errichtung des Fertighauses unstreitig am 25.02.2015 und damit vor Stellung des elektronischen Antrags am 12.10.2015 geschlossen wurde, liegt nach der ständigen Verwaltungspraxis der Bewilligungsbehörde ein förderschädlicher vorzeitiger Maßnahmebeginn vor, sodass der Zuwendungsbescheid vom 26.10.2016 aufgrund der Selbstbindung der Verwaltung gemäß dem Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG rechtswidrig war.
2. Der Kläger durfte jedoch in schutzwürdiger Weise auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertrauen (Art. 48 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BayVwVfG).
Sofern es sich – wie hier – um einen begünstigenden Verwaltungsakt handelt, ist bei der Rücknahme die Vertrauensschutzregelung des Art. 48 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 48 Abs. 2 bis 4 BayVwVfG zu berücksichtigen. Ein Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, wenn der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit den öffentlichen Interessen an einer Rücknahme schutzwürdig ist (Art. 48 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG). Das Vertrauen ist dabei in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht und eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (Art. 48 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG). Auf Vertrauen kann sich der Betroffene dagegen nicht berufen, wenn die Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis 3 BayVwVfG vorliegen, insbesondere wenn der begünstigte Verwaltungsakt durch im Wesentlichen unrichtige Angaben erwirkt wurde (Nr. 2) oder der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (Nr. 3). In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen (Art. 48 Abs. 2 Satz 4 BayVwVfG).
a) Der Kläger hat den Verwaltungsakt nicht durch Angaben erwirkt, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren, Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG.
Die Angaben des Klägers im elektronischen Antragsformular unterliegen der Auslegung entsprechend §§ 133, 157 BGB. Handelt es sich dabei – wie vorliegend – um einen von der Behörde vorformulierten Text, der in einer Vielzahl von Fällen verwendet wird, kommt es bei der Frage, ob der Kläger unrichtige Angaben gemacht hat, in erster Linie darauf an, wie der Antragsteller den Text nach den konkreten Umständen des Falles verstehen durfte und ob er auf der Grundlage dieses Verständnisses richtige oder unrichtige Antworten gegeben hat (vgl. BVerwG, VIZ 2001, 149); nicht jedoch, ob ihm nach Lage der Dinge die Förderung aus dem 10.000-Häuser-Programm tatsächlich zustand. Sind mehrere Auslegungen möglich, die aber nicht alle zur Unrichtigkeit der Angaben des Erklärenden führen, ist die Erklärung zu Gunsten des Erklärenden auszulegen. Dieses Ergebnis benachteiligt die Behörde nicht unbillig, denn entspricht der Billigkeit, wenn Ungenauigkeiten in einem Vordruck zu Lasten des Verfassers dieses Vordrucks gehen (vgl. OVG Greifswald, Beschluss vom 4. 3. 2002 – 2 L 170/01, NVwZ-RR 2003, 5, beck-online).
Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall führt zu dem Ergebnis, dass sich falsche Angaben des Klägers im konkreten Fall nicht feststellen lassen. Der Kläger hat vorliegend nämlich nur den „TechnikBonus“ für eine netzdienliche Photovoltaik mit Energiemanagement- und Speichersystem und nicht auch den „EnergieEffizienzBonus“ beantragt, mit dem optional zusätzlich die Erreichung eines bestimmten Niveaus des spezifischen Heizwärmebedarfs des Gebäudes gefördert wird. Zumindest in diesem Fall, d.h. wenn lediglich der „TechnikBonus“ für eine netzdienliche Photovoltaikanlage beantragt wird, ist das (vom Beklagten einheitlich für alle Fallkonstellationen verwendete) Antragsformular nicht eindeutig.
So hat der Kläger im Rahmen des elektronischen Antragsverfahrens zwar angekreuzt, dass „zum Zeitpunkt der elektronischen Antragstellung noch kein Auftrag für eine Bauleistung erteilt worden sei“ und dass „mit dem Vorhaben zum Zeitpunkt der elektronischen Antragstellung noch nicht begonnen worden sei, d.h. es sei bis dahin noch kein Auftrag für bauliche Maßnahmen am Gebäude vergeben worden“. Für den hier vorliegenden Fall, in dem lediglich der „TechnikBonus“ für eine Photovoltaikanlage beantragt wurde, ist für den Antragsteller aus dem elektronischen Antragsformular jedoch nicht klar genug ersichtlich, dass seitens der Bewilligungsbehörde unter „Bauleistung“, „Vorhaben“ und „bauliche Maßnahmen am Gebäude“ allein das KfW-Effizienzhaus 55 selbst verstanden wird und damit hinsichtlich des vorzeitigen Maßnahmebeginns auf den rechtsverbindlichen Abschluss des Werkvertrags für das Gebäude selbst abgestellt wird. Dies ergibt sich für den vorliegenden Fall insbesondere daraus, dass der Kläger neben dem elektronischen Antrag auch die Anlage zum Antrag „T3 TechnikBonus Netzdienliche Photovoltaikanlage“ ausfüllen musste und dort gerade die Photovoltaikanlage selbst (und eben nicht das KfW-Effizienzhaus) als „Vorhaben“ bezeichnet wurde; denn dort heißt es unter „3. Angaben zum Vorhaben“ wie folgt:
„Bei dem Vorhaben handelt es sich um eine Neuerrichtung einer Photovoltaikanlage mit Speicher eine Neuerrichtung einer Photovoltaikanlage mit Speicher eine bestehende Photovoltaikanlage eine bestehende Photovoltaikanlage Außerdem suggeriert auch die Formulierung „für bauliche Maßnahmen am Gebäude“, dass hinsichtlich der Auftragserteilung auf die Photovoltaikanlage und nicht auf das KfW-Effizienzhaus selbst abgestellt wird, d.h. dass noch kein Auftrag für die Photovoltaikanlage vergeben worden sein durfte. Diese Unklarheiten können auch nicht durch einen Hinweis auf die Richtlinienbestimmung Tz. 6.1 behoben werden. Danach gilt als Maßnahmebeginn der Abschluss eines der Ausführung zuzurechnenden Lieferungs- oder Leistungsvertrags. Unter „Lieferungs- oder Leistungsvertrag“ kann aber sowohl ein Werkvertrag über die Lieferung und Errichtung eines Hauses als auch ein Vertrag über die Lieferung und Montag einer Photovoltaikanlage gemeint sein. Insofern ist auch dieser Wortlaut, wenn es wie vorliegend nur um den „TechnikBonus“ für eine Photovoltaikanlage geht, nicht eindeutig. Auch aus dem Merkblatt A geht nicht eindeutig hervor, dass nicht auf die Photovoltaikanlage, sondern auf das Gesamtvorhaben abzustellen ist. So ist der Maßnahmebeginn dort mit „der Unterzeichnung des ersten Auftrages für Bauleistungen (z.B. Bauvertrag) definiert. Zu „Bauleistungen“ zählen jedoch grundsätzlich auch Photovoltaikanlagen, die auf oder an einem Gebäude installiert werden (vgl. 13b.2. Bauleistungen UStAE und BMF, Schreiben v. 9.12.2013, IV D 3 – S 7279/13/10001, BStBl 2013 I S. 1620). Das ist Klammern gesetzte Beispiel des Bauvertrags bringt zudem zum Ausdruck, dass neben dem Bauvertrag auch Auftragserteilungen für andere Bauleistungen als Maßnahmebeginn gelten können.“
Zwar war die Errichtung eines KfW-Effizienzhauses zum maßgeblichen Zeitpunkt auch in Fällen, in denen lediglich der „TechnikBonus“ für eine Photovoltaikanlage beantragt wird, Grundvoraussetzung dafür, dass überhaupt eine Förderung nach dem 10.000 Häuser-Programm gewährt werden konnte, sodass Gebäude und Photovoltaikanlage natürlich nicht völlig unabhängig voneinander betrachtet werden können. Während der Zuwendungsbetrag beim optionalen zusätzlichen „EnergieEffizienzBonus“ jedoch für Maßnahmen zur Erreichung eines bestimmten Heizwärmebedarf-Niveaus im Investitionsobjekt, d.h. für eine besondere erhöhte Energieeffizienz des Gebäudes gewährt wird und der Heizwärmebedarf neben dem Gebäudestandort maßgeblich von Spezifika des Gebäudes selbst, wie der Bauform, dem Baumaterial oder der Wärmedämmung abhängt, sodass diese Entscheidungen in weiten Teilen bereits mit dem Bau des Gebäudes selbst getroffen werden müssen, wird der Zuwendungsbetrag beim „TechnikBonus“- ausweislich Ziffer 1.1. des Zuwendungsbescheids – allein für die Finanzierung von Aufwendungen für die netzdienliche Photovoltaik mit Energiemanagement- und Speichersystem gewährt, bei der eine Entscheidung über deren Anschaffung zum Zeitpunkt der Gebäudeerrichtung grundsätzlich noch nicht getroffen sein muss und diese damit – wie vorliegend – auch erst nach Gebäudeerrichtung in Auftrag gegeben werden kann.
Ausgehend von der klägerischen Auslegung des elektronischen Antragformulars entsprachen die Angaben des Klägers der Wahrheit, da zwar der Werkvertrag für das Fertighaus mit der Firma … GmbH unstreitig bereits am 25.02.2015 rechtsverbindlich geschlossen wurde, der Auftrag für die Lieferung und Montage einer Photovoltaikanlage an die Firma … GmbH & Co. KG jedoch erst am 13.03.2017 und damit erst nach der Stellung des elektronischen Antrags vom 12.10.2015 erteilt wurde.
Aufgrund der für diesen Fall dargestellten missverständlichen Angaben im Antragsformular ist eine Auslegung des Klägers, wonach dieser auf die gesonderte Auftragserteilung der Photovoltaikanlage abstellte, keinesfalls abwegig oder lebensfremd, sodass diese Auslegung, die nicht zur Unrichtigkeit der Angaben des Klägers führt, nach den zuvor dargestellten Grundsätzen vorzuziehen ist und die Ungenauigkeiten des Vordrucks damit zu Lasten der Bewilligungsbehörde als Verfasser des Vordrucks gehen.
b) Ebenso wenig kannte der Kläger die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes bzw. kannte die Rechtswidrigkeit des Zuwendungsbescheids infolge grober Fahrlässigkeit nicht, Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 BayVwVfG.
Für eine Kenntnis des Klägers von der Rechtswidrigkeit des Zuwendungsbescheids bestehen keine Anhaltspunkte. Der Begriff „grobe Fahrlässigkeit“ setzt nach der in § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X zivilrechtlichen Grundsätzen entsprechend formulierten Legaldefinition voraus, dass die erforderliche Sorgfalt (siehe § 276 Abs. 2 BGB) in besonders schwerem Maße verletzt wird. Grobe Fahrlässigkeit kann vorliegen, wenn der Adressat einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt, bestehenden Zweifeln an der Richtigkeit eines VA nicht nachgeht, auch, wenn er grob pflichtwidrig keine kritische Prüfung des Bescheides vornimmt oder eine nur aufgrund besonderer Umstände bestehende Kontrollpflicht in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht lässt. Gegenstand der (Un-)Kenntnis ist die Rechtswidrigkeit des VA als solche; die (Un-)Kenntnis der Umstände, die zu dieser geführt haben, genügt insoweit nicht. Die Rechtswidrigkeit muss sich kraft Parallelwertung in der Laiensphäre aufdrängen (Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, 9. Aufl. 2018, VwVfG § 48 Rn. 161-162).
Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Der Kläger trägt nachvollziehbar vor, keinerlei Zweifel an der Richtigkeit des Zuwendungsbescheid gehabt zu haben, da er eindeutig davon ausging, dass bezüglich des vorzeitigen Maßnahmebeginns auf die Photovoltaikanlage selbst abgestellt wird. Diese hat er jedoch unstreitig am 13.03.2017 und damit nach Eingang des elektronischen Antrags bei der Bewilligungsbehörde bzw. sogar nach Erlass des Bewilligungsbescheids vom 26.10.2016 in Auftrag gegeben. Dass der Kläger selbst der Überzeugung war, dass auf die Beauftragung der Photovoltaikanlage abgestellt wird, zeigt auch seine E-Mail vom 19.02.2016, wonach er sich bei der Regierung von Unterfranken über den aktuellen Stand der Antragsbearbeitung informierte, da er die Photovoltaikanlage so schnell wie möglich bestellen und installieren lassen wolle (vgl. Blatt 35 der Behördenakte). Aus dieser E-Mail geht auch hervor, dass der Kläger sogar noch den Erlass des Bewilligungsbescheids abwarten wollte, bevor er die Lieferung und Montage der Photovoltaikanlage in Auftrag gibt (obwohl prinzipiell die elektronische Antragstellung ausreicht), was zeigt, dass der Kläger seine Entscheidung über die Errichtung der Photovoltaik tatsächlich von der Bewilligung der Förderung abhängig machen wollte, d.h. dass er nach seinem Verständnis einen vorzeitigen Maßnahmebeginn auf jeden Fall entgegenwirken wollte. Wie bereits ausgeführt ist dieses Verständnis auch nicht völlig lebensfremd, insbesondere da mit dem „TechnikBonus“ tatsächlich (nur) die Photovoltaikanlage gefördert wird, während das KfW-Effizienzhaus zwar Grundvoraussetzung für eine Förderung nach dem 10.000-Häuser-Programm ist, der Bau des KfW-Effizienzhaus selbst jedoch – zumindest wenn wie vorliegend nur den „TechnikBonus“ beantragt wird – nicht gefördert wird.
Zudem geht auch aus dem Zuwendungsbescheid nicht eindeutig hervor, dass die Bewilligungsbehörde auf das KfW-Effizienzhaus selbst abstellt. Unter Punkt 1.1 des Zuwendungsbescheids wird ausgeführt, dass die Zuwendung zweckgebunden und zur Finanzierung von Aufwendungen für die netzdienliche Photovoltaik mit Energiemanagement- und Speichersystem bestimmt ist. Im Übrigen wird im Zuwendungsbescheid von „Maßnahme“ gesprochen, was ebenfalls weder eindeutig für den Abschluss des Werkvertrags hinsichtlich des Gebäudes noch eindeutig für den Auftrag über die Lieferung und Montage der Photovoltaikanlage spricht. Damit kann dann jedoch nicht angenommen werden, dass der Kläger „einfachste Überlegungen“ nicht angestellt oder dass er grob pflichtwidrig keine kritische Prüfung des Bescheides vorgenommen hat und damit die Rechtswidrigkeit des Bescheids infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Einfache Fahrlässigkeit reicht für den Ausschluss von Vertrauensschutz nach Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 BayVwVfG nicht.
Da die Voraussetzungen nach Art. 48 Abs. 2 Satz 3 und 4 BayVwVfG folglich nicht vorliegen und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Kläger tatsächlich nicht auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat, kann sich der Kläger grundsätzlich auf Vertrauensschutz berufen. Das Vertrauen des Klägers ist zudem schutzwürdig, da der Kläger mit der Lieferung und Montage der Photovoltaikanlage im Vertrauen auf den Bestand des Zuwendungsbescheids eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er – wenn überhaupt – nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann, Art. 48 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG. Anhaltspunkte dafür, warum sich der Kläger aus anderen Gründen nicht auf Vertrauensschutz berufen kann, sind nicht ersichtlich.
Nach alledem stellt sich der Rücknahmebescheid der Regierung von Unterfranken vom 25.09.2017 als rechtswidrig dar und war demgemäß aufzuheben.
II.
Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

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