Verwaltungsrecht

Forderung des Staates wegen vorsätzlich begangener rechtswidriger Handlung

Aktenzeichen  5 C 17.155

Datum:
24.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayHO BayHO Art. 34 Abs. 1, Art. 59
VV-BayHO VV-BayHO Art. 59 Nr. 4
BHO BHO Art. 59
GG GG Art. 3 Abs. 1
InsO InsO § 302
VwGO VwGO § 81, § 166
ZPO ZPO § 114

 

Leitsatz

1 Art. 59 BayHO bzw. die entsprechende bundesrechtliche Vorschrift des Art. 59 BHO begründet für den Schuldner des Staates weder einen Anspruch auf Stundung, Niederschlagung oder Erlass der Forderung noch einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. (redaktioneller Leitsatz)
2 Sofern der Staat die Zwangsvollstreckung wegen einer Forderung aus vorsätzlich begangener rechtswidriger Handlung betreibt, ist bei der Anwendung des Art. 59 BayHO die Wertung des § 302 InsO zu beachten. Von einer “besonderen Härte” (Art. 59 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BayHO) ist daher in diesem Fall nicht auszugehen. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 1 K 16.1821 2017-01-11 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung im Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 11. Januar 2017 wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsteller verfolgt mit seiner Beschwerde seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für eine beabsichtigte Klage weiter. Gegenstand der angekündigten Klage soll die Verpflichtung des Antragsgegners sein, erneut über einen Antrag des Antragstellers auf „außerordentliche Schuldenbereinigung“ zu entscheiden.
Der Antragsteller hatte im Jahr 2000 einen im Dienst des Antragsgegners stehenden Beamten im Wege eines versuchten Mordes mit der Folge einer schweren Körperverletzung geschädigt. Der Antragsgegner macht als Dienstherr des geschädigten Beamten den auf ihn übergegangenen Schadensersatzanspruch in Höhe von gut 300.000 Euro gegen den Antragsteller geltend. Hierfür hat der Antragsgegner ein rechtskräftiges Versäumnisurteil des Landgerichts Memmingen gegen den Antragsteller erwirkt.
Im zwischenzeitlich durchgeführten Insolvenzverfahren über das Vermögen des Antragstellers wurde die Forderung des Antragsgegners aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung in der Insolvenztabelle festgestellt. Die vom Amtsgericht Straubing erteilte Restschuldbefreiung ließ Verbindlichkeiten aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung unberührt. Der Antragsgegner betreibt wegen seiner Forderung die Zwangsvollstreckung gegen den Antragsteller. Zivilrechtliche Rechtsbehelfe des Antragstellers gegen die Feststellung als Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung und gegen die Zwangsvollstreckung wegen dieser Forderung blieben erfolglos.
Ab März 2016 wandte sich der Antragsteller mehrfach an den Antragsgegner mit der Bitte, die Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen ihn zu beenden. Das Landesamt für Finanzen teilte dem Antragsteller zuletzt mit Schreiben vom 15. September 2016 mit, dass es an seiner Forderung und deren Durchsetzung im Wege der Zwangsvollstreckung festhalte; der vom Antragsteller begehrte Erlass der Forderung gegen Zahlung eines Betrags von 8.000 Euro komme nicht in Betracht.
Den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die daraufhin angekündigte Klage hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 11. Januar 2017 abgelehnt. Hiergegen richtet sich die beim Verwaltungsgericht am 16. Januar 2017 eingegangene Beschwerde des Antragstellers, mit der er sowohl die Sachverhaltsdarstellung als auch die rechtliche Würdigung des Verwaltungsgerichts angreift. Der Antragsgegner tritt dem Beschwerdevorbringen entgegen.
II.
Die Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe bleibt ohne Erfolg, weil sie möglicherweise bereits unzulässig, jedenfalls aber unbegründet ist.
1. Es spricht einiges dafür, dass die Beschwerde bereits mangels eigenhändiger Unterschrift des Antragstellers unzulässig ist. Nach dem Schriftformerfordernis des § 81 VwGO, das im Beschwerdeverfahren entsprechend gilt, muss der Aussteller eines bestimmenden Schriftsatzes diesen im Interesse der Rechtssicherheit grundsätzlich eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnen (vgl. nur BVerwG, U.v. 6.12.1988 – 9 C 40.87 – BVerwGE 81, 32/33). Wie ein Vergleich mit weiteren in den Akten befindlichen Schreiben des Antragstellers zeigt, bestehen Zweifel, ob das Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift erfüllt ist oder ob lediglich eine maschinell erzeugte Unterschrift vorliegt. Es könnte daher schon an einer formgerechten Einlegung der Beschwerde fehlen.
2. Diese Frage kann jedoch letztlich dahinstehen, weil die Beschwerde jedenfalls unbegründet ist. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zu Recht mangels hinreichender Erfolgsaussichten einer noch zu erhebenden Klage abgelehnt (vgl. § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO). Der erkennende Senat schließt sich der ausführlich begründeten und zutreffenden Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts an und sieht insoweit gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO von einer eigenen Darstellung ab. Ergänzend weist der Senat unter Berücksichtigung der im Beschwerdeverfahren vorgebrachten Einwände des Antragstellers auf Folgendes hin:
a) Der Antragsteller begehrt ein Tätigwerden des Antragsgegners auf der Grundlage von Art. 59 BayHO im Wege der Niederschlagung oder des Erlasses. Diese Handlungsmöglichkeiten stellen eine Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass die dem Staat zustehenden Einnahmen rechtzeitig und vollständig zu erheben sind (Art. 34 Abs. 1 BayHO). Alle Maßnahmen zur Veränderung von Ansprüchen stehen im staatlichen Ermessen, das durch entsprechende Verwaltungsvorschriften gelenkt wird (vgl. etwa Nr. 2.3, 2.4 und 3.4 VV-BayHO zu Art. 59 BayHO). Grundsätzlich hat der Schuldner des Staates aufgrund von Art. 59 BayHO bzw. der bundesrechtlichen Parallelnorm des § 59 BHO weder einen Anspruch auf Stundung, Niederschlagung oder Erlass der Forderung noch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung darüber (vgl. Gröpl in Gröpl, BHO/LHO, 2011, § 59 Rn. 2, 7, 12; von Lewinski/Burbat, BHO, 2013, § 59 Rn. 4; jeweils m.w.N.), weil es sich insoweit um objektives Innenrecht der Verwaltung handelt (vgl. BVerwG, B.v. 22.8.1986 – 3 B 47.85 – NVwZ 1987, 55). Schon aus diesem Grund dürfte der vom Antragsteller geltend gemachte Anspruch auf Niederschlagung oder Erlass der gegen ihn titulierten Forderung von vornherein nicht in Betracht kommen.
b) Auch wenn man – auf der Grundlage von oder in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG – einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung anerkennen würde, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit der getroffenen Entscheidung bestehen nicht. Es ist weder vom Antragsteller vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Antragsgegner ohne sachlichen Grund von seiner bisherigen ständigen Verwaltungspraxis abweichen würde oder eine sonstige nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung vorläge. Der Antragsgegner betreibt die Zwangsvollstreckung wegen einer Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung, für die er einen zivilrechtlichen Titel erstritten hat und die nach § 302 Nr. 1 InsO von der Erteilung der Restschuldbefreiung ausdrücklich ausgenommen ist. Die gesetzliche Wertung des § 302 InsO ist auch im Rahmen des Art. 59 BayHO zu beachten. Sie spiegelt sich insbesondere bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „besonderen Härte“ als Voraussetzung für einen Erlass nach Art. 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayHO wider, der eine unverschuldete wirtschaftliche Notlage voraussetzt (vgl. Nr. 3.4 VV-BayHO zu Art. 59 BayHO). Wie das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, kann es dem Antragsteller nicht zugutekommen, dass er einen Beamten geschädigt hat, dessen Schadensersatzanspruch nach Art. 14 BayBG auf den Staat übergegangen ist. Eine derartige Privilegierung des Antragstellers ist auch vor dem Hintergrund des von ihm betonten Resozialisierungsgedankens (grundlegend BVerfG, U.v. 5.6.1973 – 1 BvR 536/72 – BVerfGE 35, 202/235 f.) verfassungsrechtlich nicht geboten.
c) Schließlich greift auch die Rüge des Antragstellers bezüglich der Unzuständigkeit der entscheidenden Stelle nicht durch. Unabhängig von der Frage, ob sich der Antragsteller überhaupt auf einen etwaigen Zuständigkeitsmangel berufen könnte, liegt ein solcher jedenfalls nicht vor. Nach Art. 59 Abs. 1 Satz 2 BayHO kann das zuständige Staatsministerium seine Befugnisse übertragen, was in Nr. 4 VV-BayHO zu Art. 59 BayHO gestaffelt nach Wertgrenzen erfolgt ist. Nach Nr. 4.8 VV-BayHO zu Art. 59 BayHO ist die für die Bewirtschaftung einer Einnahme oder Ausgabe zuständige Dienststelle – hier das Landesamt für Finanzen – zur Ablehnung eines Antrags auch insoweit befugt, als die in Nr. 4.1 bis 4.7 VV-BayHO zu Art. 59 BayHO genannten Wertgrenzen überschritten werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Anders als das Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz ist das Beschwerdeverfahren in Prozesskostenhilfesachen kostenpflichtig. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil gemäß Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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