Verwaltungsrecht

Formerfordernis für Einwendungen gegen Bebauungsplan

Aktenzeichen  15 N 13.2283

Datum:
16.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 47 Abs. 2a
BauGB BauGB § 3 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Für Einwendungen gegen einen Bebauungsplan ist es notwendig, dass die dafür oder dagegen sprechenden Argumente in irgendeiner Form schriftlich niedergelegt werden, um Grundlage einer zu überarbeitenden Planung sein zu können. (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine handschriftliche Unterzeichnung eines Schriftstücks kann für die Einhaltung der Schriftform nicht dadurch ersetzt werden, dass es maschinenschriftlich unterzeichnet ist und am Vormittag des letzten Tages der Frist eingegangen ist. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Antragstellerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Über den Normenkontrollantrag kann im schriftlichen Verfahren entschieden werden, weil die Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO auf die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung verzichtet haben.
Der Normenkontrollantrag hat keinen Erfolg. Er ist nach § 47 Abs. 2a VwGO unzulässig.
Nach dieser Bestimmung ist ein Antrag unter anderem dann unzulässig, wenn die den Antrag stellende Person nur Einwendungen geltend macht, die sie im Rahmen der öffentlichen Auslegung (§ 3 Abs. 2 BauGB) verspätet geltend gemacht hat, aber hätte geltend machen können, und wenn auf diese Rechtsfolge im Rahmen der Beteiligung hingewiesen worden ist. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
1. Die Antragstellerin macht mit dem Normenkontrollantrag nur Einwendungen geltend, die sie im Rahmen der öffentlichen Auslegung nach § 3 Abs. 2 BauGB verspätet geltend gemacht hat, aber bereits rechtzeitig während der öffentlichen Auslegung hätte geltend machen können.
a) Die Antragstellerin hat im Planaufstellungsverfahren Einwendungen ausschließlich mit Schreiben vom 13. April 2012 im Rahmen der in der Zeit vom 12. März bis 13. April 2012 stattfindenden (erneuten) öffentlichen Auslegung des Entwurfs des Bebauungsplans erhoben. Dieses Einwendungsschreiben ist in der vom Bevollmächtigten der Antragstellerin unterschriebenen Originalfassung der Antragsgegnerin ausweislich des Eingangsstempels indes erst am 16. April 2012, und damit nach dem Ablauf der am Freitag, den 13. April 2012 endenden Einwendungsfrist zugegangen. Die Einwendungen wurden mithin verspätet geltend gemacht.
Etwas anderes gilt nicht deshalb, weil die Antragstellerin der Antragsgegnerin am letzten Tag der Frist ein sich mit dem Original-Einwendungsschreiben inhaltlich deckendes Schreiben per Telefax zugeleitet hat. Denn dieses Telefaxschreiben war handschriftlich nicht unterzeichnet, so dass nicht hinreichend sicher davon ausgegangen werden konnte, dass kein bloßer Entwurf vorlag.
Zwar ist der Antragstellerin zuzugeben, dass weder § 47 Abs. 2a VwGO noch § 3 Abs. 2 BauGB eine strenge Schriftform wie etwa § 81 Abs. 1 VwGO oder § 126 Abs. 1 BGB vorsehen, sondern lediglich ein „Geltendmachen“ bzw. die „Abgabe einer Stellungnahme“ verlangen. Wenn ein Einwendungsschreiben die Gemeinde anhalten soll, ihre Bauleitplanung noch einmal zu überdenken, vielleicht sogar mit dem Ziel, sie ganz oder teilweise zu ändern oder aufzugeben, ist es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, allerdings notwendig, dass die dafür oder dagegen sprechenden Argumente in irgendeiner Form schriftlich niedergelegt werden, um Grundlage einer zu überarbeitenden Planung sein zu können. Dies kann schriftlich oder etwa auch mündlich zur Niederschrift erfolgen; lediglich mündlich vorgetragene Argumente, die nirgendwo fixiert werden, reichen insoweit nicht aus (vgl. BVerwG, B. v. 28.1.1997 – 4 NB 39.96 – ZfBR 1997, 213 = juris Rn. 9 zu § 3 Abs. 2 a. F.; vgl. auch SaarlOVG, U. v. 11.12.2014 – 2 C 390/13 – juris Rn. 24).
Diesem Erfordernis der (einfachen) schriftlichen Fixierung ist mit dem Telefaxschreiben der Antragstellerin vom 13. April 2012 zwar Rechnung getragen. Unabhängig von der Frage des Formerfordernisses muss einer Stellungnahme, die schriftlich abgegeben wird, aber zweifelsfrei zu entnehmen sein, dass sie auch willentlich, also mit Wissen und Wollen des Erklärenden, und nicht nur versehentlich in den Rechtsverkehr gebracht wurde. Dem dient regelmäßig die handschriftliche Unterzeichnung eines Schriftstücks. Diese gewährleistet unter anderem, dass der Erklärende für den Inhalt die Verantwortung übernimmt und dass nicht nur ein Entwurf, sondern eine gewollte Erklärung vorliegt. Ausnahmen von dem Erfordernis der eigenhändigen Unterzeichnung eines Schriftstücks sind nur dann zulässig, wenn sich im Einzelfall der Wille, das Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen, aus anderen Umständen hinreichend sicher, das heißt ohne die Notwendigkeit einer Klärung durch Rückfrage oder durch Beweiserhebung, ergibt (vgl. BVerwG, U. v. 26.8.1983 – 8 C 28.83 – BayVBl 1984, 251= juris Rn. 12; U. v. 18.5.2010 – 3 C 21.09 – BVerwGE 137, 58 = juris Rn. 15; OVG NRW, U. v. 7.9.2001 – 3 A 5059/98 – HGZ 2002, 262 = juris Rn. 5; BGH, U. v. 10.0.2005 – XI ZR 128/04 – NJW 2005, 2086 = juris Rn. 20 f.; B. v. 26.10.2011 – IV ZB 9/11 – VRR 2012, 3 = juris Rn. 6). Insoweit gilt nichts anderes als bei einem Schriftstück, das einer strengen Schriftform unterliegt. Dabei kann aus Gründen der Rechtssicherheit nur auf die bei Eingang des Schriftstücks erkennbaren oder bis zum Ablauf der Frist bekannt gewordenen Umstände abgestellt werden (vgl. BVerwG, U. v. 18.5.2010, a. a. O. Rn. 15 a.E.).
Solche die handschriftliche Unterzeichnung ersetzenden Umstände hat die Rechtsprechung etwa anerkannt, wenn ein rechtzeitig eingegangener Schriftsatz eine vervielfältigte Unterschrift (vgl. BVerwG, U. v. 25.11.1970 – IV C 119.68 – BVerwGE 36, 296 = juris Rn. 19 f.) oder einen handschriftlich unterschriebenen Beglaubigungsvermerk (BGH, B. v. 24.11.2009 – VI ZB 36/09 – Schaden-Praxis 2010, 339 = juris Rn. 12) trägt, wenn dem Schreiben handschriftlich unterzeichnete Unterlagen (vgl. BVerwG, B. v. 26.6.1980 – 7 B 160/79 – Buchholz 310 § 81 VwGO Nr. 8 = juris Rn. 3) oder eine vom bevollmächtigen Rechtsanwalt beglaubigte Abschrift der Antragsschrift (vgl. BVerwG, U. v. 18.12.1992 – 7 C 16.92 – BVerwGE 91, 334 = juris Rn. 22) beigefügt waren oder wenn eine bereits in zahlreichen Parallelfällen eingereichte, inhaltlich vollständige Klageschrift mit Anlagen vorlag (vgl. BVerwG, U. v. 6.12.1988 – 9 C 40.87 – BVerwGE 81, 32 = juris Rn. 9).
Eine derartige Konstellation, aus der sich eindeutig und ohne Notwendigkeit einer Rückfrage oder sonstigen Beweiserhebung ergeben würde, dass das Telefaxschreiben vom 13. April 2012 der Antragsgegnerin trotz fehlender eigenhändiger Unterzeichnung durch den sachbearbeitenden Rechtsanwalt willentlich und nicht nur versehentlich übermittelt wurde, lag bis zum Zeitpunkt des Ablaufs der Einwendungsfrist nicht vor. Insbesondere genügen hierzu weder die maschinenschriftliche Unterzeichnung des Einwendungsschreibens (vgl. BVerwG, U. v. 26.8.1983 – 8 C 28.83 – BayVBl 1984, 251 = juris Rn. 12) noch die Tatsache, dass das Telefax am Vormittag des letzten Tags der Frist eingegangen ist. Auch die Behauptung der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung, dass die handschriftliche Unterschrift des Originalschreibens auf dem Telefaxschreiben möglicherweise nur deswegen nicht wiedergegeben sei, weil sie auf dem Originalschreiben nur unter schwachem Aufdruck und mit blauem Stift aufgebracht worden sei, kann ohne Rückfrage bei dem unterzeichnenden Rechtsanwalt und gegebenenfalls Durchführung einer weiteren Beweiserhebung nicht verifiziert werden. Sie ist daher nicht geeignet, mit der erforderlichen Sicherheit auszuschließen, dass es sich bei dem Schreiben um einen bloßen unfertigen Entwurf handeln könnte, der etwa aufgrund eines Kanzleiversehens irrtümlich verfrüht in das Faxgerät eingelegt wurde. Das die eigenhändige Unterschrift tragende Originaleinwendungsschreiben ging bei der Antragsgegnerin erst am dritten Tag nach Ablauf der Einwendungsfrist ein und kann schon aus diesem Grund zur Bestätigung des Rechtsverkehrswillens der Antragstellerin nicht herangezogen werden (vgl. auch BVerwG, B. v. 5.2.2003 – 1 B 31.03 – HFR 2004 1145 = juris Rn. 1).
b) Die Einwendungen, die die Antragstellerin im Normenkontrollverfahren dem streitgegenständlichen Bebauungsplan entgegengehalten hat, hätte sie ohne Weiteres bereits während der öffentlichen Auslegung geltend machen können. Gegenteiliges hat die Antragstellerin weder geltend gemacht noch ist dies sonst ersichtlich. Keine rechtliche Bedeutung für die Präklusion nach § 47 Abs. 2a VwGO hat insoweit die Frage, ob die Antragsgegnerin die Belange, die aus Sicht der Antragstellerin gegen den Bebauungsplan sprechen, schon von sich aus hätte erkennen und in die Abwägung einstellen müssen. Denn § 47 Abs. 2a VwGO erfasst nach seinem Sinn und Zweck auch Einwendungen, die sich der planenden Gemeinde nach Lage der Dinge hätten aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, U. v. 18.11.2010 – 4 CN 3/10 – BVerwGE 138, 181 = juris Rn. 9 f.).
c) Die Präklusion nach § 47 Abs. 2a VwGO ist auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil die Antragsgegnerin die verspätet vorgebrachten Einwendungen bei der Abwägung tatsächlich berücksichtigt hat. Denn eine gesetzliche angeordnete Präklusion steht nicht zur Disposition der Behörde. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht nur im Fachplanungsrecht, sondern auch im Rahmen der Präklusionsvorschrift des § 47 Abs. 2a VwGO i.V. mit § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB (vgl. BVerwG, B. v. 27.5.2013 – 4 BN 28.13 – ZfBR 2013, 580 = juris Rn. 5). Für die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben entsprechend § 242 BGB ist insoweit kein Raum (a.A. SaarlOVG, U. v. 11.12.2014 – 2 C 390/13 – juris Rn. 25).
2. Auf die Rechtsfolge des § 47 Abs. 2a VwGO hat die Antragsgegnerin in der Auslegungsbekanntmachung vom 2. März 2012 ordnungsgemäß hingewiesen.
Zwar gibt die Belehrung mit der Wendung „soweit mit ihm Einwendungen geltend gemacht werden“ den Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB in der bis 19. September 2013 geltenden Fassung des Gesetzes vom 21. Dezember 2006 (BGBl S. 3316) wieder und nicht denjenigen des § 47 Abs. 2a VwGO, dass ein Antrag nach § 47 VwGO zur Einleitung einer Normenkontrolle unzulässig ist, „wenn die den Antrag stellende Person nur Einwendungen geltend macht, die sie im Rahmen der Auslegung nicht oder verspätet geltend gemacht hat, aber hätte geltend machen können“. Dies ist aber unschädlich, weil diese Belehrung nicht geeignet ist, bei der Antragstellerin oder anderen Betroffenen einen rechtserheblichen Irrtum hervorzurufen und sie davon abzuhalten, während des Planaufstellungsverfahrens Einwendungen zu erheben. Sie macht vielmehr deutlich, dass ein von der Planung womöglich Betroffener Einwendungen erheben muss, um sich die Möglichkeit eines späteren Normenkontrollantrags zu erhalten. Auch eine am Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BauGB a. F. orientierte Belehrung löst deshalb die Präklusionswirkung des § 47 Abs. 2a VwGO aus (vgl. BVerwG, U. v. 27.10.2010 – 4 CN 4.09 – BVerwGE 138, 84 = juris Rn. 15; OVG NRW, U. v. 19.12.2011 – 2 D 14/10.NE – juris Rn. 78).
Sonstige Mängel der Auslegungsbekanntmachung, die einer Präklusion nach § 47 Abs. 2a VwGO entgegenstehen könnten (vgl. dazu BVerwG, U. v. 11.9.2014 – 4 CN 3.14 – ZfBR 2015, 58 = juris LS 1 und Rn. 12), sind weder geltend gemacht noch ersichtlich.
3. Der Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, weil sie unterlegen ist (§ 154 Abs. 1 VwGO). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).
Rechtsmittelbelehrung
Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe:
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 und 8 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 9.8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57).

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