Verwaltungsrecht

Fortnahme und Unterbringung eines Hundes – Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung

Aktenzeichen  9 CS 18.321

Datum:
20.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 4331
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
TierSchG § 2, § 16
VwGO § 80 Abs. 3 S. 1

 

Leitsatz

Sprechen die zur Begründung des Verwaltungsaktes angestellten Erwägungen zugleich für die Dringlichkeit der Vollziehung, ist der Forderung des § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO, die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe anzugeben, entsprochen. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 10 K 17.2019 2017-12-28 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. August 2017 schriftlich bestätigte Fortnahme eines Hundes und dessen anderweitige pflegliche Unterbringung. Die ebenfalls von der Anordnung erfasste Fortnahme einer Katze ist nicht streitgegenständlich.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 28. Dezember 2017 abgelehnt. Aus den Feststellungen und dem Gutachten der beamteten Tierärztin der Antragsgegnerin und dem Befundbericht der tierärztlichen Klinik Nürnberg ergebe sich, dass die Antragstellerin ihre Tiere erheblich vernachlässigt, insbesondere nicht angemessen gepflegt habe. Die sich aus den Akten ergebenden Vorfälle würden erkennen lassen, dass die Antragstellerin grundsätzlich nicht in der Lage sei, sich um die ordnungsgemäße Pflege der ihr anvertrauten Tiere zu kümmern.
Mit ihrer Beschwerde gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Sie ist der Auffassung, die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei nicht ausreichend begründet worden. Dem Bescheid sei nicht zu entnehmen, warum eine sofortige Wegnahme des Hundes erfolgen habe müssen. Gerade bezogen auf Hunde sei der Antragstellerin in der Vergangenheit kein tierschutzwidriges Verhalten vorgeworfen worden. Sie habe versucht, die Allergie des Hundes in den Griff zu bekommen und sich auch sonst stets ausreichend um ihren Hund gekümmert. Hierauf gehe die erstinstanzliche Entscheidung nicht ein, in der lediglich auf die tierschutzwidrige Katzenhaltung abgestellt werde. Im Rahmen der Güterabwägung sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin unter Suizidgefahr stehe und auch ihr Hund durch den Aufenthalt im Tierheim erheblich leide. Da der Hund seine Allergie augenscheinlich überwunden habe, sei auch nicht mehr damit zu rechnen, dass er bei der Antragstellerin leide.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (auch im Verfahren 9 C 18.322) und der beigezogenen Behördenakten der Antragsgegnerin verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Die von der Antragstellerin innerhalb der gesetzlichen Begründungsfrist dargelegten Gründe‚ auf die sich die Prüfung zu beschränken hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO)‚ rechtfertigen keine Änderung der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin zu Recht abgelehnt.
1. Entgegen den Darlegungen der Antragstellerin genügt die Begründung des Sofortvollzugs den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
Die Antragsgegnerin hat im Bescheid vom 25. August 2017 ausgeführt, aufgrund des unter Nr. I der Bescheidsbegründung dargestellten Sachverhalts könne die Wegnahme der Tiere nicht bis zur Entscheidung über mögliche Rechtsbehelfe aufgeschoben werden. Der Sachverhalt und die hieraus gezogenen rechtlichen Folgen sind im angefochtenen Bescheid sowohl hinsichtlich der Katzenhaltung als auch des Krankheitsverlaufs und des Pflegedefizits des von der Antragstellerin gehaltenen Hundes umfassend aufbereitet und dargestellt. Damit ist der Forderung, die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe anzugeben, auch mit Blick darauf entsprochen, dass die hier zur Begründung des Verwaltungsakts angestellten Erwägungen zugleich für die Dringlichkeit der Vollziehung sprechen (vgl. BayVGH, B.v. 5.10.2016 – 9 CS 16.1275 – juris Rn. 19). Dass dem Bescheid nicht zu entnehmen sei, warum eine sofortige Wegnahme des Hundes erfolgen müsse, trifft danach nicht zu.
2. Das Vorbringen der Antragstellerin, ihr Hund sei weder erheblich vernachlässigt worden, noch zeige er schwerwiegende Verhaltensstörungen auf, setzt sich weder mit der vom Verwaltungsgericht gegebenen Begründung noch mit den Bescheidsgründen oder den tatsächlichen Feststellungen der Antragsgegnerin auseinander, auf die das Verwaltungsgericht Bezug genommen hat.
Nach den nicht substanziiert bestrittenen Feststellungen der Antragsgegnerin u.a. im amtstierärztlichen Gutachten vom 25. August 2017 wurde bei dem Hund der Antragstellerin bereits am 20. Juli 2017 eine hochgradige Dermatitis festgestellt, die nicht hinreichend behandelt worden war. Der Aufforderung, umgehend einen Tierarzt aufzusuchen und einen Nachweis hierüber zu erbringen, kam die Antragstellerin nicht nach. Auf nochmalige Aufforderung ging die Antragstellerin mit ihrem Hund zwar zum Tierarzt. Eine Diagnostik wurde aber nicht durchgeführt, weil der Antragstellerin die erforderlichen finanziellen Mittel fehlten. Am 15. August 2017 wurde anlässlich einer unangekündigten Kontrolle festgestellt, dass der Zustand des Hundes unverändert war (massive Hautrötung, unentwegtes Kratzen, unangenehmer Körpergeruch, eitriges Sekret in der Tiefe der Ohrmuscheln). Dass das Verwaltungsgericht und die Antragsgegnerin zugleich die tierschutzwidrige Katzenhaltung der Antragstellerin in den Blick genommen haben, führt auf kein Begründungsdefizit hin, sondern bestätigt vielmehr, dass die Antragstellerin nicht in der Lage ist, die Gewähr für eine tierschutzgemäße Haltung ihrer Heimtiere zu sorgen.
Vor diesem Hintergrund stellt das Verwaltungsgericht zu Recht darauf ab, dass „der neuerliche Vorfall von August 2017, bei dem es sich nur um zwei Tiere handelte, erkennen (lässt), dass die Antragstellerin – möglicherweise auch aufgrund von Geldproblemen – grundsätzlich nicht in der Lage ist, sich um die ordnungsgemäße Pflege der ihr anvertrauten Tiere zu kümmern“. Auch mit dieser einzelfallbezogenen Bewertung setzt sich das Beschwerdevorbringen nicht substanziiert auseinander. Insbesondere liegt die Annahme der Antragstellerin, dass nach Abheilung der „Allergie“ eine entsprechende Haltung des Hundes im Sinne des Tierschutzgesetztes sichergestellt sei, angesichts der tatsächlichen Umstände fern.
3. Auch das weitere Vorbringen, bei der Güterabwägung seien die Suizidgefahr der Antragstellerin und das psychische Wohlbefinden des Hundes zu berücksichtigen, führt nicht zum Erfolg der Beschwerde.
Der nach den Darlegungen im Beschwerdeverfahren seelisch instabile Zustand der Antragstellerin bietet keine Handhabe dafür, den Hund der Antragstellerin weiterhin in ihrer Obhut zu belassen, obschon sie nicht imstande ist, für die Bedürfnisse der von ihr gehaltenen Tiere zu sorgen. Das Vorbringen, die Antragstellerin sei psychisch erkrankt und es drohe eine Suizidgefahr, „sollte ihr der Hund nicht zurückgegeben werden“, rechtfertigt es nicht, den Hund der Antragstellerin sehenden Auges auch künftig vermeidbaren Leiden auszusetzen.
Soweit es das Wohlbefinden des Hundes betrifft, bewertet die Antragstellerin dessen psychische Verfassung offenbar höher als seinen körperlichen Gesundheitszustand. Die Frage, was für das Tier nun schlimmer sei, die Trennung von seinem Halter oder seine Vernachlässigung, stellt sich aber nicht. Denn der Halter eines Tieres muss ein Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen (§ 2 Nr. 1 TierSchG). Dies schließt es ein, dem Tier weder vermeidbare körperliche noch seelische Leiden zuzufügen. Ist der Halter hierzu nicht gewillt oder nicht imstande, kann es ihm fortgenommen werden (§ 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TierSchG).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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