Verwaltungsrecht

Für alleinstehende männliche Staatsangehörige besteht in Afghanistan keine extreme Gefahrenlage

Aktenzeichen  Au 6 K 17.30812

Datum:
10.5.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG GG Art. 16a Abs. 2 S. 1
AsylG AsylG § 3a Abs. 3, § 3c Nr. 3, § 4 Abs. 1 Nr. 2
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Arbeitsfähige, gesunde junge Männer sind in der Lage, in Kabul ein kleines Einkommen zu erwirtschaften und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums zu bestreiten. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus sowie auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG). Der Bescheid des Bundesamtes vom 10. Februar 2017 ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Asylanerkennung nach Art. 16a GG.
Nach Art. 16a Abs. 2 Satz 1 und 2 GG kann sich auf das Asylrecht nicht berufen, wer aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft oder aus einem anderen durch Gesetz zu bestimmenden Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Da alle Nachbarstaaten der Bundesrepublik Deutschland entweder auf Grund ihrer Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft oder auf Grund der Anlage I zu § 26a AsylG sichere Drittstaaten sind, hat jeder Asylsuchende, der auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland gelangt ist, den Ausschlussgrund der Einreise aus einem sicheren Drittstaat verwirklicht (vgl. BVerwG, U.v. 7.11.1995 – 9 C 73/95 – BVerwGE 100, 23). Die Drittstaatenregelung nach Art. 16a Abs. 2 GG greift nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – DVBl 1996, 729) immer dann ein, wenn feststeht, dass der Ausländer nur über einen sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sein kann. Dies ist vorliegend wegen der Einreise auf dem Landweg der Fall. Die Anerkennung als Asylberechtigter scheidet daher nach Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG aus. Ausnahmen nach § 26a Abs. 1 Satz 3 AsylG liegen nicht vor.
2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 des Asylgesetzes (AsylG). Es wird in vollem Umfang Bezug genommen auf die Gründe des angefochtenen Bescheids des Bundesamts (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt:
a) Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet.
Im Einzelnen sind definiert die Verfolgungshandlungen in § 3a AsylG, die Verfolgungsgründe in § 3b AsylG und die Akteure, von denen eine Verfolgung ausgehen kann bzw. die Schutz bieten können, in §§ 3c, 3d AsylG. Einem Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG, der nicht den Ausschlusstatbeständen nach § 3 Abs. 2 AsylG oder nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG unterfällt oder der den in § 3 Abs. 3 AsylG bezeichneten anderweitigen Schutzumfang genießt, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt (§ 3 Abs. 4 AsylG). Als Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG gelten Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG), oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG). Zwischen den Verfolgungsgründen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG i.V.m. § 3b AsylG) und den Verfolgungshandlungen – den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen, § 3a AsylG – muss für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG).
Eine Verfolgung i.S.d. § 3 AsylG kann nach § 3c Nr. 3 AsylG auch von nicht-staatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat oder ihn beherrschende Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten. Dabei ist nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 337 S. 9 ff; im Folgenden: RL 2011/95/EU) die Tatsache, dass der Ausländer bereits verfolgt oder von Verfolgung unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, wenn nicht stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass er neuerlich von derartiger Verfolgung bedroht ist. Hat der Asylbewerber seine Heimat jedoch unverfolgt verlassen, kann sein Asylantrag nur Erfolg haben, wenn ihm auf Grund von Nachfluchttatbeständen politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.
Dabei ist es stets Sache des Ausländers, die Gründe für eine Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren. Wegen des sachtypischen Beweisnotstands, in dem sich Flüchtlinge insbesondere im Hinblick auf asylbegründende Vorgänge im Verfolgerland vielfach befinden, genügt für diese Vorgänge in der Regel eine Glaubhaftmachung. Voraussetzung für ein glaubhaftes Vorbringen ist allerdings ein detaillierter und in sich schlüssiger Vortrag ohne wesentliche Widersprüche und Steigerungen.
b) Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze sind im Fall des Klägers die Voraus-setzungen der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft i.S.v. § 3 Abs. 1 AsylG nicht gegeben. Das Gericht ist der Überzeugung, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine Verfolgung i.S.d. § 3 AsylG droht. Der Kläger hat weder eine politische Verfolgung durch den Staat noch durch nichtstaatliche Akteure glaubhaft gemacht. Unabhängig davon ist jedenfalls davon auszugehen, dass für ihn eine inländische Fluchtalternative besteht.
Das Vorbringen des Klägers ist insgesamt allgemein und vage gehalten, darüber hinaus enthält es wesentliche Ungereimtheiten bzw. Widersprüche. Diese konnten trotz ausführlicher Befragung des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht ausgeräumt werden. Der Kläger hat gegenüber dem Bundesamt angegeben als der Drohbrief bei ihnen in … eingegangen sei, habe er beschlossen, das Land zu verlassen, nach etwa einem Monat sei er dann ausgereist. Demgegenüber hat er – abweichend hiervon – in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage ausgeführt, sein Heimatland bereits vor Erhalt des vorgelegten Drohbriefes (datierend vom 1.9.2014) verlassen zu haben. Zudem hat der Kläger beim Bundesamt vorgetragen, nach Erhalt des Drohbriefes eine Anzeige bei der Polizei gestellt zu haben. Diese Darlegung lässt sich ebenfalls – bereits in zeitlicher Hinsicht – nicht mit dem Vortrag des Klägers, sein Heimatland im Mai 2014 verlassen zu haben, in Einklang bringen. Zudem macht der Kläger einerseits geltend, im Camp der Amerikaner in … gewesen zu sein, ohne jedoch dessen Namen anzugeben. Auf konkrete diesbezügliche Nachfrage im Rahmen der informatorischen Befragung des Gericht hat der Kläger eher ausweichend geantwortet und schließlich den bereits angegebenen Namen der amerikanischen Firma, für die er gearbeitet habe, genannt. Andererseits ist nicht nachvollziehbar, dass der Kläger die gegenüber dem Bundesamt erwähnten Dokumente, die seine Mitarbeit bei den Amerikanern bezeugen könnten, nicht vorgelegt, sondern vorgetragen hat, diese beim Dolmetscher „liegengelassen“ zu haben. Denn der Kläger stützt die behauptete Bedrohung durch die Taliban gerade auf diese Tätigkeit, der Vortrag, die Nachweise letztlich vergessen zu haben, überzeugt daher nicht. Demgegenüber hat er – in Abweichung hierzu – im Rahmen der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage zunächst ausgeführt, diese Unterlagen habe er verbrennen lassen, weil er Angst gehabt habe, die Taliban könnten ihn auf der Flucht durchsuchen. Zwar hat er dann ergänzend angegeben, dies sei lediglich der „Zutrittsausweis“ gewesen; der diesbezügliche pauschale Erklärungsansatz, der Dolmetscher sei mit den Dokumenten verschwunden, überzeugt aber – nicht zuletzt bereits deshalb – nicht, weil diese Ergänzung erst auf wiederholten Vorhalt des Gerichts erfolgte. Schließlich vermag auch die vorgelegte Anzeige, wonach am 24. März 2015, also knapp ein Jahr nachdem der Kläger angegeben hat, sein Heimatland verlassen zu haben, eine Handgranate auf das Haus in * geworfen worden sei, eine konkrete Gefährdungslage für den Kläger nicht zu begründen. Gleiches gilt für die vorgelegte Kundenkarte einer Bank. Zumal es laut dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes (vgl. Bericht vom 19.10.2016, S. 25) in erheblichem Umfang echte Dokumente unwahren Inhalts ergibt und der Kläger darlegte bzw. einräumte, dass man gegen Geld auch eine Taskira mit unzutreffendem Geburtsdatum erhalte.
Nach Auffassung des Gerichts hat der Kläger damit eine konkrete Gefährdungslage, die ihn zur Ausreise veranlasste und die einer Rückkehr in sein Heimatland entgegensteht, nicht glaubhaft gemacht.
c) Selbst wenn man die Angaben des Klägers jedoch als wahr unterstellen wollte, wäre der Kläger auf eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verweisen (s. nach-folgend unter Nr. 3 b).
3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG. Er hat keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, dass ihm bei einer Rückkehr nach Afghanistan ein ernsthafter Schaden i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 AsylG droht. Auch insoweit wird auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt:
a) Der Kläger hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihm aufgrund der vorgetragenen Tätigkeit bei einer Rückkehr ein ernsthafter Schaden i.S. des § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG droht. Sein Vorbringen ist insoweit, wie bereits ausgeführt, nicht glaubhaft.
b) Selbst wenn man die Angaben des Klägers jedoch als wahr unterstellen wollte, wäre der Kläger auf eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verweisen. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG gilt § 3e AsylG entsprechend.
Das Gericht ist der Überzeugung, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan jedenfalls in Kabul keiner Verfolgung ausgesetzt wäre. Grundsätzlich ist Kabul im Hinblick auf die allgemeine Sicherheitslage als Fluchtalternative geeignet. Das Risiko, dort durch Anschläge Schaden an Leib oder Leben zu erleiden, ist weit unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (BayVGH, B.v.19.6.2013 – 13a ZB 12.30386 – juris). Aus dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19. Oktober 2016 zur Lage in Afghanistan (im Folgenden: Lagebericht) ergibt sich nicht, dass sich die Sicherheitslage in Kabul im Vergleich zur Einschätzung in den vorangegangenen Lageberichten verändert habe. Darin war die Sicherheitslage in Kabul unverändert als stabil beschrieben worden. Nach dem Lagebericht vom 4. Juni 2013 habe die Zahl der sicherheitsrelevanten Zwischenfälle im Berichtszeitraum im Vergleich zum Vorjahr leicht abgenommen, der Trend setze sich fort (s. hierzu auch BayVGH, B.v. 28.1.2014 – 13a ZB 13.30390 – juris Rn. 6). Nach dem Lagebericht vom 31. März 2014 habe der Indikator, der u.a. die sicherheitsrelevanten Zwischenfälle erfasse, im Jahr 2013 leicht abgenommen (Lagebericht vom 31.3.2014, S. 4). Zwar sei ein Anstieg von zivilen Opfern um 23% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu verzeichnen. Dass dieser Anstieg jedoch die Sicherheitslage in Kabul derart gravierend verschlechtert hat, dass der Kläger Gefahr liefe, dort alsbald einer extremen Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt zu sein, ergibt sich auch aus den aktuellen Auskünften nicht (s. auch BayVGH, B.v. 14.1.2015 – 13a ZB 14.30410 – juris Rn. 5).
Das Gericht geht auch davon aus, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt in Kabul sicherstellen kann (vgl. hierzu auch BayVGH, B.v. 14.1.2015 – 13a ZB 14.30410 – juris Rn. 5). Auch wenn hierfür mehr zu fordern ist als ein kümmerliches Einkommen zur Finanzierung eines Lebens am Rande des Existenzminimums (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 20), ist doch vernünftigerweise zu erwarten, dass der Kläger sich in Kabul aufhält und seinen Lebensunterhalt dort sicherstellt. Der Kläger ist ein arbeitsfähiger junger Mann, der auch bis zur Ausreise erwerbstätig war. Im Übrigen sind unter Berücksichtigung der Auskunftslage insbesondere Rückkehrer aus dem Westen in einer vergleichsweise guten Position, die durchaus auch Perspektiven im Hinblick auf die Sicherung des Lebensunterhalts eröffnet (vgl. hierzu auch BayVGH, U.v. 13.5.2013 – 13a B 12.30052 – juris Rn. 12).
c) Auch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG liegen nicht vor. Dem Kläger droht bei einer Rückkehr nach Afghanistan nach derzeitigem Kenntnisstand des Gerichts auch keine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Die Frage, ob die in Afghanistan oder Teilen von Afghanistan stattfindenden gewalttätigen Auseinandersetzungen nach Intensität und Größenordnung als vereinzelt auftretende Gewalttaten i.S. von Art. 1 Nr. 2 des Zusatzprotokolls vom 8. Juni 1977 zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte (BGBl. 1990 II S. 1637) – ZP II – oder aber als anhaltende Kampfhandlungen bewaffneter Gruppen im Sinne von Art. 1 Nr. 1 ZP II zu qualifizieren sind, kann dahinstehen, weil nach der Überzeugung des Gerichts der Kläger keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt wäre. Denn es fehlt vorliegend an einer Verdichtung allgemeiner Gefahren, die weitere Voraussetzung für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist. Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen erreicht in Kabul, der einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt kein so hohes Niveau, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dieser Region einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (s. hierzu auch BayVGH, B.v. 23.9.2013 – 13a ZB 13.30252 – juris; U.v. 31.5.2011 – 13a B 11.30083 – juris). Individuelle, gefahrerhöhende Umstände, die zu einer Verdichtung der allgemeinen Gefahren im Rahmen eines bewaffneten internationalen Konflikts in der Person des Klägers führen, hat dieser nicht vorgetragen.
4. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor. Auf den Bescheid des Bundesamts wird Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend zu § 60 Abs. 7 AufenthG ausgeführt:
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gefahren in diesem Staat, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, welcher der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, werden bei Entscheidungen nach § 60a Abs. 1 AufenthG berücksichtigt (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Allgemeine Gefahren können nur dann Schutz vor Abschiebung begründen, wenn der Ausländer einer extremen Gefahrenlage dergestalt ausgesetzt wäre, dass er im Fall seiner Abschiebung dorthin gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwerster Verletzung ausgeliefert würde und diese Gefahren alsbald nach seiner Rückkehr und landesweit drohen würden (vgl. BVerwG, U.v. 8.9.2011 – 10 C 14/10 – BVerwGE 140, 319 Rn. 23).
Eine solche extreme allgemeine Gefahrenlage ergibt sich für den Kläger in Kabul als möglichem Zielort der Abschiebung weder aus seiner Volkszugehörigkeit noch hinsichtlich der allgemeinen Sicherheitslage (s.o. Nr. 3 c). Dem Kläger droht auch keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben wegen der allgemeinen Versorgungslage in Kabul. Er ist volljährig und arbeitsfähig und mit den Lebensverhältnissen in Afghanistan vertraut. Wie bereits ausgeführt, ist das Gericht der Überzeugung, dass der Kläger jedenfalls in … seinen Lebensunterhalt sicherstellen kann (s. hierzu auch BayVGH, B.v. 30.9.2015 – 3a ZB 15.30063; B.v. 26.5.2015 – 13a ZB 15.30075; U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – alle juris). Zumal er gegenüber dem Bundesamt angegeben hat, dort lebe ein Teil seiner Großfamilie und zwei seiner Brüder seien in … geblieben, nachdem sie dort gearbeitet hätten.
5. Nachdem sich auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 AufenthG als rechtmäßig erweist, war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen