Verwaltungsrecht

Gefahr der weiblichen Genitalverstümmelung in Äthiopien

Aktenzeichen  AN 3 K 16.30048

Datum:
31.8.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3 Abs. 1, § 3a, § 3b, § 4 Abs. 1, § 30 Abs. 1 Nr. 1, § 77 Abs. 2, § 78 Abs. 1 S. 1
VwGO VwGO § 113 Abs. 1, Abs. 5
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

1 Auf die Bedingungen des Strafvollzugs in Äthiopien kommt es nicht an, wenn der Asylsuchende wegen allein innerfamiliärer Streitigkeiten bereits nicht mit staatlicher Verfolgung zu rechnen hat. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2 In Äthiopien ist ein Rückgang der weiblichen Genitalverstümmelung zu beobachten. Die Gefahr der Beschneidung eines Mädchens hängt wesentlich von der Haltung der Mutter ab. Es ist nicht davon auszugehen, dass Kinder ihren Eltern zur Durchführung einer Beschneidung gewaltsam entzogen werden. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klagen werden als offensichtlich unbegründet abgewiesen.
2. Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässigen Klagen haben keinen Erfolg. Sie sind als offensichtlich unbegründet abzuweisen, § 78 Abs. 1 Satz 1 AsylG. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerinnen nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1, 5 VwGO. Den Klägerinnen steht offensichtlich kein Bleiberecht zu, § 30 AsylG.
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist eine Klage offensichtlich unbegründet, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise keine Zweifel bestehen können und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung der Klage dem Gericht geradezu aufdrängt (BVerwG, B.v. 1.3.1979 – 1 B 24/79 – Buchholz 402.24, § 34 AuslG Nr. 1 sowie BVerfG, B.v. 12.7.1983 – 1 BvR 1470/82 – BVerfGE 65, 76; U.v. 11.12.1985 – 2 BvR 361/83, 2 BvR 449/83 – BVerfGE 71, 276; B.v. 20.12.2006 – 2 BvR 2063/06 – NVwZ 2007, 1046).
Die Klägerinnen haben keinerlei Gründe geltend gemacht, die den Anspruch auf Zuerkennung eines Bleiberechts rechtfertigen können, weshalb die Asylanträge nach § 30 Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet anzusehen sind.
Hierzu wird zunächst auf die Gründe der Entscheidung im Eilverfahren (An 3 S. 16.30047) sowie auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheides Bezug genommen, § 77 Abs. 2 AsylG.
Die Klägerin zu 1) erklärte in der mündlichen Verhandlung nun erstmals, ihr Ehemann sei bereits vor der Ausreise politisch aktiv und wegen dieses Engagements auch verfolgt gewesen. Er selbst dementierte dies. Mit diesem Verhalten bestätigte die Klägerin zu 1), dass sie es mit der Wahrheit nicht genau nimmt und Angaben im Verfahren orientiert an dem für sie zu erwartenden größtmöglichen Nutzen macht. In Zusammenschau mit den Erwägungen aus dem Beschluss im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes drängt sich auf, dass das Vorbringen der Klägerin zu 1) insgesamt offenkundig den Tatsachen nicht entspricht, § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG.
Ergänzend ist zu bemerken:
1. Ein Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG besteht für die Klägerin zu 1) offensichtlich nicht.
Selbst bei Wahrunterstellung des Verwandtschaftsverhältnisses ist weder ein asylrelevanter Verfolgungsgrund i.S. des § 3b AsylG vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Die Klägerin zu 1) gab hierzu an, es habe wegen des verwandtschaftlichen Verhältnisses mit ihrem Ehemann (Kläger im Verfahren AN 3 K 16.30240) Probleme und Auseinandersetzungen mit ihrer Familie gegeben. Sie trug nicht vor, deshalb Probleme mit staatlichen Stellen gehabt oder befürchtet zu haben.
Auch die Möglichkeit einer strafrechtlichen Sanktionierung sexueller Beziehungen zwischen Verwandten in Äthiopien ist kein Verfolgungsgrund i.S. des § 3b AsylG, da nicht an asylerhebliche Merkmale angeknüpft wird. Aus demselben Grund besteht offensichtlich auch kein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte nach Art. 16 a GG.
Ein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG besteht nicht.
Soweit vom Klägervertreter im Verfahren auf die unwürdigen Bedingungen im Strafvollzug in Äthiopien hingewiesen wurde, ist nicht ersichtlich geworden, inwiefern ein staatliches Verfolgungsinteresse hinsichtlich der Verbindung überhaupt im Raum steht. Weder die Klägerin zu 1) noch ihr Ehemann haben entsprechende Befürchtungen geäußert; Schwerpunkt des Vorbringens waren stets die innerfamiliären Schwierigkeiten. Auch die vorgetragene Verhaftung des Ehemannes der Klägerin zu 1) erfolgte nicht wegen der (den Behörden also bereits bekannten) Verbindung von Onkel und Nichte, sondern wegen der Schlägerei mit dem Bruder der Klägerin zu 1). Nach alldem stellt sich die pauschale Behauptung des Klägervertreters zu den Haftbedingungen in Äthiopien als so vage dar, dass nicht mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass der Klägerin zu 1) für den Fall ihrer Rückkehr ein ernsthafter Schaden i.S. des § 4 Abs. 1 AsylG droht.
Die Klägerin zu 1) befindet sich infolge der absichtlichen Vernichtung ihres Reisepasses in einem in vorwerfbarer Weise selbstgeschaffenen Beweisnotstand. Insbesondere deshalb ist es nicht möglich, die Verwandtschaftsverhältnisse der Klägerin zu 1) zu ihrem Ehemann aufzuklären, auf die maßgeblich das Vorbringen zu drohenden Gefahren im Heimatland gestützt wird. Die Klägerin zu 1) gab im Verfahren vor dem Bundesamt an, sie habe Dokumente zum Nachweis ihrer Identität bei ihrem Ehemann (damals in Israel) bzw. bei einer Freundin zurückgelassen. Diese kann sie jedoch immer noch nicht vorlegen, sondern erklärte in der mündlichen Verhandlung am 30. August 2017 lediglich, für die Ausstellung eines neuen Reisepasses benötige sie die Kopie des alten, den sie nicht mehr besitze. Weitergehende Anstrengungen zum Nachweis ihrer Identität hat die Klägerin zu 1), die nach eigenen Angaben sowohl in Äthiopien als auch in Israel über persönliche Daten getäuscht hat, nicht unternommen.
2. Auch der Vortrag der Klägerin zu 1), sie befürchte, dass die Klägerinnen zu 2) und 3) im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien einer Beschneidung unterzogen würden, vermag nicht zur Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes für die Klägerinnen zu 2) und 3) zu führen.
Eine konkret drohende Beschneidung ist geeignet, Flüchtlingsschutz zu begründen (OVG Nordrhein-Westfalen, U.v.14.2.2014 – 1 A 1139/13.A – juris Rn. 80; VG Aachen, U.v. 16.9.2014 – 2 K 2262/13.A -, juris Rn. 30 m.w.N.; VG Würzburg, U.v. 5.12.2014 – W 3 K 14.30001 -, juris Rn. 31; VG Ansbach, U.v. 27.9.2016 – AN 3 K 16.30877 – juris; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Juni 2014, § 3a AsylG Rn. 35).
Allerdings geht die Einzelrichterin davon aus, dass die Klägerinnen zu 2) und 3) wegen der von der Mutter in der mündlichen Verhandlung klar geäußerten Ablehnung der FGM dieser Gefahr offensichtlich nicht ausgesetzt sein werden. Die Durchführung einer FGM ist hauptsächlich von der Haltung der Mutter abhängig. Dies bestätigte die Klägerin zu 1), die angab, ihre eigene Mutter sei bei der bei der bei ihr durchgeführten Beschneidung anwesend gewesen und habe diese – wie der Vater auch – befürwortet. Nach den dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen lässt sich in Äthiopien ein Rückgang der weiblichen Genitalverstümmelung beobachten (Lagebericht des Auswärtigen Amtes Äthiopien vom 6. März 2017, II 1.1.8.). Dass die Kinder – wie von der Klägerin zu 1) behauptet – ihren Eltern zur Durchführung der FGM gewaltsam entzogen würden, ist nicht weder nachvollziehbar vorgetragen noch glaubhaft, zumal die Kinder gemeinsam mit ihren Eltern gerade nicht in den engeren Familienkreis zurückkehren werden, der die Beziehung zwischen der Klägerin zu 1) und ihrem Ehemann ablehnt. Auch ergibt sich aus keinem Erkenntnismittel der Hinweis auf ein solches Vorgehen.
3. Weitergehende Gründe, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes i.S. des § 60 AufenthG führen könnten, wurden nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.
Die Klägerinnen werden im Familienverband mit dem Ehemann und Vater nach Äthiopien zurückkehren. Gemeinsam wird es ihnen möglich sein, sich dort eine bescheidene Existenz aufzubauen. Eine erhebliche Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit nach § 60 Abs. 5 AufenthG vermag die Einzelrichterin nicht zu erkennen, zumal die Klägerinnen auch in Israel in der Lage waren, ihr Auskommen zu sichern.
Demnach waren die Klagen als offensichtlich unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO.
Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83 b AsylG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar, § 78 Abs. 1 Satz 1 AsylG.
Beschluss
Der Gegenstandswert beträgt 7.000,00 EUR (§ 30 Abs. 1 RVG).
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.
Beschluss
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung wird abgelehnt.
Die Klage hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO.
Zur Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.

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