Verwaltungsrecht

Gefahrenprognose bei Ausweisung aufgrund von Straftaten

Aktenzeichen  M 25 K 16.3237

Datum:
14.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
EMRK EMRK Art. 8
GG GG Art. 2 Abs. 2, Art. 6
AufenthG AufenthG § 11 Abs. 1, Abs. 3, § 54 Abs. 1 Nr. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 5

 

Leitsatz

Das Gericht ist bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Ausweisungsverfügung bezüglich der Frage der Wiederholungsgefahr nicht an die Strafaussetzungsentscheidung der Strafvollstreckungskammer gebunden; dieser kommt aber eine erhebliche Indizwirkung zu. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg. Der Bescheid des Beklagten ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. BVerwG, U.v. 10.7.2012 – 1 C 19.11 – juris) rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die Ausweisung des Klägers ist rechtmäßig, weil der Kläger die öffentliche Sicherheit und Ordnung trotz der Scheidung nach wie vor gefährdet (1.1) und die Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen des Klägers an einem weiteren Verbleib ergibt, dass das öffentliche Ausweisungsinteresse vorliegend überwiegt (1.2.).
1.1. Der Kläger gefährdet die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik Deutschland. Von ihm geht im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nach wie vor eine Wiederholungsgefahr aus. Sie wird nicht durch die erfolgte Scheidung des Klägers beseitigt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose hinsichtlich der Wiederholungsgefahr zu treffen, ohne dass sie an die Feststellungen des Strafgerichts rechtlich gebunden sind. Bei der Prognose, ob eine Wiederholung ver gleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Tat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt.
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass eine hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit für eine erneute Begehung von Körperverletzungsdelikten, Beleidigungen und gemeingefährlichen Straftaten durch den Kläger besteht.
1.1.1. Das Landgericht … und das Oberlandesgericht … haben mit ihren jüngsten Beschlüssen den Antrag des Klägers auf Aussetzung der Vollstreckung der Reststrafe zur Bewährung abgelehnt, weil sie von einer negativen Sozialprognose ausgehen.
Das Landgericht führte aus, eine Entlassung könne unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit nicht verantwortet werden. Der Kläger habe ganz erhebliche Rechtsbrüche begangen und sei mehrfach vorbestraft, auch einschlägig. Eine bereits verbüßte Strafhaft habe ihn nicht von der Begehung neuer Straftaten abhalten können. Früher eingeräumte Bewährungen habe er nicht durchgestanden. Die Rückfallgeschwindigkeit sei hoch. Der Schutz der bedrohten Rechtsgüter erfordere einen nachhaltigen Strafeindruck, der nach Auffassung der Strafvoll-streckungskammer angesichts der Heftigkeit des delinquenten Verhaltens des Klägers in der Vergangenheit und der Gleichgültigkeit, mit der er frühere Verurteilungen und Strafvollstreckung abgetan habe, noch nicht erreicht sei. Der Kläger habe sich zwar im Vollzug beanstandungsfrei geführt. Trotz der Tatsache, dass sich seine gra vierendsten Straftaten stets im Rahmen seiner Beziehung mit seiner Ehefrau ereignetet hatten, von der er sich nunmehr zwar scheiden lasse, könne jedoch keine ausreichend günstige Prognose gestellt werden.
Das Oberlandesgericht stellte darauf ab, dass der Kläger eine erschreckend hohe Rückfallgeschwindigkeit strafbarer, höchst gefährlicher Taten gezeigt habe. Die ihm zunächst gewährte Bewährungschance habe er dazu genutzt, binnen kurzer Zeit erneut mehrfach massiv gegen seine ehemalige Ehefrau vorzugehen. Soweit eingewandt werde, die Beziehung zur Geschädigten sei durch die nunmehr rechtskräftige Scheidung beendet, und es drohten daher keine weiteren Straftaten mehr, stehe dem schon die erklärte Absicht des Verurteilten, weiter mit den gemeinsamen Kindern umzugehen, entgegen. Die vereinbarte Kontaktaufnahme ausschließlich über Rechtsanwälte erscheine lebensfremd und angesichts der unter Beweis gestellten Uneinsichtigkeit des Klägers wenig wahrscheinlich. Zudem habe der Kläger die Geschädigte bereits aus der Haft heraus mehrfach angerufen. Aus der Niederschrift über die Anhörung des Klägers vom 28. Juli 2016 ergebe sich überdies, dass er seine Eifersucht nach wie vor als plausiblen Anlass für sein Tun verstehe. Von dem Verurteilten gehe nach wie vor eine erhebliche Gefahr für die Geschädigte und für Dritte aus.
Zwar ist das Gericht bei der Beurteilung der Frage der Wiederholungsgefahr nicht an die Strafaussetzungsentscheidung der Strafvollstreckungskammer gebunden; diesen kommt aber erhebliche Indizwirkung zu (vgl. zuletzt BVerfG, B.v. 19.10.2016 – 2 BvR 1943/16 – BeckRS 2016, 53810 Rn. 21).
1.1.2. Der Kläger ist fünffach vorbestraft und zweifacher Bewährungsversager. Auch mehrfache einschlägige Vorstrafen haben ihn nicht von der letzten Tat im Juli 2014 abhalten können. Dabei ist zu sehen, dass sich die Gefährlichkeit der von ihm verübten Straftaten gesteigert hat und die Rückfallgeschwindigkeit hoch war.
1.1.3. Es ist nichts für die Erwartung ersichtlich, dass der Kläger sich an das im Scheidungsverfahren vereinbarte Kontaktverbot gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau halten wird.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, seine mittlerweile geschiedene Ehefrau entgegen dieser Vereinbarung angerufen zu haben. Dies belegt aktuell, welche geringe Bedeutung der Kläger den getroffenen Vereinbarungen beimisst.
Auch wenn der volljährige Sohn mittlerweile eine eigene Familie gegründet hat, lässt die Vorstellung des Klägers, nach seiner Haftentlassung mit seinem Sohn einen gemeinsamen …handel zu betreiben, zumindest befürchten, dass es dem Kläger nicht gelingen wird, den nötigen Abstand von seiner geschiedenen Ehefrau zu gewinnen.
Das Gericht schließt sich außerdem der Einschätzung des Beklagten an, dass bereits die Trennung der Eheleute im Jahr 2011 das Eifersuchtsmotiv nicht hat ausschließen können. Vorliegend ist nicht ersichtlich, weshalb eine formalrechtliche Scheidung hieran etwas ändern sollte.
Im Übrigen sind auch potentielle Lebenspartnerinnen des Klägers durch seine Eifersucht gefährdet.
1.1.4. Darüber hinaus hat die letzte zur Verurteilung gelangte Straftat des Klägers den „Familienkreis“ überschritten und die Allgemeinheit gefährdet.
1.1.4. Das Gericht ist deshalb davon überzeugt das vom Kläger nach wie vor eine Wiederholungsgefahr für Körperverletzungsdelikte, Beleidigungen und gemeingefährliche Straftaten wie zum Beispiel Gefährdung des Straßenverkehrs ausgeht.
1.2. Die unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit seinen Interessen an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Ausweisungsinteresse das private Bleibeinteresse des Klägers überwiegt.
1.2.1. Das öffentliche Ausweisungsinteresse wiegt besonders schwer, weil der Kläger am … März 2015 wegen einer vorsätzlichen Straftat rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist (§ 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG). Daneben erfüllt der Kläger ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse, weil er am … Januar 2014 rechtskräftig wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung in Tatmehrheit mit Verstößen gegen das Gewaltschutzgesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt wurde (§ 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG). Schließlich erfüllt der Kläger ein weiteres schweres Ausweisungsinteresse, weil er wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung und mit Sachbeschädigung in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung mit rechtskräftigem Urteil vom … Oktober 2012 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung verurteilt wurde (§ 54 Abs. 2 Nr. 1a AufenthG).
1.2.2. Der Kläger hat ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse, weil er eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG).
Das Gericht geht außerdem zu Gunsten des Klägers davon aus, dass er wegen der Ausübung seines Umgangsrechts mit seinen minderjährigen, ledigen, deutschen Töchtern ein weiteres besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse besitzt (§ 55 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 3 AufenthG). Zwar ist der Kläger für seine Töchter nicht personen-sorgeberechtigt, wozu gemäß §§ 1626, 1631 Abs. 1, 1632 Abs. 2 BGB auch das Recht gehört, den Umgang des Kindes auch mit Wirkung für und gegen Dritte zu bestimmen. Jedoch hat sich die Mutter im Rahmen einer Vereinbarung damit einverstanden erklärt, dass nach Entlassung des Klägers ein großzügiger Umgang mit den Kindern außerhalb der Wohnung und vereinbart über die Anwälte stattfindet. Auch wenn Zweifel daran bestehen, ob dem Kläger dadurch ein Umgangsrecht im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 3 AufenthG eingeräumt wird (vgl. BeckOK AuslR/Graßhof, Stand 1.11.2016, § 55 Rn. 28), geht das Gericht zu seinen Gunsten hiervon aus. Im Übrigen sind die Belange und das Wohl aller Kinder – wohl auch des volljährigen, verheirateten Sohnes, mit dem seit Juli 2015 kein persönlicher Kontakt mehr, aber Briefkontakt besteht – zumindest als ein schwerwiegendes Bleibeinteresse zugunsten des Klägers zu berücksichtigen (§ 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG).
1.2.3. Die Abwägung dieser Interessen unter umfassender Würdigung aller Umstände des Einzelfalls führt vorliegend zum Überwiegen des öffentlichen Ausweisungsinteresses, auch unter Berücksichtigung von Art. 6 GG, Art. 8 EMRK und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.
1.2.3.1. Der Kläger lebt zwar seit 24 Jahren im Bundesgebiet, war überwiegend selbstständig als …händler erwerbstätig und ist Vater zweier minderjähriger deutscher Töchter, für die er nicht sorgeberechtigt ist und sowohl in der Vergangenheit als auch aktuell keinen Unterhalt gezahlt hat bzw. zahlt. Er hat im Bundesgebiet lebende Geschwister und sonstige Verwandte. Auf der anderen Seite hat der Kläger nach wie vor zahlreiche soziale Bindungen in sein Heimatland, da dort noch sein Vater, vier Brüder und zwei Schwestern leben.
1.2.3.2. Der Kläger verliert durch die Ausweisung nicht seine berufliche oder wirtschaftliche Existenz. Seinen …handel hat er 2012 aufgegeben. Von Mai 2012 bis August 2013 hat er zuletzt Leistungen nach dem SGB II bezogen. Von August 2013 bis März 2014 war der Antragsteller inhaftiert, ebenso wieder seit August 2014. Er verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung und hat nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung Schulden i.H.v. 50.000 €.
1.2.3.3. Es ist davon auszugehen, dass sich der Kläger in die Verhältnisse seines Heimatlandes wieder wird einleben können. Er hat dort fast die Hälfte seines Lebens verbracht und zahlreiche enge Familienmitglieder leben noch im Kosovo. Angesichts der Tatsache, dass der Kläger erst als 20-jähriger nach Deutschland eingereist ist, ist das Gericht davon überzeugt, dass er seine Heimatssprache noch beherrscht; Gegenteiliges wurde auch nicht vorgetragen.
1.2.3.4. Im Hinblick auf das Wohl der Kinder ist festzustellen, dass die minderjährigen Töchter im Zeitpunkt der Haftentlassung des Klägers sechzehneinhalb und zwölf Jahre alt sein werden. Die Kinder sind von daher in einem weniger ausgeprägten Maße als Kleinkinder auf die dauernde, persönliche Anwesenheit ihres Vaters im Bundesgebiet angewiesen und außerdem in der Lage, den Grund für die Trennung zu verstehen.
Es ist zudem zu berücksichtigen, dass die Trennung von der Familie schon im gegenwärtigen Zeitpunkt der Entscheidung fünf Jahre zurückliegt, wenn man die kurzzeitige „Versöhnung“ außer Betracht lässt. Die Zeiten der „Versöhnung“ Mitte des Jahres 2013 waren ausweislich der Angaben der geschiedenen Ehefrau und der jüngsten Tochter, wie sie sich aus der Strafakte ergeben, sowohl von verbaler als auch körperlicher Gewalt gegenüber der geschiedenen Ehefrau geprägt. Selbst wenn man die „Versöhnung“ jedoch berücksichtigt, besteht zur jüngsten Tochter seit zweieinviertel Jahren überhaupt kein Kontakt mehr. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, seit seiner Inhaftierung überhaupt keinen Kontakt mehr zu ihr gehabt zu haben. Die Tochter hat den Kläger in der Justizvollzugsanstalt nicht besucht. Die ältere Tochter hat den Kläger innerhalb der mehr als zwei Jahren andauernden Inhaftierung seit August 2014 nur drei Mal in der Justizvollzugsanstalt besucht. In der mündlichen Verhandlung konnte der Kläger nicht angeben, welche Klasse an welcher Schule die ältere Tochter besucht. Insgesamt ist für eine Teilhabe des Klägers am Alltag seiner minderjährigen Kinder wenig ersichtlich. Der Kläger hat nach seinen Angaben nach der Trennung auch keinen Unterhalt für sie gezahlt.
Zwar sind auch die Beziehung zum volljährigen, verheirateten Sohn und der Wunsch, mit diesem gemeinsam nach der Haftentlassung einen …handel betreiben zu wollen, zu berücksichtigen. Jedoch fällt dieser Belang in der Abwägung nicht schwerwiegend ins Gewicht. Der Sohn hat als Zeuge ausgesagt, seinen Vater zuletzt im Juli 2015 besucht zu haben und im Übrigen Briefkontakt zu ihm zu haben. Des Weiteren hat der Sohn berichtet, dass seine Mutter den Verbleib des Klägers im Bundesgebiet befürworte. Dies fällt jedoch ebenfalls nicht entscheidend ins Gewicht, insbesondere da die geschiedene Ehefrau es nicht für nötig gehalten hat, dem Gericht trotz dessen Bitte um Erscheinen zum Termin ihre Gründe hierfür selbst darzulegen.
Bei dieser Sachlage erschließt sich für das Gericht nicht, inwiefern die Töchter oder der Sohn auf die persönliche Anwesenheit des Klägers im Bundesgebiet zu ihrem Wohle angewiesen sind. Das Gericht geht vielmehr davon aus, dass der Kontakt zu den Kindern – wenn er gewünscht wird – brieflich, telefonisch, per E-Mail, per Skype, per WhatsApp und ggf. durch Besuchsaufenthalte der Kinder beim Vater im Kosovo oder ggf. durch einzuräumende Besuchsaufenthalte des Klägers im Bundesgebiet in ausreichendem Maße aufrechterhalten werden kann. Soweit sich im Hinblick auf den Gesundheitszustand der Mutter Einschränkungen für deren Ausübung der Perso nensorge in Zukunft ergeben sollten, kann dem durch eine nachträgliche Verkürzung des Einreise- und Aufenthaltsverbots Rechnung getragen werden.
Anhaltspunkte dafür, dass die Ausweisung unverhältnismäßig sein könnte, sind nicht ersichtlich.
Die Ausweisung ist somit rechtmäßig.
2. Auch die Wiedereinreisesperre von fünf Jahren begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Ermessensfehler des Beklagten bei der Festsetzung dieser Frist sind nicht ersichtlich. Sie ist auch im Hinblick auf Art. 6 GG und Art. 8 EMRK verhältnismäßig.
2.1. Über die allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzende Frist hat der Beklagte gemäß § 11 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz nach Ermessen zu entscheiden. Er hat dies unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu tun und darf hierbei fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Kläger – wie vorliegend – aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes sowie der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Hierbei bedarf es der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das zu der spezialpräventiven Ausweisung geführt hat, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Die sich an der Erreichung des Ausweisungszwecks orientierende Sperrfrist muss sich an höhrerrangigem Recht, das heißt verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen und den Vorgaben aus Art. 8 EMRK messen und gegebenenfalls relativieren lassen (BVerwG, U.v. 10.7.2012 – 2 C 19.11 – juris Rn. 42).
2.2. Gemessen an diesen Vorgaben erweist sich die Befristung des Einreise-und Aufenthaltsverbots auf fünf Jahre ab dem Zeitpunkt der Ausreise als ermessensfehlerfrei.
Der Beklagte hat die Interessen des Klägers erkannt und ordnungsgemäß gewichtet. Der Beklagte hat die Fünfjahresgrenze des § 11 Abs. 3 Satz 2 Aufenthaltsgesetz nicht überschritten. Ermessensfehler des Beklagten sind nicht ersichtlich: Eine Er-messensfehlgewichtung ist auch unter Berücksichtigung der familiären Bindungen des Klägers vorliegend nicht festzustellen. Die Festsetzung der Frist erweist sich deshalb auch unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Wertentscheidungen (Art. 6 GG) und den Vorgaben aus Art. 8 EMRK als angemessen und insgesamt verhältnismäßig.
Im Übrigen kann der Kläger jederzeit einen Antrag auf Verkürzung der von dem Beklagten festgesetzten Frist nach § 11 Abs. 4 Satz 1 Aufenthaltsgesetz stellen, wenn sich die für die Festsetzung maßgeblichen Kriterien nachträglich ändern sollten.
3. Keinen rechtlichen Bedenken begegnet die auf die Vorschriften der §§ 58, 59 AufenthG gestützte Abschiebungsanordnung und -androhung.
4. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens als unterliegender Teil des Rechtsstreits zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO).
5. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 173 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.

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